Art. 2 SVA-USA: Sachlicher Geltungsbereich
veröffentlicht am |
12.11.2019 |
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Änderung | Der Abschnitt 3.1 enthält jetzt auch den KV-Zuschuss als Ausnahme vom Verbot der mulitlateralen Vertragsanwendung. |
Stand | 25.09.2017 |
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Rechtsgrundlage | |
Version | 001.01 |
Inhalt der Regelung
Der Art. 2 SVA-USA regelt, auf welches innerstaatliche Recht das Abkommen anwendbar ist (sachlicher Geltungsbereich).
Absatz 1 führt die Rechtsvorschriften der sozialen Sicherheit auf, die vom Abkommen erfasst werden. Damit wird der sachliche Geltungsbereich des Abkommens für beide Vertragsparteien festgelegt.
Absatz 2 enthält zusammen mit der Nr. 2 Buchst. c SP zum SVA-USA den Grundsatz, dass bei Anwendung des Abkommens andere zwischenstaatliche oder überstaatliche Regelungen unberücksichtigt bleiben (Verbot der multilateralen Vertragsanwendung).
Ergänzende/korrespondierende Regelungen
- Art. 1 Nr. 2 SVA-USA
Die Regelung enthält die Definition was im Abkommen unter „Rechtsvorschriften“ zu verstehen ist. Nähere Erläuterungen dazu enthält die Nr. 1 (für Deutschland) und die Nr. 2 Buchst. a SP zum SVA-USA (für die USA). - Nr. 2 Buchst. b SP zum SVA-USA
Die Bestimmungen über die Rentenversicherung (Art. 7 bis 9 SVA-USA) gelten nicht für die hüttenknappschaftliche Zusatzversicherung und die Alterssicherung der Landwirte. - Nr. 2 Buchst. c SP zum SVA-USA
Hier ist die zur Durchsetzung des Verbots der multilateralen Vertragsanwendung aus Art. 2 Abs. 2 SVA-USA zusätzlich notwendige Abwehrklausel enthalten. - Nr. 2 Buchst. d SP zum SVA-USA
Das Verbot der multilateralen Vertragsanwendung gilt ausdrücklich nicht für Versicherungslastregelungen (siehe GRA zu Versicherungslastregelungen: EU/SVA). - Nr. 9 SP zum SVA-USA
Günstigere deutsche Regelungen zur Wiedergutmachung für Verfolgte des Nationalsozialismus werden vom Abkommen nicht berührt. - Art. 4 DV zum SVA-USA
Die Vorschrift regelt die Dokumentation der anzuwendenden Rechtsvorschriften bei Entsendungen und Ausnahmevereinbarungen.
Erfasste Rechtsvorschriften
Der Art. 2 Abs. 1 SVA-USA regelt, auf welche Rechtsvorschriften das Abkommen Anwendung findet (sachlicher Geltungsbereich).
Für die Bundesrepublik Deutschland umfasst der sachliche Geltungsbereich des Abkommens die Rechtsvorschriften über die
- Rentenversicherung (vor dem 01.01.2005 Rentenversicherung der Arbeiter, der Angestellten und die knappschaftliche Rentenversicherung),
- hüttenknappschaftliche Zusatzversicherung und über die
- Alterssicherung der Landwirte.
Unter Rentenversicherung ist die deutsche gesetzliche Rentenversicherung im Sinne des § 23 SGB I zu verstehen. Mit Rechtsvorschriften sind in Bezug auf Deutschland alle Gesetze und Verordnungen der genannten Zweige der sozialen Sicherheit (Art. 1 Nr. 2 SVA-USA) sowie die Satzungen der Träger (Nr. 1 SP zum SVA-USA) gemeint.
Für die USA umfasst der sachliche Geltungsbereich des Abkommens die Rechtsvorschriften über die
- Bundesstaatliche Alters-, Hinterbliebenen- und Invalidenversicherung.
Mit Rechtsvorschriften sind in Bezug auf die USA bis auf wenige Ausnahmen Titel II des amerikanischen Gesetzes über Soziale Sicherheit (Social Security Act) von 1935 und Kapitel 2 und 21 des amerikanischen Bundessteuergesetzes von 1954 gemeint (Nr. 2 Buchst. a SP zum SVA-USA).
Nähere Informationen zu den vom Abkommen erfassten amerikanischen Rechtsvorschriften können der GRA zu Leistungen der Rentenversicherung USA, Abschnitt 1 entnommen werden.
Eingeschränkt erfasste Rechtsvorschriften
Für die hüttenknappschaftliche Zusatzversicherung und die Alterssicherung der Landwirte gilt nicht Teil II des Abkommens (Nr. 2 Buchst. b SP zum SVA-USA). Die Art. 7 und Art. 8 SVA-USA können für diese Zweige nicht angewandt werden, so dass eine Zusammenrechnung mit amerikanischen Versicherungszeiten zur Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen nach dem Abkommen nicht möglich ist.
Die hüttenknappschaftliche Zusatzversicherung (HZV) ist eine zusätzliche Rentenversicherung auf öffentlich-rechtlicher Grundlage für Arbeitnehmer in den Betrieben der Saarhütten und anderer Unternehmen der eisenerzeugenden, eisenverarbeitenden und eisenweiterverarbeitenden Industrie im Saarland auf der Grundlage des Hüttenknappschaftlichen Zusatzversicherungs-Gesetzes (HZvG).
Die Alterssicherung der Landwirte ist die gesetzliche Altersversorgung für selbständige Landwirte sowie mitarbeitende Familienangehörige nach dem Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte (ALG).
Die Kranken- und Pflegeversicherung wird grundsätzlich nicht vom Abkommen erfasst. Es wird lediglich geregelt, dass im Rahmen einer Entsendung oder Ausnahmegenehmigung nach Deutschland eine Pflichtversicherung in diesen Versicherungszweigen ebenfalls nicht entsteht (Nr. 5 Buchst. e SP zum SVA-USA).
Nicht erfasste Rechtsvorschriften
Das Abkommen erfasst nicht die deutschen Rechtsvorschriften über die gesetzliche Kranken- (SGB V) und Pflegeversicherung (SGB XI – siehe GRA zu KVdR/PflegeV/BZ USA), nicht die Arbeitslosen- (SGB III) und Unfallversicherung (SGB VII) sowie das Schwerbehindertenrecht (SGB IX, Teil 2). Eine Schwerbehinderung kann jedoch auch bei gewöhnlichem Aufenthalt in den USA vorliegen (siehe GRA zu Art. 7 SVA-USA).
Das deutsche Wiedergutmachungsrecht wird durch das Abkommen nicht berührt. Die Nr. 9 SP zum SVA-USA stellt sicher, dass deutsche Rechtsvorschriften, die günstigere Regelungen für Verfolgte des Nationalsozialismus enthalten, weiter angewandt werden können.
Verbot der multilateralen Vertragsanwendung
Der Art. 2 Abs. 2 SVA-USA schränkt die vom Abkommen erfassten Rechtsvorschriften (Art. 1 Nr. 2 SVA-USA) ein. Nicht darunter zu verstehen sind Bestimmungen, die sich aus zwischenstaatlichen Verträgen oder aus überstaatlichem Recht ergeben. Diese bleiben nach der Abwehrklausel (Nr. 2 Buchst. c SP zum SVA-USA) unberücksichtigt. Eine gleichzeitige Anwendung und Vermengung des Abkommens mit den USA und anderer Abkommen oder überstaatlichen Rechts ist danach ausgeschlossen (Verbot der multilateralen Vertragsanwendung). Denn eine völkerrechtlich vereinbarte Sperre gegen die Verknüpfung mehrerer Abkommen setzt sich auch im innerstaatlichen Recht gegen den allgemeinen Grundsatz einer Zusammenrechnung aller berücksichtigungsfähigen Versicherungszeiten durch (BSG vom 21.01.1993, AZ: 13 RJ 7/91, SozR 3-6858 Nr. 2 und vom 27.01.1994, AZ: 5 RJ 44/90, SozR 3-2200 § 1263 Nr. 1).
Siehe Beispiel 1
Somit ist bei der Anspruchsprüfung nur eine Zusammenrechnung von deutschen und amerikanischen Versicherungszeiten zulässig. Für Zeiten, die in die deutsche Versicherungslast übergegangen sind, bestehen Ausnahmen (siehe Abschnitt 3.1). Auch andere Regelungen des Abkommens, wie etwa zur Berechnung oder Zahlung, dürfen niemals multilateral, das heißt zugleich mit Vorschriften aus einem anderen Abkommen oder überstaatlichem Recht angewandt werden.
Ausnahmen vom Verbot
Vom Verbot der multilateralen Vertragsanwendung ausdrücklich ausgenommen sind Versicherungslastregelungen (Nr. 2 Buchst. d SP zum SVA-USA). Sie werden auch bei Anwendung des Abkommens mit den USA berücksichtigt.
Im Rahmen von Versicherungslastregelungen sind mit verschiedenen Staaten Regelungen getroffen worden, wer aus bestimmten Versicherungszeiten eine Rente zu erbringen hat (siehe GRA zu Versicherungslastregelungen: EU/SVA’). Fällt danach eine Zeit in die deutsche Last, so dass die Deutsche Rentenversicherung aus dieser eine Rente zu erbringen hat, wird diese übernommene Zeit auch bei der Anwendung des Abkommens berücksichtigt und dem amerikanischen Träger als deutsche Versicherungszeit mitgeteilt (siehe GRA zu Art. 1 SVA-USA, Abschnitt 4).
Beachte:
Deutsche Zeiten, die in die Last eines anderen Vertragsstaats fallen, scheiden mit allen Konsequenzen aus der Deutschen Rentenversicherung aus und stehen dann für die Anwendung des Abkommens mit den USA nicht mehr zur Verfügung (siehe GRA zu Art. 1 SVA-USA, Abschnitt 4.1).
Eine weitere Ausnahme vom Verbot der multilateralen Vertragsanwendung kann in der Anwendung des Grundsatzes der Nichtdiskriminierung aus dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (Art. 45 Abs. 2 AEUV), dem Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum (Art. 4 EWR-Abkommen) und dem Abkommen über die Freizügigkeit (Art. 2 AüF) gesehen werden. Die daraus resultierende Gleichbehandlung von Staatsangehörigen der EU-/EWR-Mitgliedstaaten und der Schweiz mit einem Deutschen sowie deren Hinterbliebenen mit Hinterbliebenen von Deutschen wird nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) vom 05.01.2002, Rechtssache C-55/00, Gottardo, auch bei Anwendung des Abkommens mit den USA beachtet (siehe GRA zu Art. 4 SVA-USA, Abschnitt 2 und GRA zu Art. 5 SVA-USA, Abschnitt 2).
Schließlich stellt die Anwendung abweichender über- oder zwischenstaatlicher Rechtsvorschriften zur Erfüllung des Rentenanspruchs einerseits und zur Zahlung des Zuschusses nach § 106 SGB VI andererseits keinen Verstoß gegen das Verbot der multilateralen Vertragsanwendung in den bilateralen Sozialversicherungsabkommen dar (Sitzung AGZWSR 1/2016, TOP 4; siehe auch GRA zu Art. 5 SVA-USA, Abschnitt 2.5).
Weitere Anspruchsgrundlagen
Sofern neben dem Abkommen mit den USA andere Abkommen oder überstaatliches Recht einschlägig sind, ist zwar eine mehrseitige Zusammenrechnung von Versicherungszeiten für den Anspruchserwerb ausgeschlossen, jedoch erfolgt auch eine Anspruchsprüfung nach den jeweiligen anderen Regelungen, wobei dem Berechtigten die günstigste Leistung gewährt wird.
Die Anwendung weiterer Anspruchsgrundlagen kann auf Regionalträgerebene dazu führen, dass ein anderer Regionalträger als Verbindungsstelle (siehe GRA zu § 127a SGB VI sowie GRA zu § 128 SGB VI) beteiligt wird (Mehrfachzuständigkeit). Dabei gilt der Grundsatz, dass die zuerst angegangene Verbindungsstelle das Verfahren betreibt und beteiligte Regionalträger als Verbindungsstelle zu anderen Staaten so früh wie möglich einbezieht. Nach Prüfung aller Ansprüche zahlt schließlich derjenige Regionalträger die Rente, bei dem sich der höchste Anspruch ergibt.
Zum Verfahren der Regionalträger bei Mehrfachzuständigkeit siehe GRA zu § 128 SGB VI, Abschnitt 3.8.
Beispiel 1: Keine Vermengung von Anspruchsgrundlagen
(Beispiel zu Abschnitt 3) | |
Ein Versicherter hat in seinem Versicherungsleben folgende Versicherungszeiten zurückgelegt: | |
Versicherungszeiten nach deutschem Recht | von 1984 bis 1987 |
Versicherungszeiten in Kanada | von 1988 bis 1998 |
Versicherungszeiten in den USA | von 1999 bis 2013 |
Welche Zeiten sind im Rahmen des Abkommens mit den USA zu berücksichtigen? | |
Lösung: | |
Bei der Anwendung des Abkommens mit den USA sind nur die Versicherungszeiten von 1984 bis 1987 in Deutschland und die Zeiten von 1999 bis 2013 in den USA heranzuziehen. Die Zeit von 1988 bis 1998 in Kanada bleibt bei der Prüfung, ob die Anspruchsvoraussetzungen nach dem Abkommen mit den USA erfüllt sind, außer Betracht. | |
Die Versicherungszeiten in Kanada führen auch zur Anwendung des deutsch-kanadischen Sozialversicherungsabkommens (SVA-Kanada). Hierbei bleiben allerdings die amerikanischen Zeiten unberücksichtigt. | |
Gesetz zu dem Zweiten Zusatzabkommen vom 06.03.1995 |
In-Kraft-Treten: 21.03.1996 (Gesetz), 01.05.1996 (Abkommen) Quelle: BGBl. 1996 II S. 301, BGBl. 1996 II S. 968 |
Das Zweite Zusatzabkommen änderte für die deutsche Seite den Begriff der „Altershilfe für Landwirte“ in „Alterssicherung der Landwirte“.
Gesetz zu dem Abkommen vom 07.01.1976 |
In-Kraft-Treten: 08.08.1976 (Gesetz), 01.12.1979 (Abkommen) Quelle: BGBl. 1976 II S. 1357, BGBl. 1979 II S. 1283 |
Mit dem vorgenannten Gesetz wurde das deutsch-amerikanische Sozialversicherungsabkommen (SVA-USA) Bestandteil der deutschen Rechtsordnung. Das Abkommen ist am 01.12.1979 nach Austausch der Ratifikationsurkunden in Kraft getreten.