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§ 35 VersAusglG: Anpassung wegen Invalidität der ausgleichspflichtigen Person oder einer für sie geltenden besonderen Altersgrenze

Änderungsdienst
veröffentlicht am

06.09.2021

Änderung

Die GRA wurde im Hinblick auf das zum 01.01.2021 in Kraft getretene Grundrentengesetz (Abschnitte 2, 3.1.5) entsprechend ergänzt.

Dokumentdaten
Stand15.06.2021
Erstellungsgrundlage in der Fassung des Gesetzes zur Strukturreform des Versorgungsausgleichs (VAStrRefG) vom 03.04.2009 in Kraft getreten am 01.09.2009
Rechtsgrundlage

§ 35 VersAusglG

Version003.00
Schlüsselwörter
  • 0102

  • 0139

  • 0820

  • 1820

  • 1870

  • 1990

  • 6731

  • 6732

  • 80006731XX

  • 80006732XX

Inhalt der Regelung

§ 35 VersAusglG ist eine Regelung zur Vermeidung oder Abmilderung von Härten im Versorgungsausgleich, die bei einem Hin-und-her-Ausgleich von Versorgungsanrechten in unterschiedlichen Versorgungssystemen entstehen können.

Absatz 1 bestimmt, dass die Kürzung einer laufenden Versorgung wegen Invalidität oder Erreichens einer besonderen Altersgrenze der ausgleichspflichtigen Person auf Antrag ausgesetzt wird, solange die ausgleichspflichtige Person aus einem im Versorgungsausgleich erworbenen Anrecht keine Leistung beziehen kann.

Absatz 2 verweist auf die Wertgrenze des § 33 Abs. 2 VersAusglG, die für die Anpassung wegen Invalidität der ausgleichspflichtigen Person oder Erreichens einer für sie geltenden besonderen Altersgrenze entsprechend gilt. Danach findet die Anpassung nach Absatz 1 nur statt, wenn die Kürzung am Ende der Ehezeit bei einem Rentenbetrag als maßgeblicher Bezugsgröße mindestens 2 Prozent, in allen anderen Fällen als Kapitalwert mindestens 240 Prozent der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 Abs. 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch betragen hat.

Durch Absatz 3 wird die Aussetzung der Kürzung der Höhe nach begrenzt. Die Kürzung ist nur in Höhe der Ausgleichswerte aus denjenigen Anrechten im Sinne des § 32 VersAusglG auszusetzen, aus denen die ausgleichspflichtige Person keine Leistung bezieht.

Absatz 4 regelt die Aussetzung der Kürzung, wenn die ausgleichspflichtige Person mehrere gekürzte Versorgungen bezieht und legt fest, in welchem Umfang die Kürzung bei jeder einzelnen Versorgung auszusetzen ist.

Hinweis:

Die Ausführungen bei Scheidung einer Ehe gelten auch bei Aufhebung einer eingetragenen Lebenspartnerschaft (siehe GRA zu § 20 LPartG).

Ergänzende/korrespondierende Regelungen

§ 35 VersAusglG wird durch § 36 VersAusglG ergänzt, der die Durchführung und Abänderung der Anpassung wegen Invalidität der ausgleichspflichtigen Person oder einer für sie geltenden besonderen Altersgrenze regelt.

§ 32 VersAusglG schränkt den Anwendungsbereich für die Anpassungsregelungen der §§ 33 bis 38 VersAusglG ein. Sämtliche Anpassungsregelungen sind obligatorisch nur für die in § 32 VersAusglG genannten Regelsicherungssysteme vorgesehen.

Nach § 35 Abs. 2 VersAusglG, der auf den § 33 Abs. 2 VersAusglG verweist, kommt eine Aussetzung der Kürzung nur in Betracht, wenn bestimmte Wertgrenzen erreicht sind.

In § 101 Abs. 3b S. 1 Nr. 2 SGB VI ist geregelt, ab wann der Rentenbescheid der leistungsberechtigten Person aufzuheben ist, wenn die Voraussetzungen für die Anpassung wegen Invalidität der ausgleichspflichtigen Person oder Erreichens einer für sie geltenden besonderen Altersgrenze entfallen sind.

Allgemeines

Durch § 35 VersAusglG sollen nachteilige leistungsrechtliche Auswirkungen eines Versorgungsausgleichs, die sich für die früheren Ehegatten nach einem Hin-und-her-Ausgleich von Anrechten ergeben können, abgemildert oder vermieden werden. Die Vorschrift ist daher nur anwendbar, wenn der Versorgungsausgleich nach den Regelungen des VersAusglG (Recht ab 01.09.2009) durchgeführt wurde. Darüber hinaus muss es sich um Anrechte aus Regelsicherungssystemen im Sinne des § 32 VersAusglG handeln.

Der Hin-und-her-Ausgleich verschafft den früheren Ehegatten nach Durchführung des Versorgungsausgleichs regelmäßig Anrechte in verschiedenen Versorgungssystemen, bei denen für eine Leistungsgewährung unterschiedliche Zugangsvoraussetzungen gelten können. Auch der Beginn von Leistungen ist in den einzelnen Versorgungssystemen häufig unterschiedlich geregelt. Diese Situation kann zu einer vorübergehenden Schlechterstellung des Ehegatten führen, der in einem Versorgungssystem eine um den Versorgungsausgleich gekürzte Versorgung bezieht, sein ihm im Versorgungsausgleich gutgeschriebenes Anrecht im Sinne des § 32 VersAusglG in einem anderen Versorgungssystem aber noch nicht abrufen kann. Die Anpassung nach § 35 VersAusglG soll diese Schlechterstellung abmildern oder vermeiden, indem die Kürzung der Versorgung vorübergehend ausgesetzt wird.

§ 35 VersAusglG findet grundsätzlich keine Anwendung, wenn der Versorgungsausgleich ausschließlich im Wege der internen Teilung durch einen Hin-und-her-Ausgleich von Anrechten der gesetzlichen Rentenversicherung durchgeführt wird. Wird Rente gezahlt, sind darin sowohl die Zuschläge als auch die Abschläge an Entgeltpunkten aus dem Versorgungsausgleich (§ 66 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI) enthalten. Besonderheiten können sich bei rein knappschaftlichen Leistungen ergeben (siehe Abschnitt 7).

Die Aussetzung der Kürzung im Rahmen der Anpassung ist sowohl für gekürzte dynamische Anrechte, die den gesetzlichen Rentenanpassungen unterliegen, als auch für gekürzte statische Anrechte der Höherversicherung möglich. Zu den gekürzten dynamischen Anrechten, die bei der Aussetzung der Kürzung nach § 35 VersAusglG berücksichtigt werden, zählen ab 01.01.2021 auch Abschläge aus dem Versorgungsausgleich, die aus Zuschlagsentgeltpunkten für langjährige Versicherung stammen (AGVR 1/2020, TOP 8).

§ 35 VersAusglG kann bei beiden früheren Ehegatten Anwendung finden, da die Ehegatten infolge des Hin-und-her-Ausgleichs häufig sowohl ausgleichsberechtigte als auch ausgleichspflichtige Person sind. Für die Anpassung sind allein die leistungsrechtlichen Auswirkungen des Versorgungsausgleichs aus Sicht der jeweils ausgleichspflichtigen Person zu betrachten. Welche Auswirkungen sich aufgrund des Versorgungsausgleichs für die ausgleichsberechtigte Person ergeben, spielt keine Rolle.

Wird die Rente der ausgleichspflichtigen Person überhaupt nicht aufgrund des Versorgungsausgleichs gekürzt, zum Beispiel wegen der Anwendung des sogenannten Rentnerprivilegs (§ 268a SGB VI) oder wegen einer Anpassung wegen Unterhalt nach § 33 VersAusglG oder einer Anpassung wegen Tod der ausgleichsberechtigten Person nach § 37 VersAusglG, ist für die Anwendung des § 35 VersAusglG kein Raum.

Anspruchsvoraussetzungen (Absatz 1)

Eine Anpassung wegen Invalidität der ausgleichspflichtigen Person oder einer für sie geltenden besonderen Altersgrenze ist möglich, wenn die in § 35 Abs. 1, 2 VersAusglG normierten Anspruchsvoraussetzungen vorliegen:

  • Die ausgleichspflichtige Person bezieht eine laufende Versorgung wegen Invalidität oder Erreichens einer für sie geltenden besonderen Altersgrenze, die aufgrund des Versorgungsausgleichs gekürzt ist (Abschnitt 3.1).
  • Aus einem im Versorgungsausgleich erworbenen Anrecht im Sinne des § 32 VersAusglG kann die ausgleichspflichtige Person noch keine Leistung beziehen (Abschnitt 3.2).
  • Die Kürzung der Versorgung aufgrund des Versorgungsausgleichs erreicht die Wertgrenze des § 35 Abs. 2 VersAusglG in Verbindung mit § 33 Abs. 2 VersAusglG (Abschnitt 4).
  • Die ausgleichspflichtige Person hat die Anpassung beantragt (Abschnitt 3.3).

Laufender Bezug einer gekürzten Versorgung

Die Anpassung nach § 35 VersAusglG setzt nach dem Wortlaut der Vorschrift zunächst voraus, dass die ausgleichspflichtige Person eine Versorgung wegen Invalidität (Abschnitt 3.1.1) oder wegen Erreichens einer für sie geltenden besonderen Altersgrenze (Abschnitt 3.1.2) laufend bezieht. Nach Auffassung der Rentenversicherungsträger wird diese Voraussetzung auch durch den Bezug einer Regelaltersrente (Abschnitt 3.1.3) oder einer Erziehungsrente (Abschnitt 3.1.4) erfüllt. Die laufend bezogene Rente muss darüber hinaus aufgrund des Versorgungsausgleichs gekürzt sein (Abschnitt 3.1.5).

Laufender Versorgungsbezug bedeutet im Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung, dass sich bei der ausgleichspflichtigen Person ein zahlbarer Rentenanspruch ergibt. Diese Voraussetzung ist nicht gegeben, wenn zwar dem Grunde nach ein durch Bescheid festgestellter Rentenanspruch besteht, die Rente aber beispielsweise aufgrund der Vorschriften über das Zusammentreffen von Renten und Einkommen (§ 90 SGB VI ff.) nicht gezahlt wird.

Die Zahlung einer zeitlich befristeten Rente (zum Beispiel einer Rente wegen Erwerbsminderung) steht der Anwendung des § 35 VersAusglG nicht entgegen.

Versorgungsbezug wegen Invalidität

In der gesetzlichen Rentenversicherung handelt es sich um eine laufende Versorgung wegen Invalidität, wenn die ausgleichspflichtige Person eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit bezieht. Hierzu gehören die

Versorgungsbezug wegen Erreichens einer besonderen Altersgrenze

Eine laufende Versorgung wegen Erreichens einer für die ausgleichspflichtige Person besonderen Altersgrenze liegt in der gesetzlichen Rentenversicherung vor, wenn die ausgleichspflichtige Person eine der nachstehenden Altersrenten vor Erreichen der Regelaltersgrenze erhält (AGVA 1/2010, TOP 2):

Rentenbezug ab Erreichen der Regelaltersgrenze

Durch einen Rentenbezug der ausgleichspflichtigen Person ab Erreichen der Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung wird die Anpassung nach § 35 VersAusglG nicht ausgeschlossen.

Sofern in anderen Regelsicherungssystemen erworbene Anrechte erst nach dem Zeitpunkt realisiert werden können, zu dem die Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung erreicht wurde, ist eine Aussetzung der Kürzung in der gesetzlichen Rentenversicherung auch für Zeiten nach Erreichen der Regelaltersgrenze möglich (AGVA 1/2012, TOP 3).

Bezug einer Erziehungsrente

Erziehungsrenten sind Renten wegen Todes, die aus eigener Versicherung zu berechnen sind. Ein Abschlag an Entgeltpunkten aus einem Versorgungsausgleich wirkt sich daher auch auf diese Renten aus.

Nach dem Wortlaut des § 35 VersAusglG werden Erziehungsrenten von dieser Anpassungsregelung zwar nicht erfasst. Sinn und Zweck der Vorschrift sprechen jedoch dafür, dass auch in diesen Fällen eine Anpassung nach § 35 VersAusglG in Betracht kommt. Deshalb ist nach Ansicht der Rentenversicherungsträger auch beim Bezug einer Erziehungsrente die Anpassung nach § 35 VersAusglG möglich (AGVA 1/2012, TOP 11).

Kürzung der laufenden Versorgung

Der für die Anpassung maßgebende Kürzungsbetrag der Rente ergibt sich aus der Differenz der gezahlten Bruttorente mit und ohne Berücksichtigung der internen Teilung innerhalb der gesetzlichen Rentenversicherung.

Bei der internen Teilung in der gesetzlichen Rentenversicherung können verschiedene Anrechte ausgeglichen werden, das sind

  • Entgeltpunkte der allgemeinen Rentenversicherung (§ 70 SGB VI ff.),
  • Entgeltpunkte (Ost) der allgemeinen Rentenversicherung (§ 254d SGB VI),
  • Zuschläge an Entgeltpunkten für langjährige Versicherung der allgemeinen Rentenversicherung (§§ 76g, 307e, 307f SGB VI),
  • Zuschläge an Entgeltpunkten (Ost) für langjährige Versicherung der allgemeinen Rentenversicherung (§§ 76g, 307e, 307f SGB VI),
  • Entgeltpunkte der knappschaftlichen Rentenversicherung (§ 81 SGB VI ff.),
  • Entgeltpunkte (Ost) der knappschaftlichen Rentenversicherung (§ 265a SGB VI) und/oder
  • monatliche Zusatzleistungen aus der Höherversicherung (§ 269 SGB VI).

Die interne Teilung nach § 10 VersAusglG erfolgt für jedes Anrecht einer Entgeltpunkteart sowie für Anrechte der Höherversicherung getrennt.

Liegt nach der Entscheidung des Familiengerichts eine interne Teilung nur in einer Entgeltpunkteart oder nur hinsichtlich der Höherversicherung vor, ist die Voraussetzung „Kürzung der laufenden Versorgung“ erfüllt, wenn sich nach Verrechnung (§ 10 Abs. 2 VersAusglG) ein Abschlag beziehungsweise ein Minderungsbetrag aus der Höherversicherung ergibt.

Siehe Beispiel 1

Bei internen Teilungen von mehreren Entgeltpunktearten, die sich (gegebenenfalls nach Verrechnung der gleichartigen Entgeltpunkte nach § 10 Abs. 2 VersAusglG in Verbindung mit § 120f SGB VI) sowohl zugunsten als auch zulasten eines Versicherten auswirken, ist die Voraussetzung „Kürzung der laufenden Versorgung“ erfüllt, wenn sich insgesamt betrachtet ein Kürzungsbetrag der Rente ergibt (AGVA 1/2010, TOP 6). Eine Anpassung ist in diesem Fall höchstens im Umfang der sich im Saldo ergebenden (Brutto)-Rentenkürzung möglich (siehe Abschnitt 5.1).

Siehe Beispiel 2

Auswirkungen einer externen Teilung zugunsten der ausgleichspflichtigen Person (zum Beispiel nach § 14 VersAusglG in Verbindung mit § 15 Abs. 1 und 5 S. 1 VersAusglG, § 16 VersAusglG) bleiben bei der Ermittlung des Kürzungsbetrags unberücksichtigt. Dies gilt selbst dann, wenn sich unter Einbeziehung der externen Teilung tatsächlich keine Rentenminderung ergeben würde.

Siehe Beispiel 3

Maßgebend ist der Kürzungsbetrag der Rente zum Zeitpunkt des Anpassungsbeginns. Dies ist nach § 36 Abs. 3 VersAusglG in Verbindung mit § 34 Abs. 3 VersAusglG der Folgemonat der Antragstellung, sofern die sonstigen Voraussetzungen für die Anpassung erfüllt sind (siehe GRA zu § 36 VersAusglG, Abschnitt 5.1).

Wird eine Teilrente bezogen (zum Beispiel Teilrente wegen Alters oder Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung), kommt es auf den Kürzungsbetrag der zum Zeitpunkt des Beginns der Anpassung tatsächlich gezahlten Rente an.

Die Voraussetzung „Kürzung der laufenden Versorgung“ ist auch erfüllt, wenn die Berücksichtigung des Abschlags aus dem Versorgungsausgleich nicht zu einer Rentenminderung führt (zum Beispiel wegen der Anrechnung von Leistungen nach § 93 SGB VI). Auch in diesen Fällen besteht dem Grunde nach ein Anspruch auf Anpassung nach § 35 VersAusglG (AGVA 3/2009, TOP 2).

Ist die Rentenkürzung wegen der Anwendung des Rentnerprivilegs (§ 268a SGB VI) oder aufgrund einer Anpassung wegen Unterhalt (§§ 33, 34 VersAusglG) bereits teilweise ausgesetzt, ist die verbleibende Rentenkürzung maßgebend. Führt die Anwendung des Rentnerprivilegs oder die Anpassung wegen Unterhalt (§ 33 VersAusglG) oder wegen Tod der ausgleichsberechtigten Person (§ 37 VersAusglG) zur vollständigen Aussetzung der Kürzung der Rente, findet § 35 VersAusglG keine Anwendung.

Beachte:

Hat die ausgleichspflichtige Person nach der Entscheidung über den Versorgungsausgleich Beiträge zur teilweisen oder vollständigen Wiederauffüllung ihrer geminderten Rentenanwartschaften gemäß § 187 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI gezahlt, dann sind diese bei der Ermittlung der Differenz der Bruttorente mit und ohne Berücksichtigung der internen Teilung innerhalb der gesetzlichen Rentenversicherung nicht zu berücksichtigen.

Kein Leistungsbezug aus einem erworbenen Anrecht

Hat die ausgleichspflichtige Person im Versorgungsausgleich auch ein Anrecht außerhalb der gesetzlichen Rentenversicherung erworben, gilt Folgendes:

Das erworbene Anrecht muss vor dem Wertausgleich bei der Scheidung in einem Regelsicherungssystem im Sinne des § 32 VersAusglG bestanden haben (AGVA 2/2015, TOP 3). Eine entsprechende Leistung aus diesem Anrecht darf noch nicht realisierbar sein. Nach dem Gesetzeswortlaut kommt es darauf an, dass eine Versorgung aus dem erworbenen Anrecht nicht bezogen werden kann. Das ist der Fall, solange die persönlichen und gegebenenfalls sonstigen Voraussetzungen für deren Bezug nicht gegeben sind. Liegen die persönlichen und gegebenenfalls sonstigen Voraussetzungen für die Gewährung einer Rentenleistung aus dem erworbenen Anrecht vor und bezieht die ausgleichspflichtige Person nur deshalb keine Leistung aus dem erworbenen Anrecht, weil sie den erforderlichen Antrag nicht gestellt hat, ist eine Anpassung nach § 35 VersAusglG nicht möglich. Der Nichtbezug oder der verspätete Bezug einer entsprechenden Versorgung wegen eines nicht oder erst verspätet gestellten Antrags liegt in der alleinigen Verantwortung der ausgleichspflichtigen Person (AGVA 3/2009, TOP 2).

Beachte:

Erworbene Anrechte, die nicht aus Regelsicherungssystemen nach § 32 VersAusglG stammen, sind für die Anpassung nach § 35 VersAusglG nicht zu berücksichtigen. Dies gilt unabhängig davon, ob derartige Anrechte realisierbar sind oder nicht.

Antragstellung

Die Anpassung wegen Invalidität der ausgleichspflichtigen Person oder Erreichens einer für sie geltenden besonderen Altersgrenze muss beantragt werden. Antragsberechtigt ist gemäß § 36 Abs. 2 VersAusglG nur die ausgleichspflichtige Person (siehe GRA zu § 36 VersAusglG, Abschnitt 4). Über die Anpassung nach § 35 VersAusglG entscheidet der Versorgungsträger, der die aufgrund des Versorgungsausgleichs gekürzte Versorgung zahlt.

In der gesetzlichen Rentenversicherung gilt der Rentenantrag gleichzeitig als Antrag auf Anpassung nach § 35 VersAusglG. Die Anpassung muss daher nicht zusätzlich beantragt werden, wenn der Rentenantrag erst nach Durchführung des Versorgungsausgleichs gestellt wird (AGVA 3/2009, TOP 2).

Eine gesonderte Antragstellung beim Rentenversicherungsträger ist jedoch erforderlich, wenn bei der Durchführung des Versorgungsausgleichs bereits Rente bezogen wurde. Gesondert zu beantragen ist auch die Erhöhung des bisher gezahlten Anpassungsbetrages (siehe Abschnitt 5.2).

Der Zeitpunkt der Antragstellung ist ausschlaggebend für den Beginn der Anpassung. Nach § 36 Abs. 3 VersAusglG in Verbindung mit § 34 Abs. 3 VersAusglG wirkt die Anpassung ab dem Folgemonat der Antragstellung beim zuständigen Versorgungsträger (siehe GRA zu § 36 VersAusglG).

Wertgrenze für die Anpassung (Absatz 2)

Die Anpassung wegen Invalidität der ausgleichspflichtigen Person oder Erreichens einer für sie geltenden besonderen Altersgrenze ist nach § 35 Abs. 2 VersAusglG in Verbindung mit § 33 Abs. 2 VersAusglG nur in den Fällen vorgesehen, in denen die Auswirkungen einer Anpassung erheblich sind, damit die Versorgungsträger in Fällen einer geringen Versorgungskürzung nicht tätig werden müssen. Aus diesem Grund findet eine Anpassung nur dann statt, wenn die Kürzung der Versorgung eine bestimmte Wertgrenze erreicht, die in § 33 Abs. 2 VersAusglG definiert ist.

Danach muss die Kürzung am Ende der Ehezeit bei einem Rentenbetrag als maßgeblicher Bezugsgröße mindestens zwei Prozent, in allen anderen Fällen als Kapitalwert mindestens 240 Prozent der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 Abs. 1 SGB IV erreichen. Maßgeblich ist allein die Bezugsgröße „West“. Auf die Bezugsgröße (Ost) nach § 18 Abs. 2 SGB IV kommt es bei der Prüfung der Wertgrenze nicht an.

Für dynamische Anrechte der gesetzlichen Rentenversicherung sind Entgeltpunkte die maßgebliche Bezugsgröße. Daher ist hier die Wertgrenze des § 35 Abs. 2 VersAusglG in Verbindung mit § 33 Abs. 2 VersAusglG für Kapitalwerte zu beachten (AGVA 3/2009, TOP 4). Für statische Anrechte der Höherversicherung sind Rentenbeträge maßgebliche Bezugsgröße; es gilt die Wertgrenze für Rentenbeträge.

Sind im Einzelfall sowohl dynamische Entgeltpunkte als auch statische Anrechte der Höherversicherung ausgeglichen worden, ist für die Prüfung der Wertgrenze bei allen Anrechten der jeweilige korrespondierende Kapitalwert maßgebend.

Die Wertgrenzen ergeben sich aus Aktuelle Werte "Versorgungsausgleich (Rechengrößen)".

Zur Ermittlung der Wertgrenze sind die korrespondierenden Kapitalwerte aus den intern geteilten Anrechten der gesetzlichen Rentenversicherung zu saldieren, die in der zu leistenden Rente berücksichtigt werden. Die korrespondierenden Kapitalwerte sind mit den in der Auskunft an das Familiengericht nach § 5 VersAusglG ausgewiesenen Werten identisch, sofern das Familiengericht einen Ausgleich im Umfang des in der Auskunft vorgeschlagenen Ausgleichswerts angeordnet hat. Zur Berechnung korrespondierender Kapitalwerte siehe GRA zu § 47 VersAusglG. Das Ergebnis der Saldierung ist anschließend dem maßgebenden Grenzwert gegenüber zu stellen (AGVA 1/2010, TOP 2).

Bei der Ermittlung der Wertgrenze bleiben Auswirkungen einer externen Teilung zugunsten der ausgleichspflichtigen Person, zum Beispiel nach § 14 VersAusglG in Verbindung mit § 15 Abs. 1 und 5 S. 1 VersAusglG, § 16 VersAusglG unberücksichtigt (vergleiche Abschnitt 3.1.5).

Siehe Beispiel 4

Umfang der Anpassung (Absatz 3)

Nach § 35 Abs. 3 VersAusglG ist die Anpassung höchstens in Höhe der im Versorgungsausgleich erworbenen Ausgleichswerte aus denjenigen Anrechten nach § 32 VersAusglG durchzuführen, aus denen die ausgleichspflichtige Person keine Leistung bezieht. Übersteigt die Höhe der Ausgleichswerte den Kürzungsbetrag der Rente, ist die Anpassung auf diesen Betrag zu begrenzen (siehe Abschnitte 5.1 und 5.2).

Abzustellen ist auf die jeweiligen Werte zum Zeitpunkt des Anpassungsbeginns - das ist nach § 36 Abs. 3 VersAusglG in Verbindung mit § 34 Abs. 3 VersAusglG der Folgemonat der Antragstellung beim Rentenversicherungsträger (siehe GRA zu § 36 VersAusglG, Abschnitt 5.1).

Bezieht die ausgleichspflichtige Person mehrere um den Versorgungsausgleich gekürzte Versorgungen, ist die Aussetzung der Kürzung bei den Versorgungen anteilig vorzunehmen (Abschnitt 6).

Vollständige Aussetzung der Rentenkürzung

Die Rentenkürzung wird vollständig ausgesetzt, wenn der Wert des von der ausgleichspflichtigen Person erworbenen und noch nicht realisierten Anrechts den Kürzungsbetrag der Rente (siehe Abschnitt 3.1.5) erreicht oder übersteigt. Die Anpassung ist in diesen Fällen auf den Kürzungsbetrag der Rente zu begrenzen.

Übersteigt der Wert des erworbenen Anrechts den Kürzungsbetrag der Rente, ist der Anpassungsbetrag dynamisch. Erhöht sich der Kürzungsbetrag der Rente aufgrund von gesetzlichen Rentenanpassungen, ist auch der Anpassungsbetrag nach § 35 VersAusglG von Amts wegen im Umfang der jeweiligen Rentenanpassung zu erhöhen. Dies geschieht so lange, bis der Anpassungsbetrag den Wert des erworbenen Anrechts, aus dem noch keine Leistung bezogen wird, erreicht.

Siehe Beispiel 5

Teilweise Aussetzung der Rentenkürzung

Eine teilweise Aussetzung der Rentenkürzung erfolgt, wenn der Wert des im Versorgungsausgleich erworbenen und noch nicht realisierbaren Anrechts kleiner ist als der Kürzungsbetrag der Rente aufgrund des Versorgungsausgleichs (siehe Abschnitt 3.1.5).

In diesen Fällen ist der Anpassungsbetrag statisch. Wünscht die ausgleichspflichtige Person später die Berücksichtigung eines höheren Anpassungsbetrages, muss sie dies beim Rentenversicherungsträger beantragen (siehe Abschnitt 3.3). In diesen Fällen kommt eine Abänderung in Betracht (siehe GRA zu § 36 VersAusglG, Abschnitt 8). Von Amts wegen ist eine Erhöhung des Anpassungsbetrages nicht zu prüfen.

Siehe Beispiel 5

Anpassung bei Bezug mehrerer gekürzter Versorgungen der ausgleichspflichtigen Person (Absatz 4)

Bezieht die ausgleichspflichtige Person mehrere um den Versorgungsausgleich gekürzte Versorgungen im Sinne des § 32 VersAusglG und liegen die Voraussetzungen für eine Anpassung nach § 35 VersAusglG vor, weil aus einem im Versorgungsausgleich erworbenen Anrecht aus einem Regelsicherungssystem noch keine Leistung erbracht werden kann, ist die Aussetzung der Kürzung bei den Versorgungen anteilig vorzunehmen. Der Anteil, um den die Kürzung der jeweiligen Versorgung auszusetzen ist, richtet sich dabei nach dem Wertverhältnis der Ausgleichswerte der Versorgungen. Hierbei ist in zwei Schritten vorzugehen:

  • Im ersten Schritt ist zu ermitteln, in welcher Höhe die Kürzung insgesamt ausgesetzt werden kann.
  • Im zweiten Schritt ist die anteilige Aussetzung der Kürzung entsprechend dem Wertverhältnis der Ausgleichswerte zu bestimmen, aus denen laufend gekürzte Versorgungen bezogen werden.

Bei der Berechnung des Verhältniswertes nach § 35 Abs. 4 VersAusglG werden nur die Ausgleichswerte aus Versorgungen aus Regelsicherungssystemen im Sinne des § 32 VersAusglG einbezogen. Erworbene Versorgungen, die nicht aus Regelsicherungssystemen stammen, bleiben bei dieser Berechnung unberücksichtigt (AGVA 2/2015, TOP 3).

Für diese Verhältnisberechnung benötigt der jeweils zuständige Versorgungsträger Kenntnis darüber, ob die ausgleichspflichtige Person bereits weitere aufgrund des Versorgungsausgleichs gekürzte Versorgungen im Sinne des § 32 VersAusglG bezieht, deren Kürzung ebenfalls ausgesetzt werden kann. Darüber hinaus muss er auch den jeweiligen Ausgleichswert aus der zugrunde liegenden Versorgungsausgleichsentscheidung kennen. Diese Information kann er sich entweder von der ausgleichspflichtigen Person selbst oder auch von den jeweiligen Versorgungsträgern einholen. Beide sind nach § 4 Abs. 3 VersAusglG verpflichtet, dem Versorgungsträger die erforderlichen Auskünfte zu erteilen.

Siehe Beispiel 6

Knappschaftliche Besonderheiten

Bei rein knappschaftlichen Leistungen wie der Rente für Bergleute (§§ 45, 242 SGB VI) oder der Knappschaftsausgleichsleistung (§ 239 SGB VI) können aufgrund des Versorgungsausgleichs nur Zuschläge und/oder Abschläge an Entgeltpunkten/Entgeltpunkten (Ost) in der knappschaftlichen Rentenversicherung berücksichtigt werden. Da Zuschläge und/oder Abschläge an Entgeltpunkten/Entgeltpunkten (Ost) in der allgemeinen Rentenversicherung bei diesen Leistungen unberücksichtigt bleiben, kann in bestimmten Ausnahmefällen eine Anpassung nach § 35 VersAusglG in Betracht kommen.

Eine Anpassung nach § 35 VersAusglG ist möglich, wenn eine knappschaftliche Leistung der versicherten Person durch einen Abschlag an Entgeltpunkten/Entgeltpunkten (Ost) der knappschaftlichen Rentenversicherung gemindert wird und die versicherte Person einen Zuschlag an Entgeltpunkten und/oder Entgeltpunkten (Ost) in der allgemeinen Rentenversicherung erworben hat, den sie noch nicht aktivieren kann. Besteht bei der versicherten Person in der allgemeinen Rentenversicherung daneben auch ein Abschlag an Entgeltpunkten und/oder Entgeltpunkten (Ost), ist festzustellen, ob sich insgesamt betrachtet in der allgemeinen Rentenversicherung ein Erhöhungsbetrag ergibt. Eine Anpassung wäre in diesem Fall höchstens im Umfang des sich im Saldo ergebenden Erhöhungsbetrags möglich. Entsprechendes gilt für Anrechte der Höherversicherung.

Stammt der Zuschlag an Entgeltpunkten in der allgemeinen Rentenversicherung aus einer externen Teilung nach § 14 Abs. 2 VersAusglG in Verbindung mit § 15 VersAusglG, findet § 35 VersAusglG grundsätzlich keine Anwendung, weil das zum Ausgleich herangezogene Anrecht regelmäßig kein Anrecht im Sinne des § 32 VersAusglG ist.

Zusammentreffen mehrerer Anpassungsgründe

Neben einer Anpassung nach § 35 VersAusglG können auch zeitgleich die Voraussetzungen für eine Anpassung wegen Unterhalt nach § 33 VersAusglG vorliegen. In derartigen Fällen ist es naheliegend, zunächst die Anpassung nach § 35 VersAusglG durchzuführen, weil hierüber der Rentenversicherungsträger selbst entscheiden kann. Ist eine vollständige Aussetzung der Kürzung nach § 35 VersAusglG nicht möglich, kann hinsichtlich des verbliebenen Kürzungsbetrags die Anpassung nach § 33 VersAusglG beim Familiengericht beantragt werden.

Ist die ausgleichsberechtigte Person verstorben, könnte für die ausgleichspflichtige Person auch eine Anpassung wegen Tod nach § 37 VersAusglG in Betracht kommen. Bei der Anpassung nach § 37 VersAusglG wird die volle Rentenkürzung bei der ausgleichspflichtigen Person auf Dauer ausgesetzt. Zugleich erlöschen die Anrechte, die die ausgleichspflichtige Person in Regelsicherungssystemen von der verstorbenen ausgleichsberechtigten Person im Versorgungsausgleich erworben hat. Dagegen wird bei der Anpassung nach § 35 VersAusglG die Kürzung höchstens im Umfang des nicht realisierbaren erworbenen Anrechts durchgeführt und ist zeitlich begrenzt.

Beispiel 1: Feststellung des Kürzungsbetrags der Rente

(Beispiel zu Abschnitt 3.1.5)
Der Erwerbsminderungsrente der ausgleichspflichtigen Person liegen zugrunde48,0000 Entgeltpunkte.
Der Versorgungsausgleich erfolgt durch interne Teilung von Entgeltpunkten der allgemeinen Rentenversicherung.
Interne Teilung:
Der Ausgleichswert zulasten beträgt10,0000 Entgeltpunkte.
Der Ausgleichswert zugunsten beträgt  4,0000 Entgeltpunkte.
Nach Verrechnung ergeben sich zulasten  6,0000 Entgeltpunkte.
Unter Berücksichtigung der internen Teilung liegen der Rente zugrunde:42,0000 Entgeltpunkte.
Der Antrag auf Aussetzung der Rentenkürzung (Anpassung) ist am 03.06.2019 beim Rentenversicherungsträger eingegangen. Daher ist die Anpassung ab 01.07.2019 zu prüfen.
Eine Anpassung ist maximal im Umfang des Kürzungsbetrags der Rente möglich.

Frage:

Wie hoch ist der Kürzungsbetrag der Rente (brutto) ab 01.07.2019?

Lösung:
Eine Anpassung kann höchstens im Umfang des Kürzungsbetrags der Rente erfolgen. Festzustellen ist der Bruttobetrag der Rentenkürzung aus interner Teilung, der sich aus der Differenz zwischen ungekürzter und gekürzter Bruttorente ergibt.
Die ungekürzte Bruttorente errechnet sich wie folgt:
48,0000 EP mal 0,892 (Zugangsfaktor) mal 1,0 (Rentenartfaktor) mal 33,05 EUR (aktueller Rentenwert am 01.07.2019) gleich1.415,07 EUR.
Die gekürzte Bruttorente errechnet sich wie folgt:
42,0000 EP mal 0,892 (Zugangsfaktor) mal 1,0 (Rentenartfaktor) mal 33,05 EUR (aktueller Rentenwert am 01.07. 2019) gleich1.238,19 EUR.
Die Differenz der Bruttorentenbeträge ist der Kürzungsbetrag der Rente für die Anwendung von § 35 VersAusglG (1.415,07 EUR minus 1.238,19 EUR)   176,88 EUR.

Beispiel 2: Feststellung des Kürzungsbetrags der Rente bei verschiedenen Entgeltpunktearten

(Beispiel zu Abschnitt 3.1.5)
Der Altersrente für schwerbehinderte Menschen der ausgleichspflichtigen Person liegen zugrunde48,0000 Entgeltpunkte.
Der Versorgungsausgleich erfolgt durch interne Teilung von Entgeltpunkten und Entgeltpunkten (Ost) der allgemeinen Rentenversicherung.
Interne Teilung von Entgeltpunkten:
Der Ausgleichswert zulasten beträgt10,0000 Entgeltpunkte.
Der Ausgleichswert zugunsten beträgt  4,0000 Entgeltpunkte.
Nach Verrechnung ergeben sich zulasten  6,0000 Entgeltpunkte.
Interne Teilung von Entgeltpunkten (Ost):
Der Ausgleichswert zugunsten beträgt  3,0000 Entgeltpunkte (Ost).
Nach durchgeführter interner Teilung liegen der Rente zugrunde:

42,0000 Entgeltpunkte

  3,0000 Entgeltpunkte (Ost).

Die Anpassung soll aufgrund des am 03.06.2019 beim Rentenversicherungsträger eingegangenen Antrags ab 01.07.2019 stattfinden.

Frage:

Wie hoch ist der Kürzungsbetrag der Rente (brutto) ab 01.07.2019?

Lösung:
Eine Anpassung kann höchstens im Umfang des Kürzungsbetrags der Rente erfolgen. Festzustellen ist der Bruttobetrag der Rentenkürzung aus interner Teilung, der sich aus der Differenz zwischen ungekürzter und gekürzter Bruttorente ergibt.
Die ungekürzte Bruttorente errechnet sich wie folgt:
48,0000 EP mal 1,0 (Zugangsfaktor) mal 1,0 (Rentenartfaktor) mal 33,05 EUR (aktueller Rentenwert am 01.07.2019) gleich1.586,40 EUR.
Die gekürzte Bruttorente errechnet sich wie folgt:
42,0000 EP mal 1,0 (Zugangsfaktor) mal 1,0 (Rentenartfaktor) mal 33,05 EUR (aktueller Rentenwert am 01.07.2019) gleich1.388,10 EUR.
3,0000 EP (Ost) mal 1,0 (Zugangsfaktor) mal 1,0 (Rentenartfaktor) mal 31,89 EUR (aktueller Rentenwert (Ost) am 01.07.2019) gleich     95,67 EUR.
Die gekürzte Bruttorente beträgt insgesamt (1.388,10 EUR plus 95,67 EUR)1.483,77 EUR.
Die Differenz der Bruttorentenbeträge ist der Kürzungsbetrag der Rente für die Anwendung von § 35 VersAusglG (1.586,40 EUR minus 1.483,77 EUR)   102,63 EUR.

Beispiel 3: Feststellung des Kürzungsbetrags der Rente

(Beispiel zu Abschnitt 3.1.5)
Fortsetzung von Beispiel 1
Neben der internen Teilung von Entgeltpunkten in der allgemeinen Rentenversicherung (siehe Beispiel 1) waren Anrechte durch externe Teilung nach § 16 VersAusglG wie folgt zu begründen:

Externe Teilung einer monatlichen Rentenanwartschaft:

Der Ausgleichswert zugunsten beträgt
- bezogen auf den 31.05.2018 -
Umrechnung in Entgeltpunkte

155,15 EUR
 5,0000 Entgeltpunkte.
Unter Berücksichtigung des gesamten Versorgungsausgleichs liegen der Rente zugrunde:47,0000 Entgeltpunkte.
Unter Berücksichtigung der internen Teilung (ohne externe Teilung nach § 16 VersAusglG) liegen der Rente zugrunde:42,0000 Entgeltpunkte.
Der Antrag auf Aussetzung der Rentenkürzung (Anpassung) ist am 03.06.2019 beim Rentenversicherungsträger eingegangen. Daher ist die Anpassung ab 01.07.2019 zu prüfen.
Eine Anpassung ist maximal im Umfang des Kürzungsbetrags der Rente möglich.

Frage:

Wie hoch ist der Kürzungsbetrag der Rente (brutto) ab 01.07.2019?

Lösung:
Festzustellen ist der Bruttobetrag der Rentenkürzung aus interner Teilung, der sich aus der Differenz zwischen ungekürzter und gekürzter Bruttorente (unter Außerachtlassung der externen Teilung) ergibt.
Die ungekürzte Bruttorente errechnet sich wie folgt:
48,0000 EP mal 0,892 (Zugangsfaktor) mal 1,0 (Rentenartfaktor) mal 33,05 EUR (aktueller Rentenwert am 01.07.2019) gleich1.415,07 EUR.
Die gekürzte Bruttorente errechnet sich wie folgt:
42,0000 EP mal 0,892 (Zugangsfaktor) mal 1,0 (Rentenartfaktor) mal 33,05 EUR (aktueller Rentenwert am 01.07.2019) gleich1.238,19 EUR.
Die Differenz der Bruttorentenbeträge ist der Kürzungsbetrag der Rente für die Anwendung von § 35 VersAusglG (1.415,07 EUR minus 1.238,19 EUR).   176,88 EUR.

Beispiel 4: Prüfung der Wertgrenze

(Beispiel zu Abschnitt 4)
Der Versorgungsausgleich erfolgt durch interne Teilung von Entgeltpunkten und Entgeltpunkten (Ost) der allgemeinen Rentenversicherung. Ehezeitende ist der 31.05.2018.

Interne Teilung von Entgeltpunkten:

Der Ausgleichswert zulasten beträgt 10,0000 Entgeltpunkte

multipliziert mit dem Umrechnungsfaktor 7.044,3780 ergibt sich ein korrespondierender Kapitalwert von70.443,78 EUR.
Der Ausgleichswert zugunsten beträgt 6,0000 Entgeltpunkte
multipliziert mit dem Umrechnungsfaktor 7.044,3780 ergibt sich ein korrespondierender Kapitalwert von42.266,27 EUR.

Interne Teilung von Entgeltpunkten (Ost):

Der Ausgleichswert zulasten beträgt 3,0000 Entgeltpunkte (Ost)

multipliziert mit dem Umrechnungsfaktor 6.262,7827 ergibt sich ein korrespondierender Kapitalwert von18.788,35 EUR.
Der Ausgleichswert zugunsten beträgt 4,0000 Entgeltpunkte (Ost)
multipliziert mit dem Umrechnungsfaktor 6.262,7827 ergibt sich ein korrespondierender Kapitalwert von25.051,13 EUR.

Frage:

Übersteigt die Rentenkürzung die Wertgrenze (§ 35 Abs. 2, § 33 Abs. 2 VersAusglG)?

Lösung:
Die errechneten korrespondierenden Kapitalwerte sind unabhängig von der jeweils zugrunde liegenden Entgeltpunkteart miteinander zu saldieren. Der ermittelte Saldo ist der zum Ehezeitende im Jahre 2018 geltenden Wertgrenze nach § 33 Abs. 2 VersAusglG gegenüber zu stellen.
Der Saldo der korrespondierenden Kapitalwerte beträgt:21.914,73 EUR.
Die Wertgrenze bei einem Eheende im Jahre 2018 beträgt:  7.308,00 EUR.
Wie der Vergleich zeigt, übersteigt der Saldo der korrespondierenden Kapitalwerte (21.914,73 EUR) die geforderte Wertgrenze des § 33 Abs. 2 VersAusglG (7.308,00 EUR). Eine Anpassung nach § 35 VersAusglG ist daher bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen möglich.

Beispiel 5: Umfang der Anpassung

(Beispiel zu Abschnitte 5.1, 5.2)

Fortsetzung von Beispiel 1:

Die ausgleichspflichtige Person, deren Rente in der gesetzlichen Rentenversicherung aufgrund des Versorgungsausgleichs zu kürzen ist (siehe Beispiel 1), hat in der berufsständischen Versorgung durch interne Teilung ein Anrecht erworben.

Nach Auskunft des Versorgungsträgers beläuft sich der Bruttobetrag des erworbenen Anrechts ab 01.07.2019 (Beginn der Anpassung) auf

a) 75,00 EUR

b) 230,00 EUR.

  

Der Kürzungsbetrag der Rente aufgrund des Versorgungsausgleichs für die Anwendung von § 35 VersAusglG beträgt ab 01.07.2019176,88 EUR.

Frage:

In welchem Umfang ist eine Anpassung vorzunehmen?

Lösung:
a)Der Bruttobetrag des in der berufsständischen Versorgung erworbenen Anrechts von 75,00 EUR übersteigt nicht den Kürzungsbetrag der Bruttorente von 176,88 EUR. Die Anpassung ist daher im Umfang des erworbenen Anrechts von 75,00 EUR vorzunehmen. Die Bruttorente der ausgleichspflichtigen Person ist ab 01.07.2019 um einen Betrag von 75,00 EUR zu erhöhen.
b)

Der Bruttobetrag des in der berufsständischen Versorgung erworbenen Anrechts von 230,00 EUR übersteigt den Kürzungsbetrag der Bruttorente von 176,88 EUR. Die Anpassung ist daher im Umfang des Kürzungsbetrags der Bruttorente von 176,88 EUR vorzunehmen. Die Bruttorente der ausgleichspflichtigen Person ist ab 01.07.2019 um einen Betrag von 176,88 EUR zu erhöhen.

Bei gesetzlichen Rentenanpassungen ist der Anpassungsbetrag entsprechend der Entwicklung des Kürzungsbetrags der Bruttorente anzupassen, bis er den Betrag von 230,00 EUR erreicht.

Beispiel 6: Anteilige Aussetzung der Kürzung bei mehreren Versorgungsträgern

(Beispiel zu Abschnitt 6)

Nach der Entscheidung des Familiengerichts hat die ausgleichspflichtige Person im Versorgungsausgleich Anrechte der gesetzlichen Rentenversicherung und Anrechte der Beamtenversorgung abgegeben. Aus beiden Versorgungssystemen erhält die ausgleichspflichtige Person bereits Leistungen wegen Erwerbsminderung beziehungsweise Dienstunfähigkeit.

Gleichzeitig hat die ausgleichspflichtige Person im Versorgungsausgleich Anrechte der berufsständischen Versorgung durch interne Teilung erworben. Hieraus kann sie erst im Altersfall eine Versorgung erhalten, da die Satzung des berufsständischen Versorgungsträgers Leistungen für den Fall der Invalidität nicht vorsieht.

Der Kürzungsbetrag der Bruttorente der gesetzlichen Rentenversicherung aufgrund des Versorgungsausgleichs beträgt ab Beginn der Anpassung am 01.07.2019180,00 EUR.
Der Kürzungsbetrag in der Beamtenversorgung beläuft sich ab 01.07.2019 auf250,00 EUR.
Das erworbene noch nicht realisierbare Anrecht in der berufsständischen Versorgung beläuft sich nach Auskunft des Versorgungsträgers ab 01.07.2019 auf200,00 EUR.

Frage:

In welchem Umfang nehmen die Versorgungsträger die Anpassung vor?

Lösung:
Die Summe der Kürzungsbeträge aus der gesetzlichen Rentenversicherung und der Beamtenversorgung von 430,00 EUR (180,00 EUR plus 250,00 EUR) ist höher als der Betrag des in der berufsständischen Versorgung erworbenen nicht realisierbaren Anrechts von 200,00 EUR. Eine Anpassung kann daher höchstens im Umfang von 200,00 EUR stattfinden.
Nach § 35 Abs. 4 VersAusglG erfolgt die Anpassung entsprechend dem Verhältnis der Ausgleichswerte aus den bereits laufenden Versorgungen in der gesetzlichen Rentenversicherung und in der Beamtenversorgung.
Der beim Beamtenversorgungsträger zu berücksichtigende anteilige Anpassungsbetrag errechnet sich wie folgt:
200,00 EUR mal 250,00 EUR geteilt durch 430,00 EUR gleich116,28 EUR.
Der beim Rentenversicherungsträger zu berücksichtigende anteilige Anpassungsbetrag errechnet sich wie folgt:
200,00 EUR mal 180,00 EUR geteilt durch 430,00 EUR gleich  83,72 EUR.
Die Anpassung in Höhe von insgesamt 200,00 EUR kann daher anteilig beim Beamtenversorgungsträger und beim Rentenversicherungsträger erfolgen. Der Beamtenversorgungsträger setzt die Kürzung der Versorgung im Umfang von 116,28 EUR aus und der Rentenversicherungsträger im Umfang von 83,72 EUR.
Gesetz zur Strukturreform des Versorgungsausgleichs (VAStrRefG) vom 03.04.2009 (BGBl. I S. 700)

Inkrafttreten: 01.09.2009

Quellen zum Entwurf: BR-Drucksache 343/08; BT-Drucksache 16/10144

Durch Artikel 1 des Gesetzes zur Strukturreform des Versorgungsausgleichs (VAStrRefG) ist § 35 VersAusglG neu eingeführt worden. Es handelt sich um eine Härteregelung, die nachteilige leistungsrechtliche Auswirkungen des Versorgungsausgleichs ausgleichen oder abmildern soll, die sich im System des Hin-und-her-Ausgleichs von Anrechten ergeben.

Zusatzinformationen

Rechtsgrundlage

§ 35 VersAusglG