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Art. 82 VO (EG) Nr. 987/2009: Grenzen der Amtshilfe bei Beitreibungsersuchen

Änderungsdienst
veröffentlicht am

21.08.2019

Änderung

Aktualisierung hinsichtlich der EESSI-Begrifflichkeiten und der Änderung der Zuständigkeit

Dokumentdaten
Stand12.08.2019
Version002.00

Inhalt der Regelung

Art. 82 VO (EG) Nr. 987/2009 normiert, dass die ersuchte Partei (Geschäftsprozessteilnehmer) die Amtshilfe aus zwei Gründen verweigern kann:

generell verweigert werden, wenn die Forderung älter als fünf Jahre ist (siehe Abschnitt 3).

Die Ablehnungsgründe muss der Geschäftsprozessteilnehmer nach Art. 82 Abs. 2 VO (EG) Nr. 987/2009 dem ersuchenden Träger (Geschäftsprozessinhaber) mitteilen (siehe Abschnitt 4).

Ergänzende/korrespondierende Regelungen

Art. 82 VO (EG) Nr. 987/2009 ist eine der Durchführungsnormen zu Art. 84 Abs. 2 VO (EG) Nr. 883/2004.

Art. 75 VO (EG) Nr. 987/2009 definiert die für Art. 82 VO (EG) Nr. 987/2009 notwendigen Begrifflichkeiten.

In den Art. 76 VO (EG) Nr. 987/2009 (Auskunftsersuchen), Art. 77 VO (EG) Nr. 987/2009 (Zustellungsersuchen) und Art. 78 VO (EG) Nr. 987/2009 (Beitreibungsersuchen) wird die Durchführung der eigentlichen Beitreibung geregelt; auf die entsprechenden GRA wird verwiesen.

Wirtschaftliche oder soziale Schwierigkeiten des Schuldners

Art. 82 Abs. 1 Buchst. a VO (EG) Nr. 987/2009 regelt, wann im Rahmen der Verfahren nach Art. 78 VO (EG) Nr. 987/2009 bis Art. 81 VO (EG) Nr. 987/2009 die Amtshilfe verweigert werden kann. Es handelt sich dabei um die Verfahren in Zusammenhang mit einem Beitreibungsersuchen nach Art. 78 VO (EG) Nr. 987/2009.

Über Buchstabe a kann die Amtshilfe seitens des Geschäftsprozessteilnehmers verweigert werden, wenn der Schuldner dadurch in „wirtschaftliche oder soziale Schwierigkeiten“ gerät. Dadurch soll sichergestellt werden, dass die Zumutbarkeit der Beitreibung und Vollstreckung von mitgliedstaatlichen Forderungen nicht über das Maß von entsprechenden nationalen Forderungen hinausgehen darf.

Bezogen auf die Regelungen des SGB bedeutet dies, dass keine Hilfebedürftigkeit im Sinne der Vorschriften des SGB XII - also keine Sozialhilfebedürftigkeit - eintreten darf. Daraus folgt, dass ein deutscher Träger, der von einem Träger in einem anderen Mitgliedstaat um Amtshilfe im Rahmen eines Beitreibungsverfahrens ersucht wird, grundsätzlich die Pfändungsfreibeträge nach § 850c ZPO zu berücksichtigen hat.

Diese Prüfung erfolgt bei Anwendung von Vollstreckungsmaßnahmen nach § 66 SGB X nicht unmittelbar durch die Deutsche Rentenversicherung Bund, sondern obliegt vielmehr den Vollstreckungsorganen; in Bezug auf eingehende Beitreibungsersuchen aus den Mitgliedstaaten, für die die Deutsche Rentenversicherung Bund zuständig ist, sind dies die Hauptzollämter. Da nach § 5 VwVG für das Verwaltungszwangsverfahren und den Vollstreckungsschutz die Vorschriften der Abgabenordnung (AO) Anwendung finden, sind über § 319 AO, der auf die Vorschriften der Zivilprozessordnung (ZPO) verweist, die Beschränkungen und Verbote aus §§ 850 bis 852 ZPO entsprechend von den Hauptzollämtern zu beachten.

Soll hingegen die Beitreibung der mitgliedstaatlichen Forderung im Wege einer Verrechnung nach § 52 SGB I i. V. m. § 51 SGB I erfolgen, so muss die Deutsche Rentenversicherung Bund unmittelbar entweder nach § 51 Abs. 1 SGB I die Pfändungsfreibeträge nach § 850c ZPO beachten oder kann nach § 51 Abs. 2 SGB l maximal bis zur Hälfte der Rente verrechnen, sofern hierdurch keine Sozialhilfebedürftigkeit eintritt.

Sofern die Vollstreckungsorgane oder der Rentenversicherungsträger selbst im Einzelfall feststellen, dass die Beitreibung im Sinne des Art. 78 VO (EG) Nr. 987/2009 aus wirtschaftlichen oder sozialen Gründen im Sinne des Art. 82 Abs. 1 Buchst. a VO (EG) Nr. 987/2009 nicht möglich ist, so hat die Deutsche Rentenversicherung Bund den Geschäftsprozessinhaber im anderen Mitgliedstaat entsprechend zu informieren. Im SED R018 ist dafür ein entsprechender Abschnitt vorgesehen (vergleiche auch Abschnitt 5).

Ausschlussfrist von 5 Jahren

Nach Art. 82 Abs. 1 Buchst. b VO (EG) Nr. 987/2009 kann der Geschäftsprozessteilnehmer die Amtshilfe bei

ablehnen, wenn die Forderung älter als fünf Jahre ist.

Der Fünf-Jahres-Zeitraum berechnet sich dabei vom Zeitpunkt der Ausstellung des Vollstreckungstitels und des Datums des ersten Ersuchens nach Art. 76 VO (EG) Nr. 987/2009, Art. 77 VO (EG) Nr. 987/2009 oder Art. 78 VO (EG) Nr. 987/2009.

Bezogen auf deutsche Forderungen ist daher grundsätzlich das Datum des Forderungsbescheides maßgeblich, sofern der Bescheid nicht angefochten wurde. Im Fall einer Anfechtung ist der Zeitpunkt der Bestandskraft des Widerspruchsbescheides beziehungsweise der Rechtskraft des Urteils ausschlaggebend für den Beginn der Fünf-Jahres-Frist.

Siehe Beispiel 1

Informationspflicht bei Verweigerung der Amtshilfe

Sofern die Amtshilfe in einem Auskunfts-, Zustellungs- oder Beitreibungsersuchen aus den Gründen nach Art. 82 Abs. 1 Buchst. a oder b VO (EG) Nr. 987/2009 oder auch aus sonstigen Gründen abgelehnt wird, ist dies nach Art. 82 Abs. 2 VO (EG) Nr. 987/2009 dem Geschäftsprozessinhaber mit dem zutreffenden Grund mitzuteilen. Zum Verfahren vergleiche bitte Abschnitt 5.

Datenaustausch/Formulare

Im Rahmen von EESSI sind für das Auskunftsersuchen nach Art. 76 VO (EG) Nr. 987/2009, das Zustellungsersuchen nach Art. 77 VO (EG) Nr. 987/2009 und das Beitreibungsersuchen nach Art. 78 VO (EG) Nr. 987/2009 für den Datenaustausch jeweils sogenannte Strukturierte Elektronische Dokumente (SEDs) vorgesehen, die unter anderem auch immer ein Antwort-SED enthalten:

  • SED R014: Antwort auf ein Auskunftsersuchen;
  • SED R016: Antwort auf ein Zustellungsersuchen;
  • SED R018: Antwort auf ein Beitreibungsersuchen.

Im Falle einer Ablehnung der Amtshilfe aus Gründen im Sinne von Art. 82 Abs. 1 Buchst. a oder b VO (EG) Nr. 987/2009 ist dies dem Geschäftsprozessinhaber immer mitzuteilen, da nach Art. 82 Abs. 2 VO (EG) Nr. 987/2009 eine Begründung erforderlich ist.

Im SED R018 ist ausdrücklich ein entsprechender Abschnitt für die Ablehnung der Amtshilfe vorgesehen; in den SEDs R014 und R016 können die freien Textfelder für die Begründung genutzt werden.

Während der EESSI-Übergangszeit nach Art. 95 VO (EG) Nr. 987/2009 sind die SEDs als Papiervordrucke zu verwenden.

Beispiel 1: Bestimmung der 5-Jahres-Frist

(Beispiel zu Abschnitt 3)

Erlass eines Rückforderungsbescheides wegen überzahlter Rente nach § 50 SGB X am 20.02.2008. Der Schuldner hat seinen Wohnsitz in Frankreich.

Widerspruch wurde eingelegt am 05.03.2008. Der Widerspruch hat aufschiebende Wirkung.

Nach Ablehnung des Widerspruchs wurden fristgerecht vom Schuldner Klage und Berufung eingelegt.

Berufungsurteil zugunsten der Behörde am 10.05.2015.

Erstellung eines Beitreibungsersuchen nach Art. 78 VO (EG) Nr. 987/2009 an den französischen Träger am 01.06.2015.

Lösung:

Beginn der Fünfjahresfrist nach Art. 82 Abs. 1 Buchst. b VO (EG) Nr. 987/2009 ist der Ablauf der Rechtsmittelfrist bezogen auf das Berufungsurteil, also der 09.08.2015.

Obwohl der Rückforderungsanspruch aus dem Jahre 2008 resultiert, kann dennoch ein Beitreibungsersuchen nach Art. 78 VO (EG) Nr. 987/2009 an den französischen Träger gerichtet werden.

VO (EG) Nr. 987/2009 vom 16.09.2009

Inkrafttreten: 01.05.2010

Quelle: Amtsblatt (EU) Nr. L 284/1 vom 30.10.2009

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