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Art. 84 VO (EG) Nr. 883/2004: Einziehung von Beiträgen und Rückforderung von Leistungen

Änderungsdienst
veröffentlicht am

12.11.2019

Änderung

Aktualisiert im Rahmen des Abgleichs

Dokumentdaten
Stand05.10.2015
Version001.01

Inhalt der Regelung

Art. 84 VO (EG) Nr. 883/2004 regelt die Einziehung von Beiträgen und die Rückforderung von überzahlten Sozialleistungen in grenzüberschreitenden Fällen.

Kernpunkte dieser Vorschrift sind die Anerkennung von Vollstreckungstiteln im anderen Mitgliedstaat und die gegenseitige Amtshilfe in Beitreibungs- und Vollstreckungsangelegenheiten.

Art. 84 Abs. 1 VO (EG) Nr. 883/2004 bestimmt, dass geschuldete Beiträge und überzahlte Sozialleistungen auch in einem anderen Mitgliedstaat beigetrieben werden können.

Art. 84 Abs. 2 VO (EG) Nr. 883/2004 ordnet die Anerkennung und Gleichstellung mitgliedstaatlicher vollstreckbarer Entscheidungen an.

Art. 84 Abs. 3 VO (EG) Nr. 883/2004 regelt die Gleichstellung privilegierter Forderungen.

Art. 84 Abs. 4 VO (EG) Nr. 883/2004 verweist für das weitere Verfahren auf die Durchführungsverordnung und ergänzende Vereinbarungen.

Ergänzende/korrespondierende Regelungen

Die nähere Umsetzung der Regelung des Art. 84 VO (EG) Nr. 883/2004 wird in Art. 71 bis 85 VO (EG) Nr. 987/2009 geregelt.

Art. 71 VO (EG) Nr. 987/2009 hat dabei die Funktion einer Wegweiserregelung, in dem sie auf die beiden Möglichkeiten des Ausgleichs und der Beitreibung verweist.

Die Art. 72 bis 74 VO (EG) Nr. 987/2009 regeln den Ausgleich von Forderungen (vergleiche GRA zu Art. 72 VO (EG) Nr. 987/2009) und die Art. 75 bis 85 VO (EG) Nr. 987/2009 enthalten die Durchführungsbestimmungen zur Beitreibung von Forderungen (siehe auch Abschnitt 5). Der Ausgleich ist vorrangig vor der Beitreibung.

Betroffene Forderungen und anzuwendendes Recht

Art. 84 Abs. 1 VO (EG) Nr. 883/2004 hat sowohl einen koordinierenden als auch einen kollisionsrechtlichen Aspekt:

  • Koordinierend wird bestimmt, dass Beitragsforderungen und zu Unrecht erbrachte Leistungen im Wege der Amtshilfe in einem anderen Mitgliedstaat eingezogen beziehungsweise zurückgefordert werden können (vergleiche Abschnitte 2.1 und 2.2).
  • Kollisionsrechtlich ordnet er an, dass für das Verfahren das Recht des Mitgliedstaates gilt, in dem die Forderung vollstreckt werden soll (vergleiche Abschnitt 3).

Beitragsforderungen

Die Vorschrift bezieht sich einerseits auf „Beiträge, die geschuldet werden“ (Beitragsforderungen) gegen einzelne natürliche Personen oder juristische Personen, die im Wege der Amtshilfe gegenüber diesem Beitragsschuldner im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats durchgesetzt werden können.

Für die Beitragsforderungen können die Bestimmungen der Art. 73 und der Art. 75 ff. VO (EG) Nr. 987/2009 einschlägig sein, nicht aber Art. 72 VO (EG) Nr. 987/2009, da sich diese ausdrücklich nur auf „nicht geschuldete Leistungen“ bezieht. Der Art. 73 VO (EG) Nr. 987/2009 dürfte in Bezug auf Beitragsforderungen für die Rentenversicherungsträger in der Praxis wenig von Bedeutung sein, da hiervon in erster Linie die Einzugsstellen betroffen sind.

Vorrangig dürften Beitragsforderungen aus anderen Mitgliedstaaten daher an die Rentenversicherungsträger als Beitreibungsersuchen nach Art. 78 VO (EG) Nr. 987/2009 herangetragen werden; in der GRA zu Art. 78 VO (EG) Nr. 987/2009 wird in diesem Zusammenhang auf die Zuständigkeit - insbesondere im Verhältnis zur Krankenversicherung - näher eingegangen.

Umgekehrt werden Beitragsforderungen deutscher Rentenversicherungsträger regelmäßig als Beitreibungsersuchen nach Art. 78 VO (EG) Nr. 987/2009 an die zuständigen Träger im anderen Mitgliedstaat gerichtet.

Bezüglich des Verfahrens für Beitragsforderungen wurden im Verhältnis zu verschiedenen Mitgliedstaaten (Belgien, Frankreich, Italien und Luxemburg) noch unter Herrschaft des Art. 92 VO (EWG) Nr. 1408/71 zwischenstaatliche Vereinbarungen getroffen, die in Anhang 1 zur VO (EG) Nr. 987/2009 aufgeführt sind und weiterhin vorrangig zu beachten sind (vergleiche GRA zu Art. 78 VO (EG) Nr. 987/2009 ); bezüglich der besonderen Verfahren nach diesen Vereinbarungen vergleiche bitte GRA zu Art. 78 VO (EG) Nr. 987/2009, Anlage 1. Im Verhältnis zu allen anderen Mitgliedstaaten findet regelmäßig uneingeschränkt Art. 78 VO (EG) Nr. 987/2009 Anwendung.

Rückforderung von Leistungen

Art. 84 Abs. 1 VO (EG) Nr. 883/2004 erfasst neben den Beitragsforderungen (vergleiche Abschnitt 2.1) andererseits auch Forderungen wegen „nicht geschuldeter Leistungen“ (zu Unrecht erbrachte Leistungen).

Für die zu Unrecht erbrachten Leistungen sind im Bereich der Rentenversicherung insbesondere die Regelungen

In Zusammenhang mit dem Verfahren zur Beitreibung nach Art. 78 VO (EG) Nr. 987/2009 beachte bitte auch Abschnitt 5, in dem die sonstigen Vorschriften, die für die Beitreibung von Bedeutung sind, aufgeführt werden.

Anerkennung der Gleichwertigkeit

Art. 84 Abs. 2 VO (EG) Nr. 883/2004 bestimmt, dass Urteile und Bescheide über Beitragsforderungen, inklusive Zinsen und sonstiger Kosten, sowie Urteile/Bescheide über die Rückforderungen von Leistungen auf Antrag des fordernden Trägers in einem anderen Mitgliedstaat anerkannt und vollstreckt werden. Damit werden fremd-mitgliedstaatliche Urteile und Bescheide grundsätzlich als gleichwertig mit entsprechenden eigenen Urteilen und Bescheiden anerkannt.

Die Anerkennung durch den zuständigen Trägers des Staates, in dem die Forderung beigetrieben und vollstreckt werden soll, kann entweder unmittelbar erfolgen oder durch eine separate Vollstreckbarkeitserklärung. Art. 84 Abs. 2 Satz 2 VO (EG) Nr. 883/2004 bestimmt, dass entsprechende Urteile und Bescheide einer Vollstreckungsklausel bedürfen, wenn dies nach den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaates, in dem letztlich vollstreckt werden, erforderlich ist (vergleiche hierzu GRA zu Art. 79 VO (EG) Nr. 987/2009).

In Deutschland ist keine zusätzliche Vollstreckungsklausel erforderlich, sodass mitgliedstaatliche Vollstreckungstitel nach Art. 84 Abs. 2 VO (EG) Nr. 883/2004 in Verbindung mit Art. 79 Abs. 1 VO (EG) Nr. 987/2009 unmittelbar anerkannt und vollstreckt werden können.

Bezüglich der Besonderheiten im Verhältnis zu einzelnen Mitgliedstaaten beachte bitte GRA zu Art. 78 VO (EG) Nr. 987/2009, Anlage 1.

Vorrang von sozialversicherungsrechtlichen Forderungen

Art. 84 Abs. 3 VO (EG) Nr. 883/2004 regelt, dass sozialversicherungsrechtliche Forderungen aus einem anderen Mitgliedstaat bei Zwangsvollstreckungen, Konkurs oder Vergleich die gleichen Vorrechte wie die eigenen sozialversicherungsrechtlichen Forderungen genießen.

Nach deutschem Recht gibt es seit Ablösung der Konkursordnung (KonkursO) durch die Insolvenzordnung (InsO) am 01.01.1999 kein "Masseprivileg" mehr für Forderungen aufgrund nicht geleisteter Sozialversicherungsbeiträge, sondern diese sind innerhalb einer Rangfolge zu befriedigen. Somit sind aufgrund der Regelung des Art. 84 Abs. 3 VO (EG) Nr. 883/2004 beispielsweise geschuldete Sozialversicherungsbeiträge eines anderen Mitgliedstaats im Rahmen einer deutschen Firmeninsolvenz mit der selben Rangfolge einzuordnen wie geschuldete deutsche Sozialversicherungsbeiträge.

Verfahren

Das Verfahren zur Durchführung wird nach Art. 84 Abs. 4 VO (EG) Nr. 883/2004 im Weiteren durch die Durchführungsverordnung (dort: Kap. III der VO (EG) Nr. 987/2009) geregelt beziehungsweise kann in bilateralen Vereinbarungen zwischen den Mitgliedstaaten geregelt werden.

Art. 71 VO (EG) Nr. 987/2009 hat dabei die Funktion einer Wegweiserregelung, in dem sie auf die beiden Möglichkeiten

Der Ausgleich ist nach dem Wortlaut von Art. 71 Satz 2 VO (EG) Nr. 987/2009 vorrangig vor der Beitreibung zu prüfen.

Für die Beitreibung sind nachfolgende Bestimmungen der VO (EG) Nr. 987/2009 von Bedeutung:

VO (EG) Nr. 883/2004 vom 29.04.2004

Inkrafttreten: 20.05.2004

ABl. (EU) Nr. L 200/1 vom 07.06.2004 (berichtigte Fassung)

Anzuwenden ab: 01.05.2010

Art. 84 VO (EG) Nr. 883/2004 ist mit der VO (EG) Nr. 883/2004 vom 29.04.2004 am 20.05.2004 in Kraft getreten und ab 01.05.2010 anwendbar (Art. 91 Satz 2 VO (EG) Nr. 883/2004).

Die Vorgängervorschrift zu Art. 84 VO (EG) Nr. 883/2004 war der Art. 92 VO (EWG) Nr. 1408/71. Neu im Verhältnis zur Vorgängerregelung ist, dass seit 01.05.2010 nicht nur Beitragsforderungen, sondern auch zu Unrecht bezogene Leistungen von der Amtshilfevorschrift erfasst werden und dass durch Art. 84 VO (EG) Nr. 883/2004 unmittelbar die Gleichwertigkeit entsprechender Forderungen geregelt wird.

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