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§ 57 SGB VI: Berücksichtigungszeiten

Änderungsdienst
veröffentlicht am

14.06.2021

Änderung

Änderungen/Ergänzungen in den Abschnitten 2 (Klarstellung Zuordnung KEZ bei Tod der Mutter vor 01/86), 4 (BSG Urteil vom 24.10.2013) und 4.5 (Beurteilung Geringfügigkeit).

Dokumentdaten
Stand28.05.2021
Erstellungsgrundlage in der Fassung des AVmEG vom 21.03.2001 in Kraft getreten am 01.01.2002
Rechtsgrundlage

§ 57 SGB VI

Version002.00

Inhalt der Regelung

Die Zeit der Erziehung eines Kindes bis zur Vollendung des 10. Lebensjahres ist bei einem Elternteil eine Berücksichtigungszeit, soweit die Voraussetzungen für die Anrechnung einer Kindererziehungszeit auch in dieser Zeit vorliegen (Satz 1).

Wird während der Erziehung eines Kindes bis zur Vollendung des 10. Lebensjahres eine mehr als geringfügige selbständige Tätigkeit ausgeübt, liegen Berücksichtigungszeiten nur dann vor, wenn diese Zeiten auch Pflichtbeitragszeiten sind (Satz 2).

Ergänzende/korrespondierende Regelungen

Da § 57 S. 1 SGB VI auf die maßgeblichen Anrechnungsvoraussetzungen für Kindererziehungszeiten verweist, sind immer auch die Vorschriften des § 56 Abs. 1 bis 4 SGB VI zu prüfen sowie gegebenenfalls die Sonderregelungen der § 249 Abs. 1 bis 6 SGB VI und § 249a Abs. 1 bis 2 SGB VI zu beachten (vergleiche Abschnitt 2).

Darüber hinaus enthielten die §§ 249 Abs. 7, 249a Abs. 3 SGB VI bis zum 31.12.1997 Besonderheiten zur Zuordnung von Kinderberücksichtigungszeiten zum Vater für Zeiten vor dem 01.01.1992 bei gemeinsam erziehenden Eltern, sofern diese nicht mit Kindererziehungszeiten zusammentreffen (vergleiche Abschnitte 3.5 und 3.6).

Nach § 57 Abs. 2 SGB VI konnten Berücksichtigungszeiten wegen Pflege nur dann entstehen, wenn für die Pflegeperson eine Beitragszahlung nach § 177 SGB VI möglich war. § 57 Abs. 2 SGB VI wurde, ebenso wie § 177 SGB VI, mit Wirkung ab 01.04.1995 durch Art. 5 des PflegeVG aufgehoben und als Übergangsregelung in § 279e SGB VI aufgenommen. Diese Regelung wurde wegen Zeitablaufs mit Wirkung vom 01.01.2012 durch das 4. SGB IV-ÄndG vom 22.11.2011, BGBl. I S. 3057, aufgehoben.

Allgemeines

Die Zeit der Erziehung eines Kindes bis zur Vollendung des 10. Lebensjahres ist bei einem Elternteil eine Berücksichtigungszeit, soweit die Voraussetzungen für die Anrechnung einer Kindererziehungszeit auch in dieser Zeit vorliegen (§ 57 S. 1 SGB VI). Die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen für die Anrechnung von Berücksichtigungszeiten folgen damit den Voraussetzungen für die Anrechnung von Kindererziehungszeiten. Damit ist der Personenkreis, der Berücksichtigungszeiten erhalten kann, identisch mit dem Personenkreis, dem Kindererziehungszeiten angerechnet werden können. Es ist deshalb für den gesamten Zeitraum, der maximal als Berücksichtigungszeit bis zum Ablauf des 10. Lebensjahres des Kindes angerechnet werden kann, nach den für Kindererziehungszeiten maßgebenden Regelungen zu prüfen, ob die in den GRA zu § 56 SGB VI, GRA zu § 249 SGB VI und GRA zu § 249a SGB VI beschriebenen Voraussetzungen erfüllt sind.

Das bedeutet insbesondere, dass auch Berücksichtigungszeiten

  • sowohl für Erziehungszeiten ab 01.01.1992 als auch für Erziehungszeiten vor dem 01.01.1992 anzurechnen sind,
  • nach § 56 Abs. 1 S. 2 SGB VI nur einem Elternteil anzurechnen sind,
  • nach § 56 Abs. 2 SGB VI grundsätzlich dem (überwiegend) erziehenden Elternteil zuzuordnen sind oder bei gemeinsamer Erziehung durch die Eltern mittels einer übereinstimmenden Erklärung mit Wirkung für die Zukunft beziehungsweise rückwirkend für bis zu 2 Kalendermonate vor Abgabe der Erklärung einem Elternteil zugeordnet werden können,
  • nach § 56 Abs. 3 SGB VI (in Verbindung mit § 249 Abs. 2 SGB VI) nur dann in Betracht kommen, wenn die Erziehung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erfolgt ist oder einer solchen gleichsteht (vergleiche auch GRA zu § 56 SGB VI ‘Kindererziehungszeiten’ und GRA zu § 249 SGB VI ‘Jeweiliger Geltungsbereich der Reichsversicherungsgesetze’),
  • nur dann anzurechnen sind, wenn keine Ausschlussgründe nach §§ 56 Abs. 4, 249 Abs. 3 und 4, 249a Abs. 1 SGB VI vorliegen,
  • vor dem 01.01.1986 nach § 249 Abs. 5 SGB VI glaubhaft gemacht werden können.

Darüber hinaus ist zu beachten, dass auch die für die Zuordnung von Kindererziehungszeiten vor dem 01.01.1992 geltenden Regelungen entsprechend für die zeitgleichen Berücksichtigungszeiten gelten. Berücksichtigungszeiten vor dem 01.01.1992 folgen insoweit den zeitgleichen Kindererziehungszeiten. Danach sind zum Beispiel

  • bei Tod der Mutter vor dem 01.01.1986 nach § 28a Abs. 2 AVG beziehungsweise nach § 249 Abs. 6 SGB VI die ersten 12 Kalendermonate Kindererziehungszeit und somit auch die zeitgleichen Berücksichtigungszeiten insgesamt dem Vater zuzuordnen
  • bei Zuordnung der Kindererziehungszeiten für das erste Lebensjahr zum Vater vor dem 01.01.1992 aufgrund einer fristgerechten übereinstimmenden Erklärung nach § 2a Abs. 2 AVG oder § 28a Abs. 2 AVG beziehungsweise § 249 Abs. 6 SGB VI in der Fassung bis zum 31.12.1997 die zeitgleichen Berücksichtigungszeiten ebenfalls dem Vater zuzuordnen.
    Siehe Beispiel 1

Die Zuordnung der Berücksichtigungszeiten nach Ablauf der jeweiligen Kindererziehungszeit, ist jedoch - unabhängig von der Zuordnung der Kinderberücksichtigungszeiten während der Kindererziehungszeit - eigenständig zu prüfen (vergleiche Abschnitte 3.5 und 3.6).

Berücksichtigungszeiten sind nach § 54 Abs. 1 Nr. 3 SGB VI rentenrechtliche Zeiten. Sie wirken sich - anders als Beitragszeiten oder beitragsfreie Zeiten - nicht direkt, sondern im Rahmen sonstiger rentenrechtlicher Regelungen aus. Das sind zum Beispiel die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Rente wegen Erwerbsminderung nach § 43 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 SGB VI, die Anrechnung auf die Wartezeit von 35 Jahren nach § 51 Abs. 3 SGB VI sowie die Ermittlung von Entgeltpunkten für die Gesamtleistungsbewertung nach § 71 Abs. 3 SGB VI.

Besonderheiten

Nachfolgend wird auf die Sachverhalte eingegangen, die abweichend von den Anrechnungsvoraussetzungen für Kindererziehungszeiten zu beachten sind.

Eine Beitragserstattung vor dem 01.01.1992 steht der Anrechnung von Kinderberücksichtigungszeiten nicht entgegen. Zu den Rechtsfolgen einer nach dem 31.12.1991 durchgeführten Beitragserstattung nach § 210 SGB VI gelten die Ausführungen in dem GRA zu § 210 SGB VI, Abschnitt 10.4.

Zur Zuordnung von Berücksichtigungszeiten bei gemeinsam erziehenden Eltern vor dem 01.01.1992 nach Ablauf der Kindererziehungszeit wird auf die Abschnitte 3.5 und 3.6 hingewiesen. Diese sind auch dann von Bedeutung, wenn Kindererziehungszeiten bereits aufgrund einer übereinstimmenden Erklärung der Eltern dem Vater zugeordnet und mit bindendem Bescheid anerkannt worden sind.

Umfang der Anrechnung

Berücksichtigungszeiten beginnen - anders als Kindererziehungszeiten - bereits mit dem Tag der Geburt und enden mit dem Tag der Vollendung des 10. Lebensjahres des Kindes. § 56 Abs. 5 S. 1 SGB VI ist nicht einschlägig.

Die Anrechnung einer Berücksichtigungszeit ist auch für einen Tag möglich, wenn das Kind zum Beispiel am Tag der Geburt gestorben ist. Voraussetzung ist, dass das Kind lebend geboren wurde. Nach dem bis zum 30.06.1998 geltenden Personenstandsgesetz (PStG) wurden Geburtsurkunden nur für lebend geborene Kinder ausgestellt. Totgeburten wurden bis dahin allein im Sterbebuch eingetragen (§ 24 PStG a. F.). Seit der Reform des Personenstandsgesetzes zum 01.07.1998 werden Totgeburten in das Geburtenbuch und auf Wunsch der Eltern auch in das Familienbuch eingetragen (§§ 15 Abs. 1, 21 Abs. 2 PStG). Seitdem besteht auch die Möglichkeit, die Ausstellung einer Geburtsurkunde zu beantragen. Die Geburtsurkunde enthält dann den Vermerk „totgeboren“ oder „in der Geburt verstorben“. Eine Abstammungsurkunde wird weiterhin nicht ausgestellt, weil das Kind keine Rechtsperson geworden ist. Die Vormerkung einer Berücksichtigungszeit ist für Kinder, die totgeboren wurden, ausgeschlossen.

Sofern die Voraussetzungen zur Anrechnung der Berücksichtigungszeit nicht bereits am Tag der Geburt vorliegen, sondern erst später eintreten und/oder vor Ablauf des Zehnjahreszeitraums entfallen, beginnt beziehungsweise endet die Berücksichtigungszeit entsprechend.

Gleichzeitige Erziehung von mehreren Kindern

Für jedes Kind sind Berücksichtigungszeiten von maximal zehn Jahren anzurechnen. Das gilt auch für Mehrlingsgeburten. Die Zeiten neutralisieren sich allerdings in ihrer Wirkung, soweit sie zusammentreffen. Eine Verlängerung von Berücksichtigungszeiten - wie bei Kindererziehungszeiten - erfolgt nicht. § 56 Abs. 5 S. 2 SGB VI findet keine Anwendung. Bei gleichzeitiger Erziehung von mehreren Kindern enden die Berücksichtigungszeiten daher spätestens mit der Vollendung des 10. Lebensjahres des zuletzt geborenen Kindes.

Wechsel der Erziehungsperson

Bei einem Wechsel in der Erziehung während eines Kalendermonats kann dieser Monat nur einmal als Berücksichtigungszeit angerechnet werden. Der erste Erzieher erhält die Zeit bis zum Ende des Kalendermonats, in dem der Wechsel vorgenommen wird. Beim neuen Erzieher wird die Erziehungszeit erst ab Beginn des Folgemonats angerechnet. Eine anteilige Anrechnung bei beiden Erziehungspersonen ist nicht möglich.

Ist der erste Teil eines Kalendermonats keinem Elternteil zuzuordnen, kann die Berücksichtigungszeit bereits mit der Aufnahme der Erziehung vorgemerkt werden. Das kann zum Beispiel bei einer Auslandsadoption der Fall sein (beachte GRA zu § 56 SGB VI, Abschnitt 5), oder dann, wenn ein Pflegekind unmittelbar vor Beginn des Pflegekindschaftsverhältnisses im Sinne des GRA zu § 56 SGB VI, Abschnitt 3.4 in einem Heim untergebracht war.

Berücksichtigungszeiten neben Kindererziehungszeiten

Soweit Kindererziehungszeiten anzurechnen sind, werden dadurch die mit ihnen zusammentreffenden Berücksichtigungszeiten nicht verdrängt. Die Berücksichtigungszeiten bestehen neben den Kindererziehungszeiten; sie verkürzen sich also nicht um die zeitgleichen Kindererziehungszeiten.

Berücksichtigungszeiten, die mit Kindererziehungszeiten für dasselbe Kind zusammenfallen, können zwingend nur dem Elternteil zugeordnet werden, dem auch die Kindererziehungszeiten für dieses Kind zugeordnet werden. Das gilt jedoch nicht, wenn es sich bei der Kindererziehungszeit um den Verlängerungszeitraum aufgrund der gleichzeitigen Erziehung mehrerer Kinder handelt.

Darüber hinaus ist die Berücksichtigungszeit für den Geburtsmonat grundsätzlich dem Elternteil zuzuordnen, dem auch die Kindererziehungszeit für den Monat nach der Geburt anzurechnen ist. Sofern für den Geburtsmonat jedoch eine überwiegende Erziehung durch den anderen Elternteil geltend gemacht wird und dies den tatsächlichen Verhältnissen entspricht, können diesem die Berücksichtigungszeiten für den Geburtsmonat - abweichend vom Folgemonat - zugeordnet werden.

Erziehung in den alten Bundesländern vor dem 01.01.1992

Haben Eltern ihr Kind bis zum 31.12.1991 gemeinsam erzogen, sind die Berücksichtigungszeiten grundsätzlich dem Elternteil zuzuordnen, der sein Kind - nach objektiven Gesichtspunkten betrachtet - überwiegend erzogen hat (vergleiche BSG vom 16.12.1997, AZ: 4 RA 60/97, SozR 3-2600 § 56 Nr. 10, und BSG vom 31.08.2000, AZ: B 4 RA 28/00 R).

Unabhängig davon konnten gemeinsam erziehende Eltern in den alten Bundesländern bis zum 31.12.1996 durch übereinstimmende Erklärung nach § 249 Abs. 7 SGB VI (in der Fassung bis zum 31.12.1997) bestimmen, dass die Berücksichtigungszeiten, die nicht mit Kindererziehungszeiten zusammentreffen, ganz oder teilweise dem Vater zuzuordnen sind. Ist ein Elternteil vor dem 01.01.1997 gestorben, konnte der überlebende Elternteil die Erklärung bis zum 31.03.1997 allein abgeben. Voraussetzung war jedoch in beiden Fällen, dass für die Mutter weder eine Leistung bindend festgestellt noch eine rechtskräftige Entscheidung über einen Versorgungsausgleich durchgeführt worden ist, in der diese Erziehungszeiten bereits berücksichtigt wurden. Eine wirksam abgegebene Erklärung kann nicht widerrufen werden. Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist ausgeschlossen.

Da die Erklärungsfristen spätestens mit dem 31.03.1997 abgelaufen sind, wurde Abs. 7 durch Art. 1 Nr. 86 Buchst. b) des RRG 1999 vom 16.12.1997 (BGBl. I S. 2998) mit Wirkung ab 01.01.1998 aufgehoben. Nach Ablauf der Fristen abgegebene (gegebenenfalls heute noch eingehende) übereinstimmende Erklärungen für Erziehungszeiten vor dem 01.01.1992 sind regelmäßig unwirksam. Fristgerecht abgegebene Erklärungen bleiben allerdings weiterhin wirksam.

Haben die Eltern eine übereinstimmende Erklärung nicht, nicht übereinstimmend oder nicht rechtzeitig abgegeben, ist die überwiegende Erziehung zu prüfen (vergleiche GRA zu § 56 SGB VI, Abschnitt 4.3). Lassen sich danach überwiegende Erziehungsanteile des Vaters nicht feststellen, sind die Berücksichtigungszeiten der Mutter zuzuordnen.

Siehe Beispiel 1

Erziehung in den neuen Bundesländern vor dem 01.01.1992

Auch in diesen Fällen sind die Berücksichtigungszeiten bis zum 31.12.1991 bei gemeinsam erziehenden Eltern grundsätzlich dem Elternteil zuzuordnen, der sein Kind - nach objektiven Gesichtspunkten betrachtet - überwiegend erzogen hat.

Unabhängig davon konnten gemeinsam erziehende Eltern in den neuen Bundesländern ebenfalls bis zum 31.12.1996 durch übereinstimmende Erklärung nach § 249a Abs. 3 SGB VI (in der Fassung bis zum 31.12.1997) bestimmen, dass die Berücksichtigungszeiten, die nicht mit Kindererziehungszeiten zusammentreffen, ganz oder teilweise dem Vater zuzuordnen sind. Ist ein Elternteil vor dem 01.01.1997 gestorben, konnte der überlebende Elternteil die Erklärung bis zum 31.03.1997 allein abgeben. Voraussetzung war jedoch in beiden Fällen, dass für die Mutter kein Anspruch auf eine nach den Vorschriften des Beitrittsgebiets berechnete Alters- oder Invalidenrente besteht oder aus deren Versicherung kein Anspruch auf Hinterbliebenenrente besteht oder bestanden hat. Um welche Rentenansprüche es sich im Einzelnen handelt, ist dem GRA zu § 249a SGB VI zu entnehmen.

Da auch diese Erklärungsfristen spätestens mit dem 31.03.1997 abgelaufen sind, wurde Absatz 3 durch Art. 1 Nr. 87 Buchst. b) des RRG 1999 mit Wirkung ab 01.01.1998 aufgehoben. Nach Ablauf der Fristen abgegebene (gegebenenfalls heute noch eingehende) übereinstimmende Erklärungen für Erziehungszeiten vor dem 01.01.1992 sind regelmäßig unwirksam. Fristgerecht abgegebene Erklärungen bleiben allerdings weiterhin wirksam.

Haben die Eltern eine übereinstimmende Erklärung nicht, nicht übereinstimmend oder nicht rechtzeitig abgegeben, ist die überwiegende Erziehung zu prüfen (vergleiche GRA zu § 56 SGB VI, Abschnitt 4.3). Lassen sich danach überwiegende Erziehungsanteile des Vaters nicht feststellen, sind die Berücksichtigungszeiten der Mutter zuzuordnen.

Siehe Beispiel 1

Anrechnungsausschluss bei Selbständigen

Nach § 57 S. 2 SGB VI ist die Anrechnung von Berücksichtigungszeiten während einer mehr als geringfügig ausgeübten selbständigen Tätigkeit nur dann möglich, wenn diese Zeiten auch Pflichtbeitragszeiten sind.

Entscheidend ist daher zunächst, ob während der Berücksichtigungszeiten eine selbständige Tätigkeit ausgeübt und die jeweiligen Geringfügigkeitsgrenzen überschritten wurden. Handelt es sich um eine mehr als geringfügige selbständige Tätigkeit, ist die Anrechnung von Berücksichtigungszeiten ausgeschlossen, wenn Pflichtbeiträge nicht vorhanden sind.

Selbständigen sollen die Vorteile der Berücksichtigungszeiten (zum Beispiel Erfüllung der Wartezeit von 35 Jahren, verbesserte Wertermittlung von beitragsfreien und beitragsgeminderten Zeiten) nur dann eingeräumt werden, wenn sie der Pflichtversicherung angehören. Ohne das Erfordernis von Pflichtbeitragszahlungen wären Selbständige gegenüber Arbeitnehmern, die kraft Gesetzes einkommensgerechte Beiträge zu zahlen haben, im Vorteil. Denn dann würden sich Kinderberücksichtigungszeiten selbst dann positiv auswirken, wenn nur geringe oder gar keine Beiträge gezahlt worden wären. Die Verfassungsmäßigkeit der Regelung wurde höchstrichterlich bestätigt (BSG vom 24.10.2013, AZ: B 13 R 1/13 R).

Selbständige Tätigkeit

Selbständige Tätigkeit ist jedes aktive oder direktive auf Erwerb gerichtete Handeln. Hierzu gehören nicht nur die typischen (aktiven) Erscheinungsformen, sondern auch die Formen, in denen der persönliche (zumindest direktive) Arbeitseinsatz in einer Wechselbeziehung zu einem hieraus erzielten Einkommen steht. Wird eine Erwerbstätigkeit im eigenen Namen und auf eigene Rechnung ausgeübt, handelt es sich regelmäßig um eine selbständige Tätigkeit. Auf die Art und das Maß der Mitwirkung kommt es nicht an. Selbständig ist auch, wer kraft seiner Stellung in dem Betrieb den notwendigen Einfluss zu nehmen vermag, selbst wenn er das Geschäft durch andere betreiben lässt (vergleiche BSG vom 15.12.1977, AZ: 11 RA 6/77, SozR 2200 § 1247 Nr. 19).

Nachfolgend werden die gängigen Erscheinungsformen selbständiger Tätigkeit kurz beschrieben.

  • Freiberuflich Tätige
    Zu den freiberuflich Tätigen gehören insbesondere Lehrer, Musiker, Künstler, Ärzte, Heilpraktiker, Hebammen, Schriftsteller, Rechtsanwälte, Notare, Architekten, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Journalisten, Dolmetscher, Übersetzer.
    Es handelt sich in der Regel um Dienstleistungsberufe, deren Tätigkeit grundsätzlich durch die persönliche Berufsausübung, das heißt durch die Verwertung der eigenen Arbeitskraft, gekennzeichnet ist.
  • Gewerbetreibende
    Zu den Gewerbetreibenden gehören zum Beispiel Waren-, Bank-, Versicherungs- und Verkehrskaufleute. Es handelt sich um Betriebe, die sich am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr beteiligen. Ein Gewerbe darf nur mit entsprechender Genehmigung (Gewerbezulassung), die vom örtlichen Gewerbeamt erteilt wird, betrieben werden.
  • Handwerker
    Zu den Handwerkern gehören zum Beispiel Bäcker, Friseure, Dachdecker und Maler.
    Handwerker sind regelmäßig in der Handwerksrolle eingetragen.
  • Geschäftsführende Gesellschafter
    Zu den Gesellschaften zählen insbesondere die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH), die Offene Handelsgesellschaft (OHG), die Kommanditgesellschaft (KG) und die Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR).

Angehörige von Selbständigen

Eine besondere Form der Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) stellt die sogenannte Innengesellschaft dar. Liegt eine Innengesellschaft vor, übt auch der Angehörige eine selbständige Tätigkeit aus. Handelt es sich um eine mehr als geringfügige selbständige Tätigkeit, ist die Anrechnung von Berücksichtigungszeiten in diesen Fällen abzulehnen, wenn Pflichtbeiträge nicht vorhanden sind.

Im Übrigen ist festzuhalten, dass das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung im Betrieb des Selbständigen die gleichzeitige Annahme einer selbständigen Tätigkeit im Rahmen einer Innengesellschaft grundsätzlich ausschließt. Ob die Kriterien für eine abhängige Beschäftigung erfüllt sind, ist dem GRA zu § 7 SGB IV ‘Abgrenzung zwischen selbständiger Tätigkeit und abhängiger Beschäftigung’ zu entnehmen. Bei Angehörigen, die im Betrieb des Selbständigen beschäftigt sind und insoweit der Rentenversicherungspflicht unterliegen, kann eine Innengesellschaft nicht angenommen werden.

Eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts nach § 705 BGB ist eine Vereinigung von mindestens zwei Personen zur Förderung eines von ihnen gemeinsam verfolgten Zwecks. Gesellschafter in diesem Sinne können Ehegatten, Verlobte, Lebenspartner in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft, Lebensgefährten, Verwandte, Verschwägerte und sonstige Familienangehörige sein. Bei einer Innengesellschaft treten nicht alle Gesellschafter nach außen hervor, sondern bilden nur im Verhältnis zueinander eine Gesellschaft.

Von einer Innengesellschaft zum Beispiel in Form einer Ehegattengesellschaft ist dann auszugehen, wenn die Eheleute sich aufgrund einer - auch stillschweigenden - Übereinkunft in den Dienst einer gemeinsamen, über die Verwirklichung der durch die Ehe gegebenen Lebensgemeinschaft hinausgehende Aufgabe gestellt und eine Berufsgemeinschaft gebildet haben. Allerdings nur unter der Voraussetzung, dass es sich nicht um eine völlig untergeordnete Mitarbeit des Ehegatten handelt (vergleiche hierzu auch Münchener-Kommentar zum BGB, Band 5, Schuldrecht, Besonderer Teil III, 4. Auflage 2004, Rand-Nr. 73 vor § 705; Palandt, BGB, 64. Auflage 2005 Rand-Nr. 39 ff. zu § 705, Soergel, Kommentar zum BGB, 11. Auflage, Rand-Nr. 54 vor § 705).

Das Entstehen einer solchen Ehegattengesellschaft hängt nicht vom Bewusstsein der Eheleute ab, dass ihre Beziehungen im Innenverhältnis rechtlich im Sinne der §§ 705 ff. BGB zu beurteilen sind.

Kennzeichnende Merkmale für das Vorliegen einer Ehegattengesellschaft sind danach

  • eine Beteiligung des Ehegatten am Gewinn und Verlust und/oder
  • eine dem Ehepartner etwa gleichgeordnete Stellung im Betrieb.

Von einer Ehegattengesellschaft ist beim Vorliegen der oben angeführten Merkmale auch dann auszugehen, wenn die gesellschaftsrechtlichen Verhältnisse durch arbeitsvertragliche Regelungen überlagert werden (so auch BSG vom 16.06.1982, AZ: 11 RA 42/81, SozR 2200 § 1266 Nr. 22).

Ob ein Versicherter eine seinem Ehegatten gleichgeordnete Stellung im Betrieb hat, ist anhand der vereinbarten Beschäftigungsmerkmale unter Einbeziehung der zu leistenden Arbeitszeit zu prüfen. Eine gleichgeordnete Stellung wird zum Beispiel nicht vorliegen im Verhältnis eines Arztes, Rechtsanwalts, Notars zur Ehefrau als Sekretärin, Buchhalterin, Telefonistin und dergleichen.

Eine Erwerbstätigkeit im Innenverhältnis ist auch dann anzunehmen, wenn bestimmte, auf die Person des Ehegatten bezogene Genehmigungen (Konzessionen) bestehen, die für das Betreiben des betreffenden Geschäftsbetriebes notwendig sind (zum Beispiel Schankkonzessionen nach § 2 Gaststättengesetz).

Zusammenfassend festgestellt liegt eine Ehegattengesellschaft nicht vor

  • bei einer nur geringfügigen familienhaften Mitarbeit im Rahmen des § 1353 BGB und/oder
  • bei einer nur untergeordneten Mitarbeit des Ehegatten.

Ehegatten von Selbständigen in der Landwirtschaft

Bei Landwirtschaftsbetrieben, die in das Unternehmerverzeichnis der landwirtschaftlichen Alterskasse eingetragen sind, besteht grundsätzlich die widerlegbare Vermutung einer mehr als geringfügigen selbständigen Tätigkeit beider Ehegatten. Dies gilt auch, wenn nur ein Ehegatte im Unternehmerverzeichnis eingetragen ist. Die Anrechnung von Berücksichtigungszeiten ist in diesen Fällen abzulehnen, wenn Pflichtbeiträge nicht vorhanden sind und aus dem Vorgang keine Anhaltspunkte ersichtlich sind, die zum Widerlegen der Vermutung führen könnten.

Die Vermutungsregelung findet keine Anwendung, wenn Zeit und Arbeitskraft bereits durch andere Aufgaben derart in Anspruch genommen wurden, dass eine Mitarbeit in der Landwirtschaft nur in sehr eingeschränktem (geringfügigen) Umfang möglich war. Das kann der Fall sein, wenn zum Beispiel außerhalb der Landwirtschaft eine mehr als geringfügige (versicherungspflichtige) Beschäftigung ausgeübt wurde oder ein großer Haushalt - zum Beispiel mit 5 Kindern - zu versorgen war. Es sind stets die Besonderheiten des Einzelfalles zu betrachten; eine generelle Aussage lässt sich nicht treffen.

Ermittlung des Arbeitseinkommens bei Landwirten

Maßgebendes Einkommen aus landwirtschaftlicher Tätigkeit ist grundsätzlich der von der Finanzbehörde nach dem Bewertungsgesetz im Einheitswertbescheid für das land- und forstwirtschaftliche Vermögen (§ 1 Abs. 6 ALG) festgelegte Wirtschaftswert des landwirtschaftlichen Unternehmens.

Bei nicht buchführungspflichtigen Landwirten, deren Gewinn nach § 13a EStG ermittelt wird, ist nach § 15 Abs. 2 SGB IV für Zeiten ab dem 01.01.1995 an Stelle des oben genannten Wirtschaftswertes, der sogenannte kumulierte Wirtschaftswert (der sich aus § 32 Abs. 6 ALG ergibt) als Arbeitseinkommen heranzuziehen. In diesen Fällen ermitteln die landwirtschaftlichen Alterskassen auf Antrag der Rentenversicherungsträger nach Vorlage der maßgebenden Einheitswertbescheide (in den neuen Bundesländern gegebenenfalls des Grundsteuermessbescheides) und Einkommenssteuerbescheide das zu berücksichtigende Einkommen.

Die Art der Gewinnermittlung (§ 13a EStG) im Rahmen des Einkommenssteuergesetzes kann regelmäßig dem Einkommenssteuerbescheid entnommen werden.

Sind beide Ehegatten selbständig tätige Landwirte, ist jedem Ehegatten die Hälfte des festgelegten (gegebenenfalls kumulierten) Wirtschaftswertes zuzurechnen (Wirtschaftswert geteilt durch 2 geteilt durch 12 ist gleich monatliches Einkommen für die Prüfung der Geringfügigkeit - vergleiche Abschnitt 4.5).

Mehr als geringfügige selbständige Tätigkeit

Ob es sich um eine geringfügige oder mehr als geringfügige selbständige Tätigkeit handelt, wird im Rahmen des § 57 S. 2 SGB VI regelmäßig für einen in der Vergangenheit liegenden Zeitraum – also rückschauend betrachtet – beurteilt.

Die Feststellung, ob eine selbständige Tätigkeit mehr als geringfügig war, richtet sich nach den in den jeweiligen Erziehungszeiten geltenden Vorschriften.

In den alten Bundesländern ist somit vom 01.03.1957 bis 30.06.1977 auf § 4 Abs. 2 AVG und ab 01.07.1977 bis laufend auf die jeweiligen Fassungen des § 8 SGB IV abzustellen. § 8 SGB IV ist ab 01.01.1991 auch in den neuen Bundesländern anzuwenden; allerdings unter Berücksichtigung der für das Beitrittsgebiet geltenden Bezugsgröße. Seit dem 01.04.1999 gelten im gesamten Bundesgebiet einheitliche Geringfügigkeitsgrenzen. Die im Einzelnen zu beachtenden entgeltlichen Geringfügigkeitsgrenzen ergeben sich aus Aktuelle Werte "Geringfügigkeitsgrenzen". Darüber hinaus ist für Zeiten ab 01.01.1979 neben der entgeltlichen zusätzlich die zeitliche Geringfügigkeitsgrenze zu beachten. Danach liegt Geringfügigkeit auch bei Einhaltung der Entgeltgrenze nur dann vor, wenn die Tätigkeit regelmäßig weniger als 15 Stunden in der Woche ausgeübt wird. Seit dem 01.04.2003 ist die zeitliche Geringfügigkeitsgrenze weggefallen.

Soweit es um die im Beitrittsgebiet bis zum 31.12.1990 geltenden Vorschriften geht, wird auf die GRA zu § 248 SGB VI, Abschnitt 4.3 ff. ‘Pflichtversicherte Selbständige’ verwiesen.

Beachte:

Wurde für den in der Vergangenheit liegenden Zeitraum bereits im Rahmen einer früheren Prüfung der Versicherungspflicht nach §§ 2, 4 Abs. 2 SGB VI über die Geringfügigkeit der selbständigen Tätigkeit - auf der Basis einer vorausschauenden gewissenhaften Schätzung entschieden – ist diese frühere Entscheidung maßgebend. Das gilt grundsätzlich selbst dann, wenn die tatsächlichen Verhältnisse - rückschauend betrachtet - nicht der ursprünglichen gewissenhaften Schätzung entsprechen.

Pflichtbeitragszeiten

Während einer mehr als geringfügig ausgeübten selbständigen Tätigkeit ist die Anrechnung von Berücksichtigungszeiten immer nur dann zulässig, wenn Pflichtbeitragszeiten vorliegen.

Es reicht aus, wenn Pflichtbeiträge - gegebenenfalls auch nur für den Teilmonat - gezahlt wurden oder als gezahlt gelten. Um welche Art von Pflichtbeiträgen es sich handelt, ist unbeachtlich. Es kommen nicht nur Pflichtbeiträge aufgrund der selbständigen Tätigkeit (zum Beispiel nach § 2 SGB VI) in Betracht, sondern sämtliche Pflichtbeiträge im Sinne von § 55 Abs. 1 SGB VI. Das sind zum Beispiel Pflichtbeiträge wegen Kindererziehung (hierzu gehören auch die Pflichtbeiträge wegen Kindererziehung, die als Verlängerungszeiträume nach § 56 Abs. 5 S. 2 SGB VI anzuerkennen sind), aus einer daneben ausgeübten abhängigen Beschäftigung oder aus einer geringfügig ausgeübten Beschäftigung mit Verzicht auf die Versicherungsfreiheit. Die Zahlung von Pauschalbeiträgen durch den Arbeitgeber nach § 172 Abs. 3 SGB VI reicht allerdings nicht aus.

Bei (Pflicht-) Beiträgen, die zu einer berufsständischen Versorgungseinrichtung gezahlt wurden, handelt es sich nicht um Pflichtbeitragszeiten im Sinne des § 57 S. 2 SGB VI (LSG Niedersachsen-Bremen vom 18.03.2010, AZ: L 10 R 198/09, BSG vom 24.10.2013, AZ: B 13 R 1/13 R). Pflichtbeitragszeiten sind nach der Legaldefinition in § 55 Abs. 1 S. 1 und 2 SGB VI solche Zeiten, für die nach Bundesrecht Pflichtbeiträge tatsächlich gezahlt worden sind oder als gezahlt gelten; wobei es sich nach dem Sachzusammenhang um Beiträge zur deutschen gesetzlichen Rentenversicherung handeln muss.

Bei versicherungspflichtigen Handwerkern und antragspflichtversicherten Selbständigen, die vor dem 01.01.1992 von dem Recht Gebrauch gemacht haben, Pflichtbeiträge nur für jeden zweiten Kalendermonat zu zahlen, sind die nicht mit Beiträgen belegten Monate mit ungerader Ordnungszahl keine Pflichtbeitragszeiten im Sinne von § 55 Abs. 1 SGB VI (AGFAVR 2/2001, TOP 2).

Siehe Beispiel 2

Berücksichtigungszeiten mit Auslandsberührung

Die Voraussetzungen für die Anrechnung von Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung im Ausland folgen den Voraussetzungen für die Anrechnung von Kindererziehungszeiten im Ausland. Dies gilt für den gesamten Zeitraum, der maximal als Berücksichtigungszeit angerechnet werden kann, also bis zu zehn Jahren, beginnend mit dem Tage der Geburt. Die GRA zu § 56 SGB VI, Abschnitt 5, Gewöhnlicher Aufenthalt im Inland sowie Abschnitt 6, Gleichgestellte Kindererziehungszeiten im Ausland gelten entsprechend.

Bei der Prüfung der Voraussetzungen des § 57 S. 2 SGB VI (Anrechnungsausschluss bei Selbständigen - vergleiche Abschnitt 4) können Pflichtbeiträge nach ausländischem Recht für die Prüfung der Voraussetzungen des § 57 S. 2 SGB VI nicht herangezogen werden, weil weder das inner- noch das über- und zwischenstaatliche Recht eine erforderliche Gleichstellungsregelung enthalten.

Bei Erziehung in einem anderen Mitgliedstaat der EU/des EWR beziehungsweise der Schweiz ist darüber hinaus zu beachten, dass die Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit, die den Rechtsvorschriften des Erziehungsstaats unterliegt, die Anrechnung von Erziehungszeiten beendet und somit die Anwendung des § 57 S. 2 SGB VI ausschließt.

Bei Erziehung im Inland ist umgekehrt das Diskriminierungsverbot innerhalb der EU zu beachten. Wird eine mehr als geringfügige selbständige Tätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat der EU/des EWR beziehungsweise der Schweiz ausgeübt, sind die Voraussetzungen des § 57 S. 2 SGB VI als erfüllt anzusehen, wenn für diese Tätigkeit bei Ausübung im Inland Pflichtbeiträge zu entrichten wären (zum Beispiel selbständig tätige Lehrer). Die Möglichkeit der Antragspflichtversicherung (§ 4 SGB VI oder entsprechende Vorgängerregelungen) bleibt hierbei außer Betracht.

Beispiel 1: Zuordnung von Erziehungszeiten

(Beispiel zu Abschnitte 2, 3.5 und 3.6)

Der Vater eines am 10.01.1975 geborenen Kindes beantragt im Jahr 2002 die Feststellung von Berücksichtigungszeiten vom 10.01.1975 bis 09.01.1985.

Er hat das Kind gemeinsam mit seiner Frau erzogen, ohne dass eine überwiegende Erziehung vorlag.

Kindererziehungszeiten wurden bereits aufgrund einer übereinstimmenden Erklärung der gemeinsam erziehenden Eltern für die Zeit vom 01.02.1975 bis 31.01.1976 mit Bescheid vom 10.01.1988 beim Vater anerkannt.

Lösung:

Dem Vater sind Berücksichtigungszeiten vom 10.01.1975 bis 31.01.1976 anzurechnen.
Die Zuordnung der mit Kindererziehungszeiten zusammentreffenden Berücksichtigungszeiten folgt den Kindererziehungszeiten.

Für die Zeit vom 01.02.1976 bis 09.01.1985 ist die Anrechnung von Berücksichtigungszeiten beim Vater abzulehnen, weil die gemeinsam erziehenden Eltern eine übereinstimmende Erklärung nach § 249 Abs. 7 SGB VI (in der Fassung bis 31.12.1997) über die Zuordnung der Berücksichtigungszeiten zum Vater bis zum 31.12.1996 nicht abgegeben haben.

Beispiel 2: Anrechnungsausschluss bei mehr als geringfügig selbständig Tätigen ohne Pflichtbeiträge

(Beispiel zu Abschnitt 4.6)

Im Antrag auf Feststellung von Berücksichtigungszeiten gibt die Versicherte an, dass sie während der gesamten Erziehungszeit vom 10.01.1975 bis 09.01.1985 mehr als geringfügig selbständig tätig war. Das Konto weist folgende Zeiten aus:

Pflichtbeiträge als Handwerker vom 01.01.1975 bis 30.06.1975

Kindererziehungszeit vom 01.02.1975 bis 31.01.1976

Pflichtbeiträge als Handwerker vom 01.01.1976 bis 30.06.1976, 01.01.1977 bis 30.06.1977 und 01.01.1978 bis 31.12.1983

Freiwillige Beiträge vom 01.01.1984 bis 31.01.1985

Lösung:

Die Versicherte hat von dem Recht Gebrauch gemacht, Pflichtbeiträge als Handwerker nur für jeden zweiten Kalendermonat zu zahlen. Die Anrechnung der Berücksichtigungszeit für den Geburtsmonat Januar 1975, vom 01.03.1976 bis 30.11.1977 für jeden Kalendermonat mit ungerader Ordnungszahl und vom 01.01.1984 bis 31.01.1985 ist abzulehnen, weil in dieser Zeit eine mehr als geringfügige selbständige Tätigkeit ausgeübt wurde, für die keine Pflichtbeiträge gezahlt sind. Die bisherige Speicherung der Pflichtbeiträge als Handwerker für die Jahre 1975 bis 1977 ist fehlerhaft und so zu korrigieren, dass nur jeder zweite Kalendermonat mit gerader Ordnungszahl mit einem Pflichtbeitrag belegt ist.

AVmEG vom 21.03.2001 (BGBl. I S. 403)

Inkrafttreten: 01.01.2002

Quelle zum Entwurf: BT-Drucksache 14/4595

Artikel 1 des AVmEG beinhaltet die Änderungen im SGB VI. In § 57 SGB VI wurde ein zweiter Satz angefügt, wonach die Anrechnung von Berücksichtigungszeiten während einer mehr als geringfügig ausgeübten selbständigen Tätigkeit nur noch dann möglich ist, soweit diese Zeiten auch Pflichtbeitragszeiten sind. Dementsprechend wurden die bisherigen Regelungen in §§ 43 Abs. 4 S. 2, 51 Abs. 3, 71 Abs. 3 S. 2 SGB VI, die in diesen Fällen lediglich die weitere Wirkung beziehungsweise Bewertung von Berücksichtigungszeiten einschränkten, gestrichen. Die Einschränkungen bei Ausübung einer mehr als geringfügigen selbständigen Tätigkeit werden dadurch nicht mehr in verschiedenen Vorschriften, sondern an zentraler Stelle im Gesetz geregelt.

PflegeVG vom 26.05.1994 (BGBl. I S. 1014)

Inkrafttreten: 01.01.1995

Quelle zum Entwurf: BT-Drucksache 12/5262

Durch Artikel 5 des Pflege-Versicherungsgesetzes vom 26.05.1994 (BGBl. I S. 1014) ist § 57 Abs. 2 SGB VI im Zusammenhang mit der Einführung der Versicherungspflicht für Pflegepersonen nach § 3 S. 1 Nr. 1a SGB VI mit Wirkung ab 01.04.1995 aufgehoben worden. Ab 01.04.1995 können daher Berücksichtigungszeiten wegen Pflege nicht mehr entstehen. Der bisherige Abs. 2 wurde daher als Übergangsregelung in § 249b SGB VI eingestellt.

RRG 1992 vom 18.12.1989 (BGBl. I S. 2261)

Inkrafttreten: 01.01.1992

Quelle zum Entwurf: BT-Drucksache 11/4124

Mit dem Gesetz zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung (RRG 1992) und der Einführung des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) vom 18.12.1989 (BGBl. I S. 2261) wurden als neue rentenrechtliche Zeiten (vergleiche § 54 Abs. 1 Nr. 3 SGB VI) Berücksichtigungszeiten nach § 57 SGB VI eingeführt.

Es handelt sich hierbei um

Während Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung nach § 57 Abs. 1 SGB VI auch für Erziehungszeiten vor dem 01.01.1992 anzurechnen sind, ist die Anrechnung von Berücksichtigungszeiten wegen Pflege nach § 57 Abs. 2 SGB VI auf die Zeit ab 01.01.1992 beschränkt.

Die rentenrechtlichen Auswirkungen der nach § 57 SGB VI anzuerkennenden Berücksichtigungszeiten waren in den §§ 43 Abs. 3, 51 Abs. 3, 71 Abs. 3, 240 Abs. 2 SGB VI geregelt.

Recht bis zum 31.12.1991

Eine dem § 57 SGB VI vergleichbare Vorschrift enthielt das bis zum 31.12.1991 geltende AVG/RVO-Recht nicht.

Zusatzinformationen

Rechtsgrundlage

§ 57 SGB VI