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Art. 72 VO (EG) Nr. 987/2009: Ausgleich von Forderungen - Rückforderung nicht geschuldeter Leistungen

Änderungsdienst
veröffentlicht am

12.06.2023

Änderung

Die GRA wurde insgesamt aktualisiert: Bezüge zum Verfahren außerhalb EESSI wurden gelöscht, Verlinkungen zur EESSI Verfahrensbeschreibung gesetzt und das Bürgergeld (ab 01.01.2023) ergänzt.

Dokumentdaten
Stand31.05.2023
Version002.00

Inhalt der Regelung

Art. 72 VO (EG) Nr. 987/2009 räumt den Trägern der Rentenversicherung sowie den Trägern der anderen, nach Art. 3 VO (EG) Nr. 883/2004 zum sachlichen Geltungsbereich der Verordnung gehörenden Zweige der sozialen Sicherheit und den Stellen, die Sozialhilfe zahlen, das Recht ein, von den ebenfalls zur Leistung verpflichteten Trägern anderer Mitgliedstaaten den Ausgleich zu viel gezahlter Leistungen zu fordern.

Der Absatz 1 sieht unter Beachtung des jeweiligen nationalen Rechts für alle Sozialleistungsträger für nicht geschuldete Leistungen einen Forderungsausgleich aus mitgliedstaatlichen Nachzahlungsbeträgen und laufenden Zahlungen bei allen Sozialleistungsträgern vor.

Absatz 2 ermöglicht für Rentennachzahlungen einen unbeschränkten Forderungsausgleich zwischen einem mitgliedstaatlichen Rentenversicherungsträger und einem anderen mitgliedstaatlichen Rentenversicherungsträger, bei dem eine Überzahlung infolge der Anwendung von Kapitel 4 oder 5 VO (EG) Nr. 883/2004 entstanden ist.

Absatz 3 regelt unter Beachtung des jeweiligen nationalen Rechts den Ausgleich mit Sozialleistungen für Stellen, die Sozialhilfe (Leistungen der Fürsorge) zahlen. S. 2 hat für die deutsche Rentenversicherung keine Bedeutung, da Leistungen für Familienangehörige (Kinderzuschuss zur Rente) nicht mehr gezahlt werden.

Art. 72 VO (EG) Nr. 987/2009 gilt für Forderungen aufgrund zu viel gezahlter Leistungen, die mit Leistungen in einem anderen Mitgliedstaat ausgeglichen werden sollen. Hierunter fallen auch Forderungen nach § 118 Abs. 4 S. 1 SGB VI und § 50 Abs. 2 SGB X in Verbindung mit § 118 Abs. 4 S. 4 SGB VI, die nach dem Tod des Berechtigten entstanden sind. Andere Forderungen, wie zum Beispiel Beitragsforderungen, Schadenersatzansprüche, Zwangsgelder und Geldbußen, können hingegen über Art. 72 VO (EG) Nr. 987/2009 nicht zurückerlangt werden. Derartige Forderungen sowie Forderungen, die nicht über Art.72 VO (EG) Nr. 987/2009 ausgeglichen werden können, werden gegebenenfalls im Rahmen einer Beitreibung nach Art. 78 VO (EG) Nr. 987/2009 (vergleiche auch GRA zu Art. 78 VO (EG) Nr. 987/2009) geltend gemacht.

Ergänzende/korrespondierende Regelungen

  • Art. 84 VO (EG) Nr. 883/2004
    Diese Vorschrift schafft die Grundlage dafür, dass Forderungen aufgrund von nicht geschuldeten Leistungen grenzüberschreitend ausgeglichen werden können. Art. 72 VO (EG) Nr. 987/2009 regelt das Verfahren für einen Ausgleich zwischen den verschiedenen Leistungsträgern.
  • Art. 71 VO (EG) Nr. 987/2009
    Forderungen werden vorrangig im Wege des Ausgleichs nach Art. 72 VO (EG) Nr. 987/2009 geltend gemacht, bevor nachrangig die Beitreibung über Art. 75 ff. VO (EG) Nr. 987/2009 erfolgt.
  • Art. 74 VO (EG) Nr. 987/2009
    Diese Vorschrift regelt die Kostenfrage für den grenzüberschreitenden Forderungsausgleich nach Art. 72 VO (EG) Nr. 987/2009 bei nicht geschuldeten Leistungen.
  • Beschluss Nr. H3 der Verwaltungskommission vom 15.10.2009 in der Fassung des Beschlusses Nr. H7 vom 25.06.2015
    Ziffer 6 des Beschlusses bestimmt den für das Verfahren zum Ausgleich einer Forderung anzuwendenden Umrechnungskurs.
  • § 118 Abs. 4 S. 1 SGB VI und § 50 Abs. 2 SGB X in Verbindung mit § 118 Abs. 4 S. 4 SGB VI
    Diese Vorschriften regeln den Erstattungsanspruch des Trägers der Rentenversicherung gegenüber den Empfängern, Verfügenden beziehungsweise Erben des Verstorbenen auf über den Tod hinaus gezahlte Geldleistungen.
  • § 87 Abs. 1 SGB X
    Diese Vorschrift nimmt Bezug auf die Verrechnung von Nachzahlungen nach § 52 SGB I und verpflichtet den um Verrechnung ersuchten deutschen Leistungsträger zur Auszahlung der Geldleistung an den Berechtigten, sofern die Höhe der Forderung innerhalb von zwei Monaten nach Zugang des Verrechnungsersuchens oder innerhalb von zwei Monaten ab dem Zeitpunkt, zu dem die Auszahlung frühestens möglich war, nicht bekannt ist.
  • § 103 SGB X, § 104 SGB X und § 52 SGB I in Verbindung mit § 51 Abs. 2 SGB I
    Diese Vorschriften sehen einen Forderungsausgleich (Erstattungsanspruch, Verrechnung) bei überzahlten Leistungen von einem Sozialleistungsträger auf einen anderen Sozialleistungsträger in Deutschland vor und legen die Grenzen hierfür im nationalen Recht fest.

Forderungsausgleich zwischen mitgliedstaatlichen Trägern (Absatz 1)

Art. 72 Abs. 1 VO (EG) Nr. 987/2009 regelt den Forderungsausgleich zwischen allen Trägern der Mitgliedstaaten, die nach Art. 3 VO (EG) Nr. 883/2004 zum sachlichen Geltungsbereich der Verordnungen gehören, sowie zwischen sämtlichen Leistungen, die sie zahlen. Hat ein Träger eines Mitgliedstaates einer Person nicht geschuldete Leistungen ausgezahlt, kann diese Überzahlung mit jeder anderen Leistung eines mitgliedstaatlichen Trägers ausgeglichen werden. Der Begriff der „nicht geschuldeten Leistung“ umfasst sowohl Leistungen, die in unzutreffender Höhe gezahlt wurden, als auch Leistungen, auf die dem Grunde nach kein Anspruch bestand. Art. 72 Abs. 1 VO (EG) Nr. 987/2009 kann daher auch auf Leistungen, die über den Tod hinaus gezahlt wurden, Anwendung finden.

Für den Ausgleich ersucht der Träger (ersuchender oder fordernder Träger), der eine Leistung zu Unrecht oder in unzutreffender Höhe gezahlt hat, einen Träger in einem anderen Mitgliedstaat (ersuchter oder schuldender Träger), der an die betreffende Person eine Leistung erbringt, um Einbehalt und Ausgleich der Überzahlung. Der „Empfänger“ der nicht geschuldeten Leistung muss nicht derjenige sein, der Anspruch auf die Leistung hatte, die an ihn gezahlt wurde. Die Personenidentität zwischen Anspruchsinhaber und „Empfänger“ der Leistung ist nicht erforderlich. Es kann sich somit auch um einen anderen „Empfänger“ handeln, an den die nicht geschuldete Leistung in unzutreffender Höhe oder ohne Rechtsgrund gezahlt wurde.

Ein grenzüberschreitender Forderungsausgleich zwischen Leistungsansprüchen von Trägern in zwei (oder mehr) Mitgliedstaaten ist - anders als bei Art. 72 Abs. 2 VO (EG) Nr. 987/2009 (siehe Abschnitt 3) - nicht uneingeschränkt möglich. Voraussetzung ist, dass er

  • sowohl nach den nationalen Rechtsvorschriften des ersuchenden Trägers, bei dem die Überzahlung entstanden ist,
  • als auch nach dem nationalen Recht des ersuchten Trägers, der die Leistung zahlt,

dem Grunde und der Höhe nach zulässig ist. Der ersuchende Träger soll nicht im Wege des Ausgleichs mehr von der Leistung des ersuchten Trägers im anderen Mitgliedstaat erhalten, als ihm nach seinen eigenen Vorschriften zustünde. Der ersuchte Träger muss dem Ersuchen höchstens in der Höhe nachkommen, die ihm sein nationales Recht vorgibt.

Gleichfalls anders als bei Art. 72 Abs. 2 VO (EG) Nr. 987/2009, der einen Ausgleich nur aus nachzuzahlenden Beträgen vorsieht, regelt der Art. 72 Abs. 1 VO (EG) Nr. 987/2009 den Ausgleich allgemein aus den Beträgen, die an den „Empfänger“ der nicht geschuldeten Leistung gezahlt werden. Dies umfasst daher sowohl Nachzahlungen (vergleiche Abschnitt 2.1, 2.2 und 2.3), als auch laufende Zahlungen eines anderen mitgliedstaatlichen Trägers an die betreffende Person (vergleiche Abschnitt 2.4).

Die Notwendigkeit, Beträge aus der laufenden Zahlung eines mitgliedstaatlichen Trägers zum Ausgleich einer eigenen Überzahlung zu fordern, ergibt sich immer dann, wenn ein Nachzahlungsbetrag nicht ausreicht oder ein solcher nicht oder nicht mehr zur Verfügung steht. Auch vor einer Beitreibung nach Art. 75 VO (EG) Nr. 987/2009 ff. wird wegen Art. 71 S. 2 VO (EG) Nr. 987/2009 vorrangig geprüft, ob die Forderung im Wege des Ausgleichs gegen die laufende Zahlung eines mitgliedstaatlichen Trägers möglich ist. Ein solches Ersuchen gegen die laufende Zahlung eines mitgliedstaatlichen Trägers sollte aber immer nachrangig gegenüber einem Rückgriff (Aufrechnung oder Verrechnung nach §§ 51, 52 SGB I) gegen eine deutsche Rente oder eine andere deutsche Leistung behandelt werden.

Für die Anmeldung und Abwicklung des Forderungsausgleichs nach Art. 72 Abs. 1 VO (EG) Nr. 987/2009 stehen im EESSI Verfahren entsprechende Geschäftsprozesse und SEDs zur Verfügung (vergleiche EESSI Verfahren Kapitel 4, Abschnitt 2 und EESSI Verfahren Kapitel 4.1, Abschnitt 2 und EESSI Verfahren Kapitel 4.2, Abschnitt 2).

Bei Forderungen nach § 118 Abs. 4 S. 1 SGB VI oder § 50 Abs. 2 SGB X in Verbindung mit § 118 Abs. 4 S. 4 SGB VI ist der „Empfänger“ der nicht geschuldeten Leistung nicht derjenige, der Anspruch auf die Leistung hatte. Mit dem SED R012 - Auskunftsersuchen (Art. 76 VO (EG) Nr. 987/2009) - kann der ersuchende Träger bei den Trägern der anderen Mitgliedstaaten Informationen über den „Empfänger“ einholen, die für ihn im Einzelfall für die Anmeldung eines Forderungsausgleichs nach Art. 72 Abs. 1 VO (EG) Nr. 987/2009 von Bedeutung sind. Dazu zählen insbesondere Informationen über einen Sozialleistungsbezug des „Empfängers“. Für die Übermittlung der Informationen steht dem ersuchten Träger das SED R014 - Antwort auf ein Auskunftsersuchen (Art. 76 VO (EG) Nr. 987/2009) zur Verfügung (vergleiche auch GRA zu Art. 76 VO (EG) Nr. 987/2009 und EESSI Verfahren Kapitel 4.5, Abschnitt 3.2).

Deutsche Ausgleichsforderungen auf mitgliedstaatliche Rentennachzahlungen

Die deutschen Träger, die Erstattungsforderungen auf eine mitgliedstaatliche Rente geltend machen können, stammen aus den Zweigen der sozialen Sicherheit der VO (EG) Nr. 883/2004, die vom sachlichen Geltungsbereich (Art. 3 VO (EG) Nr. 883/2004) erfasst werden:

  • aus der Rentenversicherung,
  • aus der Krankenversicherung und der Arbeitslosenversicherung sowie
  • aus der Unfallversicherung.

Entfällt die zunächst - aufgrund gesetzlicher Vorleistungspflicht - erbrachte Sozialleistung eines deutschen Trägers der Krankenversicherung, der Arbeitslosenversicherung oder der Unfallversicherung nachträglich ganz oder teilweise durch die rückwirkende Zahlung einer Rente, kann ein Erstattungsanspruch nach § 103 SGB X auf die deutsche Rentennachzahlung entstehen. Art. 72 Abs. 1 VO (EG) Nr. 987/2009 eröffnet für den im deutschen Recht zwischen Krankenversicherung, Arbeitslosenversicherung und Unfallversicherung einerseits und Rentenversicherung andererseits zugelassenen Erstattungsanspruch den grenzüberschreitenden Forderungsausgleich von der mitgliedstaatlichen Rente (vergleiche Abschnitt 2.1.2).

Dies gilt auch für zu Unrecht erbrachte und nach § 50 Abs. 1, 2 SGB X zu erstattende Sozialleistungen im Bereich der Rentenversicherung, für die das deutsche Recht die Aufrechnung nach § 51 Abs. 2 SGB I mit eigenen Leistungen oder die Verrechnung nach § 52 SGB I mit Geldleistungen anderer Träger vorsieht. Die nationale Rechtsgrundlage für den Ausgleich des ersuchenden deutschen Trägers, der eine Leistung in unzutreffender Höhe gezahlt hat, mit der Leistung des ersuchten Trägers im anderen Mitgliedstaat geben die §§ 51, 52 SGB I vor. Art. 72 Abs. 1 VO (EG) Nr. 987/2009 eröffnet die Möglichkeit eines grenzüberschreitenden Forderungsausgleichs bei der Rentennachzahlung eines anderen mitgliedstaatlichen Trägers (vergleiche Abschnitt 2.1.1).

Für über den Tod hinaus gezahlte Geldleistungen regeln § 118 Abs. 4 S. 1 SGB VI und § 118 Abs. 4 S. 4 SGB VI in Verbindung mit § 50 Abs. 2 SGB X den Erstattungsanspruch des Trägers der Rentenversicherung gegenüber den Empfängern, Verfügenden beziehungsweise Erben des Verstorbenen. Das deutsche Recht ermöglicht den Trägern der Rentenversicherung, solche zu Unrecht gezahlten Geldleistungen im Rahmen der Aufrechnung nach § 51 Abs. 1 SGB I mit eigenen Leistungen oder durch Verrechnung nach § 52 SGB I in Verbindung mit § 51 Abs. 1 SGB I mit Geldleistungen anderer Träger auszugleichen. Art. 72 Abs. 1 VO (EG) Nr. 987/2009 eröffnet einen entsprechenden Ausgleich mit mitgliedstaatlichen Rentennachzahlungen (vergleiche Abschnitt 2.1.1).

Ausgleichsforderungen der Rentenversicherungsträger

Die Gründe, warum eine Rente der Deutschen Rentenversicherung zu Unrecht oder in unzutreffender Höhe an einen Berechtigten oder eine andere Person gezahlt worden sein kann, sind sehr vielfältig. Für Erstattungsforderungen aus der Anwendung von § 50 Abs. 1 und 2 SGB X, die nicht in Anwendung des Europarechts entstanden sind, oder solche nach § 118 Abs. 4 S. 1 SGB VI kommt eine Ausgleichsforderung nach Art. 72 Abs. 1 VO (EG) Nr. 987/2009 auf die mitgliedstaatliche Rentennachzahlung in Betracht, sofern die mitgliedstaatliche Leistung noch nicht festgestellt ist und eine Nachzahlung zur Verfügung stehen könnte.

Beachte:

Für Überzahlungen, die in Anwendung des Europarechts entstanden sind, gilt Abschnitt 3.

Ein Forderungsausgleich ist unter der Bedingung möglich, dass er sowohl die Anforderungen nach den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats erfüllt, der den zu viel gezahlten Betrag mit einer Leistung im anderen Mitgliedstaat ausgleichen möchte, als auch des Mitgliedstaates, der den Einbehalt durchführen soll. Maßgeblich für das deutsche Recht sind die §§ 51, 52 SGB I, die den Forderungsausgleich zwischen den Trägern der Sozialversicherung in Deutschland regeln. Über § 52 SGB I in Verbindung mit § 51 Abs. 2 SGB I können Ansprüche auf Erstattung zu Unrecht erbrachter Sozialleistungen mit Ansprüchen auf laufende Geldleistungen, zu denen auch Ansprüche auf Rentennachzahlungen zählen, bis zu deren Hälfte verrechnet werden. Auf Hilfebedürftigkeit kommt es bei einer Rentennachzahlung grundsätzlich nicht an (vergleiche auch GRA zu § 51 SGB I, Abschnitt 6.2).

Hiervon abweichend ermöglicht das deutsche Recht den Trägern der Rentenversicherung eine Verrechnung ihrer Forderung unter den Voraussetzungen und Bedingungen des § 52 SGB I in Verbindung mit § 51 Abs. 1 SGB I in den Fällen, in denen eine Geldleistung für die Zeit nach dem Tod eines Berechtigten zu Unrecht erbracht wurde. Bei Erstattungsansprüchen nach § 118 Abs. 4 S. 1 SGB VI oder § 50 Abs. 2 SGB X in Verbindung mit § 118 Abs. 4 S. 4 SGB VI kann mit Ansprüchen auf laufende Geldleistungen, zu denen auch Ansprüche auf Rentennachzahlungen zählen, verrechnet werden, soweit die Ansprüche nach § 54 Abs. 4 SGB I pfändbar sind. Bei der Verrechnung gegen Rentennachzahlungen kommt es auf eine etwaige Hilfebedürftigkeit der erstattungspflichtigen Person regelmäßig nicht an (vergleiche auch GRA zu § 51 SGB I, Abschnitt 6.1).

In den Fällen nach § 118 Abs. 4 S. 1 SGB VI oder § 50 Abs. 2 SGB X in Verbindung mit § 118 Abs. 4 S. 4 SGB VI ist der Empfänger der nicht geschuldeten Leistung oder der über die nicht geschuldete Leistung Verfügende oder der Erbe nicht derjenige, der Anspruch auf die Leistung hatte. Es handelt sich also um einen anderen Empfänger (zum Beispiel den Ehepartner oder Lebenspartner, einen Verwandten, einen Nachbarn oder eine Pflegeperson), an den die Leistung ohne Rechtsgrund gezahlt wurde. „Person“ nach Art. 72 Abs. 1 VO (EG) Nr. 987/2009 kann daher sowohl der Empfänger als auch der Verfügende oder der Erbe im Sinne von § 118 Abs. 4 SGB VI sein.

Auch § 103 SGB X kommt als deutsche Rechtsgrundlage für einen Forderungsausgleich eines Trägers der Deutschen Rentenversicherung über Art. 72 Abs. 1 VO (EG) Nr. 987/2009 in Betracht (zum Beispiel bei Hinzutritt einer Leistung aus eigener Versicherung zu einer Hinterbliebenenrente mit Einkommensanrechnung nach § 97 SGB VI). Diese Vorschrift lässt Erstattungsansprüche der Träger der Rentenversicherung untereinander uneingeschränkt zu, sofern es sich um eine entsprechende Leistung handelt und Personenidentität und zeitliche Kongruenz gegeben sind (vergleiche auch Abschnitt 5).

Ist eine Überzahlung der deutschen Rente in Anwendung des nationalen Rechts absehbar oder bereits eingetreten, kann die in der Höhe noch unbestimmte Ausgleichsforderung mit dem SED R001 beim zuständigen mitgliedstaatlichen Träger dem Grunde nach geltend gemacht werden („vorläufiges“ Ersuchen). Sofern gleichzeitig auch ein mitgliedstaatliches Rentenverfahren eingeleitet wird, erfolgt die Übermittlung möglichst zusammen mit den entsprechenden P_BUCs (vergleiche EESSI Verfahren Kapitel 3.1 Abschnitt 3.1, EESSI Verfahren Kapitel 3.2, Abschnitt 3.1 und EESSI Verfahren Kapitel 3.3 , Abschnitt 3.1)

Nach Feststellung der mitgliedstaatlichen Leistung teilt der zuständige Träger mit dem SED R002 (vergleiche EESSI Verfahren Kapitel 4.1, Abschnitt 3.2) den Leistungsbeginn und die Höhe der Zahlung mit (Antwort auf „vorläufiges“ Ersuchen).

Damit die Forderung beim mitgliedstaatlichen Träger der Höhe nach geltend gemacht werden kann, muss die Zulässigkeit der Rückforderung nach deutschem Recht (§§ 45 ff. SGB X, § 50 SGB X, § 118 Abs. 4 SGB VI) bereits geprüft sein. Steht die Höhe der Überzahlung bei der Rente aus der deutschen Rentenversicherung fest und ist der gegebenenfalls notwendige Aufhebungsbescheid und Rückforderungsbescheid bindend geworden, wird die Forderung beim mitgliedstaatlichen Träger spezifiziert und der Ausgleich mit der entsprechenden Nachzahlung des beteiligten mitgliedstaatlichen Trägers über Art. 72 Abs. 1 VO (EG) Nr. 987/2009 erbeten. Dies geschieht entweder mit einem weiteren SED R001 oder, sofern ein „vorläufiges“ Ersuchen nicht notwendig war, sofort mit einem „endgültigen“ SED R001 (vergleiche EESSI Verfahren Kapitel 4.1, Abschnitt 3.1). Findet § 51 Abs. 2 SGB I als maßgebliche deutsche Rechtsgrundlage Anwendung, wird dem beteiligten mitgliedstaatlichen Träger als Grenze, bis zu der nach deutschem Recht ein Ausgleich gegen eine Rentennachzahlung möglich ist, die Hälfte seiner Rentennachzahlung vorgegeben. In den Fällen des § 51 Abs. 1 SGB I wird der pfändbare Betrag eingetragen.

Ob die Erstattung der geltend gemachten Forderung dem Grunde und der geltend gemachten Höhe nach möglich ist, prüft der mitgliedstaatliche Träger sodann nach seinen nationalen Rechtsvorschriften und innerhalb der darin festgelegten Grenzen.

Ist eine Nachzahlung (noch) vorhanden und ein Ausgleich dem Grunde nach zulässig, prüft der mitgliedstaatliche Träger die Höhe des Ausgleichs unter Beachtung seiner nationalen Vorschriften und der jeweiligen deutschen Höchstgrenze. Die für den Forderungsausgleich zur Verfügung stehenden Beträge teilt er anschließend mit dem „endgültigen“ SED R002 mit. Sofern der Ausgleich von deutscher Seite akzeptiert wird (SED R003), überweist der ersuchte mitgliedstaatliche Träger den angebotenen Betrag. Hierüber erhält die Deutsche Rentenversicherung eine Mitteilung mit dem SED R004 (vergleiche EESSI Verfahren Kapitel 4.1, Abschnitte 3.2, 3.3 und 3.4).

Siehe Beispiel 2 und Beispiel 3

Steht ein Nachzahlungsbetrag nicht (mehr) zur Verfügung, kann im Rahmen des Art. 72 Abs. 1 VO (EG) Nr. 987/2009 auch auf die laufende Leistung des anderen Mitgliedstaates zurückgegriffen werden (vergleiche Abschnitt 2.4). Ein solches Ersuchen sollte aber immer nachrangig gegenüber einem Rückgriff (Aufrechnung oder Verrechnung nach §§ 51, 52 SGB I) gegen eine deutsche Rente oder eine andere deutsche Leistung behandelt werden. Auch eine Beitreibung nach Art. 78 VO (EG) Nr. 987/2009 kommt nur nachrangig in Betracht (vergleiche GRA zu Art. 71 VO (EG) Nr. 987/2009, Abschnitt 2.1).

Sofern (zum Beispiel aufgrund von Kursschwankungen) ein höherer Betrag als die geltend gemachte Forderung beim Träger der Deutschen Rentenversicherung eingeht, erfolgt eine Abrechnung gegenüber der berechtigten Person. Es kann davon ausgegangen werden, dass die gesamte mitgliedstaatliche Nachzahlung für die deutsche Forderung zur Verfügung steht. Ein Restbetrag aus der Nachzahlung wird an die berechtigte Person ausgezahlt.

Ausgleichsforderungen der Träger anderer deutscher Versicherungszweige

Art. 72 Abs. 1 VO (EG) Nr. 987/2009 berechtigt auch sonstige Träger, die Leistungen der in Art. 3 Abs. 1 VO (EG) Nr. 883/2004 genannten Art gewähren, Ausgleichsforderungen bei Leistungsträgern anderer Mitgliedstaaten geltend zu machen, sofern das nationale Recht einen Forderungsausgleich für diese Leistungen vorsieht.

Deutsche Träger, die einen Ausgleich aus der Rente eines mitgliedstaatlichen Trägers im Rahmen des Art. 72 Abs. 1 VO (EG) Nr. 987/2009 verlangen können, sind

  • die gesetzlichen Krankenkassen für gezahltes Krankengeld,
  • die Agenturen für Arbeit für geleistetes Arbeitslosengeld I,
  • die Agenturen für Arbeit, zugelassene kreisfreie Städte und Kreise sowie kommunale und beauftragte Träger für gezahltes Bürgergeld (bis 12/2022 Arbeitslosengeld II) und
  • die Unfallversicherungsträger für gezahlte Witwenrenten oder Witwerrenten.

Bei Anwendung von

werden vergleichbare ausländische Renten von den jeweiligen Trägern berücksichtigt. Der Anspruch auf Krankengeld, Arbeitslosengeld I, Bürgergeld (bis 12/2022 Arbeitslosengeld II) oder Witwenrente/Witwerrente aus der Unfallversicherung vermindert sich, ruht oder entfällt im Falle des Zusammentreffens mit einer ausländischen Rente, die einer Rente aus der deutschen Rentenversicherung vergleichbar ist. Wird eine der deutschen Altersrente vergleichbare ausländische Rente auch während einer Beschäftigung und ohne Rücksicht auf die Höhe des Arbeitsentgelts gewährt, ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld I von der Agentur für Arbeit nur bis zur Höhe der zuerkannten Leistung (§ 156 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 Buchstabe b SGB III). Auch bei der Prüfung der Hilfebedürftigkeit als Voraussetzung für das Bürgergeld (bis 12/2022 Arbeitslosengeld II) wird vergleichbares ausländisches Einkommen (insbesondere Versichertenrenten und Hinterbliebenenrenten) berücksichtigt (§ 11 Abs. 1 SGB II).

Über die Frage der Vergleichbarkeit mitgliedstaatlicher Renten mit deutschen Renten haben die erstattungsbegehrenden Stellen in eigener Zuständigkeit zu entscheiden. Sollten diese dennoch den deutschen Rentenversicherungsträger um Entscheidungshilfe bitten, werden

  • die Krankenkassen an ihren jeweiligen Bundesverband,
  • die Agenturen für Arbeit, die zugelassenen kreisfreien Städte und Kreise sowie die kommunalen und beauftragten Träger an die Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg und
  • die Unfallversicherungsträger an den Spitzenverband DGUV (für den Bereich der Landwirtschaft: an die Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau),

verwiesen.

Hinweis:

Der rückwirkende, gegebenenfalls teilweise Wegfall der Leistungen einer Krankenkasse, Agentur für Arbeit oder eines Unfallversicherungsträgers kann auch Einfluss auf die beitragspflichtigen Einnahmen oder die Versicherungspflicht in der deutschen Rentenversicherung haben. Dieser Sachverhalt muss in geeigneter Weise aufgeklärt werden.

Art. 72 Abs. 1 VO (EG) Nr. 987/2009 sieht ein Ausgleichsverfahren ausschließlich zwischen dem ersuchenden Träger und dem ersuchten Träger vor. Der ersuchende Träger richtet dabei sein Forderungsersuchen an den ersuchten Träger im anderen Mitgliedstaat, der über das Ersuchen nach seinem Recht entscheidet und mit dem ersuchenden Träger abrechnet. Das bedeutet, dass die deutschen Rentenversicherungsträger nicht über die Befriedigung einer Ausgleichsforderung einer deutschen Krankenkasse, einer Arbeitsagentur (beziehungsweise von zugelassenen kreisfreien Städten und Kreisen sowie kommunalen und beauftragten Trägern) oder eines Unfallversicherungsträgers aus einer ausländischen Rentennachzahlung befinden können und dürfen.

Dazu müssen die ersuchenden Stellen ihre Ausgleichsforderungen direkt - ohne Einschaltung der deutschen Rentenversicherungsträger - beim beteiligten mitgliedstaatlichen Träger mit dem SED R001 geltend machen. Dieser Träger legt den nach seinem nationalen Recht zulässigen Umfang einer Erstattung fest, rechnet mit dem ersuchenden Träger ab und überweist ihm den zustehenden Betrag (Art. 72 Abs. 1 S. 2 letzter Halbs. VO (EG) Nr. 987/2009). Einen Restbetrag der Nachzahlung erhält der Berechtigte direkt. An diesem Abrechnungsverfahren zwischen dem ersuchenden und dem ersuchten Träger ist die Deutsche Rentenversicherung nicht beteiligt.

Siehe Beispiel 4

Den deutschen Leistungsträgern (Krankenkassen, Träger der Arbeitsverwaltung, Unfallversicherungsträger) wird daher sofort nach Kenntnis einer möglicherweise bestehenden Forderung, aber nicht vor Einleitung des Rentenverfahrens in dem beteiligten Mitgliedstaat, die Anschrift und das maßgebliche Aktenzeichen des zuständigen mitgliedstaatlichen Trägers, bei dem sie eine Ausgleichsforderung geltend machen können, mitgeteilt.

Auch der mitgliedstaatliche Träger wird bei der Einleitung des zwischenstaatlichen Rentenverfahrens über das eventuelle Vorliegen einer Forderung dritter Stellen in Deutschland informiert, indem zusammen mit der Übersendung der P_BUCs deren Name, Anschrift und Aktenzeichen mitgeteilt werden. Eine Anmeldung der Forderung für dritte Stellen in den P_BUCs erfolgt nicht.

Sollte der mitgliedstaatliche Träger die Nachzahlung an die Deutsche Rentenversicherung überweisen, obwohl eine Forderung nach Art. 72 VO (EG) Nr. 987/2009 durch die Deutsche Rentenversicherung nicht geltend gemacht wurde, muss der mitgliedstaatliche Träger nachträglich über die weitere Verwendung seiner Nachzahlung entscheiden. Hierzu wird er unter Fristsetzung von zwei Monaten befragt, an wen die Nachzahlung, gegebenenfalls mit Aufteilung der genauen Beträge, weiterzuleiten ist. Denn aus Art. 72 Abs. 1 VO (EG) Nr. 987/2009 ergibt sich keine Befugnis für den Träger der Deutschen Rentenversicherung, die fremde Nachzahlung selbst abzurechnen. Hierzu wäre es auch erforderlich, das nationale Recht des ersuchten Trägers anzuwenden. Geht innerhalb von zwei Monaten eine Antwort nicht ein, wird die Nachzahlung vollständig an den Berechtigten ausgezahlt.

Bis zur Verwendung der R-SED in deren Papierversion ab 01.07.2011 im Verhältnis zu den EU-Staaten und ab 01.01.2013 im Verhältnis zur Schweiz und den EWR-Staaten Island, Liechtenstein und Norwegen wurde das Verfahren entsprechend der Regelung des Art. 111 VO (EWG) Nr. 574/72 abgewickelt. Die deutschen Rentenversicherungsträger hatten vor dem 01.05.2010 mit den Versicherungsträgern einiger Mitgliedstaaten vereinbart, bei Forderungen der deutschen Krankenkassen und der Arbeitsagenturen von den Grundlagen des Art. 111 Abs. 2 VO (EWG) Nr. 574/72 abzuweichen. Hierzu wurde die Rentennachzahlung des mitgliedstaatlichen Trägers wegen Anhang 6 VO (EWG) Nr. 574/72 an den Träger der Deutschen Rentenversicherung zur Abrechnung ausgezahlt. Begonnene Verfahren, in denen noch keine SED der Serie R zum Einsatz kamen, wurden entsprechend fortgeführt.

Deutsche Ausgleichsforderungen der Rentenversicherung auf mitgliedstaatliche Nachzahlungen sonstiger Träger

Gegen einen Träger der Unfallversicherung hat der deutsche Rentenversicherungsträger für den Zeitraum der Vorleistung einen Erstattungsanspruch nach § 103 SGB X für den nicht zu leistenden Teil der Rente der Rentenversicherung wegen des Zusammentreffens mit einer Verletztenrente oder Hinterbliebenenrente aus der Unfallversicherung (§ 93 Abs. 1 Nr. 1 und 2 SGB VI). Ein solcher Erstattungsanspruch besteht auch, wenn der Träger der Unfallversicherung rückwirkend eine höhere Rente gewährt, die aufgrund der Anwendung des § 93 SGB VI zu einer stärkeren Anrechnung bei der Rente der Rentenversicherung führt. Daher kann nach Art. 72 Abs. 1 VO (EG) Nr. 987/2009 eine Ausgleichsforderung auf die Unfallrente vom Träger eines anderen Mitgliedstaates geltend gemacht werden.

Sobald die Beantragung einer mitgliedstaatlichen Unfallrente bekannt wird, wird das Erstattungsersuchen mit dem SED R001 direkt beim zuständigen Unfallversicherungsträger angemeldet (vergleiche EESSI Verfahren Kapitel 4.1 Abschnitt 3.1).

Die Erstattung der Überzahlung ist dem mitgliedstaatlichen Träger der Unfallversicherung aber nur möglich, wenn auch das ausländische Recht einen Ausgleich zugunsten eines Trägers der Rentenversicherung vorsieht.

Auch bei anderen mitgliedstaatlichen Sozialleistungsträgern, die Leistungen der in Art. 3 VO (EG) Nr. 883/2004 genannten Art gewähren, kann eine Ausgleichsforderung nach Art. 72 Abs. 1 VO (EG) Nr. 987/2009 geltend gemacht werden, sofern das deutsche Recht bei Anrechnung (insbesondere nach § 96a SGB VI und § 97 SGB VI) einen Erstattungsanspruch auf die Nachzahlung nach § 103 SGB X kennt. Derartige Erstattungsforderungen werden mit dem SED R001 direkt bei dem Träger, der die Leistung erbringt, geltend gemacht (vergleiche EESSI Verfahren Kapitel 4.1 Abschnitt 3.1). Ob die Erstattung der von der Deutschen Rentenversicherung geltend gemachten Forderung möglich ist, prüft der ersuchte mitgliedstaatliche Träger nach seinen Rechtsvorschriften.

Bei Erstattungsansprüchen im Sinne von § 118 Abs. 4 S. 1 SGB VI oder § 50 Abs. 2 SGB X in Verbindung mit § 118 Abs. 4 S. 4 SGB VI ermöglicht das deutsche Recht den Trägern der Rentenversicherung eine Verrechnung ihrer Forderung mit den Ansprüchen des Berechtigten gegen andere Leistungsträger im Sinne des § 12 SGB I. Maßgebliche Rechtsgrundlage in den Fällen, in denen eine Geldleistung für die Zeit nach dem Tod eines Berechtigten zu Unecht erbracht wurde, ist § 52 SGB I in Verbindung mit § 51 Abs. 1 SGB I. Art. 72 Abs. 1 VO (EG) Nr. 987/2009 eröffnet den Trägern der deutschen Rentenversicherung einen entsprechenden Ausgleich mit den Nachzahlungen anderer mitgliedstaatlicher Sozialleistungsträger, die Leistungen der in Art. 3 VO (EG) Nr. 883/2004 genannten Art gewähren.

Die weiteren Grundlagen des deutschen Rechts für ein Ausgleichsersuchen nach Art. 72 Abs. 1 VO (EG) Nr. 987/2009 und das Verfahren zur Anmeldung und Abwicklung der Ausgleichsforderung auf Nachzahlungen von Unfallversicherungsträgern und anderen mitgliedstaatlichen Sozialleistungsträgern entsprechen denen in Abschnitt 2.1.1.

Steht ein Nachzahlungsbetrag nicht (mehr) zur Verfügung, kann im Rahmen des Art. 72 Abs. 1 VO (EG) Nr. 987/2009 auch auf die laufende Leistung des anderen Mitgliedstaates zurückgegriffen werden (vergleiche Abschnitt 2.4). Ein solches Ersuchen sollte aber immer nachrangig gegenüber einem Rückgriff (Aufrechnung oder Verrechnung nach §§ 51, 52 SGB I) gegen eine deutsche Rente oder eine andere deutsche Leistung behandelt werden. Auch eine Beitreibung nach Art. 78 VO (EG) Nr. 987/2009 kommt nur nachrangig in Betracht (vergleiche GRA zu Art. 71 VO (EG) Nr. 987/2009, Abschnitt 2.1).

Mitgliedstaatliche Erstattungsforderungen auf deutsche Rentennachzahlungen

Ein Forderungsausgleich ist unter der Bedingung möglich, dass er sowohl die Anforderungen nach den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats erfüllt, der den zu viel gezahlten Betrag über den Ausgleich mit einer anderen Leistung hereinzubringen versucht, als auch des Mitgliedstaats, der den Einbehalt durchführen soll.

Macht ein Träger eines Mitgliedstaates eine Ausgleichsforderung auf die deutsche Rentennachzahlung nach Art. 72 Abs. 1 VO (EG) Nr. 987/2009 mit dem SED R001 geltend, bestätigt er verbindlich, dass der Ausgleich mit einer Rentennachzahlung nach seinen Rechtsvorschriften dem Grunde nach zulässig ist.

Eine Erstattung der geltend gemachten Forderungen ist nur möglich, wenn auch das deutsche Recht für diesen Leistungsträger einen Forderungsübergang vorsieht.

In welchem Umfang die Forderung erfüllt werden kann, richtet sich neben der (im SED R001 vorgegebenen) Höchstgrenze des fordernden mitgliedstaatlichen Trägers auch nach den in den jeweiligen deutschen Vorschriften vorgesehenen Grenzen (§ 103 SGB X oder § 52 SGB I in Verbindung mit § 51 Abs. 2 SGB I oder § 52 SGB I in Verbindung mit § 51 Abs. 1 SGB I in den Fällen entsprechend § 118 Abs. 4 SGB VI):

  • Auf die deutsche Rentennachzahlung besteht ein Erstattungsanspruch dritter Stellen nach § 103 SGB X, wenn deren Leistungsverpflichtung nachträglich durch eine Rentenbewilligung endet. Diese Vorschrift lässt Erstattungsansprüche mitgliedstaatlicher Träger außerhalb der Rentenversicherung (zum Beispiel Krankenkassen und Träger der Arbeitslosenverwaltung) uneingeschränkt zu, sofern es sich um eine entsprechende Leistung handelt und Personenidentität und zeitliche Kongruenz gegeben sind (vergleiche auch Abschnitt 5).
  • Ist ein Forderungsausgleich dem Grunde nach nicht vorgesehen (zum Beispiel für Krankenkassen bei Hinterbliebenenrenten), kommt für zu Unrecht erbrachte Sozialleistungen oder für über den Tod hinaus gezahlte Geldleistungen eine Verrechnung nach § 52 SGB I in Betracht:
    • Nach § 52 SGB I in Verbindung mit § 51 Abs. 2 SGB I können Ansprüche auf Erstattung zu Unrecht erbrachter Sozialleistungen mit Ansprüchen auf laufende Geldleistungen, zu denen auch Rentennachzahlungsansprüche zählen, bis zu deren Hälfte verrechnet werden. Auf Hilfebedürftigkeit kommt es bei einer Rentennachzahlung grundsätzlich nicht an (vergleiche auch GRA zu § 51 SGB I, Abschnitt 6.2).
    • Für den Ausgleich von über den Tod des Berechtigten hinaus gezahlten Geldleistungen ist § 52 SGB I in Verbindung mit § 51 Abs. 1 SGB I maßgeblich. Die Forderung kann danach mit Ansprüchen auf laufende Geldleistungen, zu denen auch Ansprüche auf Rentennachzahlungen zählen, verrechnet werden, soweit die Ansprüche nach § 54 Abs. 4 SGB I pfändbar sind. Bei der Verrechnung gegen Rentennachzahlungen kommt es auf eine etwaige Hilfebedürftigkeit des Berechtigten regelmäßig nicht an (vergleiche auch GRA zu § 51 SGB I, Abschnitt 6.1).

Maßgeblich sind diese Vorschriften, wenn mitgliedstaatliche Rentenversicherungsträger für eine Überzahlung aus sonstigen Gründen (nicht in Anwendung von Europarecht, vergleiche Abschnitt 3) ein Ausgleichsersuchen stellen.

Der Umfang, in dem die mitgliedstaatliche Forderung erfüllt werden kann, richtet sich nach den Grenzen des fordernden Trägers sowie denen, die die jeweiligen deutschen Vorschriften (§ 103 SGB X, § 52 SGB I in Verbindung mit § 51 Abs. 2 SGB I oder § 52 SGB I in Verbindung mit § 51 Abs. 1 SGB I in den Fällen des § 118 Abs. 4 SGB VI) vorsehen. Unter Beachtung der GRA zu § 103 SGB X, beziehungsweise der GRA zu § 51 SGB I und der GRA zu § 52 SGB I ist zu entscheiden, ob und inwieweit die Forderung des ersuchenden Trägers erfüllt werden kann. Bestimmend für die Höhe des Betrages aus der Rentennachzahlung, der dem ersuchenden Träger zur Verfügung gestellt werden kann, ist die niedrigere der nationalen Grenzen. Hat der fordernde mitgliedstaatliche Träger keine Grenze vorgegeben, ist ausschließlich das deutsche Recht maßgeblich.

Wird ein Erstattungsersuchen für eine deutsche Rentennachzahlung gestellt und ist die Forderung nach deutschem Recht dem Grunde nach zulässig, wird die deutsche Rentennachzahlung einbehalten.

Der ersuchende Träger des anderen Mitgliedstaates erhält nach Abschluss des deutschen Rentenverfahrens eine Mitteilung mit dem SED R002 und wird - sofern nicht bereits ein „endgültiges“ Ersuchen vorliegt - aufgefordert, die Höhe der Forderung innerhalb von zwei Monaten mit dem SED R001 konkret zu beziffern (vergleiche EESSI Verfahren Kapitel 4.1 Abschnitt 3.2). Gleichzeitig erfolgt in analoger Anwendung des § 87 Abs. 1 SGB X der Hinweis, dass der gesamte Nachzahlungsbetrag an den Berechtigten überwiesen wird, falls innerhalb von zwei Monaten nach Zusendung dieser Mitteilung die konkrete Bezifferung der Forderung nicht vorliegt.

Erfolgt die Bezifferung der Forderung, wird unter Beachtung der GRA zu § 103 SGB X beziehungsweise der GRA zu § 51 SGB I und der GRA zu § 52 SGB I entschieden, ob und inwieweit Forderungsersuchen des mitgliedstaatlichen Trägers aus der Nachzahlung befriedigt werden können.

Die Mitteilung über den Ausgleich der mitgliedstaatlichen Forderung ist gegenüber der berechtigten Person in Form eines Bescheides mit Rechtsbehelfsbelehrung zu erlassen.

Stehen Beträge zum Ausgleich der Forderung zur Verfügung und ist § 103 SGB X als maßgebliche Rechtsgrundlage nicht einschlägig, ist das Forderungsersuchen zu behandeln wie ein deutsches Verrechnungsersuchen. Nach Maßgabe der GRA zu § 51 SGB I, Abschnitt 9.2, wird eine Anhörung nach § 24 SGB X durchgeführt und ein Bescheid erteilt. Der Einbehalt aus der Rentennachzahlung unter Beachtung von § 52 SGB I in Verbindung mit § 51 Abs. 1 oder Abs. 2 SGB I vermindert sich gegebenenfalls durch die Grenze nach dem nationalen Recht des ersuchenden Trägers, sofern sie niedriger ist.

Die aus der Nachzahlung für die ersuchende Stelle zur Verfügung stehenden Beträge werden dem mitgliedstaatlichen Träger mit dem SED R002 mitgeteilt. Sofern dieser den angebotenen Ausgleich der Forderung akzeptiert (SED R003), folgt die Überweisung der festgestellten Beträge. Hierüber erhält der mitgliedstaatliche Träger eine Mitteilung (R004), vergleiche EESSI Verfahren Kapitel 4.1 Abschnitte 3.2, 3.3 und 3.4).

Kann dem Erstattungsersuchen des Trägers des anderen Mitgliedstaates nicht entsprochen werden oder wird die Forderung nicht innerhalb der Frist beziffert, wird die einbehaltene Nachzahlung unverzüglich an den Berechtigten überwiesen und gegebenenfalls nach § 44 SGB I verzinst. Der ersuchende ausländische Träger erhält eine Mitteilung mit dem SED R002 (Einbehalt nicht möglich).

Erstattungsansprüche deutscher Stellen gehen einer Ausgleichsforderung des mitgliedstaatlichen Trägers vor.

Forderungsausgleich aus laufenden Zahlungen

Art. 72 Abs. 1 VO (EG) Nr. 987/2009 sieht neben dem Forderungsausgleich bei Nachzahlungen auch den Forderungsausgleich aus laufend gezahlten Leistungen vor.

Reicht der Nachzahlungsbetrag nicht aus oder steht ein solcher nicht (mehr) zur Verfügung, um die Überzahlung eines anderen Trägers abzudecken, kann im Rahmen des Art. 72 Abs. 1 VO (EG) Nr. 987/2009 auch auf die laufend gezahlte Leistung der in Art. 3 Abs. 1 VO (EG) Nr. 883/2004 genannten Art eines anderen Mitgliedstaates zurückgegriffen werden. Auch vor einer Beitreibung nach Art. 75 ff. VO (EG) Nr. 987/2009 wird wegen Art. 71 S. 2 VO (EG) Nr. 987/2009 geprüft, ob die Forderung im Wege des Ausgleichs gegen die laufende Zahlung eines mitgliedstaatlichen Trägers möglich ist. Diese Möglichkeit sollte aber immer nur nachrangig gegenüber einem Rückgriff (Aufrechnung oder Verrechnung nach §§ 51, 52 SGB I) gegen eine eigene deutsche Rente oder eine andere deutsche Leistung in Betracht gezogen werden.

Voraussetzung ist, dass ein Forderungsausgleich aus laufend gezahlten Leistungen

  • sowohl nach den nationalen Rechtsvorschriften des ersuchenden Trägers, bei dem die Überzahlung entstanden ist,
  • als auch nach den nationalen Rechtsvorschriften des ersuchten Trägers, der die Leistung zahlt,

zulässig ist.

Dabei können alle Zahlungen an den Berechtigten miteinander verrechnet werden, auch wenn diese auf Zeiten beruhen, die eine andere Person zurückgelegt hat. Der „Empfänger“ der nicht geschuldeten Leistung muss nicht einmal derjenige sein, der Anspruch auf die Leistung hatte, die an ihn gezahlt wurde. Die Personenidentität zwischen Anspruchsinhaber und „Empfänger“ der Leistung ist in den Fällen, in denen eine Geldleistung über den Tod hinaus gezahlt wurde, nicht erforderlich (vergleiche auch Abschnitt 2 und 2.1.1).

Deutsche Ausgleichsforderungen auf eine laufende mitgliedstaatliche Zahlung

Maßgebliche Rechtsgrundlage im deutschen Recht für eine Verrechnung zu Unrecht gezahlter Sozialleistungen gegen eine laufende Zahlung eines anderen Trägers ist § 52 SGB I in Verbindung mit § 51 Abs. 2 SGB I. Für die Verrechnung von über den Tod des Berechtigten hinaus gezahlten Geldleistungen aus der Anwendung von § 118 Abs. 4 S. 1 SGB VI und § 50 SGB X in Verbindung mit § 118 Abs. 4 S. 4 SGB VI ist § 52 SGB I in Verbindung mit § 51 Abs. 1 SGB I maßgeblich. Art. 72 Abs. 1 VO (EG) Nr. 987/2009 erweitert die nationale Wirkung dieser Rechtsvorschriften grenzüberschreitend gegen einen mitgliedstaatlichen Träger.

Für die Prüfung der Zulässigkeit auf der Seite des fordernden deutschen Trägers sind die Grenzen aus § 52 SGB I in Verbindung mit § 51 Abs. 1 oder Abs. 2 SGB I zu beachten:

Im Rahmen des § 52 SGB I in Verbindung mit § 51 Abs. 2 SGB I darf gegen Ansprüche auf laufende Geldleistungen bis zu deren Hälfte verrechnet werden, sofern nicht Hilfebedürftigkeit durch den Berechtigten nachgewiesen wird. Grundvoraussetzung zuvor ist, dass die Forderung über die zu Unrecht erbrachte deutsche Rente nach § 50 SGB X mit Bescheid bindend festgestellt worden ist.

Im Rahmen des § 52 SGB I in Verbindung mit § 51 Abs. 1 SGB I kann gegen Ansprüche auf laufende Geldleistungen verrechnet werden, soweit die Ansprüche nach § 54 Abs. 4 SGB I pfändbar sind und der Berechtigte aufgrund der Verrechnung nicht hilfebedürftig im Sinne des SGB II beziehungsweise SGB XII wird.

Ist das Forderungsersuchen nach § 52 SGB I in Verbindung mit § 51 Abs. 1 oder Abs. 2 SGB I zulässig, wird der beteiligte mitgliedstaatliche Träger mit dem SED R001 gebeten, den zu fordernden Betrag (unter Beachtung seiner nationalen Rechtsvorschriften) von der laufenden Zahlung einzubehalten und zu überweisen. Die Höchstgrenze, bis zu der in Anwendung deutschen Rechts eine Verrechnung möglich ist, wird dem mitgliedstaatlichen Träger im SED R001 vorgegeben.

Ob eine Erstattung der von der Deutschen Rentenversicherung geltend gemachten Forderung dem Grunde und der geforderten Höhe nach möglich ist, prüft der ersuchte mitgliedstaatliche Träger nach seinen Rechtsvorschriften. Das Ergebnis teilt er der Deutschen Rentenversicherung im SED R002 mit. Sofern ein Ausgleich der Forderung vom mitgliedstaatlichen Träger angeboten wird, muss mit dem SED R003 mitgeteilt werden, ob die Deutsche Rentenversicherung dem angebotenen Ausgleich zustimmt. Werden auszugleichende Beträge überwiesen, erhält der Träger der Deutschen Rentenversicherung eine Mitteilung (SED R004), vergleiche EESSI Verfahren Kapitel 4.1 Abschnitte 3.2, 3.3 und 3.4).

Siehe Beispiel 5 und Beispiel 8

Hinweis:

Sofern der Forderungsausgleich nach Art. 72 VO (EG) Nr. 987/2009 erfolglos bleibt, weil beispielsweise das nationale Recht bei der Höhe der gezahlten Leistung einen Ausgleich nicht zulässt, kann bei Wohnsitz in einem anderen Mitgliedstaat eine Beitreibung nach Art. 78 VO (EG) Nr. 987/2009 erwogen werden (siehe GRA zu Art. 78 VO (EG) Nr. 987/2009).

Mitgliedstaatliche Ausgleichsforderungen auf die laufende deutsche Rente

Macht ein Träger eines Mitgliedstaates eine Ausgleichsforderung auf die laufende deutsche Rente nach Art. 72 Abs. 1 VO (EG) Nr. 987/2009 mit dem SED R001 geltend, bestätigt er darin verbindlich, dass ein solcher Ausgleich nach seinen Rechtsvorschriften dem Grunde nach zulässig ist. Es kann dann auch davon ausgegangen werden, dass die Forderung entsprechend seinem Recht bindend festgestellt ist. Meldet der Träger seinen Erstattungsanspruch übergangsweise noch auf sonstige Art an, wird im Allgemeinen unterstellt, dass seine Rechtsvorschriften einen Ausgleich mit einer Rentennachzahlung vorsehen. Bestehen im Einzelfall daran Zweifel, bedarf es einer (formlosen) Bestätigung des Trägers, aus der hervorgeht, dass der Ausgleich mit einer laufenden Rentenzahlung nach seinen Rechtsvorschriften tatsächlich zulässig ist. Darüber hinaus enthält das SED R001 Angaben zur Höchstgrenze, bis zu der nach dem nationalen Recht des ersuchenden Trägers ein Ausgleich vorgenommen werden kann.

Ein Einbehalt von der laufend gezahlten deutschen Rente zugunsten der geltend gemachten Forderung eines mitgliedstaatlichen Trägers ist möglich, wenn auch das deutsche Recht es erlaubt, Beträge von der laufend gezahlten Rente für den ersuchenden Träger einzubehalten. Bei laufenden Renten kennt das deutsche Recht für zu Unrecht erbrachte Sozialleistungen die Verrechnung zwischen Sozialleistungsträgern nach § 52 SGB I in Verbindung mit § 51 Abs. 2 SGB I, die bei Ansprüchen auf laufende Geldleistungen eine Verrechnung bis zu deren Hälfte zulassen, solange Hilfebedürftigkeit nicht eintritt und nachgewiesen wird.

Für über den Tod des Berechtigten hinaus gezahlte Geldleistungen ermöglicht § 52 SGB I in Verbindung mit § 51 Abs. 1 SGB I die Verrechnung der Forderung mit der laufend gezahlten Rente, soweit die Ansprüche nach § 54 Abs. 4 SGB I pfändbar sind und der Berechtigte aufgrund der Verrechnung nicht hilfebedürftig im Sinne des SGB II beziehungsweise SGB XII wird (vergleiche auch GRA zu § 51 SGB I, Abschnitt 6.1).

Unter Beachtung der GRA zu § 51 SGB I und der GRA zu § 52 SGB I wird entschieden, ob und inwieweit das Forderungsersuchen des mitgliedstaatlichen Trägers nach Art. 72 Abs. 1 VO (EG) Nr. 987/2009 aus der laufend an einen Berechtigten gezahlten Rente befriedigt werden kann. Können Beträge zum Ausgleich der Forderung zur Verfügung stehen, ist das Forderungsersuchen wie ein deutsches Aufrechnungsersuchen oder Verrechnungsersuchen zu behandeln. Nach Maßgabe der GRA zu § 51 SGB I, Abschnitt 9.2, wird eine Anhörung nach § 24 SGB X durchgeführt und ein Bescheid erteilt. Der Einbehalt aus der laufend bezogenen deutschen Rente unter Beachtung von § 51 Abs. 1 SGB I wird gegebenenfalls begrenzt durch die Grenze nach dem nationalen Recht des ersuchenden Trägers, sofern sie niedriger ist.

Das Ergebnis der Prüfung wird dem mitgliedstaatlichen Träger mit dem SED R002 mitgeteilt. Sofern dieser einen angebotenen Einbehalt von der laufenden Rente akzeptiert (SED R003), können ihm die einbehaltenen Beträge überwiesen werden. Hierüber erhält der mitgliedstaatliche Träger eine Mitteilung (SED R004), vergleiche EESSI Verfahren Kapitel 4.1 Abschnitte 3.2, 3.3 und 3.4).

Forderungsausgleich bei Rentennachzahlungen wegen Überzahlung in Anwendung des Europarechts (Absatz 2)

Art. 72 Abs. 2 VO (EG) Nr. 987/2009 begründet für Rentennachzahlungen einen uneingeschränkten Forderungsausgleich zwischen mitgliedstaatlichen Rentenversicherungsträgern. Das bedeutet, dass weder einschränkende innerstaatliche Vorschriften des ersuchenden Trägers, noch entsprechende Bestimmungen des ersuchten Trägers anzuwenden sind.

Voraussetzung ist, dass die Überzahlung der Rente durch die Anwendung des Europarechts (infolge der Berechnung nach Titel III Kapitel 4 oder 5 - insbesondere Art. 6 VO (EG) Nr. 883/2004 und Art. 52 VO (EG) Nr. 883/2004) entstanden ist. Überzahlungen in Anwendung des Europarechts können zum Beispiel eintreten durch

In Mitgliedstaaten, die die Gewährung von Mindestrenten (zum Beispiel Griechenland, Italien, Luxemburg, Portugal, Spanien) kennen, können sich darüber hinaus Überzahlungen in Anwendung des Europarechts ergeben durch

  • die Neufeststellung der Zulage nach Art. 58 VO (EG) Nr. 883/2004, wenn erstmals eine andere mitgliedstaatliche Rente gezahlt wird oder sich deren Rentenhöhe ändert.

Erfasst werden nicht nur Überzahlungen endgültig festgestellter Renten, sondern auch vorläufige Leistungen und Vorschüsse im Sinne des Art. 50 VO (EG) Nr. 987/2009.

Unabhängig von der Rentenart in den verschiedenen Mitgliedstaaten können alle Zahlungen an dieselbe berechtigte Person miteinander verrechnet werden. Auch muss keine zeitliche Kongruenz (zeitliche Deckung) zwischen der überzahlten Leistung und der Nachzahlung bestehen. Der Anwendungsbereich des Art. 72 Abs. 2 VO (EG) Nr. 987/2009 ist jedoch auf Nachzahlungen aus dem Bereich der Rentenversicherung beschränkt.

Für die Anmeldung und Abwicklung des Forderungsausgleichs nach Art. 72 Abs. 2 VO (EG) Nr. 987/2009 stehen im EESSI-Verfahren entsprechende SEDs zur Verfügung (vergleiche EESSI Verfahren Kapitel 4.2 Abschnitt 2).

Dem fordernden Träger wird durch Art. 72 Abs. 2 S. 2 VO (EG) Nr. 987/2009 eine Frist von zwei Monaten gesetzt, in der er in Kenntnis des Nachzahlungsbetrages beim ersuchten Träger seine dezidierte Forderung beziffern kann. Die 2-Monats-Frist beginnt mit dem Tag zu laufen, an dem dem fordernden Träger der Zeitraum und der Betrag der Rentennachzahlung mitgeteilt und er zur Bezifferung seiner Forderung aufgefordert wird (Absendung des SED R006). Wird die Forderung innerhalb der Frist nicht beziffert, wird die Nachzahlung mit befreiender Wirkung nach Ablauf der Frist ausgezahlt.

Reicht der Nachzahlungsbetrag nicht aus oder steht ein solcher nicht (mehr) zur Verfügung, kann im Rahmen des Art. 72 Abs. 1 VO (EG) Nr. 987/2009 auf die laufende Rente des anderen Mitgliedstaates zurückgegriffen werden (vergleiche Abschnitt 2.4).

Deutsche Ausgleichsforderung auf mitgliedstaatliche Rentennachzahlungen

Ist eine Überzahlung der deutschen Rente in Anwendung des Europarechts absehbar oder bereits eingetreten, wird die Ausgleichsforderung dem Grunde nach beim zuständigen mitgliedstaatlichen Träger geltend gemacht. Dies geschieht mit dem SED R005 ("vorläufiges" Ersuchen). Steht die Höhe der Überzahlung bereits fest, kann ein "endgültiges“ Ersuchen mit dem SED R005 an den Rentenversicherungsträger des anderen Mitgliedstaates übermittelt werden (vergleiche EESSI Verfahren Kapitel 4.2 Abschnitt 3.1).

Sofern gleichzeitig auch ein mitgliedstaatliches Rentenverfahren eingeleitet wird, erfolgt die Übersendung im Zusammenhang mit den entsprechenden P_BUCs.

Der mitgliedstaatliche Träger teilt mit dem SED R006 mit, ob ein Rentenanspruch besteht und in welcher Höhe eine Nachzahlung (noch) zur Verfügung steht (vergleiche EESSI Verfahren Kapitel 4.2 Abschnitt 3.2). Bei einem "vorläufigen“ Ersuchen muss dann innerhalb einer Frist von zwei Monaten - ausgehend vom Ausstellungsdatum der Mitteilung über die Rentenbewilligung (Ausstellungsdatum des SED R006) - die deutsche Forderung mit dem ergänzten SED R005 spezifiziert und der Ausgleich mit der entsprechenden Nachzahlung des beteiligten mitgliedstaatlichen Trägers über Art. 72 Abs. 2 VO (EG) Nr. 987/2009 erbeten werden (vergleiche EESSI Verfahren Kapitel 4.2 Abschnitt 3.1).

Die Geltendmachung der Forderung kann ohne Rücksicht auf Grenzen im deutschen Recht (§ 51 Abs. 1 oder Abs. 2 SGB I) erfolgen.

Wird die Frist von zwei Monaten für die Spezifizierung der Forderung nicht eingehalten, zahlt der mitgliedstaatliche Träger seine Nachzahlung ohne weitere Rückfrage an die rentenberechtigte Person aus.

Der beteiligte mitgliedstaatliche Träger muss die deutsche Forderung bei der Abrechnung seiner Rentennachzahlung berücksichtigen, ohne dass er möglicherweise vorhandene Einschränkungen durch sein nationales Recht beachten darf. Sofern die Zweimonatsfrist eingehalten wurde und eine Nachzahlung (noch) vorhanden ist, überweist er den geltend gemachten Forderungsbetrag, gegebenenfalls begrenzt auf den Betrag seiner Nachzahlung. Den Zeitpunkt, an dem die Überweisung der Nachzahlungsbeträge erfolgte, teilt er im SED R004 mit (vergleiche EESSI Verfahren Kapitel 4.2 Abschnitt 3.3).

Siehe Beispiel 6

Sofern (zum Beispiel aufgrund von Kursschwankungen) höhere Beträge als die geltend gemachte Forderung beim Träger der Deutschen Rentenversicherung eingehen, erfolgt eine Abrechnung der mitgliedstaatlichen Nachzahlung. Ein Restbetrag aus der Nachzahlung wird an den Berechtigten ausgezahlt.

Reicht der Nachzahlungsbetrag beim ersuchten mitgliedstaatlichen Träger für die eigene Forderung nicht aus, kommt möglicherweise auch ein Ausgleich mit der laufenden Rentenzahlung im anderen Mitgliedstaat nach Art. 72 Abs. 1 VO (EG) Nr. 987/2009 (nachrangig gegenüber einem Rückgriff gegen eine eigene deutsche Rente oder eine andere deutsche Leistung) in Betracht (vergleiche Abschnitt 2.4).

Fordert der mitgliedstaatliche Träger eine Mitteilung über den Einbehalt von nachzuzahlenden Beträgen (SED R005) oder die Bezifferung der Forderung, obwohl nur bei einem Träger eines anderen deutschen Versicherungszweiges eine Forderung besteht, wird dem mitgliedstaatlichen Träger unverzüglich (vor Ablauf der Frist von zwei Monaten) mitgeteilt, dass die Deutsche Rentenversicherung keine Ausgleichsforderung nach Art. 72 Abs. 1 oder Abs. 2 VO (EG) Nr. 987/2009 geltend macht. Ferner werden Name, Anschrift und Aktenzeichen des deutschen Leistungsträgers, der voraussichtlich nicht geschuldete Leistungen nach Art. 72 Abs. 1 oder Abs. 3 VO (EG) Nr. 987/2009 gezahlt hat, übermittelt. Das Schreiben des mitgliedstaatlichen Trägers wird umgehend zur weiteren Veranlassung an die deutsche erstattungsbegehrende Stelle weitergeleitet.

Mitgliedstaatliche Ausgleichsforderung auf die deutsche Rentennachzahlung

Macht ein Rentenversicherungsträger eines anderen Mitgliedstaates eine Forderung auf die deutsche Rentennachzahlung mit dem SED R005 dem Grunde nach geltend („vorläufiges“ Ersuchen), wird die deutsche Rentennachzahlung einbehalten.

Der ersuchende Träger des anderen Mitgliedstaates erhält bei Abschluss des deutschen Rentenverfahrens eine entsprechende Mitteilung mit dem SED R006 (vergleiche EESSI Verfahren Kapitel 4.2 Abschnitt 3.2). Sofern nicht bereits ein „endgültiges“ Ersuchen vorliegt, wird der ersuchende Träger des anderen Mitgliedstaates aufgefordert, die Höhe der Forderung innerhalb von zwei Monaten mit dem SED R005 konkret zu beziffern. Gleichzeitig erfolgt der Hinweis, dass der gesamte Nachzahlungsbetrag an die berechtigte Person überwiesen wird, falls innerhalb von zwei Monaten nach Zusendung dieser Mitteilung die konkrete Bezifferung der Forderung nicht vorliegt.

Beziffert der Rentenversicherungsträger des anderen Mitgliedstaates die Höhe der Forderung innerhalb der 2-Monats-Frist, wird die Forderung des Trägers im anderen Mitgliedstaat bis zur Höhe der eigenen Nachzahlung erfüllt. Einschränkungen, wie sie sich aus § 52 SGB I in Verbindung mit § 51 Abs. 2 SGB I ergeben können, sind nicht maßgeblich, weil Art. 72 Abs. 2 VO (EG) Nr. 987/2009 einen durch nationales Recht uneingeschränkten Ausgleich zulässt.

Ist die mitgliedstaatliche Forderung der Höhe nach spezifiziert worden, kann deren bindend festgestellte Berechtigung entsprechend dem jeweiligen nationalen Recht unterstellt werden.

Nach Abrechnung erhält der ausländische Träger mit dem SED R004 eine abschließende Mitteilung über den Zeitpunkt, an dem die Überweisung der Nachzahlungsbeträge erfolgte (vergleiche EESSI Verfahren Kapitel 4.2 Abschnitt 3.3). Ein eventuell verbleibender Restbetrag wird an den Berechtigten ausgezahlt und gegebenenfalls nach § 44 SGB I verzinst.

Erfolgt die konkrete Bezifferung der Forderung nicht innerhalb der vorgeschriebenen 2-Monats-Frist, wird die Nachzahlung ohne weitere Rückfragen beim ausländischen Träger an die berechtigte Person ausgezahlt. Geht das "endgültige“ Ersuchen im SED R005 verspätet ein, ist eine weitere Mitteilung mit dem SED R006 - Auszahlung bereits erfolgt - zu versenden (vergleiche EESSI Verfahren Kapitel 4.2 Abschnitte 3.1, 3.2 und 3.3).

Erstattungsansprüche deutscher Stellen gehen einer Ausgleichsforderung des ausländischen Trägers vor.

Forderungsausgleich für die Sozialhilfe (Absatz 3)

Sozialhilfeleistungen fallen nach Art. 3 Abs. 5 Buchstabe a VO (EG) Nr. 883/2004 nicht in den sachlichen Geltungsbereich der VO (EG) Nr. 883/2004. Die Stellen, die solche Leistungen erbringen, können überzahlte Leistungen daher nicht über Art. 72 Abs. 1 VO (EG) Nr. 987/2009 mit der Leistung eines mitgliedstaatlichen Trägers ausgleichen. Es bedarf einer besonderen Ermächtigung im Art. 72 Abs. 3 VO (EG) Nr. 987/2009, der es diesen Stellen ermöglicht, wegen ihrer im nationalen Recht begründeten Erstattungsforderungen bei mitgliedstaatlichen Leistungsträgern einen grenzüberschreitenden Forderungsausgleich zu erwirken. Da es sich bei den Sozialhilfestellen nicht um Träger im Sinne von Art. 1 Buchstabe p VO (EG) Nr. 883/2004 handelt, nehmen sie nicht an dem nach Art. 4 VO (EG) Nr. 987/2009 vorgesehenen elektronischen Datenaustauschverfahren teil und können nicht die für den Austausch von Informationen zwischen den Trägern vorgesehenen Strukturierten Elektronischen Dokumente (SED) verwenden. Sie müssen ihre Forderung in geeigneter Art und Weise (formlos) anmelden, solange ein anderes strukturiertes Verfahren für die Anwendung von Art. 72 Abs. 3 VO (EG) Nr. 987/2009 nicht zur Verfügung steht.

Voraussetzung für einen Forderungsausgleich ist, dass

  • bei der Stelle, bei der die Überzahlung der Sozialhilfe entstanden ist, ein gesetzlich zulässiger Forderungsanspruch auf die Leistung eines anderen Trägers an den Berechtigten besteht und
  • nach den nationalen Rechtsvorschriften des Trägers, der zu den anderen Leistungen verpflichtet ist, ein solcher Forderungsausgleich zulässig ist.

Der Umfang der Forderung richtet sich nach den nationalen Vorschriften der Stelle, die die Sozialhilfe gezahlt hat, und der Umfang der Erstattung nach den nationalen Vorschriften des zu der Leistung verpflichteten Trägers.

Erstattungsforderungen für die deutsche Sozialhilfe auf die mitgliedstaatliche Leistung

Deutsche Sozialhilfeleistungen im Sinne von Art. 72 Abs. 3 VO (EG) Nr. 987/2009 sind

  • Sozialhilfe nach dem SGB XII,
  • Bürgergeld (bis 12/2022 Sozialgeld) nach dem SGB II,
  • Kriegsopferfürsorgeleistungen nach dem BVG,
  • Unterhaltshilfe nach dem LAG,
  • Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB XII.

Ausgleichsrenten nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) und Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) gelten nicht als Sozialhilfeleistungen.

Das Bürgergeld (bis 12/2022 Sozialgeld) wird - trotz seines fürsorgeähnlichen Charakters - nach Art. 3 Abs. 3 in Verbindung mit Art. 70 VO (EG) Nr. 883/2004 und Anhang X VO (EG) Nr. 883/2004 vom sachlichen Geltungsbereich der VO (EG) Nr. 883/2004 erfasst. Die Geltendmachung von Erstattungsforderungen gegenüber einem ausländischen Rentenversicherungsträger bestimmt sich nach Art. 72 Abs. 1 VO (EG) Nr. 987/2009 (siehe Abschnitt 2), fällt aber letztlich in den Verantwortungsbereich der ersuchenden Stelle.

Art. 72 Abs. 3 VO (EG) Nr. 987/2009 sieht wie Art. 72 Abs. 1 VO (EG) Nr. 987/2009 ein Verfahren nur zwischen der Stelle, die die Sozialhilfeleistung gezahlt hat, und dem zur Leistung verpflichteten Träger vor. Die Ausgleichsforderung ist vom Sozialhilfeträger selbst unmittelbar bei dem die Rente gewährenden Träger des jeweiligen Mitgliedstaates geltend zu machen. Die Abrechnung der Forderung erfolgt direkt zwischen diesen Trägern (sofern dem Ersuchen stattzugeben ist). Den deutschen Sozialhilfeträgern wird dazu sofort nach Kenntnis einer möglicherweise bestehenden Forderung die Anschrift und - sofern bekannt - das maßgebliche Aktenzeichen des zuständigen mitgliedstaatlichen Trägers, bei dem sie eine Ausgleichsforderung geltend machen können, mitgeteilt.

Siehe Beispiel 7

Die deutschen Rentenversicherungsträger hatten mit einigen Mitgliedstaaten vor dem 01.05.2010 vereinbart, von den Verfahrensgrundlagen der Erstattung nach Art. 111 Abs. 3 VO (EWG) Nr. 574/72 abzuweichen. Hierzu wurde die Rentennachzahlung des mitgliedstaatlichen Trägers wegen Anhang 6 VO (EWG) Nr. 574/72 an den Träger der Deutschen Rentenversicherung zur Abrechnung ausgezahlt. Bis zur Verwendung der Strukturierten Elektronischen Dokumente (SED) in deren Papierversion am 01.07.2011 im Verhältnis zu den EU-Staaten und ab 01.01.2013 im Verhältnis zur Schweiz und den EWR-Staaten Island, Liechtenstein und Norwegen wurden diese Verfahren, die auch von den Grundlagen der Erstattung nach Art. 72 Abs. 3 VO (EG) Nr. 987/2009 abwichen, weitergeführt.

Wurden in einer Übergangszeit ab 01.07.2011 (EU-Staaten) und ab 01.01.2013 (Schweiz oder EWR-Staaten) mitgliedstaatliche Nachzahlungsbeträge noch nach diesen alten Verfahren an den Träger der Deutschen Rentenversicherung überwiesen, erfolgte die Abwicklung der Abrechnung in den Fällen nach Art. 72 Abs. 3 VO (EG) Nr. 987/2009 noch entsprechend der alten Verfahrensweise.

Erstattungsforderungen einer mitgliedstaatlichen Stelle, die Sozialhilfe zahlt, auf die deutsche Rente

Meldet eine mitgliedstaatliche Sozialhilfestelle beim deutschen Rentenversicherungsträger Anspruch auf Ausgleich gegen die deutsche Rente nach Art. 72 Abs. 3 VO (EG) Nr. 987/2009 wegen verauslagter Sozialhilfeleistungen an, so kann unterstellt werden, dass ein gesetzlich zulässiger Forderungsanspruch nach den dortigen Rechtsvorschriften besteht und die Forderung nach dem Recht des jeweiligen Mitgliedstaates bindend festgestellt ist.

Eine Erstattung der geltend gemachten Forderungen ist aber nur möglich, wenn auch das deutsche Recht einen Ausgleich vorsieht:

  • Auf die deutsche Rentennachzahlung besteht ein Erstattungsanspruch für Sozialhilfeträger nur bei nachrangiger Leistungspflicht des Leistungsträgers (§ 104 SGB X).
  • Bei laufend gezahlten Renten sieht das deutsche Recht einen Erstattungsanspruch bei einer Kostenerstattung für eine Heimunterbringung (§ 104 Abs. 1 S. 4 SGB X) vor.
  • Außerdem kommt bei zu Unrecht erbrachten Sozialleistungen eine Verrechnung nach § 52 SGB I in Betracht.

Der Umfang, in dem die mitgliedstaatliche Forderung erfüllt werden kann, richtet sich nach den Grenzen, die die jeweiligen deutschen Vorschriften (§ 104 SGB X oder § 52 SGB I in Verbindung mit § 51 SGB I) vorsehen. Unter Beachtung der GRA zu § 104 SGB X beziehungsweise der GRA zu § 52 SGB I wird entschieden, ob und inwieweit die Ausgleichsforderung der mitgliedstaatlichen Stelle, die die Sozialhilfeleistung gezahlt hat, befriedigt werden kann.

In analoger Anwendung des § 87 Abs. 1 SGB X ergibt sich die Verpflichtung zur Auszahlung der Nachzahlung an die berechtigte Person, wenn die ersuchende Stelle die Höhe ihrer Forderung nicht innerhalb von zwei Monaten, nachdem sie dazu aufgefordert wurde, beziffert.

Die Erstattungsforderungen ausländischer Stellen unterliegen nicht der Verzinsung nach § 108 Abs. 2 SGB X, weil diese Vorschrift auf die Verhältnisse im Inland abstellt und nur für die aufgezählten deutschen Leistungsträger gilt. Entsprechende mitgliedstaatliche Stellen, die über Art. 72 Abs. 3 VO (EG) Nr. 987/2009 erstattungsberechtigt sind, werden nicht gleichgestellt.

Erstattungsansprüche deutscher Träger gehen einer Ausgleichsforderung ausländischer Stellen vor.

Ausländische Rentenbeträge für die Erstattung

Bei der Abrechnung von Erstattungsforderungen nach Art. 72 Abs. 1 und 3 VO (EG) Nr. 987/2009 ist für Nachzahlungen auf das tatsächliche Zusammentreffen der Leistungen abzustellen, wenn für die Forderung § 103 SGB X oder § 104 SGB X maßgeblich ist. Hierzu muss eine zeitliche Kongruenz zwischen der Leistung des die Forderung geltend machenden Trägers und der Nachzahlung des zur Leistung verpflichteten Trägers bestehen (zeitliche Deckung).

Die im Recht der ausländischen Staaten vorgesehenen, verschiedenen Sonderzahlungen (zum Beispiel die 13. Monatsrente in Italien, die 13. und die 14. Monatsrente in Spanien und die Ferienleistung in den Niederlanden) sind bei der Abwicklung von Erstattungsforderungen auf den Zeitraum, für den sie zustehen, oder den (kürzeren) Nachzahlungszeitraum aufzuteilen. Der auf einen Monat entfallende Anteil der Sonderzahlung darf aber bei der Abrechnung einer Ausgleichsforderung nur berücksichtigt werden, wenn die Sonderzahlung im Nachzahlungsbetrag enthalten ist.

Werden von den ausländischen Rentenbeträgen Steuern, Sozialversicherungsbeiträge oder andere Abgaben abgezogen, so sind nur die ausländischen Netto-Rentenbeträge nach Abzug der Abgaben erstattungsfähig.

Währungsumrechnung

Eine deutsche Ausgleichsforderung wird beim mitgliedstaatlichen Träger immer in Euro geltend gemacht.

Monatliche mitgliedstaatliche Zahlbeträge oder Forderungsbeträge müssen zur Durchführung des Abrechnungsverfahrens gegebenenfalls in Euro umgerechnet werden, siehe GRA zu Art. 90 VO (EG) Nr. 987/2009, Abschnitt 6 und 8).

Geht eine mitgliedstaatliche Zahlung ein, ohne dass zuvor eine genaue Bezifferung der Forderung erfolgte, wird der monatliche mitgliedstaatliche Zahlbetrag in dem Verhältnis berücksichtigt, in dem der Gesamtbetrag der bei der Deutschen Rentenversicherung in Euro eingegangenen mitgliedstaatlichen Nachzahlung zum Gesamtbetrag des vom mitgliedstaatlichen Träger in ausländischer Währung überwiesenen Betrages steht. Das Ergebnis wird auf zwei Dezimalstellen - gegebenenfalls mit Rundung der letzten Dezimalstelle - begrenzt (§ 123 Abs. 1 SGB VI in Verbindung mit § 121 Abs. 2 SGB VI).

Siehe Beispiel 1

Beispiel 1: Umrechnung mitgliedstaatlicher Zahlbeträge

(Beispiel zu Abschnitt 6)

Zahlungseingang beim deutschen Träger in Höhe von 7.800,00 EUR

Betrag der überwiesenen dänischen Rentennachzahlung in Höhe von 60.150,00 DKK

Für den Monat Juni 2022 ergibt sich ein Zahlbetrag in Höhe von 6.500,00 DKK.

Lösung:

Bestimmung des dänischen Zahlbetrages für den Monat Juni 2022:

6.500,00 DKK mal 7.800,00 EUR geteilt durch 60.150,00 DKK gleich 842,89 EUR

Beispiel 2: Ausgleichsforderung der Deutschen Rentenversicherung gegen die Rentennachzahlung eines Trägers im anderen Mitgliedstaat (Art. 72 Abs. 1 VO (EG) Nr. 883/2004)

Beispiel zu Abschnitt 2.1.1

Die Deutsche Rentenversicherung gewährt eine Rente wegen Erwerbsminderung (§ 43 SGB VI), die bis zum 30.11.2021 befristet ist (§ 102 SGB VI). Versehentlich wird die Rente verspätet eingestellt und bis einschließlich Dezember 2021 (also für einen Monat zu viel) gezahlt.

Der Antrag auf Weitergewährung der Rente wegen Erwerbsminderung muss im Mai 2022 aus medizinischen Gründen abgelehnt werden.

Für zu Unrecht erbrachte Sozialleistungen im Bereich der Rentenversicherung ist die Aufrechnung nach § 51 SGB I mit eigenen Leistungen oder die Verrechnung nach § 52 SGB I mit Geldleistungen anderer Träger vorgesehen. Die Forderung aus der überzahlten Rente kann wegen des abgelehnten Antrages, die Rente wegen Erwerbsminderung weiter zu gewähren, nicht durch eine Leistung aus der Deutschen Rentenversicherung getilgt werden. Daher versendet die Deutsche Rentenversicherung mit dem SED R001 ein vorläufiges Ersuchen, um damit um den Einbehalt von einer möglichen Rentennachzahlung im anderen Mitgliedstaat zu bitten.

Der beteiligte mitgliedstaatliche Träger hatte eine Invaliditätsrente gewährt, die auf 3 Jahre Rentenbezug befristet war. Nach Auswertung der mit dem SED H121 übersandten medizinischen Unterlagen wird die Leistung weitergezahlt (Bescheid vom 09.06.2022). Aus der vorläufigen Antwort des beteiligten mitgliedstaatlichen Trägers ist ersichtlich, dass eine Nachzahlung für die Zeit 05/2022 bis 07/2022 zur Verfügung steht.

Nachdem die Überzahlung der Rente bindend festgestellt ist, wird die Forderung mit dem endgültigen Ersuchen im SED R001 (endgültig) für den mitgliedstaatlichen Träger spezifiziert. Als nationale deutsche Grenze für einen Ausgleich wird die Hälfte der Nachzahlung vorgegeben.

Lösung:

Der ersuchte mitgliedstaatliche Träger prüft nach seinem nationalen Recht,

  • ob der Forderungsausgleich dem Grunde nach möglich ist und
  • in welcher Höhe gegebenenfalls die Forderung erfüllt werden kann.

Das Ergebnis teilt er der Deutschen Rentenversicherung mit dem SED R002 (endgültig) mit. Kann die Forderung erfüllt werden, erfolgt abschließend eine Mitteilung über die Zahlung mit dem SED R004.

Beispiel 3: Ausgleichsforderung der Deutschen Rentenversicherung gegen die Rentennachzahlung eines Trägers im anderen Mitgliedstaat (Art. 72 Abs. 1 VO (EG) Nr. 883/2004)

Beispiel zu Abschnitt 2.1.1

Der mitgliedstaatliche Träger bewilligt ebenfalls ab 01.05.2022 eine Altersrente. Aus seiner Mitteilung im SED R002 (vorläufig) ergibt sich, dass eine Nachzahlung für die Zeit 05/2022 bis 06/2022 zur Verfügung steht.

Nachdem die Überzahlung der Witwenrente bindend festgestellt ist, wird die Forderung mit dem SED R001 (endgültig) für den mitgliedstaatlichen Träger spezifiziert. Die Forderung ist der Höhe nach durch § 103 SGB X nicht beschränkt.

Lösung:

Der ersuchte mitgliedstaatliche Träger prüft nach seinem nationalen Recht,

  • ob der Forderungsausgleich dem Grunde nach möglich ist und
  • in welcher Höhe gegebenenfalls die Forderung erfüllt werden kann.

Das Ergebnis teilt er der Deutschen Rentenversicherung mit dem SED R002 (endgültig) mit. Kann die Forderung erfüllt werden, erfolgt abschließend eine Mitteilung über die Zahlung mit dem SED R004.

Beispiel 4: Ausgleichsforderung einer AOK gegen die Rentennachzahlung eines Trägers im anderen Mitgliedstaat (Art. 72 Abs. 1 VO (EG) Nr. 883/2004)

Beispiel zu Abschnitt 2.1.2

Eine AOK zahlt für eine bei ihr versicherte Person laufend Krankengeld seit 10.10.2021. Sie meldet einen Erstattungsanspruch gegen eine mögliche Rentennachzahlung nach § 103 SGB X bei der Deutschen Rentenversicherung an.

Die Deutsche Rentenversicherung bewilligt mit Bescheid vom 13.06.2022 ab 01.05.2022 eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Die laufende Zahlung der Rente erfolgt ab 08/2022. Die Nachzahlung von 05/2022 bis 07/2022 wird einbehalten und die AOK über die Bewilligung der Rente informiert. Das bezogene Krankengeld ist höher als die Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.

Die AOK wird auch darüber informiert, dass ein weiterer Mitgliedstaat nach seinen Rechtsvorschriften prüft, ob ein Anspruch auf Invaliditätsrente gegeben ist. Der mitgliedstaatliche Träger wertet hierzu die übersandten medizinischen Unterlagen aus und gewährt mit Bescheid vom 28.06.2022 eine Invaliditätsrente ab 01.11.2021. Eine Nachzahlung ergibt sich für den Zeitraum 11/2021 bis 07/2022.

Lösung:

Mit dem Beginn des deutschen Rentenanspruchs ab 01.05.2022 endet der Anspruch auf Krankengeld. Wird die Rente - wie in diesem Fall - rückwirkend bewilligt, wird das Krankengeld um den Zahlbetrag der Rente gekürzt (§ 50 Abs. 2 SGB V) und der rückwirkend überzahlte Betrag gegen die Nachzahlung aus der Rentenversicherung angerechnet (§ 103 SGB X). Der Ausgleich wird zwischen der Nachzahlung der Deutschen Rentenversicherung und der Überzahlung der AOK hergestellt.

Auch eine ausländische Rentenleistung kürzt das Krankengeld. Daher ersucht die AOK den beteiligten mitgliedstaatlichen Träger um Ausgleich zwischen der eigenen Forderung (abzüglich der bereits erstatteten deutschen Rente) und der Nachzahlung im Mitgliedstaat (Art. 72 Abs. 1 VO (EG) Nr. 987/2009). Sie verwendet hierfür das SED R001 (vorläufig).

Der mitgliedstaatliche Träger informiert die AOK über den Zeitraum und die Höhe der Nachzahlung mit dem SED R002 (vorläufig), sodass diese ihre Forderung spezifizieren kann SED R001 (endgültig).

Der ersuchte mitgliedstaatliche Träger prüft nach seinem nationalen Recht,

  • ob der Forderungsausgleich zwischen Krankenversicherung und Rentenversicherung dem Grunde nach möglich ist und
  • in welcher Höhe gegebenenfalls die Forderung erfüllt werden kann.

Das Ergebnis teilt er der AOK mit dem SED R002 (endgültig) mit. Kann die Forderung erfüllt werden, erfolgt abschließend eine Mitteilung über die Zahlung mit dem SED R004.

Beispiel 5: Ausgleichsforderung der Deutschen Rentenversicherung gegen die laufende Rentenzahlung eines Trägers im anderen Mitgliedstaat (Art. 72 Abs. 1 VO (EG) Nr. 883/2004)

Beispiel zu Abschnitt 2.4.1

Der beteiligte mitgliedstaatliche Träger zahlt eine unbefristete Invaliditätsrente.

Die Deutsche Rentenversicherung gewährt eine Rente wegen Erwerbsminderung (§ 43 SGB VI), die bis zum 30.11.2020 befristet ist (§ 102 SGB VI). Versehentlich wird die Rente verspätet eingestellt und bis einschließlich November 2021 (also für ein Jahr Zuviel) gezahlt.

Der Antrag auf Weitergewährung der Rente wegen Erwerbsminderung muss im Mai 2022 aus medizinischen Gründen abgelehnt werden.

Für zu Unrecht erbrachte Sozialleistungen im Bereich der Rentenversicherung ist die Aufrechnung nach § 51 SGB I mit eigenen Leistungen oder die Verrechnung nach § 52 SGB I mit Geldleistungen anderer Träger vorgesehen.

Die Forderung aus der überzahlten Rente kann wegen des abgelehnten Antrages, die Rente wegen Erwerbsminderung weiterzugewähren, nicht durch eine Leistung aus der Deutschen Rentenversicherung getilgt werden.

Daher versendet die Deutsche Rentenversicherung nach bindender Feststellung der Forderung das endgültige Ersuchen mit dem SED R001, um eine Forderung dem Grunde und der Höhe nach geltend zu machen und um den Einbehalt der laufenden Rentenzahlung im anderen Mitgliedstaat zu erwirken.

Dabei wird die nationale deutsche Höchstgrenze aus den §§ 51, 52 SGB I im SED R001 vorgegeben.

Lösung:

Der ersuchte mitgliedstaatliche Träger prüft nach seinem nationalen Recht,

  • ob der Forderungsausgleich gegen seine laufend gezahlte Rente dem Grunde nach möglich ist und
  • in welcher Höhe gegebenenfalls die Forderung Monat für Monat erfüllt werden kann.

Das Ergebnis teilt er der Deutschen Rentenversicherung mit dem SED R002 (endgültig) mit. Kann die Forderung erfüllt werden, erfolgt zu gegebener Zeit eine Mitteilung über die Zahlung mit dem SED R004.

Beispiel 6: Ausgleichsforderung der Deutschen Rentenversicherung gegen die Rentennachzahlung eines Trägers im anderen Mitgliedstaat (Art. 72 Abs. 2 VO (EG) Nr. 883/2004)

Beispiel zu Abschnitt 3.1

Die Deutsche Rentenversicherung gewährt eine anteilig nach Art. 52 Abs. 1 Buchstabe b VO (EG) Nr. 883/2004 berechnete Rente wegen Erwerbsminderung. Berücksichtigt wurden die Versicherungszeiten eines Mitgliedstaates, während die Versicherungszeiten eines weiteren Mitgliedstaates bei der Berechnung der anteiligen Leistung nicht verwendet wurden, weil dies günstiger war und dieser Mitgliedstaat eine Rente (noch) nicht gewähren konnte (Art. 50 Abs. 2 VO (EG) Nr. 883/2004).

Mit dem Erreichen des 60. Lebensjahres kann dieser zweite Mitgliedstaat eine Altersrente gewähren.

Lösung:

Die Deutsche Rentenversicherung macht bei dem Träger des Mitgliedstaates, der die Altersrente ab Vollendung des 60. Lebensjahres zahlen kann, eine Forderung nach Art. 72 Abs. 2 VO (EG) Nr. 987/2009 geltend (SED R005 - vorläufig). Aus der Antwort mit dem SED R006 des mitgliedstaatlichen Trägers ist der Rentenbeginn, der Nachzahlungszeitraum und die Höhe der Nachzahlung ersichtlich.

Ab Beginn der mitgliedstaatlichen Altersrente wird die deutsche Rente wegen Erwerbsminderung neu festgestellt. Die anteilige Berechnung unter Berücksichtigung der Versicherungszeiten beider beteiligter Mitgliedstaaten ergibt eine Rentenminderung und eine Überzahlung. Innerhalb der Frist aus Art. 72 Abs. 2 VO (EG) Nr. 987/2009 von 2 Monaten wird die Forderungshöhe dem mitgliedstaatlichen Träger mit dem SED R005 endgültig mitgeteilt.

Art. 72 Abs. 2 VO (EG) Nr. 987/2009 begründet für Rentennachzahlungen einen uneingeschränkten Forderungsausgleich zwischen mitgliedstaatlichen Rentenversicherungsträgern, sofern die Überzahlung wegen der Anwendung des Europarechts entstanden ist. Da weder einschränkende innerstaatliche Vorschriften des ersuchenden Trägers, noch entsprechende Bestimmungen des ersuchten Trägers anzuwenden sind, stellt der ersuchte mitgliedstaatliche Träger der Deutschen Rentenversicherung die geltend gemachte Forderung, höchstens den Betrag der Nachzahlung, zur Verfügung.

Der mitgliedstaatliche Träger unterrichtet die Deutsche Rentenversicherung über die Zahlung mit dem SED R004.

Beispiel 7: Ausgleichsforderung eines Sozialhilfeträgers gegen die Rentennachzahlung eines Trägers im anderen Mitgliedstaat (Art. 72 Abs. 3 VO (EG) Nr. 883/2004)

Beispiel zu Abschnitt 4.1

Die Deutsche Rentenversicherung gewährt mit Bescheid vom 16.05.2022 eine Regelaltersente mit einem geringen Zahlbetrag (420 EUR) ab Rentenbeginn 01.03.2022. Die Altersrente wird ab Juli 2022 laufend gezahlt, die Nachzahlung von März 2022 bis Juni 2022 wird für das Amt für Soziales und Senioren der Stadt Freiburg (Sozialhilfeträger) einbehalten. Darüber hinaus ist ein Anspruch auf Altersrente im anderen Mitgliedstaat zu erwarten.

Zuvor wurde eine Rente wegen Erwerbsminderung gezahlt (400 EUR).

Der deutsche Sozialhilfeträger zahlt Leistungen nach dem SGB XII (ergänzende Grundsicherung bei Erwerbsminderung, im Anschluss ergänzende Grundsicherung im Alter). Nach der Information durch die Deutsche Rentenversicherung über die Zahlung der Altersrente aus der deutschen Rentenversicherung und die zu erwartende Leistung eines mitgliedstaatlichen Trägers veranlasst der Sozialhilfeträger Folgendes:

  • Die einkommensabhängige Grundsicherungsleistung wird rückwirkend ab 01.03.2022 gemindert.
  • Für die Überzahlung der Grundsicherung wird eine Erstattungsforderung bei der Deutschen Rentenversicherung geltend gemacht (§ 104 SGB X).

Eine weitere Leistung eines anderen Mitgliedstaates würde den einkommensabhängigen Anspruch auf Grundsicherung erneut absenken oder sogar entfallen lassen. Im Hinblick auf die zu erwartende weitere Überzahlung wird gegenüber dem mitgliedstaatlichen Träger der Rentenversicherung eine Forderung nach Art. 72 Abs. 3 VO (EG) Nr. 883/2004 geltend gemacht.

Ein Träger der Rentenversicherung im anderen Mitgliedstaat bewilligt im Juni 2022 rückwirkend gleichfalls ab 01.03.2022 eine Altersrente.

Lösung:

Die laufende Zahlung des mitgliedstaatlichen Trägers wird zu Juli 2022 erstmals angewiesen. Daher entsteht eine Nachzahlung von 03/2022 bis 06/2022, die wegen der Ausgleichsforderung des deutschen Sozialhilfeträgers einbehalten wird.

Das Forderungsersuchen nach Art. 72 Abs. 3 VO (EG) Nr. 883/2004 erfolgt formfrei. Da es sich bei dem Sozialhilfeträger nicht um einen Träger im Sinne von Art. 1 Buchstabe p VO (EG) Nr. 883/2004 handelt, nimmt er nicht an dem nach Art. 4 VO (EG) Nr. 987/2009 vorgesehenen elektronischen Datenaustauschverfahren teil und kann nicht die für den Austausch von Informationen zwischen den Trägern vorgesehenen SED verwenden.

Der mitgliedstaatliche Rentenversicherungsträger entscheidet nach seinen nationalen Rechtsvorschriften, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe der Forderungsausgleich zwischen Rentenversicherung und Sozialhilfe (Fürsorge) zulässig ist.

Wenn das Forderungsersuchen nach Art. 72 Abs. 3 VO (EG) Nr. 987/2009 erfüllt werden kann, überweist er den zustehenden Betrag aus seiner Rentennachzahlung dem deutschen Sozialhilfeträger.

Beispiel 8: Ausgleichsforderung der Deutschen Rentenversicherung gegen die laufende Rentenzahlung eines Trägers im anderen Mitgliedstaat (Art. 72 Abs. 1 VO (EG) Nr. 883/2004)

(Beispiel zu Abschnitt 2.4.1)

Tod des Rentenberechtigten 05.08.2019

Weiterzahlung der Altersrente in Unkenntnis des Todes bis 11/2020

überzahlte Altersrente 10.362,20 EUR

Rückforderungsbescheid nach § 118 Abs. 4 S. 1 SGB VI gegenüber dem Sohn 13.07.2021

Auskunftsersuchen mit SED R012 an CLEISS (französische Verbindungsstelle) 09.10.2021

Antwort der zuständigen CARSAT (französischer Träger) am 17.11.2022: Der Schuldner bezieht eine französische Rente in Höhe von 1.338,23 EUR, von der in Anwendung französischer Rechtsvorschriften monatlich 83,04 EUR einbehalten werden könnten.

Lösung:

Voraussetzung für die Zulässigkeit eines Ausgleichs zwischen der Forderung nach deutschem Recht aus der Anwendung von § 118 Abs. 4 S. 1 SGB VI und der laufend gezahlten französischen Rente ist, dass sowohl die deutschen Rechtsvorschriften des ersuchenden Trägers, bei dem die Überzahlung entstanden ist, als auch die französischen Rechtsvorschriften des ersuchten Trägers, der die Leistung zahlt, einen Ausgleich dem Grunde nach vorsehen. Die Höhe eines Einbehaltes aus der laufenden Rentenzahlung bestimmt sich dann nach deutschen und französischen Rechtsvorschriften.

Maßgebliche Rechtsgrundlagen im deutschen Recht für eine Verrechnung von über den Tod des Berechtigten hinaus gezahlten Geldleistungen sind § 118 Abs. 4 S. 1 SGB VI und § 52 SGB I in Verbindung mit § 51 Abs. 1 SGB I. Danach kann gegen Ansprüche auf laufende Geldleistungen verrechnet werden, soweit die Ansprüche nach § 54 Abs. 4 SGB I pfändbar sind und der Berechtigte aufgrund der Verrechnung nicht hilfebedürftig im Sinne des SGB II beziehungsweise SGB XII wird.

Nach der Pfändungstabelle zu § 850c ZPO wäre für den Schuldner ohne Unterhaltsverpflichtung ein Betrag pfändbar, der höher als der durch französisches Recht vorgesehene Einbehalt ist. Hilfebedürftigkeit ist bei einem verbleibenden Zahlbetrag von 1.255,19 EUR (1.338,23 EUR minus 83,04 EUR) nicht anzunehmen. Maßgebend ist der höhere zu belassene Zahlbetrag und der niedrigere Betrag zum Ausgleich der Forderung, den das französische Recht vorgibt.

Der Träger der deutschen Rentenversicherung macht daher ein Ersuchen für einen Einbehalt von der laufenden französischen Zahlung mittels des vorläufigen Ersuchens mit dem SED R001 geltend und gibt die deutsche Höchstgrenze (pfändbarer Betrag) an. In Kenntnis der deutschen und der französischen Höchstgrenzen entscheidet die CARSAT über den Ausgleich und teilt das Ergebnis und die Zahlung mit dem SED R003 und dem SED R004 mit.

VO (EG) Nr. 987/2009 vom 16.09.2009

Inkrafttreten: 01.05.2010

Quelle: Amtsblatt (EU) Nr. L 284/1 vom 30.10.2009

Art. 72 VO (EG) Nr. 987/2009 entspricht inhaltlich dem Art. 111 VO (EWG) Nr. 574/72 mit folgenden Änderungen:

  • Die Absätze 1 und 2 wurden in der Reihenfolge vertauscht: Art. 72 Abs. 1 VO (EG) Nr. 987/2009 entspricht Art. 111 Abs. 2 VO (EWG) Nr. 574/72 und Art. 72 Abs. 2 VO (EG) Nr. 987/2009 dem Art. 111 Abs. 1 VO (EWG) Nr. 574/72.
  • Neu ist auch eine Frist von 2 Monaten für die Bezifferung der Forderung beim Forderungsausgleich von Rentennachzahlungen zwischen den Rentenversicherungsträgern in Art. 72 Abs. 2 VO (EG) Nr. 987/2009. Damit ist verbunden, dass der fordernde Träger nach Kenntnis der zur Verfügung stehenden Nachzahlung sein Forderungsersuchen dezidiert beziffert. Der ersuchte Träger übernimmt die Abrechnung und überweist dem fordernden Träger den bezifferten Betrag, aber nicht mehr die gesamte Nachzahlung. Wird die Frist von zwei Monaten vom fordernden Rentenversicherungsträger nicht eingehalten, zahlt der ersuchte Rentenversicherungsträger seine Nachzahlung ohne weitere Rückfrage mit befreiender Wirkung an den Berechtigten aus.
  • Erstmals gibt es mit den SED (Structured Electronic Documents) der Serie R (R = recovery = Rückforderung/Beitreibung) für alle Mitgliedstaaten ein einheitliches Verfahren zur Abwicklung von Forderungen über nicht geschuldete Leistungen im Rahmen des Ausgleichs. Die SED werden zwischen dem ersuchenden (fordernden) und dem ersuchten (schuldenden) Träger ausgetauscht. Der Austausch erfolgte zunächst in deren Papierversion, solange ein elektronischer Versand noch nicht möglich war. Der Einsatz der R-SED bedingt, dass jeder Träger sein Forderungsersuchen beim ersuchten Träger selbst anmelden und abwickeln muss. Eine Unterstützung der Träger der Deutschen Rentenversicherung zugunsten dritter Stellen in Deutschland (Krankenkassen, Arbeitsagenturen, Fürsorgeträger) ist nicht mehr möglich.

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