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Art. 85 VO (EG) Nr. 987/2009: Beitreibungskosten

Änderungsdienst
veröffentlicht am

14.03.2020

Änderung

redaktionelle Änderung: Verweis berichtigt

Dokumentdaten
Stand12.08.2019
Version003.00

Inhalt der Regelung

Art. 85 VO (EG) Nr. 987/2009 regelt, wer die Kosten eines Beitreibungsverfahrens zu tragen hat. Dabei wird in Kosten der Amtshilfe und Kosten der Beitreibung unterschieden.

Absatz 1 regelt die Kostenzuweisung. Danach hat der Forderungsschuldner, gegen den sich die Beitreibung richtet, grundsätzlich auch sämtliche Kosten des Beitreibungsverfahrens zu tragen, denn die ersuchte Partei (Geschäftsprozessteilnehmer) hat diese nach ihren Vorschriften beim Schuldner einzuziehen (siehe Abschnitt 2).

Absatz 2 enthält den Grundsatz der kostenfreien Amtshilfe. Sie erfolgt sowohl bei der Beitreibung als auch der Auskunft und Zustellung unentgeltlich (siehe Abschnitt 3). Bei besonderen Problemen oder bei besonders hohen Kosten kann aber im Einzelfall eine Erstattung nach Absprache zwischen den Trägern erfolgen (siehe Abschnitt 4).

Absatz 3 regelt die Haftungsfrage. Die ersuchende Partei (Geschäftsprozessinhaber) ist dem Geschäftsprozessteilnehmer zur Erstattung von Kosten und Verlusten verpflichtet, wenn sich herausstellt, dass ein Beitreibungsverfahren wegen einer unbegründeten Forderung oder eines ungültigen Titels zu Unrecht durchgeführt wurde (siehe Abschnitt 5).

Ergänzende/korrespondierende Regelungen

Art. 84 VO (EG) Nr. 883/2004 ermöglicht die grenzüberschreitende Einziehung von Beiträgen und Rückforderung von Leistungen in den Mitgliedstaaten. In den Art. 75 VO (EG) Nr. 987/2009 bis Art. 86 VO (EG) Nr. 987/2009 wird dazu Näheres geregelt.

Art. 75 VO (EG) Nr. 987/2009 enthält die notwendigen gesetzlichen Begriffsbestimmungen für das Verfahren (Legaldefinitionen). Das Auskunftsverlangen (Art. 76 VO (EG) Nr. 987/2009) und das Zustellungsersuchen (Art. 77 VO (EG) Nr. 987/2009) sind Vorstufen für das eigentliche Beitreibungsersuchen (Art. 78 VO (EG) Nr. 987/2009).

Art. 81 Abs. 2, 2. Unterabs. VO (EG) Nr. 987/2009 regelt Haftungsfragen im Falle von Anfechtungen. Die Erstattung dieser Kosten erfolgten im Rahmen von Art. 85 VO (EG) Nr. 987/2009.

Der Beschluss Nr. R1 der Verwaltungskommission für die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit vom 20.06.2013 über die Auslegung des Art. 85 VO (EG) Nr. 987/2009 (ABl. EU C 279/11 vom 27.09.2013) enthält weitere Ausführungen, wie die Kostenregelungen ab 27.09.2013 zu verstehen sind.

Beitreibungskosten

Art. 85 Abs. 1 VO (EG) Nr. 987/2009 enthält den Grundsatz, dass der Schuldner die Kosten, die in Zusammenhang mit dem Beitreibungsverfahren entstehen, zu tragen hat. Beitreibungskosten sind Kosten, die dem Geschäftsprozessteilnehmer bei externen Stellen entstehen (beispielsweise Gerichtsvollzieherkosten oder ähnliches). Im Grunde handelt sich um Auslagen für dritte Stellen, die zunächst der Geschäftsprozessteilnehmer zu tragen hat, bis sie vom Schuldner beigetrieben werden können. Der Kostenrahmen richtet sich dabei nach den Rechtsvorschriften des Geschäftsprozessteilnehmers, also nach dem Recht des Trägers, der in Amtshilfe die Beitreibungsmaßnahmen durchführt (in Deutschland beispielsweise über § 66 SGB X und § 19 VwVG nach § 337 Abs. 1 AO und den §§ 338 bis 346 AO).

Die Beitreibungskosten werden gemäß den Rechts- und Verwaltungsvorschriften des Geschäftsprozessteilnehmers berechnet und sind generell vom Schuldner zusätzlich zu dem geschuldeten Betrag der Forderung des Geschäftsprozessinhabers zu zahlen. Nach der Prioritätsregel für die Kosten werden dem Geschäftsprozessteilnehmer zuerst die Beitreibungskosten erstattet (Beschluss Nr. R1 Ziffer 3) und erst danach wird die Forderung des Geschäftsprozessinhabers beglichen (Art. 81 Abs. 1 VO (EG) Nr. 987/2009).

Können die Beitreibungskosten nicht zusätzlich zur Forderung des Geschäftsprozessinhabers eingezogen werden, ist es zulässig, die Kosten vom beigetriebenen Betrag abzuziehen. Der Geschäftsprozessteilnehmer überweist dem Geschäftsprozessinhaber dann nur noch die Differenz und belegt gleichzeitig anhand von Nachweisen, dass ihm die Beitreibungskosten entstanden sind (Beschluss Nr. R1 Ziffer 4). Reicht der beigetriebene Betrag nicht aus, um die Beitreibungskosten zu decken oder ist die Beitreibungsmaßnahme gänzlich erfolglos verlaufen, so hat der Geschäftsprozessinhaber dem Geschäftsprozessteilnehmer die angefallenen Beitreibungskosten zu erstatten (Beschluss Nr. R1 Ziffer 5). Bei wahrscheinlich sehr hohen Beitreibungskosten kann vorab eine Kostentragungsgarantie vom Geschäftsprozessinhaber eingeholt werden (siehe Abschnitt 4).

Amtshilfekosten

Die Amtshilfe des Geschäftsprozessteilnehmers ist nach Art. 85 Abs. 2 S. 1 VO (EG) Nr. 987/2009 für den Geschäftsprozessinhaber grundsätzlich kostenlos (Beschluss Nr. R1 Ziffer 1). Amtshilfekosten sind Kosten, die dem Geschäftsprozessteilnehmer bei seiner Tätigkeit durch die Amtshilfe selbst entstehen (beispielsweise Personal- oder Portokosten). Der Grundsatz der Kostenfreiheit gilt nicht nur für die Amtshilfe in Beitreibungsersuchen, sondern auch bei sonstiger Amtshilfe nach den Art  75 ff. VO (EG) Nr. 987/2009, etwa bei Auskunftsverlangen oder Zustellungsersuchen. So werden Zustellungskosten für mitgliedstaatliche Vollstreckungstitel oder Kosten für gegebenenfalls erforderliche Übersetzungen dieser Bescheide von der Deutschen Rentenversicherung regelmäßig nicht beim Geschäftsprozessinhaber geltend gemacht.

In Einzelfällen, in denen das Beitreibungsersuchen besondere Probleme beim Geschäftsprozessteilnehmer verursacht, kann eine Erstattung in Abstimmung zwischen dem Geschäftsprozessteilnehmer und dem Geschäftsprozessinhaber erfolgen (siehe Abschnitt 4).

Erstattungsvereinbarungen

Die Parteien können nach Art. 85 Abs. 2 S. 2 VO (EG) Nr. 987/2009 im Einzelfall spezielle Erstattungsvereinbarungen für die Beitreibungs- und Amtshilfekosten treffen. Möglich ist dies, wenn eine Beitreibung besondere Probleme beispielsweise durch äußere Umstände bereitet, sodass sehr hohe Amtshilfekosten entstehen. Bei absehbaren hohen Beitreibungskosten sind solche Vorabvereinbarungen somit zulässig (Kostentragungsgarantie), insbesondere wenn unklar ist, ob die Kosten beim Schuldner eingezogen werden können. In Einzelfällen, in denen sehr hohe externe Kosten anfallen oder wenn Zweifel hinsichtlich der Übernahme solcher Kosten bestehen, ist es ratsam - vor der Einleitung kostenverursachender Maßnahmen - eine entsprechende Vereinbarung zwischen Geschäftsprozessteilnehmers und Geschäftsprozessinhaber zu treffen (Beschluss Nr. R1 Ziffer 6 - zum Verfahren siehe Abschnitt 6).

Haftung

Nach Art. 85 Abs. 3 VO (EG) Nr. 987/2009 haftet der Geschäftsprozessinhaber für sämtliche Kosten und Verluste des Geschäftsprozessteilnehmers, die diesem im Rahmen eines Beitreibungsersuchens entstehen. Dies gilt sowohl für unbegründete Forderungen als auch ungültige Titel. Die Haftungsregelung des Absatzes 3 bezieht sich damit auch auf Art. 81 Abs. 2 VO (EG) Nr. 987/2009, wonach ein Beitreibungsersuchen im Fall der Anfechtung der Forderung auf Wunsch des Geschäftsprozessinhabers im anderen Mitgliedstaat weiter betrieben werden kann, der Geschäftsprozessinhaber aber für etwaige Schäden beim Geschäftsprozessteilnehmer haftet.

Formblätter/Verfahren

Die Kommunikation zwischen den mitgliedstaatlichen Trägern soll grundsätzlich in elektronischer Form erfolgen (Art. 4 Abs. 2 VO (EG) Nr. 987/2009). Dazu sind Strukturierte Elektronische Dokumente (SEDs) entwickelt worden (Art. 1 Abs. 2 Buchst. d VO (EG) Nr. 987/2009).

Für das Kostenerstattungsverfahren von Beitreibungsmaßnahmen sind die folgenden SEDs vorgesehen:

  • SED R028 (Ersuchen um Erstattung von Kosten),
  • SED R029 (Antwort auf das Ersuchen um Erstattung von Kosten);
  • SED R004 (Zahlungsmitteilung).

Die SEDs R028 und R029 können sowohl für die vorläufige wie auch die endgültige Abstimmung über die Kostenübernahme genutzt werden.

Mit dem vorläufigen Ersuchen um Erstattung (SED R028) wird der Geschäftsprozessinhaber um Tragung sehr hoher Beitreibungskosten gebeten (siehe Abschnitt 4), wenn diese voraussichtlich nicht beim Schuldner eingezogen werden können und daher aller Wahrscheinlichkeit nach zu Verlusten beim Geschäftsprozessteilnehmer führen. Wenn der Geschäftsprozessinhaber laut Antwort im SED R029 für diese Kosten nicht die Haftung übernimmt, werden seitens der Deutschen Rentenversicherung keine (weiteren) Beitreibungsmaßnahmen ergriffen und dies dem Geschäftsprozessinhaber mitgeteilt (SED R018).

Das endgültige Ersuchen um Erstattung (SED R028) enthält Angaben zu den tatsächlich angefallenen Beitreibungskosten, die nicht vom Schuldner beigetrieben werden konnten, wenn die Beitreibungsmaßnahmen nicht beziehungsweise nur teilweise erfolgreich waren. Nachweise über Beitreibungskosten werden in bestätigter Kopie beigefügt. Bei der Kostenübernahme antwortet der Geschäftsprozessinhaber mit dem SED R029 und übersendet zusätzlich noch das SED R004 für die Zahlungsmitteilung bei Überweisung des Betrages.

Auch bei der Haftung für Kosten und Verluste, die dem Geschäftsprozessteilnehmer durch unbegründete Forderungen oder ungültige Titel entstanden sind, werden die oben genannten SEDs verwendet. Das SED R028 wird vom Geschäftsprozessteilnehmer an den Geschäftsprozessinhaber übersandt, damit eine Erstattung der tatsächlich entstandenen Kosten und Verluste erfolgen kann. Das Ersuchen kann auch voraussichtlich veranschlagte Kosten oder Verluste beinhalten, wenn diese noch nicht endgültig feststehen. Dann ist ein zweites R028 zu übersenden, um den tatsächlichen Betrag zu benennen. Das SED R029 wird vom Geschäftsprozessinhaber übersandt, um die Haftung für die Kosten und/oder Verluste zu bestätigen oder eine begründete Erklärung der Ablehnung zu übersenden.

Auch in der Stabilisierungsphase (Beschluss Nr. E7 der Verwaltungskommission) können die SEDs weiterhin als Papiervordrucke genutzt werden.

VO (EG) Nr. 987/2009 vom 16.09.2009

Inkrafttreten: 01.05.2010

Quelle: Amtsblatt (EU) Nr. L 284/1 vom 30.10.2009

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