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1 RA 41/77

Gründe

Der Rechtsstreit wird um die Frage geführt, ob der durch das Gesetz über die Sozialversicherung Behinderter vom 07.05.1975 (BGBl. I 1061 - im folgenden: SVBehG) eingefügte § 30 Abs. 3 AVG auch für den Empfänger einer nach Art. 2 § 31 AnVNG umgestellten Rente gilt.

Dem 1931 geborenen Kläger wurde ab 01.04.1953 ein Ruhegeld wegen vorübergehender BU (§ 26 Nr. 2, § 41 Abs. 1 AVG i.V.m. § 1286 Abs. 1 RVO in den damals geltenden Fassungen) gewährt (Bescheid der LVA vom 28.07.1953). Für die Bezugszeit ab 01.01.1957 wurde es gem. Art. 2 § 31 AnVNG umgestellt (Bescheid der Beklagten vom 19. 3.1958); es gilt seither als Rente wegen EU (EU-Rente - Art. 2 § 37 Abs. 2 Satz 1 AnVNG).

Am 04.08.1975 beantragte der Kläger die Nachentrichtung freiwilliger Beiträge für die Jahre 1956 bis 1973 gem. Art. 2 § 49a Abs. 2 AnVNG (i.d.F. des RRG vom 16.10.1972, BGBl. I 1965). Über diesen Antrag wurde bislang nicht entschieden. Auf seinen Antrag vom 04.09.1975 auf Neufeststellung der EU-Rente gem. § 30 Abs. 3 AVG stellte die Beklagte fest, daß die Vorschrift nur für Renten nach Art. 1 AnVNG und nicht für Umstellungsrenten gelte (Bescheid vom 11.12.1975).

Das SG hat den angefochtenen Bescheid aufgehoben und festgestellt, daß § 30 Abs. 3 AVG auch auf die dem Kläger gewährte umgestellte Versichertenrente Anwendung finde.

Die Revision der Beklagten führt zur Zurückverweisung des Rechtsstreits. Der Kläger hat im ersten Rechtszuge neben der Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 11.12.1975 die Feststellung begehrt, daß § 30 Abs. 3 AVG auf die ihm gewährte Umstellungsrente Anwendung finde. Zu Recht hat das SG die Klage auch insoweit als zulässig angesehen. Nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG kann mit der Klage die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat. Rechtsverhältnis ist eine aus einem konkreten Tatbestand entstandene Rechtsbeziehung von Personen untereinander oder einer Person zu einem Gegenstand (BSGE 31, 235, 239; 43, 148, 150). Es braucht nicht die Feststellung eines Rechtsverhältnisses im ganzen erstrebt zu werden. Unter Rechtsverhältnis ist auch eine sich daraus ergebende einzelne Berechtigung oder Verpflichtung zu verstehen (vgl. BSGE 4, 184, 185; 7, 4, 5; 43, 148, 150). Hingegen kann mit der Feststellungsklage weder die von einem konkreten Sachverhalt losgelöste abstrakte Kontrolle der Anwendbarkeit oder Nichtanwendbarkeit einer Rechtsnorm (BSGE 28, 224, 225; BSG SozR 2200 § 368e Nr. 1) noch im allgemeinen die Klärung bloßer rechtlicher Vorfragen oder einzelner Faktoren begehrt werden, die möglicherweise für die zukünftige Gewährung oder Erhöhung einer Rente von Bedeutung sein können (vgl. BSG SozR SGG § 55 Nr. 53; SozR 1500 § 161 Nr. 16 und BSGE 45, 209, 212). Darauf ist die Klage nicht gerichtet. Der Kläger erstrebt die Feststellung, daß die Beklagte aufgrund der zu ihr bestehenden konkreten Rechtsbeziehungen verpflichtet sei, die speziell dem Kläger gewährte Rente unter Anwendung des § 30 Abs. 3 AVG neu festzustellen. Diese Verpflichtung stellt ein Rechtsverhältnis i.S. des § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG dar. Allerdings handelt es sich dabei um ein zukünftiges und bedingtes Rechtsverhältnis. Die Neufeststellung nach § 30 Abs. 3 AVG setzt voraus, daß der Antragsteller nach Eintritt der EU für 240 Kalendermonate Beiträge entrichtet hat. Der Kläger hat bisher die Nachentrichtung von Beiträgen für die Zelt von 1956 bis 1973 lediglich beantragt, aber noch nicht durchgeführt. In aller Regel kann nur ein bereits bestehendes Rechtsverhältnis Gegenstand einer Feststellungsklage sein. Indes muß bei Erfüllung der übrigen Voraussetzungen des § 55 Abs. 1 SGG die Gewährung vorbeugenden Rechtsschutzes (Peters / Sautter / WoIff, Komm. zur Sozialgerichtsbarkeit, 4. Aufl., § 55, Anm. 2a, S. 185/13 - 8/1 -) jedenfalls dann als zulässig angesehen werden, wenn der Beklagte bereits im gegenwärtigen Zeitpunkt eine zukünftige Berechtigung für sich in Anspruch nimmt (vgl. BSG SozR SGG § 55 Nr. 44) oder eine zukünftige Verpflichtung substantiiert bestreitet (vgl. BSGE 11, 198, 199). Letzteres ist hier der Fall. Die Beklagte hat durch den Erlaß des förmlichen Bescheides vom 11.12.1975 zu erkennen gegeben, sie werde auch nach Durchführung der Beitragsnachentrichtung eine Neufeststellung der Rente nach § 30 Abs. 3 AVG nicht vornehmen. Dies begründet zugleich ein berechtigtes Interesse des Klägers an der baldigen Feststellung der nach seiner Auffassung bestehenden Verpflichtung der Beklagten zur Neufeststellung. Zwar ist ein solches Interesse regelmäßig dann nicht gegeben, wenn der Kläger sein Begehren wirksamer durch eine Leistungsklage erreichen kann (BSGE 43, 148, 150), Der Kläger hat diese Möglichkeit nicht. Die Gewährung einer nach § 30 Abs. 3 AVG neu festgestellten Rente und damit auch eine hierauf gerichtete Leistungsklage kommen ungeachtet der sonstigen Voraussetzungen erst dann in Betracht, wenn nach Eintritt der EU für 240 Kalendermonate Beiträge entrichtet worden sind. Der Kläger hat diese Beiträge noch nicht entrichtet. Ihm geht es u.a. zwecks Vermeidung erheblicher wirtschaftlicher Nachteile gerade darum, vor der Beitragsentrichtung die sich daraus für die Beklagte ergebenden Pflichten gerichtlich klären zu lassen. Hierfür ist die Feststellungsklage das geeignete prozessuale Mittel.

Das SG ist zutreffend davon ausgegangen, daß unter den Voraussetzungen des § 30 Abs. 3 AVG auch die Empfänger umgestellter Renten deren Neufeststellung verlangen können. Ob dies speziell für den Kläger gilt, kann noch nicht entschieden werden. Hierfür bedarf es zusätzlicher Feststellungen.

Nach § 30 Abs. 3 AVG ist, wenn der Empfänger einer Rente wegen EU nach Eintritt der EU Beiträge für 240 Kalendermonate entrichtet hat, auf seinen Antrag die Rente neu festzustellen. § 30 Abs. 2 Sätze 3 bis 5 und § 24 Abs. 3 Satz 2 AVG gelten entsprechend.

§ 30 Abs. 3 AVG ist durch das SVBehG mit Wirkung ab 01.07.1975 (Art. 3 § 3 SVBehG) eingefügt worden. Er steht in engem Zusammenhang mit dem ebenfalls durch das SVBehG eingefügten § 24 Abs. 3 Satz 1 Buchst. b) AVG. Nach § 24 Abs. 3 AVG in seiner bis zum 30.06.1975 geltenden Fassung war die Wartezeit für die EU-Rente nur dann erfüllt, wenn vor Eintritt der Erwerbsunfähigkeit eine Versicherungszeit (§§ 26 bis 28 AVG) von 60 Kalendermonaten zurückgelegt war. Das hatte zur Folge, daß dann, wenn EU bereits bei Beginn der Versicherungszeit vorgelegen hatte oder früher als 60 Monate nach Beginn der Versicherungszeit eingetreten war, die Wartezeit für die EU-Rente nicht mehr erfüllt, eine EU-Rente nicht gewährt werden und eine Anrechnung der Beiträge lediglich für das Altersruhegeld erfolgen konnte. Dies wirkte sich in besonderem Maße nachteilig für Behinderte aus, die bereits bei Beginn der Versicherung erwerbsunfähig gewesen oder es in weniger als 60 Monaten nach Versicherungsbeginn geworden sind. Der Beseitigung dieses Nachteils dient § 24 Abs. 3 Satz 1 Buchst. b) AVG. Danach ist die Wartezeit für die EU-Rente auch dann erfüllt, wenn vor der Antragstellung insgesamt eine Versicherungszeit von 240 Kalendermonaten zurückgelegt ist. Der Versicherungsfall tritt dann mit dem Tag der Antragstellung ein (§ 24 Abs. 3 Satz 2 AVG). Infolge dieser Gesetzesänderung kann auch aus während einer EU entrichteten Beiträgen ein Anspruch auf EU-Rente erworben werden (vgl. BR-Drucks. 73/74, S. 11), und zwar selbst dann, wenn das Risiko der EU bereits vor Beginn der Versicherung eingetreten war (vgl. Bundesminister Arendt, Verhandlungen des Deutschen BT, 7. Wahlperiode, 152. Sitzung am 27.02.1975, S. 10489 D). Die Änderung des § 24 Abs. 3 AVG erfaßt nicht den Fall, daß ein Versicherter bereits eine EU-Rente bezieht, jedoch weiterhin Versicherungsbeiträge entrichtet. Nach der bis zum 30.06.1975 maßgebenden Rechtslage konnten auch diese Beiträge lediglich für ein Altersruhegeld berücksichtigt werden. Einen Versicherungsfall der „weiteren“ oder „verstärkten“ EU sieht das AVG nicht vor. Dem trägt nunmehr § 30 Abs. 3 AVG Rechnung. Danach ist auf Antrag eine Rente wegen EU neu festzustellen, wenn der Empfänger nach Eintritt der EU Beiträge für 240 Kalendermonate entrichtet hat. Neufeststellung i.S. des § 30 Abs. 3 Satz 1 AVG bedeutet nicht, daß unter Wegfall der bisherigen EU-Rente aufgrund eines neuen Vers.Falles eine andere Rente zu gewähren ist (a.A. VerbKomm., Stand Juli 1976, § 1253 RVO, § 30 AVG, Anm. 11). Auch das SVBehG hat nicht über die bisher geregelten VersFälle hinaus einen neuen Versicherungsfall der „weiteren EU“ eingeführt. Dies läßt sich insbesondere nicht daraus herleiten, daß nach § 30 Abs. 3 Satz 2 AVG u.a. § 24 Abs. 3 Satz 2 AVG entsprechend gilt. Letztere Vorschrift hat die Regelung des § 24 Abs. 2 AVG unberührt gelassen. Nach wie vor ist allein und erschöpfend darin bestimmt, unter welchen sachlichen Voraussetzungen der Versicherungsfall der EU eintritt. § 24 Abs. 3 Satz 2 AVG trifft lediglich hinsichtlich des Zeitpunkts des Eintritts dieses Versicherungsfalles eine Neuregelung. Hierfür ist nicht mehr allein der Zeitpunkt maßgebend, an welchem die sachlichen Voraussetzungen des § 24 Abs. 2 AVG erfüllt sind. Vielmehr ist in den Fällen des § 24 Abs. 3 Satz 1 Buchst. b) AVG der Zeitpunkt der Antragstellung ausschlaggebend. Insoweit stellt § 24 Abs. 3 Satz 2 AVG seinem rechtlichen Gehalt nach eine gesetzliche Fiktion dar, durch welche der Eintritt des Versicherungsfalles auf einen späteren Zeitpunkt als denjenigen des tatsächlichen Vorliegens der EU verlagert wird. Dies ist auch im Rahmen des § 30 Abs. 3 AVG zu berücksichtigen mit der Folge, daß die darin vorgesehene Neufeststellung der EU-Rente wie ein Fall der Rentenumwandlung zu behandeln ist.

Ihrem sachlichen Gehalt und ihrer rechtssystematischen Einordnung nach bezieht sich die Vorschrift primär auf „originäre“ EU-Renten aus VersFällen, die nach dem 31.12.1956 eingetreten sind. Dies rechtfertigt jedoch nicht die weitergehende Schlußfolgerung, daß umgestellte Renten i.S. des Art. 2 § 37 Abs. 2 AnVNG von der Umwandlung nach § 30 Abs. 3 AVG ausgeschlossen sind. Zu Recht hat das SG darauf hingewiesen, daß in beiden Vorschriften übereinstimmend von „Rente wegen Erwerbsunfähigkeit“ die Rede ist und somit bereits der für die Auslegung in erster Linie maßgebliche Wortlaut für eine Anwendbarkeit des § 30 Abs. 3 AVG auf umgestellte Renten spricht. Dies wird bestätigt durch den Sinn und Zweck des Art. 2 § 37 Abs. 2 Satz 1 AnVNG. Nach der ständigen Rechtspr. des BSG ist diese Best. - anders als Abs. 3 Sätze 1 und 4 i.d.F. des RVÄndG vom 09.06.1965 (BGBl. I 476) (vgl. dazu BSGE 32, 85, 87; BSG SozR Nr. 22 zu § 1262 RVO) - keine bloße Berechnungsvorschrift (BSGE 25, 9, 11). Ihr Sinn und Zweck ist es, die vor dem Inkrafttreten des AnVNG gewährten Versichertenrenten (Altrenten) für die Bezugszeit ab 1.1.1957 in das neue Rentensystem einzugliedern. Das bisherige Recht hat den Unterschied zwischen Rente wegen BU und wegen EU mit der sich daraus ergebenden Differenz in der Höhe der Leistung (vgl. § 30 Abs. 1 und 2 AVG) nicht gekannt. Eine individuelle Umstellung der Altrenten auf das neue System hätte somit in jedem Einzelfall die Feststellung erfordert, ob der Rentenempfänger i.S. des neuen Rechts berufsunfähig oder erwerbsunfähig ist. Eine derartige Rentenumstellung wäre praktisch nicht oder jedenfalls zum Nachteil der betroffenen Altrentner nur unter erheblichen Schwierigkeiten und während einer unverhältnismäßig langen Übergangszeit möglich gewesen. Der Gesetzgeber hat daher für die Rentenumstellung einen anderen Weg beschritten und durch eine bewußt generalisierende Regelung unter Inkaufnahme einer gewissen Benachteiligung für die tatsächlich erwerbsunfähigen Altrentner eine Umstellung der Altrenten unter Zugrundelegung eines mittleren Umstellungsfaktors von 1,3 v.H. vorgeschrieben (vgl. BSGE 8, 118, 120 f.; 13, 61, 63; 25, 9, 10; 32, 85, 87). Hierin liegt der Unterschied zur EU-Rente neuen Rechts und zugleich die Erklärung dafür, daß es zur Gleichstellung der umgestellten Renten einer gesetzlichen Fiktion bedurft hat (vgl. Art. 2 § 37 Abs. 1 Satz 1 AnVNG: „gelten als Rente wegen EU”). Darin erschöpft sich die Bedeutung dieser Fiktion. Im übrigen sind die Altrenten nach ihrer Umstellung im Grunde durchaus wie Neurenten zu behandeln (BSGE 8, 118, 122). So hat das BSG bereits entschieden, daß auch eine umgestellte Rente zur Begrenzung des Anspruchs auf Krankengeld gem. § 183 Abs. 4 RVO (BSGE 25, 9, 10) oder zum Ruhen des Anspruchs auf Alg. nach § 118 Nr. 3 AFG führt (Urt. des BSG vom 21.07.1977 - BSGE 44, 193). Diese Gleichstellung der Altrenten mit den Neurenten gilt nicht nur zum Nachteil des Rentenempfängers. Sie ist bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen ebenso zu seinen Gunsten zu berücksichtigen (vgl. zur Teilnahme der umgestellten Renten an den Anpassungen BSG SozR Nr. 11 zu Art. 2 § 38 ArVNG). Dies muß auch im Rahmen des § 30 Abs. 3 AVG gelten.

Die hiergegen vorgebrachten Bedenken der Beklagten teilt der Senat nicht. Zu Unrecht leitet die Beklagte daraus, daß mit der Neufassung des § 31 Abs. 2 AVG durch das RVÄndG zugleich Art. 2 § 37 Abs. 3 AnVNG um die Sätze 2 und 3 ergänzt und daß bei der Einführung des flexiblen Altersruhegeldes (§ 25 Abs. 1 AVG) mit der dadurch bedingten Neufassung des § 31 Abs. 2 AVG durch das RRG auch Art. 2 § 37 Abs. 3 AnVNG geändert worden ist, die Unanwendbarkeit des § 30 Abs. 3 AVG auf Umstellungsrenten her, weil es hierzu nach der vom Gesetzgeber bisher verfolgten Systematik einer ausdrücklichen Regelung innerhalb des Art. 2 § 37 AnVNG bedurft hätte. Sie läßt folgendes außer acht: § 31 Abs. 2 AVG in seiner ursprünglichen Fassung vom 23.2.1957 hatte die Umwandlung einer Rente wegen BU oder wegen EU in ein Altersruhegeld nur bei Vollendung des 65. Lebensjahres vorgesehen. Nach seiner Neufassung durch das RVÄndG konnte eine Umwandlung auch in das vorgezogene Altersruhegeld wegen Arbeitslosigkeit (§ 25 Abs. 2 AVG) und für weibliche Versicherte (§ 25 Abs. 3 AVG) erfolgen. Umwandlung aufgrund eines neuen Versicherungsfalles bedeutet, daß der hierauf beruhende Leistungsanspruch nach Grund und Höhe neu zu prüfen und festzustellen ist (BSGE 26, 206; BSG SozR Nr. 3 zu § 1253 RVO). Für umgestellte Renten hat das RVÄndG eine Umwandlung nicht vorgesehen. Sie ist nach wie vor nur unter den Voraussetzungen des Art. 2 § 37 Abs. 3 Satz 4 AnVNG i.d.F. des RVÄndG zulässig gewesen (vgl BSGE 32, 85, 88). Im übrigen konnte - wie schon vorher bei der Vollendung des 65. Lebensjahres - nunmehr auch bei Eintritt der VersFälle des § 25 Abs. 2 und 3 AVG lediglich eine Erhöhung der Rente auf 15/13 des bisherigen monatlichen Zahlbetrages erfolgen. Das ergibt sich aus der Bezugnahme des durch das RVÄndG eingefügten Satzes 2 auf Satz 1 des Art. 2 § 37 Abs. 3 AnVNG. Das RVÄndG hat somit an den Eintritt eines Versicherungsfalles i.S. des § 25 Abs. 2 oder 3 AVG für die Empfänger einer Rente wegen BU oder EU nach neuem Recht einerseits und für die Bezieher einer umgestellten Rente i.S. des Art. 2 § 37 Abs. 2 AnVNG andererseits unterschiedliche Rechtsfolgen (einmal Umwandlung, zum anderen Erhöhung) geknüpft. Dasselbe gilt für die Änderungen durch das RRG. Nach § 31 Abs. 2 AVG in seiner nunmehr geltenden Passung kann eine Rente wegen BU oder EU auch in das flexible Altersruhegeld (§ 25 Abs. 1 AVG) umgewandelt werden. Diese Möglichkeit ist auf die Bezieher neuer Renten beschränkt und für Empfänger umgestellter Renten durch die Neufassung des Art. 2 § 37 Abs. 3 Sätze 2 und 3 AnVNG wiederum die Möglichkeit einer Erhöhung der Rente auf 15/13 des bisherigen Zahlbetrages eröffnet worden. Aus den gleichzeitigen Änderungen des § 31 Abs. 2 AVG und des Art 2 § 37 Abs. 3 AnVNG durch das RVÄndG und das RRG kann damit für die Gesetzessystematik nicht mehr hergeleitet werden, als daß der Gesetzgeber im Zuge einer Änderung von Vorschriften des Art. 1 AnVNG zugleich Bestimmungen des Art. 2 AnVNG lediglich dann ausdrücklich ändert, wenn er damit für Empfänger von umgestellten Renten eine von Art. 1 AnVNG abweichende Regelung treffen will. Hingegen kann nicht darüber hinaus gefolgert werden, daß für die Einbeziehung der Empfänger umgestellter Renten in Neuregelungen des Art. 1 AnVNG stets und somit auch dann eine Änderung der Vorschriften des Art. 2 AnVNG erforderlich ist, wenn die Neuregelung gleichermaßen die Bezieher sowohl neuer als auch umgestellter Renten betreffen kann und soll. In diesem Fall besteht kein Bedürfnis für eine solche Änderung. Die Gleichstellung der Empfänger umgestellter Renten wird bereits durch die generelle Regelung des Art. 2 § 37 Abs. 2 Satz 1 AnVNG bewirkt. Bei der von der Beklagten vertretenen Auffassung wäre diese Vorschrift weitgehend inhaltsleer.

Bereits Art. 2 § 37 Abs. 2 Sätze 2 bis 4 AnVNG i.d.F. des RRG regelt einen Fall der Neuberechnung von Umstellungsrenten bei EU. Hieraus kann jedoch ebenfalls nicht auf eine Unanwendbarkeit des § 30 Abs. 3 AVG auf umgestellte Renten geschlossen werden. Art. 2 § 37 Abs. 2 Sätze 2 bis 4 AnVNG ist keine abschließende Regelung. Vor ihrem Inkrafttreten konnten die Empfänger einer umgestellten Rente, die nach dem 31.12.1956 weiterhin Beiträge entrichtet hatten, selbst bei Vorliegen von EU keine entsprechende Leistung unter Anrechnung der weiterhin entrichteten Beiträge erhalten; eine Anrechnung der Beiträge war im Regelfall erst bei Vollendung des 65. Lebensjahres möglich. Insoweit waren die Empfänger umgestellter Renten benachteiligt gegenüber Versicherten, bei denen bis zum 31.12.1956 ein Versicherungsfall noch nicht eingetreten war. Durch Art. 2 § 37 Abs. 2 Sätze 2 und 3 AnVNG sollte dieser Nachteil beseitigt und unter Berücksichtigung dessen, daß die Zeit bis zur Vollendung des 55. Lebensjahres als Zurechnungszeit zu berücksichtigen (§ 37 Abs. 1 AVG) und für umgestellte Renten ein entsprechender Wert in die Umstellungsfaktoren eingebaut ist (vgl. BSGE 16, 247, 250), eine Gleichstellung der Altrentner mit den Neurentnern herbeigeführt werden (vgl. BR-Drucks. 5661 71, S. 47). Dies ist der alleinige Zweck der Neuregelung gewesen. Daß darüber hinaus die Neuberechnung umgestellter Renten bei Vorliegen von EU ein für allemal und selbst für den Fall einer zukünftigen Verbesserung der Rechtsstellung der Neurentner abschließend geregelt werden sollte, ist ihr nicht zu entnehmen. Dies widerlegt zugleich die Auffassung der Beklagten (Schriftsatz vom 15.09.1976), daß mit § 30 Abs. 3 AVG für Renten, die auf Versicherungsfällen nach dem 31.12.1956 beruhen, eine dem Art. 2 § 37 Abs. 2 Sätze 2 bis 4 AnVNG entsprechende Vorschrift eingeführt werden sollte. Hierzu hat nach vorstehenden Ausführungen kein Anlaß und kein Bedürfnis bestanden. § 30 Abs. 3 AVG verfolgt einen anderen Zweck. Durch das SVBehG sollte allgemein die soziale Sicherung Behinderter, die bislang bei Krankheit, Invalidität und Alter ohne ausreichenden Sozialversicherungsschutz waren, verbessert werden (vgl. BR-Drucks. 73/74, S. l). Als verbesserungsbedürftig wurde insbesondere angesehen, daß Rentenversicherte nach dem damals geltenden Recht aus während einer EU entrichteten Beiträgen keinen Anspruch auf EU-Rente erwerben konnten (a.a.O., 9). Die Gesetzesänderung sollte sicherstellen, daß auch aus diesen Beiträgen ein Anspruch auf EU-Rente erworben werden kann, wobei zum Ausgleich die Wartezeit auf 20 Jahre verlängert worden ist (a.a.O., 1, 11, 15; vgl. auch Verhandlungen des Deutschen BT, 7. Wahlperiode, 152. Sitzung am 27.02.1975, Niederschrift S. 10484 A und S. 10489 C, D). Der Nachteil, aus während einer EU entrichteten Beiträgen keine entsprechende Leistung zu erhalten, kann Neurentner und Umstellungsrentner in gleicher Weise treffen. Dementsprechend sind sie grundsätzlich gleichermaßen in die zur Behebung dieses Nachteils geschaffene Regelung des § 30 Abs. 3 AVG einzubeziehen. Allerdings werden dadurch für die Bezieher umgestellter Renten die Möglichkeiten einer Neuberechnung bei Vorliegen von EU erweitert und gegenüber Art. 2 § 37 Abs. 2 Satz 2 AnVNG insofern partiell verbessert, als die Neufeststellung nach § 30 Abs. 3 AVG weder von der Vollendung des 55. Lebensjahres noch von einer Beitragsentrichtung nach Vollendung des. 55. Lebensjahres abhängt. Dies ist jedoch eine Folge der durch § 30 Abs. 3 AVG bewirkten Verbesserung der Rechtsstellung der Neurentner und damit die systemkonforme Konsequenz dessen, daß ihnen nach dem erklärten Willen des Gesetzgebers (vgl. Art. 2 § 37 Abs. 2 Satz 1 AnVNG) hinsichtlich der Wirkungen der Rentengewährung die Empfänger umgestellter Renten gleichstehen. Überdies entspricht die Einbeziehung der Altrentner in den Anwendungsbereich des § 30 Abs. 3 AVG der allgemeinen Zielsetzung des SVBehG. Dessen Wortlaut, Zweck und Entstehungsgeschichte geben keine Hinweise darauf, daß und ggf. mit welcher sachlichen Rechtfertigung die Altrentner von den rentenversicherungsrechtlichen Verbesserungen des Gesetzes ausgeschlossen sein sollten und dürften.

Die Beklagte leitet aus dem Fehlen einer dem Art. 2 § 37 Abs. 2 Satz 2 AnVNG entsprechenden Schutzvorschrift innerhalb des § 30 Abs. 3 AVG her, daß eine Neufeststellung nach letzterer Vorschrift zur Gewährung einer Rente führen kann, die niedriger ist als 15/13 des bisherigen Zahlbetrages der Umstellungsrente. Diese Erwägung trifft nicht zu. Dabei kann auf sich beruhen, ob dem Art. 2 § 37 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 Sätze 1l und 4 AnVNG ein allgemeiner Schutzgedanke zugunsten der Empfänger einer umgestellten Rente dahingehend entnommen werden kann, daß generell eine Neuberechnung der Rente nur vorgenommen werden soll, wenn sich hierdurch der bisherige Zahlbetrag um wenigstens 2/13 erhöht. Jedenfalls würde die Anwendung des § 30 Abs. 3 AVG einem solchen Schutzgedanken nicht widersprechen. Das gilt zunächst für Versicherte, die das 55. Lebensjahr vollendet haben. Die Neuberechnung sowohl nach Art. 2 § 37 Abs. 2 Satz 2 AnVNG als auch nach § 30 Abs. 3 AVG ist von einem Antrag des Rentenempfängers abhängig. Diesem bleibt daher, falls eine Neufeststellung nach § 30 Abs. 3 AVG zu einer Erhöhung der bisherigen Rente um weniger als 2/13 führen sollte, die Möglichkeit, eine Neuberechnung nach Art. 2 § 37 Abs. 2 Satz 2 AnVNG zu beantragen und sich so den Schutz dieser Vorschrift zu erhalten. Für Rentenempfänger vor Vollendung des 55. Lebensjahres besteht die von der Beklagten erwogene Möglichkeit einer Rentenerhöhung um weniger als 2/13 im Regelfall nicht. Die Umstellung der Altrenten nach Art. 2 § 31 AnVNG ist unter Zugrundelegung eines mittleren Faktors von 1,3 v.H. erfolgt. In den umgestellten Renten ist eine nach Wert und Umfang pauschalierte Zurechnungszeit vom Rentenbeginn bis zur Vollendung des 55. Lebensjahres enthalten (vgl. Urt. des Senats vom 07.12.1977 - SozR 5750 Art. 2 § 38 Nr. 3 m.w.N.). Diese Zurechnungszeit ist bei einer Neufeststellung der Rente nach § 30 Abs. 3 AVG besitzgeschützt (§ 30 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. Abs. 2 Satz 3 AVG). Die Neufeststellung ist auf der Grundlage eines Satzes von 1,5 v.H. vorzunehmen (§ 30 Abs. 2 Satz 1 AVG). Dieser überschreitet den im Rahmen des Art. 2 § 31 AnVNG maßgebenden Umstellungsfaktor von 1,3 v.H. um 2/13. Schon deswegen kann die Neufeststellung der Rente nach § 30 Abs. 3 AVG nicht zu einer Erhöhung des bisherigen Zahlbetrages um weniger als 2/13 führen. Im übrigen tritt durch Gewährung eines Steigerungsbetrages für während der pauschalierten Zurechnungszeit entrichtete Beiträge (§ 37a i.V.m. § 32 Abs. 7 Satz 2 AVG) eine weitere Erhöhung der neu festgestellten Rente ein.

Nach alledem ist § 30 Abs. 3 AVG grundsätzlich auf für Empfänger einer umgestellten Rente anwendbar, die nach Art. 2 § 37 Abs. 2 Satz 1 AnVNG als EU-Rente gilt. Voraussetzung für die Neufeststellung nach § 30 Abs. 3 AVG im Einzelfall ist allerdings, daß der Rentenempfänger erwerbsunfähig i.S. des § 24 Abs. 2 AVG ist und vor der Entrichtung von Beiträgen für 240 Kalendermonate bereits gewesen ist. Von diesem Tatbestandserfordernis sind Umstellungsrentner nicht ausgenommen. Ihre Rente ist zwar durch gesetzliche Fiktion (Art. 2 § 37 Abs. 2 Satz 1 AnVNG) den EU-Renten gleichgestellt worden. Damit ist aber nicht zugleich das Vorliegen von EU i.S. des § 24 Abs. 2 AVG fingiert worden. Dies läßt sich auch aus § 24 Abs. 3 Satz 2 AVG nicht herleiten. Die durch diese Vorschrift aufgestellte gesetzliche Fiktion bezieht sich nur auf den Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalles, nicht hingegen auf seine sachlichen Voraussetzungen.

Dem Feststellungsbegehren des Klägers kann nur stattgegeben werden, wenn er erwerbsunfähig i.S. des § 24 Abs. 2 AVG ist. Das SG hat hierzu keine Feststellungen getroffen. Dem Senat sind derartige Feststellungen verwehrt. Das SG wird sie - ggf. nach Anhörung eines ärztlichen Sachverständigen - nachzuholen haben. Zu diesem Zweck war das angefochtene Urt. aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entsch. an das SG zurückzuverweisen (§ 170 Abs. 2 Satz 2 SGG).

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