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Art. 81 VO (EG) Nr. 987/2009: Anfechtung von Forderungen oder Beitreibungsmaßnahmen

Änderungsdienst
veröffentlicht am

14.03.2020

Änderung

redaktionelle Änderung: Verweis berichtigt

Dokumentdaten
Stand12.08.2019
Version003.00

Inhalt der Regelung

Art. 81 VO (EG) Nr. 987/2009 enthält Verfahrensregelungen, wenn im Rahmen eines Beitreibungsersuchens nach Art. 78 VO (EG) Nr. 987/2009 ein Rechtsbehelf gegen

  • die eigentliche Forderung (Absätze 1 und 2) oder
  • gegen die Beitreibungsmaßnahmen (Absatz 3)

eingelegt wird.

Absatz 1 regelt das Verfahren bei Anfechtung des Vollstreckungstitels.

Absatz 2 stellt die Auswirkungen einer solchen Anfechtung auf das Beitreibungsverfahren dar.

Absatz 3 befasst sich mit der Anfechtung der Vollstreckungsmaßnahmen.

Über Absatz 4 wird ein Urteil, das im Rahmen eines Rechtsbehelfsverfahrens nach Absatz 1 durch ein ordentliches Gericht oder ein Verwaltungsgericht zugunsten der ersuchenden Partei (des Geschäftsprozessinhabers) getroffen wird (Bestätigung der Forderung), automatisch zum Vollstreckungstitel, auf dessen Grundlage die weitere Beitreibung unmittelbar erfolgt.

Ergänzende/korrespondierende Regelungen

Art. 81 VO (EG) Nr. 987/2009 ist eine der Durchführungsnormen zur Vollstreckung (Art. 84 VO (EG) Nr. 883/2004). Das eigentliche Beitreibungsverfahren ist in Art. 78 VO (EG) Nr. 987/2009 geregelt (siehe GRA zu Art. 78 VO (EG) Nr. 987/2009).

Definitionen zu den Begrifflichkeiten aus Art. 81 VO (EG) Nr. 987/2009 finden sich in Art. 75 VO (EG) Nr. 987/2009 (siehe GRA zu Art. 75 VO (EG) Nr. 987/2009).

Der GRA zu Art. 84 VO (EG) Nr. 987/2009 können nähere Informationen zu Vorsorgemaßnahmen entnommen werden.

In der GRA zu Art. 85 VO (EG) Nr. 987/2009 wird beschrieben, wie zu verfahren ist, wenn im Einzelfall eine Kostenerstattung erfolgen soll.

Anfechtung eines Vollstreckungstitels

Art. 81 Abs. 1 VO (EG) Nr. 987/2009 regelt, wie zu verfahren ist, wenn die Forderung oder der Vollstreckungstitel erst im Rahmen des Beitreibungsverfahrens angefochten wird. Absatz 1 bestimmt, dass für ein solches Rechtsbehelfsverfahren die Rechtsvorschriften des ersuchenden Mitgliedstaates gelten, also das Recht des Staates, aus dem die Forderung stammt.

Ein Beitreibungsersuchen kann nach Art. 78 Abs. 2 VO (EG) Nr. 987/2009 nur dann gestellt werden, wenn die Forderung oder der Vollstreckungstitel nicht angefochten wurden. Das bedeutet in Bezug auf etwaige deutsche Forderungen, dass die Beitreibungsersuchen grundsätzlich erst dann bei einem Träger eines anderen Mitgliedstaates gestellt werden können, wenn der deutsche Forderungsbescheid bestandskräftig geworden ist und nicht durch einen Rechtsbehelf angefochten wurde.

Die Vorschrift regelt auch, dass Betroffene ihren Rechtsbehelf unmittelbar beim Träger des ersuchenden Staates einlegen müssen. Der Geschäftsprozessinhaber muss in einem solchen Fall den ersuchten Träger (Geschäftsprozessteilnehmer) im anderen Mitgliedstaat umgehend über die Anfechtung informieren. Auch der Betroffene selbst kann den Geschäftsprozessteilnehmer, der gegen ihn Beitreibungsmaßnahmen erlassen hat, unmittelbar in Kenntnis setzen. In der Praxis wird der Schuldner aber vermutlich häufig im Rahmen der Beitreibungsmaßnahmen Einwendungen im Vollstreckungsstaat geltend machen, sodass der Geschäftsprozessteilnehmer den Träger aus dem Mitgliedstaat, aus dem die eigentliche Forderung stammt, über die die Anfechtung (Einwände) informieren wird.

Auswirkungen der Anfechtung

Nach Art. 81 Abs. 2 1. Unterabs. VO (EG) Nr. 987/2009 unterbricht die Anfechtung grundsätzlich das Beitreibungsverfahren und der Geschäftsprozessteilnehmer setzt umgehend seine Beitreibungsmaßnahmen aus bis eine abschließende Rückäußerung des Geschäftsprozessinhabers erfolgt ist. Das bedeutet, dass der Träger im Ursprungsland der Forderung die Anfechtung beziehungsweise die Einwände des Schuldners prüft und dann dem Geschäftsprozessteilnehmer mitteilt, wie hinsichtlich der Beitreibung weiter zu verfahren ist.

Der 2. Unterabsatz lässt Ausnahmen von dieser Beitreibungsunterbrechung zu, wenn das Recht in beiden beteiligten Mitgliedstaaten eine Fortführung der Beitreibung zulässt. Eine Fortsetzung des Beitreibungsverfahrens ist dann möglich, wenn die Anfechtung der Forderung keine Aussetzung der Vollziehung zur Folge hat (zum Beispiel weil ein Rechtsbehelf keine aufschiebende Wirkung hat). Insoweit ist dies zunächst zwischen den beteiligten Trägern zu klären.

Ungeachtet der Möglichkeit zur Fortsetzung der Beitreibungsmaßnahmen nach dem 2. Unterabsatz kann der Geschäftsprozessteilnehmer - ohne einen Antrag des Geschäftsprozessinhabers - aber Sicherungsmaßnahmen nach seinen Rechtsvorschriften ergreifen, welche die Beitreibung der Forderung letztlich sicherstellen. Bezüglich der Sicherungsmaßnahmen wird auf Art. 84 VO (EG) Nr. 987/2009 verwiesen (siehe GRA zu Art. 84 VO (EG) Nr. 987/2009).

Haftung des Geschäftsprozessinhabers

Art. 81 Abs. 2 2. Unterabs. S. 2 VO (EG) Nr. 987/2009 regelt für die Fälle, in denen das Rechtsbehelfsverfahren zugunsten des Schuldners abgeschlossen wurde und die beigetriebenen Beträge somit zu Unrecht eingezogen wurden, dass sich die Haftung und eventuelle Kostenerstattung nach den Rechtsvorschriften des Geschäftsprozessteilnehmers richten. Es gilt somit das Recht des Mitgliedstaates, in dem die Beitreibung erfolgt ist (siehe hierzu auch GRA zu Art. 85 VO (EG) Nr. 987/2009).

Die Deutsche Rentenversicherung ist Geschäftsprozessteilnehmer

Ist an die Deutsche Rentenversicherung Bund (in ihrer Funktion als zentrale Stelle) als Geschäftsprozessteilnehmer ein Amtshilfeersuchen nach Art. 78 VO (EG) Nr. 987/2009 zur Beitreibung einer ausländischen Forderung gerichtet worden und wird im ersuchenden Mitgliedstaat der Vollstreckungstitel nach den dortigen Rechtsvorschriften angefochten, so hat dies zur Folge, dass ab Kenntnis der Anfechtung die Vollstreckungsmaßnahmen in Deutschland grundsätzlich auszusetzen sind.

Der Geschäftsprozessinhaber muss den deutschen Rentenversicherungsträger umgehend über die Anfechtung der Forderung informieren und bei seiner Mitteilung eine Aussage treffen, ob die Beitreibung im Einzelfall fortgesetzt werden soll. Sollen die Vollstreckungsmaßnahmen danach fortgesetzt werden, so ist zu prüfen, ob dies nach deutschem Recht zulässig ist. Sofern nach deutschem Recht die Anfechtung aufschiebende Wirkung hat (§ 86a SGG), können die Vollstreckungsmaßnahmen nicht fortgesetzt werden. Tritt keine aufschiebende Wirkung ein (zum Beispiel bei Beitragsforderungen), so ist die Fortsetzung der Beitreibungsmaßnahmen trotz Anfechtung zulässig. Ist die Beitreibung aufgrund der Anfechtung zu unterbrechen, so ist das zuständige Vollstreckungsorgan (zum Beispiel Hauptzollamt, Gerichtsvollzieher) zu informieren.

Für die Abstimmung zwischen den Trägern ist ein Informationsaustausch mittels Strukturierter Elektronischer Dokumente (SEDs - siehe auch Abschnitt 5) vorgesehen: Danach informiert der Geschäftsprozessinhaber (mitgliedstaatlicher Träger) den Geschäftsprozessteilnehmer (Träger der DRV) mit Hilfe des SEDs R019 über die Anfechtung und ob die Beitreibung fortgesetzt werden soll. Der Träger der Deutschen Rentenversicherung teilt im Anschluss im SED R033 mit, ob die Beitreibungsmaßnahmen - entsprechend den Regelungen des deutschen Rechts - fortgesetzt oder bis zum Abschluss des Anfechtungsverfahrens ausgesetzt werden.

Erfolgt die Information über die Anfechtung direkt durch den Schuldner gegenüber dem deutschen Vollstreckungsorgan (zum Beispiel Hauptzollamt, Gerichtsvollzieher) oder dem deutschen Träger, so ist die Vollstreckung grundsätzlich auszusetzen und es obliegt dem deutschen Rentenversicherungsträger, mit dem SED R019 den Geschäftsprozessinhaber im anderen Mitgliedstaat über die Anfechtung zu informieren. Es bleibt dann die Antwort des Geschäftsprozessinhabers abzuwarten; für die Rückmeldung des Geschäftsprozessinhabers ist das SED R033 vorgesehen. Das weitere Vorgehen bestimmt sich nach der Mitteilung des Geschäftsprozessinhabers: Entweder teilt dieser mit, dass die Vollstreckungsmaßnahmen fortgesetzt werden sollen oder dass sie bis zum Abschluss des Anfechtungsverfahrens auszusetzen sind. Das zuständige Vollstreckungsorgan ist entsprechend in Kenntnis zu setzen, insbesondere, wenn die Vollstreckung fortgesetzt werden kann.

Die Deutsche Rentenversicherung ist Geschäftsprozessinhaber

Sofern ein Träger der Deutschen Rentenversicherung einen Träger in einem anderen Mitgliedstaat nach Art. 78 VO (EG) Nr. 987/2009 um Amtshilfe bei der Beitreibung einer deutschen Forderung ersucht hat, ist hinsichtlich der Anfechtung nach Art. 81 Abs. 1 VO (EG) Nr. 987/2009 entscheidend, ob die Anfechtung des Vollstreckungstitels aufschiebende Wirkung hat oder nicht.

Da ein Beitreibungsersuchen nach Art. 78 VO (EG) Nr. 987/2009 in der Regel erst dann an den mitgliedstaatlichen Träger zu richten ist, wenn die Rechtsbehelfsfrist gegen den Forderungsbescheid (Vollstreckungstitel) abgelaufen und der Bescheid unanfechtbar ist, dürfte regelmäßig die Anfechtung der Forderung nicht mehr zulässig sein.

Es besteht im Rahmen von Art. 81 VO (EG) Nr. 987/2009 gleichwohl die Verpflichtung, dem Geschäftsprozessteilnehmer die Einlegung des Rechtsbehelfs mitzuteilen (SED R019), wenn der Schuldner im Rahmen der Beitreibung durch den mitgliedstaatlichen Träger unmittelbar Einwände gegen den Forderungstitel bei der Deutschen Rentenversicherung geltend macht. Dabei ist anzugeben, ob die Beitreibungsmaßnahmen im Mitgliedstaat des Geschäftsprozessteilnehmers weiter fortzusetzen (keine aufschiebende Wirkung) oder auszusetzen sind (aufschiebende Wirkung). Der Geschäftsprozessteilnehmer teilt im ersten Fall gegebenenfalls mit, ob die Beitreibung einer angefochtenen Forderung nach seinen Rechtsvorschriften unzulässig ist (SED R033).

Nach Abschluss eines etwaigen deutschen Rechtsbehelfs-(Überprüfungs-)verfahrens ist der Geschäftsprozessteilnehmer über das Ergebnis in Kenntnis zu setzen (SED R034). Dabei ist anzugeben, inwieweit die Beitreibungsmaßnahmen (endgültig) einzustellen oder wieder aufzunehmen sind.

Denkbar ist auch, dass der Geschäftsprozessteilnehmer unmittelbar vom Schuldner über die Anfechtung der Forderung informiert wird beziehungsweise dieser im Rahmen der Beitreibungsmaßnahmen Einwände gegen die Forderung geltend macht. Sofern der Geschäftsprozessteilnehmer den Träger der Deutschen Rentenversicherung mit dem SED R019 oder anderweitig über die Anfechtung informiert, ist zu prüfen, ob es sich tatsächlich um eine wirksame Anfechtung oder sonstige Einwände des Schuldners handelt. Der Träger im anderen Mitgliedstaat (Geschäftsprozessteilnehmer) ist anschließend mittels SED R033 zu informieren, ob die Beitreibungsmaßnahmen fortzusetzen (keine aufschiebende Wirkung) oder auszusetzen sind (aufschiebende Wirkung).

Anfechtung der Vollstreckungsmaßnahmen

Sofern der Schuldner nicht die Forderung selbst, sondern die eigentlichen Beitreibungsmaßnahmen des Geschäftsprozessteilnehmers anfechtet, gilt für dieses Verfahren das Recht des Geschäftsprozessteilnehmers (Art. 81 Abs. 3 VO (EG) Nr. 987/2009).

Der Geschäftsprozessinhaber ist insoweit in dieses Rechtsbehelfsverfahren nicht involviert, da nicht seine Forderung strittig ist, sondern die Beitreibungsmaßnahmen angefochten werden.

Die Deutsche Rentenversicherung ist Geschäftsprozessteilnehmer

Bei dieser Fallkonstellation wird die Amtshilfe der Beitreibung durch die Deutsche Rentenversicherung Bund (in ihrer Funktion als zentrale Stelle) gewährt und die Einwände des Schuldners richten sich insofern gegen die entsprechenden deutschen Vollstreckungsmaßnahmen. Sofern es sich dabei um Maßnahmen der Zwangsvollstreckung handelt, ist die Deutsche Rentenversicherung Bund grundsätzlich nicht unmittelbar in eine eventuelle Anfechtung der Beitreibungsmaßnahme involviert, sondern wird gegebenenfalls vom zuständigen Vollstreckungsorgan – dem im Einzelfall zuständigen Hauptzollamt - informiert.

Im Falle einer Anfechtung der Vollstreckungsmaßnahmen ist der Geschäftsprozessinhaber darüber mittels SED R019 in Kenntnis zu setzen und abschließend mit dem SED R034 über das Ergebnis zu informieren.

Das SED R033 kann von dem Geschäftsprozessinhaber genutzt werden, um ergänzende Informationen zu übermitteln.

Die Deutsche Rentenversicherung ist Geschäftsprozessinhaber

Die Anfechtung der Beitreibungs- und Vollstreckungsmaßnahmen richtet sich nach dem Recht des Geschäftsprozessteilnehmers. Der Träger der Deutschen Rentenversicherung als Geschäftsprozessinhaber erhält in diesem Fall die Mitteilung des Geschäftsprozessteilnehmers über die Anfechtung der Vollstreckungsmaßnahme (SED R019) und zu einem späteren Zeitpunkt eine Information über das Ergebnis (SED R034).

Sofern der deutsche Träger über ergänzende Informationen verfügt, die hinsichtlich der Anfechtung der Beitreibungsmaßnahmen von Bedeutung sein könnten, so kann für die Unterrichtung des Geschäftsprozessteilnehmers das SED R033 genutzt werden.

Urteile in Zusammenhang mit der Anfechtung

Nach Art. 81 Abs. 4 VO (EG) Nr. 987/2009 sind Entscheidungen von Verwaltungsgerichten oder ordentlichen Gerichten über die Anfechtung von Vollstreckungstiteln im Fall einer Entscheidung zugunsten des Geschäftsprozessinhabers als „Vollstreckungstitel“ nach Art. 78 VO (EG) Nr. 987/2009 und Art. 79 VO (EG) Nr. 987/2009 zu betrachten, sofern diese eine Beitreibung der Forderung im Mitgliedstaat des Geschäftsprozessinhabers ermöglichen.

Im Ergebnis kann die Beitreibung auf der Grundlage des Urteils dann fortgesetzt werden.

Datenaustausch/Formulare

Im Rahmen von EESSI sind für die Mitteilung über die Anfechtung von Vollstreckungstiteln beziehungsweise Vollstreckungsmaßnahmen eigene Strukturierte Elektronische Dokumente (SEDs) vorgesehen:

  • SED R019: Mitteilung über Anfechtung;
  • SED R033: Antwort auf Mitteilung über die Anfechtung;
  • SED R034: Entscheidung über Anfechtung.

Die Information kann von beiden beteiligten Trägern eröffnet werden, je nachdem welche Seite zuerst Kenntnis von der Anfechtung erhält.

Während der EESSI-Übergangszeit nach Art. 95 VO (EG) Nr. 987/2009 sind die vorgenannten SEDs als Papiervordrucke zu verwenden.

Auch in der Stabilisierungsphase (Beschluss Nr. E7 der Verwaltungskommission) können die SEDs weiterhin als Papiervordrucke genutzt werden.

VO (EG) Nr. 987/2009 vom 16.09.2009

Inkrafttreten: 01.05.2010

Quelle: Amtsblatt (EU) Nr. L 284/1 vom 30.10.2009

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