1 BvL 136/78, 1 BvR 890/77, 1 BvR 1300/78, 1 BvR 1440/78, 1 BvR 32/79
Gründe
A.
Gegenstand der zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbundenen Verfahren ist die Frage, ob wesentliche Bestimmungen des seit dem 1. Juli 1977 geänderten Scheidungsrechts und ihre Anwendung auf Ehen, die vor diesem Zeitpunkt geschlossen wurden, mit dem Grundgesetz vereinbar sind.
I.
1. Das Erste Eherechtsreformgesetz vom 14. Juni 1976 (BGBl I S 1421) hat die Voraussetzungen, unter denen Ehen geschieden werden können, neu geregelt. Die entscheidende Änderung gegenüber dem früheren Rechtszustand liegt in dem Übergang vom Verschuldensprinzip zum Zerrüttungsprinzip. Die grundlegenden Vorschriften lauten:
§ 1565
(1) Eine Ehe kann geschieden werden, wenn sie gescheitert ist. Die Ehe ist gescheitert, wenn die Lebensgemeinschaft der Ehegatten nicht mehr besteht und nicht erwartet werden kann, daß die Ehegatten sie wiederherstellen.
(2) Leben die Ehegatten noch nicht ein Jahr getrennt, so kann die Ehe nur geschieden werden, wenn die Fortsetzung der Ehe für den Antragsteller aus Gründen, die in der Person des anderen Ehegatten liegen, eine unzumutbare Härte darstellen würde.
§ 1566
(1) Es wird unwiderlegbar vermutet, daß die Ehe gescheitert ist, wenn die Ehegatten seit einem Jahr getrennt leben und beide Ehegatten die Scheidung beantragen oder der Antragsgegner der Scheidung zustimmt.
(2) Es wird unwiderlegbar vermutet, daß die Ehe gescheitert ist, wenn die Ehegatten seit drei Jahren getrennt leben.
§ 1567
(1) Die Ehegatten leben getrennt, wenn zwischen ihnen keine häusliche Gemeinschaft besteht und ein Ehegatte sie erkennbar nicht herstellen will, weil er die eheliche Lebensgemeinschaft ablehnt. Die häusliche Gemeinschaft besteht auch dann nicht mehr, wenn die Ehegatten innerhalb der ehelichen Wohnung getrennt leben.
(2) Ein Zusammenleben über kürzere Zeit, das der Versöhnung der Ehegatten dienen soll, unterbricht oder hemmt die in § 1566 bestimmten Fristen nicht.
§ 1568
(1) Die Ehe soll nicht geschieden werden, obwohl sie gescheitert ist, wenn und solange die Aufrechterhaltung der Ehe im Interesse der aus der Ehe hervorgegangenen minderjährigen Kinder aus besonderen Gründen ausnahmsweise notwendig ist oder wenn und solange die Scheidung für den Antragsgegner, der sie ablehnt, auf Grund außergewöhnlicher Umstände eine so schwere Härte darstellen würde, daß die Aufrechterhaltung der Ehe auch unter Berücksichtigung der Belange des Antragstellers ausnahmsweise geboten erscheint.
(2) Absatz 1 ist nicht anzuwenden, wenn die Ehegatten länger als fünf Jahre getrennt leben.
Das geänderte Scheidungsrecht ist am 1. Juli 1977 in Kraft getreten (Art 12 Nr 13 Buchst a des 1. EheRG). Es gilt auch dann, wenn die Ehe vor diesem Zeitpunkt geschlossen wurde (Art 12 Nr 3 Abs 1 des 1. EheRG).
Neu gefaßt und erweitert wurde die Vorschrift über die Aussetzung des Scheidungsverfahrens. Sie lautet nunmehr:
(1) ...
(2) Das Verfahren auf Scheidung soll das Gericht von Amts wegen aussetzen, wenn nach seiner freien Überzeugung Aussicht auf Fortsetzung der Ehe besteht. Leben die Ehegatten länger als ein Jahr getrennt, so darf das Verfahren nicht gegen den Widerspruch beider Ehegatten ausgesetzt werden.
(3) Hat der Kläger die Aussetzung des Verfahrens beantragt, so darf das Gericht ... auf Scheidung nicht erkennen, bevor das Verfahren ausgesetzt war.
(4) Die Aussetzung darf nur einmal wiederholt werden. Sie darf insgesamt die Dauer von einem Jahr, bei einer mehr als dreijährigen Trennung die Dauer von sechs Monaten nicht überschreiten.
(5) Mit der Aussetzung soll das Gericht in der Regel den Ehegatten nahelegen, eine Eheberatungsstelle in Anspruch zu nehmen.
Über die Ehescheidung und die Scheidungsfolgen hat das Familiengericht zu entscheiden, und zwar grundsätzlich in einem Verhandlungsverbund und Entscheidungsverbund (§ 23b GVG; §§ 623, 628 ZPO).
2. Nach dem am 1. Januar 1900 in Kraft getretenen Bürgerlichen Gesetzbuch war die Scheidung der Ehe wegen Ehebruchs, Lebensnachstellung, böslichen Verlassens und wegen schuldhafter Ehezerrüttung durch schwere Pflichtverletzung oder ehrloses oder unsittliches Verhalten sowie wegen Geisteskrankheit möglich; außer bei Geisteskrankheit war die Schuld eines oder beider Ehegatten festzustellen und bei der Scheidung auszusprechen (§§ 1565ff BGB aF).
Durch das Ehegesetz von 1938 (RGBl I S 807) wurden die Scheidungsgründe wegen Verschuldens neu gefaßt und teilweise erweitert sowie die Feststellung eines überwiegenden Verschuldens zugelassen. Als verschuldensunabhängige Scheidungsgründe wurden die der Geistesstörung, der ansteckenden oder ekelerregenden Krankheit und der Unfruchtbarkeit eingeführt (§§ 47ff EheG 1938). Schließlich wurde ein neuer Zerrüttungstatbestand geschaffen, der die Scheidung nach dreijähriger Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft erlaubte; dem nicht oder minder schuldigen Ehegatten wurde ein Widerspruchsrecht eingeräumt, das allerdings unbeachtlich blieb, wenn die Aufrechterhaltung der Ehe im Hinblick auf das Wesen der Ehe und auf das Gesamtverhalten beider Eheleute nicht gerechtfertigt war (§ 55 EheG 1938).
Nach dem Ende des zweiten Weltkriegs entfernten die Besatzungsmächte die Vorschriften typisch nationalsozialistischen Inhalts aus dem Ehegesetz 1938 und schränkten die Zerrüttungsscheidung im Interesse der aus der Ehe hervorgegangenen minderjährigen Kinder ein. Die Scheidungsvorschriften des als Kontrollratsgesetz Nr 16 am 20. Februar 1946 neu verkündeten Ehegesetzes (KRABl S 77) lautete:
§ 42
Ehebruch
(1) Ein Ehegatte kann Scheidung begehren, wenn der andere die Ehe gebrochen hat.
(2) Er hat kein Recht auf Scheidung, wenn er dem Ehebruch zugestimmt oder ihn durch sein Verhalten absichtlich ermöglicht oder erleichtert hat.
§ 43
Andere Eheverfehlungen
Ein Ehegatte kann Scheidung begehren, wenn der andere durch eine schwere Eheverfehlung oder durch ehrloses oder unsittliches Verhalten die Ehe schuldhaft so tief zerrüttet hat, daß die Wiederherstellung einer ihrem Wesen entsprechenden Lebensgemeinschaft nicht mehr erwartet werden kann. Wer selbst eine Verfehlung begangen hat, kann die Scheidung nicht begehren, wenn nach der Art seiner Verfehlung, insbesondere wegen des Zusammenhangs der Verfehlung des anderen Ehegatten mit seinem eigenen Verschulden, sein Scheidungsbegehren bei richtiger Würdigung des Wesens der Ehe sittlich nicht gerechtfertigt ist.
§ 44
Auf geistiger Störung beruhendes Verhalten
Ein Ehegatte kann Scheidung begehren, wenn die Ehe infolge eines Verhaltens des anderen Ehegatten, das nicht als Eheverfehlung betrachtet werden kann, weil es auf einer geistigen Störung beruht, so tief zerrüttet ist, daß die Wiederherstellung einer dem Wesen der Ehe entsprechenden Lebensgemeinschaft nicht erwartet werden kann.
§ 45
Geisteskrankheit
Ein Ehegatte kann Scheidung begehren, wenn der andere geisteskrank ist, die Krankheit einen solchen Grad erreicht hat, daß die geistige Gemeinschaft zwischen den Ehegatten aufgehoben ist, und eine Wiederherstellung dieser Gemeinschaft nicht erwartet werden kann.
§ 46
Ansteckende oder ekelerregende Krankheit
Ein Ehegatte kann Scheidung begehren, wenn der andere an einer schweren ansteckenden oder ekelerregenden Krankheit leidet und ihre Heilung oder die Beseitigung der Ansteckungsgefahr in absehbarer Zeit nicht erwartet werden kann.
§ 47
Vermeidung von Härten
In den Fällen der §§ 44 bis 46 darf die Ehe nicht geschieden werden, wenn das Scheidungsbegehren sittlich nicht gerechtfertigt ist. Dies ist in der Regel dann anzunehmen, wenn die Auflösung der Ehe den anderen Ehegatten außergewöhnlich hart treffen würde. Ob dies der Fall ist, richtet sich nach den Umständen, namentlich auch nach der Dauer der Ehe, dem Lebensalter der Ehegatten und dem Anlaß der Erkrankung.
§ 48
Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft
(1) Ist die häusliche Gemeinschaft der Ehegatten seit drei Jahren aufgehoben und infolge einer tiefgreifenden, unheilbaren Zerrüttung des ehelichen Verhältnisses die Wiederherstellung einer dem Wesen der Ehe entsprechenden Lebensgemeinschaft nicht zu erwarten, so kann jeder Ehegatte die Scheidung begehren.
(2) Hat der Ehegatte, der die Scheidung begehrt, die Zerrüttung ganz oder überwiegend verschuldet, so kann der andere der Scheidung widersprechen. Der Widerspruch ist nicht zu beachten, wenn die Aufrechterhaltung der Ehe bei richtiger Würdigung des Wesens der Ehe und des gesamten Verhaltens beider Ehegatten sittlich nicht gerechtfertigt ist.
(3) Dem Scheidungsbegehren ist nicht stattzugeben, wenn das wohlverstandene Interesse eines oder mehrer minderjähriger Kinder, die aus der Ehe hervorgegangen sind, die Aufrechterhaltung der Ehe erfordert.
Nach den Erhebungen des Statistischen Bundesamtes wurden im Jahre 1971 mehr als 94% aller Scheidungen nach § 43 EheG ausgesprochen (BTDrucks 7/650 S 71). Dazu gehörten auch die "Konventionalscheidungen", deren Anteil an allen Ehescheidungen auf 80% geschätzt wurde (BMJ (Hrsg), Reform des Ehe- und Familienrechts, 1974, S 12). Bei ihnen waren die übereinstimmenden Erklärungen der Ehegatten über schwere Eheverfehlungen maßgebend. Diese wurden vom Gericht nicht weiter überprüft und zum Gegenstand des Schuldausspruchs gemacht.
Rechtliche Schwierigkeiten traten im Ehescheidungsverfahren vor allem bei der Auslegung des Widerspruchstatbestandes des § 48 Abs 2 EheG auf. Während das Reichsgericht das Widerspruchsrecht des nichtschuldigen Ehegatten verhältnismäßig eng auslegte, weil es nicht Sinn des Gesetzes sei, "einen schuldigen Ehegatten durch Festhalten an einer Scheinehe zu strafen" (RGZ 159, 305 (310) und allein um der schweren Schuld dieses Ehegatten willen eine zerstörte Ehe in Rechtsbande zu erhalten (RGZ 168, 38f), entwickelte der Bundesgerichtshof eine von Verschuldensgesichtspunkten geprägte Rechtsprechung. Danach war der Widerspruch des scheidungsunwilligen Ehegatten nur dann unbeachtlich, wenn die Aufrechterhaltung der Ehe vom sittlichen Standpunkt aus nicht vertretbar erschien, namentlich wenn auch der widersprechende Ehegatte eine echte innere Bindung an die Ehe verloren hatte und es ihm an einer wirklichen Bereitschaft fehlte, die Ehe fortzusetzen (Nachweise bei: Bosch, FamRZ 1961, S 255 (257), und Lauterbach, NJW 1969, S 897ff). Um dieser Rechtsprechung Rechnung zu tragen (Schriftlicher Bericht des Rechtsausschusses, zu BTDrucks III/2812 S 9; Schwarzhaupt, FamRZ 1961, S 329 (331f)), wurde § 48 Abs 2 EheG durch das Familienrechtsänderungsgesetz von 1961 (BGBl I S 1221) neu gefaßt:
Hat der Ehegatte, der die Scheidung begehrt, die Zerrüttung ganz oder überwiegend verschuldet, so darf die Ehe gegen den Widerspruch des anderen Ehegatten nicht geschieden werden, es sei denn, daß dem widersprechenden Ehegatten die Bindung an die Ehe und eine zumutbare Bereitschaft fehlen, die Ehe fortzusetzen.
3. a) Der Deutsche Bundestag ersuchte am 8. November 1967 die Bundesregierung, eine Kommission zur Vorbereitung einer Reform des Eherechts und Scheidungsrechts zu berufen (5. Wp, 131. Sitzung, StenBer S 6704). Der Eherechtskommission beim Bundesministerium der Justiz gehörten Ministerialbeamte, Politiker und Wissenschaftler an. Auch Vertreter beider Kirchen und der Anwaltschaft arbeiteten in der Kommission mit. Diese legte ihre Vorschläge in der Form von Thesen vor. Einstimmig befürwortete die Kommission den Übergang vom Verschuldensprinzip zum Zerrüttungsprinzip. Dies bedeute, daß eine Ehe nur geschieden werden könne, wenn sie gescheitert sei, also die Wiederherstellung einer der Ehe gemäßen Lebensgemeinschaft nicht mehr erwartet werden könne. Verschuldenstatbestände seien nicht vorzusehen (Vorschläge zur Reform des Ehescheidungsrechts und des Unterhaltsrechts nach der Ehescheidung, 1970, S 17, 28ff). Nach der These Nr 5 Buchst b sollte das Scheitern der Ehe vermutet werden, wenn die häusliche Gemeinschaft der Ehegatten seit mehr als fünf Jahren nicht mehr bestehe (Vorschläge, S 17f).
Die Kommission entschied sich mit Mehrheit für folgende Härteklausel:
Die Ehe soll gegen den Willen des anderen Ehegatten nicht geschieden werden, wenn die Scheidung
- im Hinblick auf die besonderen persönlichen Verhältnisse der Ehegatten für ihn außergewöhnlich hart und unbillig wäre oder
- schwerwiegende wirtschaftliche Härten für ihn oder für die gemeinsamen Kinder zur Folge hätte,
so daß trotz Scheitern der Ehe es nicht gerechtfertigt wäre, die Ehe alsbald aufzulösen.
Der Richter kann in diesen Fällen den Ausspruch der Scheidung auch zeitlich hinausschieben.
Die Anwendung der Härteklausel soll nach fünfjähriger Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft der Ehegatten nicht mehr möglich sein.
(Vorschläge, S 18, 47ff).
b) Noch vor Veröffentlichung des Berichts der Familienrechtskommission beim Bundesministerium der Justiz erschien 1969 eine Denkschrift der vom Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland eingesetzten Familienrechtskommission zur Reform des Ehescheidungsrechts in der Bundesrepublik Deutschland. Auch diese Kommission schlug vor, bei einem neuen Scheidungsrecht vom Zerrüttungsprinzip auszugehen und die Scheidung der Ehe zuzulassen, wenn das eheliche Verhältnis so weit zerstört sei, daß keine Aussicht auf eine Wiederherstellung ehegemäßer Beziehungen bestehe (Denkschrift, S 17). Die Kommission hielt aber die Einführung einer unbefristeten Härteklausel für geboten. Danach sollte eine zerrüttete Ehe nicht geschieden werden können, wenn die Scheidung für den an der Ehe festhaltenden Partner eine unverhältnismäßige und unbillige Härte bedeuten würde, die im immateriellen oder materiellen Bereich liegen könne (Denkschrift, S 21).
Im März 1970 veröffentlichte das Kommissariat der deutschen Bischöfe in Bonn "Erwägungen zur Reform des zivilen Scheidungsrechts in der Bundesrepublik Deutschland": "Man wird katholischerseits nicht grundsätzlich jeder Entwicklung des Scheidungsrechts in Richtung auf das Zerrüttungsprinzip widersprechen können. Entscheidend bleibt, daß die Grenzen dieses Prinzips klar gesehen werden. Will man vermeiden, daß das Zerrüttungsprinzip in der Praxis zur Legitimierung eines Vorgehens führen kann, das als eine Art Verstoßung aufgefaßt werden muß oder zum Ableiten von Rechten aus eigenem unverantwortlichen Verhalten und zur Schutzlosigkeit der Frau führt, so muß man entweder an einem Widerspruchsrecht eines Partners unter bestimmten Umständen festhalten oder wenigstens durch eine Härteklausel solcher Entwicklung vorbeugen" (aaO, S 11).
Auch der Rechtsausschuß der Evangelischen Frauenarbeit in Deutschland (FamRZ 1970, S 74ff), die Arbeitsgemeinschaft der katholischen deutschen Frauen (FamRZ 1970, S 76), das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (FamRZ 1970, S 616) und die Fachkommission "Eherecht" des Bundesarbeitskreises Christlich-Demokratischer Juristen (FamRZ 1970, S 301f) hielten den Übergang vom Verschuldensprinzip zum Zerrüttungsprinzip grundsätzlich für gerechtfertigt, forderten jedoch als Korrektiv zur Vermeidung ungerechter Ergebnisse eine zeitlich unbegrenzte Härteklausel.
c) Im Jahre 1970 befaßte sich auch die zivilrechtliche Abteilung des Deutschen Juristentags mit der Neuregelung des Scheidungsrechts. Der Einführung des Zerrüttungsprinzips wurde allgemein zugestimmt. Umstritten waren dagegen die Härteklausel und die an eine bestimmte Zeitdauer des Getrenntlebens der Ehegatten anknüpfende Zerrüttungsvermutung (Verh des 48. DJT, S A 105ff, B 121, M 39ff, M 58).
4. Nach umfangreichen Vorarbeiten wurde in der 6. und 7. Legislaturperiode des Deutschen Bundestags die Reform des Ehescheidungsrechts und des Scheidungsfolgenrechts beraten (BTDrucks VI/2577, 7/650). Während der Übergang vom Verschuldensprinzip zum Zerrüttungsprinzip bei der Scheidung im Gesetzgebungsverfahren im Grundsatz allgemein befürwortet wurde, bestanden unterschiedliche Auffassungen über Bedeutung und Bemessung von Trennungszeiten, über die Unwiderlegbarkeit der Zerrüttungsvermutung nach Ablauf bestimmter Trennungszeiten und über Inhalt und Geltungsdauer einer Härteklausel.
a) Die Vermutung, daß die Ehe nach einer gewissen Dauer des Getrenntlebens als gescheitert anzusehen sei, wurde im Diskussionsentwurf des Bundesministeriums und im Regierungsentwurf 1971, der wegen der vorzeitigen Auflösung des 6. Deutschen Bundestags nicht mehr verabschiedet wurde, zunächst als unwiderlegbar ausgestaltet und an eine dreijährige Frist des Getrenntlebens der Ehegatten geknüpft (BMJ (Hrsg), Diskussionsentwurf eines Gesetzes über die Neuregelung des Rechts der Ehescheidung und der Scheidungsfolgen, 1970, S 13; BTDrucks VI/2577 S 3). Dagegen sah § 1566 Abs 1 BGB i.d.F. des Regierungsentwurfs 1973 vor, daß das Scheitern der Ehe widerlegbar vermutet werde, wenn die Ehegatten seit drei Jahren getrennt lebten (BTDrucks 7/650 S 8). Der Bundestagsrechtsausschuß entschied sich dann aber für die unwiderlegbare Vermutung nach dreijähriger Trennungszeit der Ehegatten (BTDrucks 7/4361 S 12f, 86). Ergänzend wurde in § 614 ZPO vorgesehen, daß das Gericht auch bei einer mehr als dreijährigen Trennung die Möglichkeit haben sollte, das Verfahren bis zur Dauer von sechs Monaten auszusetzen (BTDrucks 7/4361 S 151).
In der von der Rechtsausschußmehrheit vorgeschlagenen Fassung wurde die Vermutungsvorschrift trotz der gegenteiligen Anträge der CDU/CSU-Bundestagsfraktion (BTDrucks 7/4447 S 1) und des Bundesrats (Anrufung des Vermittlungsausschusses, BRDrucks 1/76) auf Empfehlung des Vermittlungsausschusses (BTDrucks 7/4992 S 5) verabschiedet.
b) Stark umstritten war der Inhalt der Härteklausel des § 1568 BGB. Der Diskussionsentwurf des Bundesjustizministeriums (§ 5 Abs 1) und die beiden Regierungsentwürfe von 1971 und 1973 (BTDrucks VI/2577 S 3f, 7/650 S 8) sahen übereinstimmend eine unbefristete immaterielle Härteklausel vor, die im Regierungsentwurf 1973 wie folgt gefaßt war:
Die Ehe soll nicht geschieden werden, wenn der Antragsgegner die Scheidung ablehnt und außergewöhnliche Umstände geltend macht, nach denen die Scheidung für ihn eine so schwere Härte darstellen würde, daß die Aufrechterhaltung der Ehe auch unter Berücksichtigung der Belange des Antragstellers geboten erscheint, obwohl sie gescheitert ist. Wirtschaftliche Umstände bleiben außer Betracht.
Diese immaterielle Härteklausel wurde vom Deutschen Bundestag entsprechend einer Empfehlung seines Rechtsausschusses (BTDrucks 7/4361 S 14, 87) auf drei Jahre befristet (BT, 7. Wp, 209. Sitzung, StenBer S 14523). Nachdem der Bundesrat den Vermittlungsausschuß angerufen hatte (BTDrucks 7/4694 S 9), kam es zu einem Kompromiß (BTDrucks 7/4992 S 5), der als § 1568 BGB Gesetz geworden ist: Bei der inhaltlichen Fassung der Härteklausel wurde den Vorstellungen des Bundesrats Rechnung getragen und § 1568 Abs 1 BGB im Sinne einer immateriellen und materiellen und auch die Kindesinteressen berücksichtigenden Härtevorschrift ausgestaltet. Im übrigen wurde die Frist für die Anwendung der Härtevorschrift auf fünf Jahre erweitert.
II.
1.a) Die Beteiligten des Ausgangsverfahrens, das zu der Richtervorlage geführt hat (1 BvL 136/78), sind seit Dezember 1972 miteinander verheiratet, die 1938 geborene Ehefrau in zweiter Ehe, der 1922 geborene Ehemann in dritter Ehe. Sie haben ein gemeinsames Kind, das 1967 geboren wurde. Im Mai 1975 klagte die Ehefrau auf Scheidung der Ehe wegen schwerer Eheverfehlungen ihres Ehemannes. Nachdem der Rechtsstreit im Juni 1975 auf ihren Antrag für sechs Monate ausgesetzt worden war, verfolgte sie ihre Klage mit der Behauptung weiter, ihr Ehemann habe sie mehrfach geschlagen und auch sonst körperlich mißhandelt. Das Landgericht erhob Beweis und gab das Verfahren nach Inkrafttreten des Ersten Eherechtsreformgesetzes an das Familiengericht ab. Nachdem die Ehefrau im Januar 1978 aus der ehelichen Wohnung ausgezogen war, machte sie zur Begründung ihres Scheidungsantrags geltend, ihre Ehe sei gescheitert und die Fortsetzung der Ehe stelle aus Gründen, die in der Person ihres Ehemannes lägen, eine unzumutbare Härte fürs sie dar.
2b) Das Amtsgericht hat das Verfahren nach einer weiteren Beweisaufnahme gemäß Art 100 Abs 1 GG ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorgelegt, ob § 1565 Abs 1 Satz 1 und § 1566 BGB mit Art 6 und Art 14 GG vereinbar seien, soweit danach ein Ehegatte durch sein Verhalten willkürlich gegen den Willen des anderen Ehegatten das Scheitern der Ehe herbeiführen könne. Aufgrund der Beweisaufnahme stehe fest, daß die Ehepartner mehr als ein Jahr, aber noch nicht drei Jahre getrennt lebten und die Ehe aufgrund des Verhaltens der Ehefrau gescheitert sei.
Es widerspreche dem Kernbestand des durch Art 6 GG garantierten Instituts der Ehe, daß der scheidungswillige Ehepartner nach dem neuen Scheidungsrecht den anderen Partner "verstoßen" könne. Die Ehe dürfe nicht der Verfügungsgewalt eines Ehegatten überlassen werden. Der Grundsatz der lebenslangen Ehe habe nach dem neuen Scheidungsrecht seinen Inhalt verloren. Zwar habe sich die Einstellung der Bevölkerung zu Ehe und Familie gewandelt, gleichwohl sei der Gesetzgeber nicht befugt gewesen, ein Scheidungsrecht zu schaffen, das in eindeutigem Widerspruch zu den ursprünglichen Wertvorstellungen stehe.
2.a) Die Ehe der 1921 geborenen Beschwerdeführerin zu II 1 wurde 1946 geschlossen; aus ihr sind vier in den Jahren 1947 bis 1955 geborene Kinder hervorgegangen. Nachdem die Eheleute zunächst seit 1959 innerhalb der ehelichen Wohnung getrennt gelebt hatten, verließ der ebenfalls 1921 geborene Ehemann dies Ende 1961. Er lebt seitdem mit einer anderen Frau zusammen; aus dieser Verbindung stammt ein 1969 geborener Sohn. Nachdem der Ehemann in den Jahren 1960, 1964 und 1975 erfolglos auf Scheidung der Ehe geklagt hatte, wurde auf seinen im Juli 1977 gestellten Antrag die Ehe vom Amtsgericht geschieden. Das Oberlandesgericht wies die Berufung der Beschwerdeführerin zurück, weil infolge des seit Juli 1959 andauernden Getrenntlebens das Scheitern der Ehe unwiderlegbar vermutet werde und die Härteklausel des § 1568 Abs 1 BGB nach § 1568 Abs 2 BGB nicht mehr anzuwenden sei.
b) Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin die Verletzung von Art 6 Abs 1 und Art 20 GG. Es sei mit dem Prinzip der lebenslangen Ehe nicht vereinbar und komme einer "Verstoßung" gleich, daß eine Ehe aufgrund einer Zerrüttungsvermutung nach dreijähriger oder fünfjähriger Trennung gegen den Willen eines Ehegatten geschieden werden könne. Da Ehe und Familie traditionell christlich zu verstehen seinen, gehe das Grundgesetz von dem Grundsatz der lebenslangen Ehe und deren Unscheidbarkeit aus. Durch die ihr aufgezwungene Ehescheidung werde sie als praktizierende Katholikin in ihrem Glauben verletzt. Im übrigen sei sie erwerbsunfähig, beziehe nur eine kleine Rente und erhalte von ihrem Mann keinen Unterhalt. Als Folge von vier schweren Geburten leide sie an einer fortschreitenden linksseitigen Nervenlähmung, so daß ihre Ehe auch aus finanziellen Gründen bestehenbleiben müsse. Schließlich verstoße die Anwendung des neuen Scheidungsrechts auf Ehen, die vor dem 1. Juli 1977 geschlossen worden seien, gegen das Rechtsstaatsprinzip.
3.a) Der 1937 geborene Beschwerdeführer zu II 2 ist seit 1965 verheiratet. Seine 1942 geborene Ehefrau verließ im Jahre 1971 endgültig die eheliche Wohnung. 1975 wurde sie Mutter einer Tochter; im August 1977 stellte sie den Antrag auf Scheidung ihrer Ehe. Der Beschwerdeführer, der die Abweisung dieses Antrags erreichen will, hat erfolglos um Bewilligung des Armenrechts nachgesucht. Seine Rechtsverteidigung hat nach übereinstimmender Ansicht des Amtsgerichts und des Oberlandesgerichts keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, weil die Ehegatten länger als fünf Jahre getrennt lebten und die Trennungsfristen nicht erst seit Inkrafttreten des Ersten Eherechtsreformgesetzes liefen.
b) Mit der Verfassungsbeschwerde wendet sich der Beschwerdeführer gegen die Versagung des Armenrechts. Das Zerrüttungsprinzip verstoße gegen Art 6 Abs 1 GG, soweit es die Ehescheidung aufgrund willkürlicher Handlungen eines Ehepartners und ohne gerichtliche Gestaltungsmöglichkeit durch eine Fristenautomatik ermögliche. § 1565 Abs 1 BGB sei verfassungskonform dahin auszulegen, daß eine Ehe erst dann als gescheitert anzusehen sei, wenn beide Ehegatten die Bindung an ihre Ehe verloren hätten, wovon nicht ausnahmslos nach einer fünfjährigen Trennung auszugehen sei. Die Härteregelung des § 1568 Abs 1 BGB habe daher nicht zeitlich begrenzt werden dürfen.
4.a) Die 1902 geborene Beschwerdeführerin zu II 3 ist 1923 die Ehe mit ihrem 1899 geborenen Ehemann eingegangen. 1930 wurde ein Sohn geboren. Zwischen 1933 und 1945 war der Ehemann wegen seiner Mitgliedschaft in der KPD über neun Jahre in Haft. Während dieser Zeit bestritt die Beschwerdeführerin den Lebensunterhalt für sich und den Sohn aus den Erträgnissen eines keinen Waschmittelgeschäfts. Nach der Entlassung aus dem Konzentrationslager Dachau kehrte der Ehemann 1945 zu seiner Familie zurück, verließ diese aber Ende 1952; seitdem lebt er mit einer wesentlich jüngeren Frau zusammen. Auf seine im Februar 1977 erhobene Klage wurde die Ehe geschieden. Das Oberlandesgericht wies die Berufung gegen die Scheidung zurück: Der Übergang vom Verschuldensprinzip zum Zerrüttungsprinzip sei verfassungsgemäß; Art 6 Abs 1 GG enthalte keine Verpflichtung, inhaltslos gewordene Ehen gegen den Willen eines Ehegatten allein um der Institution willen aufrechtzuerhalten. Die Fünfjahresfrist des § 1568 Abs 2 BGB stehe der Annahme eines Willkürakts oder einer einseitigen Disposition über die Ehe entgegen und biete ausreichenden Schutz vor übereilten Scheidungen. Die Anwendung des neuen Scheidungsrechts auf Ehen, die vor dem 1. Juli 1977 geschlossen wurden, sei nicht verfassungswidrig. Es gebe keinen Schutz des Vertrauens auf den Fortbestand einer gesetzlichen Regelung; vielmehr sei es Sache des Gesetzgebers, Notwendigkeit und Zeitpunkt der Novellierung eines Rechtsgebiets zu bestimmen.
b) Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin Verletzung von Art 2 Abs 1, Art 6 Abs 1 und Art 20 GG.
Sie habe in den zweieinhalb Jahrzehnten der Trennung von ihrem Mann darauf vertrauen können, daß die Scheidung ihrer Ehe nach dem auf dem Verschuldensprinzip beruhenden Scheidungsrecht nicht möglich sei. Das Bild von der grundsätzlich unauflösbaren Ehe entspreche auch der von der Rechtsprechung übernommenen moralphilosophischen Auffassung. Daher habe sie vom Gesetzgeber erwarten können, daß dieser bei einer Neuregelung des Scheidungsrechts differenzierende Lösungen finden und insbesondere für Ehen, die bei Inkrafttreten des Ersten Eherechtsreformgesetzes bereits zwanzig Jahre und länger bestanden hätten, eine Übergangslösung treffen würde.
5.a) Aus der 1954 geschlossenen Ehe der 1924 geborenen Beschwerdeführerin zu II 4 entstammen zwei 1956 und 1958 geborene Söhne, die an der Bluterkrankheit leiden. Eine Scheidungsklage des im März 1969 aus der Ehewohnung ausgezogenen 1920 geborenen Ehemanns wurde im April 1969 abgewiesen. Seit etwa Ende 1969 lebt der Ehemann der Beschwerdeführerin mit einer anderen Frau zusammen. Die Beschwerdeführerin betreibt seit der Trennung das gemeinsame Kohlenhandelsgeschäft allein. Auf Antrag des Ehemannes wurde die Ehe 1978 geschieden, weil das Scheitern der Ehe nach mehr als dreijährigem Getrenntleben unwiderlegbar vermutet werde (§ 1566 Abs 2 BGB) und weil eindeutig feststehe, daß die Ehe tatsächlich gescheitert sei. Die Berufung wurde zurückgewiesen. Das Zerrüttungsprinzip sei verfassungsrechtlich bedenkenfrei; die Härteklausel könne nach mehr als fünfjähriger Trennung nicht mehr angewandt werden (§ 1568 Abs 2 BGB).
b) Die Beschwerdeführerin rügt die Verletzung von Art 6 Abs 1 GG. Der Verfassung sei das Bild der Ehe vorgegeben, die einen Eigenwert in der Schöpfungsordnung darstelle, grundsätzlich unauflöslich sei und nicht gegen den Willen des schuldlosen Ehegatten geschieden werden dürfe. Der Gesetzgeber habe dagegen mit der Neuregelung eine "Kalenderscheidung" konstituiert. Zur Scheidung einer Ehe nach "Kündigung" durch den scheidungswilligen Ehegatten und nach Ablauf der Frist von drei Jahren bedürfe es im Grunde keiner richterlichen Entscheidung. Hier genüge die Tätigkeit eines Registerbeamten. Das Scheidungsrecht des Ersten Eherechtsreformgesetzes widerspreche auch dem allgemeinen Rechtsgrundsatz, daß niemand Vorteile aus eigenem Fehlverhalten haben dürfe. Da sie Jahre ihres Lebens wegen der ungewöhnlich aufreibenden Arbeit in Haushalt und Geschäft ihrer Familie geopfert habe, stelle die Scheidung für sie gerade nach der langen Trennung von ihrem Mann eine unzumutbare Härte dar. Die Scheidung ihrer Ehe verletze schließlich ihre Würde als Frau und Mutter und schränke ihr Recht auf freie Entfaltung ihrer Persönlichkeit als Ehefrau ein.
III
1. Der Deutsche Bundestag ist den Verfahren beigetreten. Er hat seine Stellungnahme in der mündlichen Verhandlung abgegeben.
2. Der Bundesminister der Justiz, der sich im Namen der Bundesregierung geäußert hat, hält die zur Prüfung gestellten §§ 1565 Abs 1 Satz 1, 1566 BGB für mit dem Grundgesetz vereinbar und die Verfassungsbeschwerden für unbegründet.
§ 1565 Abs 1 BGB, der als Grundtatbestand des neuen Scheidungsrechts den Zerrüttungsgrundsatz zum Ausdruck bringe, verletze nicht Art 6 Abs 1 GG. Der im früheren Eherecht weitgehend verwirklichte Grundsatz, daß die Ehe nur aufgrund eines schuldhaften Verhaltens des beklagten Ehegatten zu scheiden sei, gehöre nicht zu den durch Art 6 Abs 1 GG garantierten Strukturprinzipien der Ehe. Die Scheidbarkeit zerrütteter Ehen sei eine zulässige Ausnahme von dem Grundsatz der Ehe auf Lebenszeit; das Gesetz gehe im Gegensatz zu Vorstellungen einer "Ehe auf Zeit" davon aus, daß die Ehegatten bei Eingehen der Ehe den unbedingten und ernstlichen Willen hatten, eine lebenslang dauernde Gemeinschaft zu gründen. Das Zerrüttungsprinzip habe nicht zum Inhalt, daß die gemeinsame Verantwortung der Ehegatten füreinander und gegenüber den gemeinsamen Kindern mit dem Scheitern der Ehe ende. Ein an der Wertentscheidung des Art 6 Abs 1 und 2 GG orientiertes Scheidungsrecht müsse grundsätzlich von der Fortdauer dieser Verantwortung ausgehen. Es liege jedoch im Rahmen der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers, ob er diesem Gebot in bestimmten Fällen durch einen auf Dauer angelegten Ausschluß der Scheidung oder durch die Ausgestaltung der Scheidungsfolgenregelungen entspreche.
§ 1565 Abs 1 BGB ermögliche keine rechtsmißbräuchliche Scheidung. Dieser Vorwurf setze voraus, daß sich die Ursachen des Scheiterns einer Ehe klären ließen. Der Gesetzgeber sei aber bei der grundsätzlichen Abschaffung des Verschuldensprinzips davon ausgegangen, daß dies in aller Regel im gerichtlichen Verfahren nicht möglich sei. Würde § 1565 Abs 1 BGB durch eine allgemeine Rechtsmißbrauchsklausel ergänzt, so würden erneut die Grenzen richterlicher Erkenntnismöglichkeiten überschritten, und es wäre weiterhin ein Eindringen in die Intimsphäre und Privatsphäre der Ehegatten erforderlich. § 1565 Abs 1 BGB führe auch nicht zur "Verstoßung" der Ehefrau. Dieser Begriff schließe ein, daß der scheidungsunwillige Ehegatte ohne Versorgung und willkürlich aus der ehelichen Gemeinschaft entlassen werde. Der Ehepartner, der wegen seiner Glaubensüberzeugung die Ehescheidung ablehne, werde nicht in seiner durch Art 4 Abs 1 GG geschützten Glaubensfreiheit und Gewissensfreiheit beeinträchtigt. Werde die Ehe nach staatlichem Recht geschieden, so bleibe der Fortbestand der nach kirchlichem Recht begründeten Ehe unberührt.
Auch § 1566 Abs 2 BGB sei mit Art 6 Abs 1 GG vereinbar. Die Annahme, daß nach Ablauf einer Trennungsfrist von drei Jahren die Wiederherstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft - wenn auch nur in Ausnahmefällen - möglich sei, stelle eine rein theoretische Erwägung dar. In diesem Zusammenhang sei zu berücksichtigen, daß der Richter trotz der Unwiderlegbarkeit der Vermutung des § 1566 Abs 2 BGB das Verfahren nach § 614 Abs 4 ZPO bis zu sechs Monaten aussetzen könne.
Die Ausgestaltung der Härtevorschrift des § 1568 BGB, insbesondere ihre zeitliche Begrenzung sei verfassungsmäßig. Das auf Art 6 Abs 1 und 2 GG beruhende Gebot der Rücksichtnahme auf die Interessen des an der Ehe festhaltenden Partners und der gemeinsamen Kinder fordere zwar, daß dem Ehegatten ausreichend Zeit eingeräumt werden müsse, um sich auf die Scheidung vorzubereiten und sich den veränderten Lebensverhältnissen anzupassen. Hierfür seien jedoch fünf Jahre ausreichend. Es treffe zwar zu, daß die Scheidung auch noch nach Ablauf dieser Frist im Einzelfall mit besonderen Härten für den Antragsgegner oder die Kinder verbunden sein könne. Es könne aber keinen verfassungsrechtlichen Bedenken begegnen, daß der Gesetzgeber das Recht des Antragstellers auf Wiedererlangung seiner Eheschließungsfreiheit als vorrangig gegenüber dem Interesse des nicht scheidungsbereiten Partners an der Aufrechterhaltung der gescheiterten Ehe bewertet habe, wenn zwischen den Ehegatten über fünf Jahre hinaus keine häusliche Gemeinschaft mehr bestanden habe.
Schließlich sei auch die Anwendbarkeit des neuen Scheidungsrechts auf Ehen, die vor Inkrafttreten des Ersten Eherechtsreformgesetzes geschlossen worden seien (Art 12 Nr 3 Satz 1 des 1. EheRG), mit dem Grundgesetz vereinbar. Schon bei der Einführung eines reichseinheitlichen Scheidungsrechts durch das Bürgerliche Gesetzbuch sei das neue Scheidungsrecht für alle Ehen ohne zeitliche Differenzierungen verbindlich gewesen (Art 201 EGBGB). Aus Art 6 Abs 1 und Art 20 GG habe sich keine Verpflichtung des Gesetzgebers ergeben, die Gültigkeit des neuen Scheidungsrechts für Ehen, die vor dem 1. Juli 1977 geschlossen wurden, nicht anzuordnen. Der Gesetzgeber hätte sich anderenfalls einer "absoluten Übergangsvorschrift" unterworfen, er hätte die gesamte Reform in ihrer Wirksamkeit auf Jahre hinausgeschoben und praktisch von der Erfüllung seiner Aufgabe Abstand genommen. Allerdings habe nach früherem Recht ein Teil der Ehen nicht geschieden werden können, deren Scheidung nunmehr durch das neue Recht ermöglicht werde. Daran habe sich das Vertrauen des an der Ehe festhaltenden Ehegatten geknüpft, Unterhalt und Versorgung seien aufgrund der eherechtlichen Ansprüche auf Dauer gesichert. Dieser Erwartung trage das neue Recht verfassungsrechtlich in ausreichender Weise dadurch Rechnung, daß es dem sozial schutzbedürftigen Ehepartner einen Unterhaltsanspruch und einen Anspruch auf Versorgungsausgleich gewähre.
3. Die Landesregierung von Hessen und Nordrhein-Westfalen sowie die Senate der Freien Hansestadt Bremen und der Freien und Hansestadt Hamburg, die dem Verfahren beigetreten sind, haben sich ebenso wie der Senat von Berlin der Stellungnahme des Bundesministers der Justiz angeschlossen.
4. Der Bundesgerichtshof hat auf die Entscheidung des für Familienrechtssachen zuständigen IV. Zivilsenats zum neuen Ehescheidungsrecht hingewiesen (BGHZ 74, 38; 74, 86).
IV.
In der mündlichen Verhandlung am 27. November 1979 haben sich geäußert: Für die Beschwerdeführerin zu II 1 Rechtsanwalt B.; für den Beschwerdeführer zu II 2 Rechtsanwalt Dr K.; für die Beschwerdeführerin zu II 4 Rechtsanwalt Dr G.; für den Deutschen Bundestag die Abgeordneten Dr E. und E.; für die Bundesregierung Rechtsanwalt Professor Dr R. und Bundesminister der Justiz Dr V.; für die Freie und Hansestadt Hamburg Staatsrat Dr R.; für die Evangelische Kirche in Deutschland Vizepräsident W. und Oberkirchenrat Dr D.; für das Kommissariat der Deutschen Bischöfe Rechtsanwalt T., Professor Dr H. und Professor Dr Sch.; für die Interessen- und Schutzgemeinschaft unterhaltspflichtiger Väter und Mütter eV Rechtsanwalt Dr Z..
B.
I.
Die Vorlage ist zulässig.
Nach den Gründen des Vorlagebeschlusses kommt es für die Entscheidung des Gerichts über den Antrag der Ehefrau im Ausgangsverfahren auf die Gültigkeit des § 1565 Abs 1 Satz 1 BGB an. Dagegen ergibt sich aus dem dargestellten Sachverhalt nicht, daß § 1566 BGB für die rechtliche Beurteilung entscheidungserheblich sei; denn nach den Feststellungen des vorlegenden Gerichts betreiben die Ehegatten die Scheidung nicht gemeinsam (§ 1566 Abs 1 BGB) und leben auch noch nicht drei Jahre getrennt (§ 1566 Abs 2 BGB).
II.
Die Verfassungsbeschwerden sind zulässig.
Sie richten sich nach Erschöpfung des Rechtswegs unmittelbar gegen die angegriffenen Entscheidungen der Amtsgerichte und Oberlandesgerichte, mittelbar gegen Bestimmungen des Ersten Eherechtsreformgesetzes.
C.
Der Auffassung des vorlegenden Gerichts kann nicht gefolgt werden.
Die Verfassungsbeschwerden sind nicht begründet.
I.
1. Die Regelung in § 1565 Abs 1 Satz 1 BGB, nach der eine Ehe ohne Rücksicht auf Verschulden geschieden werden kann, wenn die Lebensgemeinschaft der Ehegatten nicht mehr besteht und nicht erwartet werden kann, daß die Ehegatten sie wiederherstellen, verstößt nicht gegen Art 6 Abs 1 GG.
a) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung. Nach den durch Art 6 Abs 1 GG gewährleisteten Strukturprinzipien, die der Verfügungsgewalt des Gesetzgebers entzogen sind, ist das vorgegebene Institut der Ehe die Vereinigung eines Mannes und einer Frau zu einer umfassenden, grundsätzlich unauflösbaren Lebensgemeinschaft (vgl BVerfGE 10, 59 (66)). Der Grundsatz der Lebenslänglichkeit der Ehe, der in § 1353 Abs 1 BGB ausdrücklich anerkannt und zum Leitprinzip des Eherechts erhoben worden ist, bedeutet, daß die Ehe von beiden Parteien als dauernde Gemeinschaft beabsichtigt und versprochen wird und daß sie auch nach ihrem Inhalt auf Lebenszeit angelegt ist.
Allerdings können die Ehepartner an der Aufgabe, die lebenslange personale Gemeinschaft zu verwirklichen, durch schicksalhafte oder auch zu verantwortende Verstrickungen und Ursachen scheitern* Ehen können zerbrechen, ohne daß staatliche Gesetze sie zu erhalten oder wiederherzustellen vermögen. Das Schutzgebot der Verfassung gewährleistet daher die lebenslange Ehe nicht abstrakt, sondern in der Ausgestaltung, wie sie den herrschenden, in der gesetzlichen Regelung maßgebend zum Ausdruck gelangten Anschauungen entspricht. Danach liegt der Verfassung das Bild der "verweltlichten" bürgerlich-rechtlichen Ehe zugrunde, zu dem es auch gehört, daß die Ehegatten unter den vom Gesetz normierten Voraussetzungen geschieden werden können und damit ihre Eheschließungsfreiheit wiedererlangen (BVerfGE 31, 58 (82f) nwN).
Bei der Regelung der Voraussetzungen für die Eheauflösung hat der Gesetzgeber einen erheblichen Gestaltungsspielraum, jedoch ist er dabei an die verfassungsrechtliche Gewährleistung der grundsätzlich unauflöslichen Ehe gebunden (BVerfGE 31, 58 (69f)). Deshalb muß das Scheidungsrecht auch eheerhaltende Elemente enthalten. Die Ehescheidung hat für die Rechtsordnung die Ausnahme zu bilden.
b) Nach diesen Grundsätzen ist der Gesetzgeber befugt, die Prinzipien zu bestimmen, nach denen das Scheidungsrecht auszugestalten ist. Er ist insbesondere nicht gehindert, bei der Regelung der Scheidungsgründe vom Zerrüttungsprinzip statt vom Verschuldensprinzip auszugehen.
Der Gesetzgeber hielt die Abhängigkeit der Ehescheidung von Verschuldungstatbeständen aus verschiedenen Gründen für reformbedürftig. Es gelinge selten, einwandfrei festzustellen, welcher der beiden Ehegatten die Zerrüttung der Ehe schuldhaft verursacht habe. Auch fehlten ausreichende und für jeden Fall verbindliche Maßstäbe dafür, wann das Verhalten eines Ehegatten eine Eheverfehlung darstelle. Die Achtung der Persönlichkeit lasse es unerwünscht erscheinen, daß der Richter den inneren Lebensbereich der Ehegatten erforschen müsse. Der Streit um die Schuldfeststellung als Scheidungsvoraussetzung und Grundlage für die Scheidungsfolgenregelungen verschärfe unnötig die persönlichen Spannungen zwischen den Ehegatten. Schließlich werde der Schuldausspruch überbewertet, weil auch eine einmalige schwere Eheverfehlung nach jahrzehntelanger gut geführter Ehe zu dem Verlust von Unterhaltsansprüchen führe (Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung (BTDrucks 7/650 S 72ff)).
Nach diesen verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden Erwägungen soll das vom Verschulden grundsätzlich unabhängige Zerrüttungsprinzip nicht das Institut der auf Lebenszeit angelegten Ehe durch eine Erleichterung der Scheidung in Frage stellen, sondern den Prozeß der Ehescheidung menschlicher, wahrhafter und sachgemäßer gestalten. Der Übergang zum ausschließlichen Zerrüttungsprinzip bringt zwar wesentliche Änderungen des Scheidungsrechts mit sich; das Prinzip der anhand objektiver Umstände festzustellenden unheilbaren Zerrüttung einer Ehe konnte jedoch zur Grundlage des neuen Scheidungsrechts gemacht werden, ohne daß die durch Art 6 Abs 1 GG gezogenen Grenzen überschritten werden.
2. § 1566 Abs 2 BGB verstößt nicht gegen Art 6 Abs 1 GG.
a) Der Gesetzgeber hat in § 1566 Abs 2 BGB die unwiderlegbare Vermutung aufgestellt, daß eine Ehe gescheitert sei, wenn die Ehegatten seit drei Jahren getrennt leben. Nach der Definition des § 1567 Abs 1 Satz 1 BGB leben die Ehegatten getrennt, wenn zwischen ihnen keine häusliche Gemeinschaft besteht und ein Ehegatte sie erkennbar nicht herstellen will.
Gegen § 1566 Abs 2 BGB werden verfassungsrechtliche Bedenken erhoben: Das Abstellen auf eine bestimmte Trennungsfrist, die - unabhängig von der Frage nach dem tatsächlichen Scheitern der Ehe - bei dem Wunsch nur eines Ehegatten und gegen den erklärten Willen des anderen grundsätzlich zur Scheidung der Ehe führen solle, sei dem Rechtsinstitut der Kündigung vergleichbar, das mit dem Bild einer auf Lebenszeit angelegten Ehe nicht vereinbar sei (Bastian/Roth-Stielow/Schmeiduch, 1. EheRG, 1978, Rdnrn 10ff zu Vorbem zu §§ 1564ff BGB). Demgegenüber lasse Art 6 Abs 1 GG materiell-rechtlich eine Scheidung nur bei objektiver Zerrüttung der Ehe zu. Insoweit sei zwar eine an eine längere Heimtrennung anknüpfende widerlegbare Vermutung als Beweislastregelung verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden; denn daß nach dreijähriger Trennung eine Ehe gescheitert sei, entspreche der Lebenserfahrung. Verfassungswidrig sei aber die unwiderlegbare Vermutung; denn sie ersetze den Zerrüttungstatbestand durch den des Ablaufs einer Trennungsfrist, so daß auch Ehen geschieden würden, die nicht gescheitert seien. Art 6 Abs 1 GG fordere aber strengste Einzelfallgerechtigkeit. Auch die Möglichkeit einer Aussetzung gemäß § 614 ZPO beseitige den Verfassungsverstoß nicht; denn durch die Aussetzung werde nur ein Aufschub, jedoch keine Scheidungsverweigerung bei nicht zerrütteten Ehen nach Ablauf der dreijährigen Trennungsfrist erreicht (Habscheid, Festschrift für Friedrich Wilhelm Bosch zum 65. Geburtstag, 1976, S 355 (370ff)).
Während des Gesetzgebungsverfahrens ist die Problematik einer unwiderlegbaren Zerrüttungsvermutung eingehend erörtert worden. Die Rechtsausschußmehrheit legte dar (BTDrucks 7/4361 S 12f), daß entgegen dem ersten Anschein eine widerlegbare Vermutung ehefeindliche Folgen habe, die auch nicht dem Interesse des der Scheidung widersprechenden Ehegatten dienten. Könne der Scheidungsunwillige ohne zeitliche Beschränkung Einwendungen gegen das Scheitern seiner Ehe vorbringen, so werde der Scheidungswillige die dreijährige Trennungsfrist nicht abwarten, sondern sofort klagen. Damit würden aber vollends alle etwa noch bestehenden Chancen auf Wiederherstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft verschüttet. Der Scheidungswillige würde während der Trennungszeit wünschenswerte Kontakte mit seinem Ehegatten, aber vielfach auch mit den Kindern unterlassen, um zu vermeiden, daß sein Ehepartner später die Ehe als nicht zerrüttet darstelle. Zudem könnten die Familiengerichte bei einer widerlegbaren Vermutung vom Scheidungsunwilligen zeitlich unbegrenzt gezwungen werden, in den Privatbereich und Intimbereich der Ehegatten einzudringen, obwohl sie nach ihren Erkenntnismöglichkeiten selten die Wahrheit über den Verlauf und den Stand einer Ehe feststellen könnten.
b) Art 6 Abs 1 GG gebietet nach seinem Wortlaut schlechthin den besonderen Schutz von Ehe und Familie durch die staatliche Ordnung. Schon diese weite Formulierung kennzeichnet die Bestimmung eindeutig - auch - als Grundsatznorm für das gesamte Ehe und Familie betreffende Recht (BVerfGE 6, 55 (72)). Danach ist der Gesetzgeber von Verfassungs wegen gehalten, das Scheidungsrecht so zu regeln, daß die Scheidung von Ehen vermieden wird, die nicht gescheitert sind. Gegen diese Verpflichtung hat er durch die Ausgestaltung des § 1566 Abs 2 BGB nicht verstoßen.
Die Vorschrift hat zwar regelmäßig zur Folge, daß der Richter nicht die Feststellung über das Scheitern der Ehe zu treffen hat, sondern die Scheidung schon dann aussprechen muß, wenn die Trennung drei Jahre gedauert hat. Gleichwohl bleibt diese Regelung noch innerhalb des gesetzlichen Gestaltungsbereichs. Der Gesetzgeber konnte davon ausgehen, daß eine Ehe nach dreijähriger Trennung der Partner unter den in § 1567 Abs 1 BGB genannten Voraussetzungen in aller Regel gescheitert ist und daß im übrigen die zuvor dargestellten Erwägungen es rechtfertigen, etwaige in Einzelfällen verbleibende Zweifel zurückzustellen. Denn auch in diesen Fällen führt die Dreijahresfrist nicht lediglich zu einem durch Zeitablauf eintretenden "Scheidungsautomatismus". Vielmehr wird auch nach neuem Recht nicht auf den vom Richter verantworteten Scheidungsausspruch verzichtet. Nach § 614 ZPO ist der Familienrichter gehalten, die Aufrechterhaltung einer seiner freien Überzeugung nach noch nicht endgültig gescheiterten Ehe durch Aussetzung des Scheidungsverfahrens zu versuchen. Schon dieses setzt voraus, daß der Richter Möglichkeiten einer Aussöhnung nachgeht und mit den Ehepartnern noch einmal ein klärendes Gespräch führt. In jedem Fall hat der scheidungsunwillige Ehegatte auch nach dreijähriger Trennung noch die Möglichkeit, sich vor Gericht Gehör zu verschaffen und darzulegen, aus welchen persönlichen Gründen er die Scheidung ablehnt.
Hinzu kommt, daß die Unbedingtheit der Dreijahresregelung durch § 1568 Abs 1 BGB abgeschwächt wird, der die Aufrechterhaltung selbst einer gescheiterten Ehe unter bestimmten Voraussetzungen über diese Zeit hinaus zuläßt.
3. Es kann nicht festgestellt werden, daß § 1568 Abs 2 BGB gegen das Grundgesetz verstößt.
a) Vier Richter, deren Auffassung die Entscheidung trägt, halten § 1568 Abs 2 BGB für mit Art 6 Abs 1 GG vereinbar.
Die Härteregelung des § 1568 BGB betrifft bereits gescheiterte Ehen. Daß eine Ehe nach fünfjährigem Getrenntleben der Partner gescheitert ist, entspricht der Lebenserfahrung. Die unbefristete Aufrechterhaltung solcher Ehen läßt sich aus Art 6 Abs 1 GG auch insoweit nicht herleiten, als dieses Grundrecht die Ehe als Rechtseinrichtung garantiert. Diese Garantie verpflichtet zwar den Gesetzgeber, die Ehe in Gestalt einer auf Lebenszeit angelegten Gemeinschaft als Bestandteil der Privatrechtsordnung zu gewährleisten. Auch die Ehe als Rechtseinrichtung darf aber nicht losgelöst davon gesehen werden, daß es sich um eine Lebensgemeinschaft zweier Partner handelt, daß sie auf deren Konsens beruht und daß zu ihrem Wesen die gelebte Verwirklichung der ehelichen Gemeinschaft gehört. Angesichts dieses starken personalen Bezugs der Institutsgarantie läßt sich aus Art 6 Abs 1 GG keinesfalls die Pflicht herleiten, gescheiterte Ehen als Zwangsgemeinschaft gegen die nachhaltige Ablehnung eines der beiden Ehegatten dauernd aufrechtzuerhalten und diesem auf Lebenszeit ein Wiederverheiratungsverbot aufzuerlegen. Eine solche Forderung stünde, wie Beitzke (ZfRV 1972, S 1) und auch die Eherechtskommission (Vorschläge, aaO, S 34) dargelegt haben, mit dem Leitbild des Grundgesetzes von der Ehe und ihrer Bedeutung schwerlich in Einklang und könnte eher geeignet sein, dieses Leitbild zu verzerren. Jedenfalls ist der Gesetzgeber nicht gehindert, gescheiterte Ehen nach angemessener Zeit für scheidbar zu erklären und der fortwirkenden personalen Verantwortung der Ehegatten füreinander durch eine Regelung der Scheidungsfolgen Rechnung zu tragen. Bei dieser Folgenregelung, nicht aber durch eine Scheidungsverweigerung kann auch ein planmäßiges ehezerstörendes Verhalten eines Ehegatten berücksichtigt werden.
Zu den Folgewirkungen nach Trennung und Scheidung gehören die Regelungen von Unterhalt und Versorgung (BVerfGE 22, 93 (96f)) sowie die Aufteilung des gemeinsamen Vermögens (BVerfGE 42, 64 (77); 47, 85 (100)). Darüber hinaus ergibt sich aus Art 6 Abs 1 GG als Folge einer auf Lebenszeit angelegten Ehe und zum Schutz des nicht scheidungsbereiten Partners die Pflicht, auch bei gescheiterten Ehen eine Scheidung zur Unzeit zu verhindern und dem nicht scheidungsbereiten Ehegatten eine Umstellung auf die veränderte Lage zu erleichtern. Soweit diese Pflicht besteht, ist der Gesetzgeber ihr durch die Härteregelung des § 1568 BGB nachgekommen. Danach soll mit der zeitlichen Begrenzung des § 1568 Abs 2 BGB auch eine gescheiterte Ehe nicht geschieden werden, solange die Scheidung für den, der sie ablehnt, aufgrund außergewöhnlicher Umstände eine so schwere Härte darstellen würde, daß die Aufrechterhaltung der Ehe auch unter Berücksichtigung der Belange des anderen Ehegatten ausnahmsweise geboten erscheint. Zu einer weitergehenden Regelung war der Gesetzgeber grundsätzlich nicht verpflichtet. Der mit dem Scheitern einer Ehe verbundenen eigentlichen Härte für die Beteiligten läßt sich mit einer rechtlichen Härteklausel ohnehin nicht begegnen.
Es ist allerdings denkbar, daß der Ausspruch der Scheidung den nicht scheidungsbereiten Ehegatten auch nach Ablauf von fünf Jahren des Getrenntlebens zur Unzeit treffen kann, namentlich dann, wenn die die Härte begründenden Umstände erst nach diesem Zeitpunkt eintreten. Diese Möglichkeit hat auch der Verfahrensbevollmächtigte der Bundesregierung in der mündlichen Verhandlung nicht ausgeschlossen und auf Befragen eingeräumt, daß hier eine erweiterte Befugnis des Richters zur Verfahrensaussetzung gerechtfertigt sein könne. Ob indessen die derzeitige gesetzliche Regelung für bestimmte Fallagen verfassungsrechtlich zu beanstanden sein könnte, ist nicht zu entscheiden. Die den Verfassungsbeschwerden zugrunde liegenden Sachverhalte geben dazu keinen Anlaß.
b) Nach Ansicht der vier anderen Richter ist die zeitliche Befristung der Härteklausel durch § 1568 Abs 2 BGB mit dem Grundgesetz nicht vereinbar. Nach ihrer Auffassung kann eine befristete Härteklausel dann nicht ihren Zweck erfüllen, wenn die Härte, die das Gesetz vermeiden soll, über die gesetzliche Frist von fünf Jahren hinaus andauert oder erst nach Fristablauf entsteht. Derartige Fälle lassen sich bei der Vielgestaltigkeit des Lebens nicht ausschließen.
Zwar wird in den ersten fünf Jahren der Trennung die Härteklausel des § 1568 Abs 1 BGB trotz ihres eingeschränkten Anwendungsbereichs den verfassungsrechtlichen Schranken des gesetzgeberischen Ermessens nach Art 6 Abs 1 GG noch gerecht. Soweit die Vorschrift aber Härten im immateriellen Bereich betrifft, ist ihre zeitliche Begrenzung durch § 1568 Abs 2 BGB verfassungswidrig. Denn auch nach Ablauf einer fünfjährigen Trennungszeit bleibt es geboten, eine gescheiterte Ehe weiterhin aufrechtzuerhalten, wenn die Scheidung auch danach für den an der Ehe festhaltenden Ehegatten aufgrund außergewöhnlicher Umstände eine so schwere Härte darstellen würde, daß die Aufrechterhaltung der Ehe auch unter Berücksichtigung der Belange des anderen Ehegatten ausnahmsweise geboten erscheint. Solche Fälle mögen selten sein. Jede Überlegung, daß der Gesetzgeber nur typische Fälle zu regeln habe, verbietet sich aber, wenn es um die Ehe geht, wie sie in Art 6 Abs 1 GG gewährleistet wird. Ob für Fallagen, in denen die Fristenregelung des § 1568 Abs 2 BGB den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht genügt, eine über § 614 ZPO hinausgehende Aussetzungsregelung ausreichen könnte, mag dahingestellt bleiben; denn schon wegen des Fehlens einer solchen Regelung ist § 1568 Abs 2 BGB mit dem Grundgesetz nicht vereinbar.
c) Nach der Auffassung von zwei Richtern, die zugleich verfassungsrechtliche Bedenken gegen die unwiderlegbare Vermutung des § 1566 Abs 2 BGB haben, kann es sogar geboten sein, daß Ehen bis zum Tode eines Ehegatten unscheidbar bleiben.
Die in Art 6 Abs 1 GG liegende Gewährleistung der Ehe endet nicht mit ihrem Scheitern. Überkommenes und gegenwärtiges Ehescheidungsrecht stellt daher auch die gescheiterte Ehe nicht zur privaten Disposition der Ehegatten, sondern erlaubt die Scheidung nur unter im einzelnen geregelten materiellen und formellen Voraussetzungen. Zwar hat der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung dieser Voraussetzungen einen erheblichen Gestaltungsspielraum. Indessen gebietet die Verfassung, daß eine auch über die gescheiterte Ehe hinausgehende Verantwortung der Ehegatten füreinander nicht gänzlich unbeachtet bleibt. Auch das Vertrauen des an der Ehe festhaltenden Ehegatten darauf, daß der andere die Ehe nicht einseitig gezielt und böswillig aufkündigen kann, muß geschützt werden. Anderenfalls verliert eine Garantie der "grundsätzlich auf Lebenszeit geschlossenen Ehe" für die gescheiterte Ehe jeden Inhalt.
Der gegenseitigen Verantwortung der Ehegatten füreinander in einer gescheiterten Ehe kann auch nicht allein dadurch Rechnung getragen werden, daß das geltende Scheidungsfolgenrecht diesem Grundgedanken entspricht. Auch die Ehe als auf beide Ehegatten bezogenes Institut gehört noch zu dem Verantwortungsbereich des aus der Ehe strebenden Ehegatten. Das Scheitern der Ehe mindert zwar diese Verantwortung. Die Grenze ist jedoch dort überschritten, wo der Gesetzgeber dem aus der Ehe fortstrebenden Ehegatten die Berufung auf sein eigenes, eheliche Pflichten vernachlässigendes Handeln als Hebel in die Hand gibt, um die Ehe zur Auflösung zu bringen. Der Gesetzgeber darf daher die Auflösung der Ehe nicht bereits von einer einseitigen Entscheidung nur eines Ehegatten abhängig machen.
II.
Art 12 Nr 3 Abs 1 des 1. EheRG, wonach für die Scheidung einer Ehe die Scheidungsvorschriften dieses Gesetzes auch dann gelten, wenn die Ehe vor seinem Inkrafttreten geschlossen wurde, ist mit dem Grundgesetz vereinbar.
1. Grundsätzlich ist es Sache des Gesetzgebers, zu bestimmen, ob ein Rechtsgebiet einer Novellierung bedarf und ab wann die Neuregelung gelten soll (BVerfGE 47, 85 (93)). Für die Überleitung steht ihm ein weiter Gestaltungsspielraum zur Verfügung. Zwischen der sofortigen, übergangslosen Inkraftsetzung des neuen Rechts und dem ungeschmälerten Fortbestand der bestehenden Rechtspositionen sind vielfache Abstufungen denkbar. Abzuwägen ist zwischen dem Vertrauen auf den Fortbestand des Rechtszustandes nach der bisherigen gesetzlichen Regelung und der Bedeutung des gesetzgeberischen Anliegens für das Wohl der Allgemeinheit. Der Nachprüfung durch das Bundesverfassungsgericht unterliegt nur, ob der Gesetzgeber bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht und der Dringlichkeit der ihn rechtfertigenden Gründe unter Berücksichtigung aller Umstände die Grenze der Zumutbarkeit überschritten hat (BVerfGE 43, 242 (286, 288 f) mwN).
2. Bei der Neuregelung der Scheidungsvorschriften durch das Erste Eherechtsreformgesetz ist der Gesetzgeber, wie bereits ausgeführt, davon ausgegangen, daß das Verschuldensprinzip, auf dem das bisherige Scheidungsrecht überwiegend beruhte, schwerwiegende Mängel aufwies und in vielen Fällen, besonders soweit auch die Rechtsfolgen der Scheidung mit dem Scheidungsverschulden verknüpft waren, zu erheblichen Ungerechtigkeiten führte. Auf der Grundlage dieser Erwägungen, die mit den Wertungen des Art 6 Abs 1 GG und insgesamt mit dem Grundgesetz in Einklang stehen, hätte es eine schwer erträgliche Rechtsungleichheit bedeutet, wenn während eines längeren Zeitraums, unter Umständen noch nach Jahrzehnten, ein Teil der Ehen weiterhin nach dem als mangelhaft und überholt angesehenen Verschuldensscheidungsrecht behandelt und die für die Beteiligten außerordentlich bedeutsame Frage der Scheidbarkeit der Ehe je nach dem Zeitpunkt der Eheschließung unterschiedlich entschieden worden wäre. Diese Rechtsungleichheit zu vermeiden, stellt ein wesentliches Allgemeininteresse dar, das die Inkraftsetzung des neuen Scheidungsrechts für alle nach dem 1. Juli 1977 zu scheidenden Ehen rechtfertigt.
Andererseits war das Vertrauen des an der Ehe festhaltenden Ehegatten, daß nicht durch eine Scheidungsrechtsänderung eine nach bisherigem Recht unscheidbare Ehe in Zukunft geschieden werden konnte, nicht so schutzwürdig, daß für die Altehen die Beibehaltung des bisherigen Rechtszustandes erforderlich gewesen wäre. Die wirtschaftlichen Belange der Ehegatten, um die es dabei hauptsächlich geht, sind grundsätzlich bei der Ausgestaltung des Scheidungsfolgenrechts zu wahren. Insoweit wollte das Erste Eherechtsreformgesetz die Rechtsstellung des wirtschaftlich abhängigen Ehegatten in wesentlichen Punkten verbessern. Ob das geltende Scheidungsfolgenrecht und die zugehörigen übergangsrechtlichen Bestimmungen den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügen, ist im vorliegenden Verfahren nicht zu prüfen.
Bei der Bewertung des Vertrauensinteresses der Ehegatten, die die Ehe vor dem Inkrafttreten des Ersten Eherechtsreformgesetzes geschlossen haben, ist ferner zu berücksichtigen, daß bereits nach bisherigen Recht die Ehen weitgehend scheidbar waren. Zwar hatte bei einer Scheidungsklage aufgrund dreijähriger Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft (§ 48 EheG) der beklagte Ehegatte unter Umständen ein Widerspruchsrecht (§ 48 Abs 2 EheG). Dieses war aber an die verhältnismäßig unbestimmten, gerade nach einer längeren Trennungszeit oft nur unsicher festzustellenden Voraussetzungen geknüpft, daß der die Scheidung begehrende Ehegatte die Zerrüttung der Ehe ganz oder überwiegend verschuldet hatte und daß dem widersprechenden Ehegatten die Bindung an die Ehe und die zumutbare Bereitschaft, die Ehe fortzusetzen, nicht fehlten.
Darüber hinaus mußte ein Ehegatte schon vor dem Inkrafttreten des Ersten Eherechtsreformgesetzes eine Änderung der Scheidungsvorschriften in Betracht ziehen, namentlich eine solche in Richtung auf eine stärkere Durchsetzung des Zerrüttungsprinzips. Das Scheidungsrecht war vor der Neuregelung des Ersten Eherechtsreformgesetzes seit langem rechtspolitisch umstritten, und Reformen, die das Zerrüttungsprinzip einführen sollten, waren wiederholt gefordert, zum Teil auch in Angriff genommen worden. Wurde aber das Scheidungsrecht geändert, so mußte zugleich damit gerechnet werden - entsprechend dem insoweit bisher geltenden Übergangsrecht (vgl Art 201 EGBGB; §§ 84, 93ff des Ehegesetzes vom 6. Juli 1938 (RGBl I S 807)) -, daß das neue Recht auch auf die unter der Geltung des alten Rechts geschlossenen Ehen Anwendung finden würde.
3. Verfassungsrechtlich unbedenklich ist die Anwendung des neuen Scheidungsrechts auf Altehen auch, soweit es sich um länger bestehende Ehen handelt, etwa um solche, die bei Inkrafttreten des Ersten Eherechtsreformgesetzes schon zwanzig Jahre oder länger bestanden hatten. Allerdings kann den Ehegatten solcher Ehen, soweit sie auf die Fortgeltung des alten Scheidungsrechts vertraut haben, die Umstellung auf das neue Recht schwerer fallen. Auf der anderen Seite bestand aber gerade bei den älteren Ehen, insbesondere, wenn die Ehegatten schon lange Zeit getrennt gelebt hatten und einer von ihnen eine neue Verbindung eingegangen war, aus der Kinder hervorgegangen waren, vielfach ein besonderes Bedürfnis, nunmehr die Möglichkeit der Scheidung zu eröffnen. Daß der Gesetzgeber unter Berücksichtigung dieser entgegengesetzten Interessen eine generelle Übergangsregelung getroffen und nicht zwischen kürzer und länger dauernden "Altehen" differenziert hat, lag innerhalb des ihm zustehenden Gestaltungsspielraums.
Der Gesetzgeber war unter dem Gesichtspunkt des verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzes auch nicht verpflichtet, hinsichtlich der gemäß §§ 1566 Abs 2, 1568 Abs 2 BGB bedeutsamen Trennungsfristen eine Übergangsregelung dergestalt zu treffen, daß die Fristen nicht mit der tatsächlichen Trennung, sondern erst von dem Inkrafttreten des Ersten Eherechtsreformgesetzes an zu laufen beginnen. Der zwischen der Verkündung des Gesetzes am 15. Juni 1976 und dem Inkrafttreten der angegriffenen Bestimmungen am 1. Juli 1977 liegende Zeitraum war für jeden Ehegatten hinreichend, um sich auf das neue Recht einzurichten.