§ 1 VersAusglG: Halbteilung der Anrechte
veröffentlicht am |
14.12.2020 |
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Änderung | Die GRA wurde redaktionell überarbeitet, im Abschnitt 3 um aktuelle Rechtsprechung und im Abschnitt 4.2 um die gesetzliche Neuregelung ab 01.01.2021 (Grundrentengesetz) ergänzt |
Stand | 02.12.2020 |
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Erstellungsgrundlage | in der Fassung des Gesetzes zur Strukturreform des Versorgungsausgleichs (VAStrRefG) vom 03.04.2009 in Kraft getreten am 01.09.2009 |
Rechtsgrundlage | |
Version | 002.00 |
- Inhalt der Regelung
- Allgemeines
- Halbteilung der Anrechte (Absatz 1)
- Ausgleichspflicht und Ausgleichswert (Absatz 2)
Inhalt der Regelung
Absatz 1 beinhaltet den Grundsatz der Halbteilung der von den Ehegatten in der Ehezeit jeweils erworbenen Anteile von Anrechten (Ehezeitanteile).
Absatz 2 definiert, wer ausgleichspflichtige Person ist und regelt, dass der ausgleichsberechtigten Person die Hälfte des Ehezeitanteils eines Anrechts (Ausgleichswert) zusteht.
Hinweis:
Die Ausführungen bei Scheidung einer Ehe gelten auch bei Aufhebung einer eingetragenen Lebenspartnerschaft (siehe GRA zu § 20 LPartG).
Ergänzende/korrespondierende Regelungen
§ 1 VersAusglG steht im direkten Zusammenhang mit § 1587 BGB, wonach zwischen den geschiedenen Ehegatten ein Ausgleich von im In- und Ausland bestehenden Anrechten nach Maßgabe des Versorgungsausgleichsgesetzes stattfindet.
In diesem Sinne ebenfalls zu beachten sind
- § 2 VersAusglG, der die einzubeziehenden Anrechte definiert,
- § 3 VersAusglG, der die Ehezeit bestimmt,
- § 5 VersAusglG in Verbindung mit den §§ 39 ff. VersAusglG zur Ermittlung des Ehezeitanteils,
- die §§ 10 bis 13 VersAusglG zur internen Teilung,
- die §§ 14 bis 17 VersAusglG zur in Ausnahmefällen durchzuführenden externen Teilung sowie
- die §§ 20 bis 26 VersAusglG zu den Ausgleichsansprüchen nach der Scheidung.
Allgemeines
Nach Art. 6 Abs. 1 GG gewährleistet die Ehe grundsätzlich eine Gleichberechtigung beider Partner. Hieraus folgt im Falle der Auflösung der Ehe der Anspruch auf die gleichmäßige Teilhabe beider Ehegatten an dem in der Ehezeit erworbenen Vorsorgevermögen (Urteil des BVerfG vom 02.05.2006, AZ: 1 BvR 1275/97). Wird die Ehe geschieden, ist es also von Verfassungs wegen geboten, einen Ausgleich zu schaffen (Urteil des BVerfG vom 28.02.1980, AZ: 1 BvL 136/78).
Diese Aufgabe übernimmt der Versorgungsausgleich, der gemäß § 1587 BGB zwischen geschiedenen Ehegatten stattzufinden hat und in der Regel im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit der Scheidung der Ehe durchgeführt wird.
Dabei werden die von den Ehegatten in der Ehe erworbenen Anrechte auf eine Versorgung wegen Alters und Invalidität gleichmäßig aufgeteilt. Das wirkt sich regelmäßig zugunsten desjenigen Ehegatten aus, der sich beispielsweise der Kinderbetreuung gewidmet hat und damit keine oder nur eine geringere eigenständige Versorgung aufbauen konnte (BT-Drucksache 16/10144 S. 29).
Der Versorgungsausgleich trennt die Versorgungsschicksale der geschiedenen Ehegatten endgültig und leistet damit einen wesentlichen Beitrag zur frühzeitigen eigenständigen Versorgung der ausgleichsberechtigten Person (siehe auch BVerfG vom 11.12.2014, AZ: 1 BvR 1485/12).
Das bedeutet, dass sich nach einem durchgeführten Versorgungsausgleich die Versorgungsanwartschaften der ausgleichsberechtigten Person erhöhen und sich die der ausgleichspflichtigen Person mindern, auch wenn aus dem ausgeglichenen Anrecht noch keine Leistung an den jeweils anderen Ehegatten erbracht wird.
Der Ausgleich der Anrechte wirkt auch nach einer erneuten Eheschließung oder dem Tod eines Ehegatten weiter (zu den Besonderheiten des Wertausgleichs nach der Scheidung siehe GRA zu den §§ 20 ff. VersAusglG).
Zur Sicherstellung der von Verfassungs wegen gebotenen Halbteilung der Anrechte beinhaltet § 1 Abs. 1 VersAusglG das Grundprinzip des Versorgungsausgleichs, den sogenannten Halbteilungsgrundsatz (siehe Abschnitt 3). Hiernach sind die in der Ehezeit erworbenen Anrechte (Ehezeitanteile, siehe Abschnitt 3.1) jeweils hälftig unter den Ehegatten aufzuteilen.
§ 1 Abs. 2 VersAusglG konkretisiert den nach Absatz 1 durchzuführenden Ausgleich, in dem er die Begriffe „ausgleichspflichtige Person“ und „ausgleichsberechtigte Person“ bestimmt (siehe Abschnitt 4.1) und den Ausgleichswert definiert (siehe Abschnitt 4.2).
Halbteilung der Anrechte (Absatz 1)
Nach § 1 Abs. 1 VersAusglG werden beim Versorgungsausgleich die von den Ehegatten in der Ehezeit gemeinsam erworbenen Versorgungsanrechte hälftig geteilt (Halbteilungsgrundsatz). Durch die Teilung jedes einzelnen auszugleichenden Anrechts soll eine gerechte Teilhabe beider Ehegatten an dem in der Ehezeit gemeinsam erworbenen Vorsorgevermögen gewährleistet werden. Welche Anrechte in den Ausgleich einzubeziehen sind, ist in § 2 VersAusglG abschließend geregelt (siehe GRA zu § 2 VersAusglG).
Der Halbteilungsgrundsatz ist sowohl bei der vorrangig durchzuführenden internen Teilung nach § 10 VersAusglG als auch bei der in Ausnahmefällen zulässigen externen Teilung nach den §§ 14 bis 17 VersAusglG und bei den Ausgleichsansprüchen nach der Scheidung (§§ 20 bis 26 VersAusglG) zu beachten.
Hierdurch wird sichergestellt, dass sich der Ausgleich insgesamt weder einseitig zu Gunsten noch zu Lasten der ausgleichsberechtigten oder der ausgleichspflichtigen Person auswirkt.
Die nach § 1 Abs. 1 VersAusglG gebotene Halbteilung ist nach § 5 Abs. 2 VersAusglG stichtagsbezogen durchzuführen. Maßgebender Stichtag für die Bewertung ist regelmäßig das Ende der Ehezeit (§ 5 Abs. 2 S. 1 VersAusglG). Rechtliche oder tatsächliche Veränderungen nach dem Ehezeitende sind hierbei jedoch zu berücksichtigen (§ 5 Abs. 2 S. 2 VersAusglG; siehe BGH vom 29.02.2012, AZ: XII ZB 609/10, sowie GRA zu § 5 VersAusglG, Abschnitte 4 ff.).
Unabhängig davon kann sich aus dem Halbteilungsgrundsatz auch ein vom Ehezeitende abweichender maßgebender Bewertungszeitpunkt ergeben, wie beispielsweise bei der internen oder externen Teilung von kapitalgedeckten Anrechten, aus denen bereits eine laufende Rente an die ausgleichspflichtige Person gezahlt wird (BGH vom 24.08.2016, AZ: XII ZB 84/13, siehe GRA zu § 5 VersAusglG, Abschnitt 4.1). Bei der externen Teilung von Fondsanteilen wird deren Gegenwert als Kapitalbetrag erst zum Rechtskraftzeitpunkt ermittelt (BGH vom 19.07.2017, AZ: XII ZB 201/17).
Der Maßstab der Halbteilung ist auch bei Ermessensentscheidungen, zum Beispiel in Fällen der Geringfügigkeit nach § 18 VersAusglG, zu beachten. Aus diesem Grund kann der Ausgleich eines einzelnen Anrechts mit einem geringen Ausgleichswert geboten sein, wenn damit kein unverhältnismäßiger Aufwand verbunden ist (BGH vom 30.11.2011, AZ: XII ZB 344/10; BGH vom 30.11.2011, AZ: XII ZB 79/11; siehe GRA zu § 18 VersAusglG, Abschnitt 4).
Der Halbteilungsgrundsatz nach § 1 Abs. 1 VersAusglG ist nicht mehr gewahrt, wenn sich der Wert eines oder mehrerer einbezogener Anrechte nach der Versorgungsausgleichsentscheidung aufgrund tatsächlicher oder rechtlicher Veränderungen wesentlich geändert hat. In einem solchen Fall kann das Familiengericht unter den Voraussetzungen der §§ 51, 52 VersAusglG beziehungsweise §§ 225, 226 FamFG auf Antrag eine Abänderung des Versorgungsausgleichs vornehmen.
Wird eine Rentenleistung an die ausgleichspflichtige Person nicht oder nur teilweise um den Versorgungsausgleich gemindert, weil die Voraussetzungen für die Anwendung der Anpassungsregelungen nach den §§ 33 bis 38 VersAusglG vorliegen, ist hierin kein Verstoß gegen den Halbteilungsgrundsatz zu sehen.
Ehezeitanteile
§ 1 Abs. 1 VersAusglG definiert die in der Ehezeit erworbenen Anteile von Anrechten als Ehezeitanteile. Der jeweilige Ehezeitanteil eines Anrechts ist Gegenstand des Ausgleichs (Teilungsgegenstand).
Dem Versorgungsausgleich unterfallen alle Anrechte im Sinne des § 2 VersAusglG, die in der Ehezeit erworben wurden („In-Prinzip“, siehe GRA zu § 5 VersAusglG, Abschnitt 3.2.2).
Der zeitliche Umfang der Ehezeit bestimmt sich nach § 3 Abs. 1 VersAusglG. Die Bewertung und Berechnung des jeweiligen Ehezeitanteils richtet sich nach § 5 VersAusglG in Verbindung mit den §§ 39 ff. VersAusglG (siehe hierzu GRA zu § 5 VersAusglG, § 39 VersAusglG, § 41 VersAusglG, § 44 VersAusglG und § 47 VersAusglG).
Ausgleichspflicht und Ausgleichswert (Absatz 2)
§ 1 Abs. 2 VersAusglG definiert die „ausgleichspflichtige und ausgleichsberechtigte Person“ (siehe Abschnitt 4.1) sowie den Begriff des „Ausgleichswerts“ (siehe Abschnitt 4.2).
„Ausgleichspflichtige Person“ und „ausgleichsberechtigte Person“
Nach § 1 Abs. 2 S. 1 VersAusglG ist diejenige Person ausgleichspflichtig, die einen Ehezeitanteil an einem Anrecht im Sinne des § 2 VersAusglG erworben hat. Ausgleichsberechtigt ist diejenige Person, der die Hälfte des Werts des jeweiligen Ehezeitanteils (Ausgleichswert, siehe Abschnitt 4.2) zusteht. Haben beide Ehegatten ehezeitliche Anrechte erworben, sind sie hinsichtlich der eigenen Anrechte ausgleichspflichtig und bezogen auf die Anrechte des anderen Ehegatten ausgleichsberechtigt. Es findet ein sogenannter Hin-und-her-Ausgleich der einzelnen Anrechte statt. Das VersAusglG spricht daher von der ausgleichspflichtigen beziehungsweise der ausgleichsberechtigten Person immer in Bezug auf das jeweilige auszugleichende Anrecht.
Ausgleichswert
§ 1 Abs. 2 S. 2 VersAusglG definiert den Begriff des „Ausgleichswerts“.
Der Ausgleichswert stellt den Wert dar, der von dem Ehezeitanteil des jeweiligen Anrechts gemäß § 1 Abs. 1 VersAusglG zugunsten der ausgleichsberechtigten Person zu übertragen oder zu begründen ist, um die Halbteilung dieses Anrechts zu realisieren. Die Hälfte des Ehezeitanteils eines Anrechts ergibt somit grundsätzlich den Ausgleichswert. Der Ausgleichswert kann sich aber mindern, wenn beispielsweise Versorgungsträger bei der internen Teilung nach § 10 VersAusglG Teilungskosten nach § 13 VersAusglG geltend machen (siehe GRA zu § 13 VersAusglG), die Ehegatten eine Vereinbarung nach den §§ 6 bis 8 VersAusglG schließen (siehe GRA zu § 6 VersAusglG, GRA zu § 7 VersAusglG, GRA zu § 8 VersAusglG) oder ein voller Ausgleich grob unbillig im Sinne des § 27 VersAusglG wäre (siehe GRA zu § 27 VersAusglG).
Hinweis:
Für die Teilung von Anrechten der gesetzlichen Rentenversicherung werden keine Teilungskosten erhoben.
Nach § 5 Abs. 1 VersAusglG hat der Versorgungsträger den Ehezeitanteil in Form der für das jeweilige Versorgungssystem maßgebenden Bezugsgröße zu errechnen. Bezogen auf die gesetzliche Rentenversicherung ist der Ausgleichswert daher die Hälfte der auf die Ehezeit entfallenden
- Entgeltpunkte der allgemeinen Rentenversicherung,
- Entgeltpunkte (Ost) der allgemeinen Rentenversicherung (bis 30.06.2024),
- Entgeltpunkte der knappschaftlichen Rentenversicherung,
- Entgeltpunkte (Ost) der knappschaftlichen Rentenversicherung (bis 30.06.2024),
- Zuschläge an Entgeltpunkten für langjährige Versicherung,
- Zuschläge an Entgeltpunkten (Ost) für langjährige Versicherung (bis 30.06.2024) sowie
- Monatsrente der statischen Zusatzleistung aus der Höherversicherung.
Bei der Erteilung der Auskunft an das Familiengericht nach § 5 VersAusglG haben die Versorgungsträger dem Gericht ergänzend zur Berechnung des Ehezeitanteils einen Vorschlag für die Bestimmung des Ausgleichswerts zu unterbreiten (siehe hierzu GRA zu § 5 VersAusglG).
Gesetz zur Strukturreform des Versorgungsausgleichs (VAStrRefG) vom 03.04.2009 (BGBl. I S. 700) |
Inkrafttreten: 01.09.2009 Quellen zum Entwurf: BR-Drucksache 343/08; BT-Drucksache 16/10144 |
Artikel 1 des Gesetzes zur Strukturreform des Versorgungsausgleichs (VAStrRefG) beinhaltet das Gesetz über den Versorgungsausgleich (Versorgungsausgleichsgesetz - VersAusglG). Die Vorschrift ist Teil des Gesetzes.