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Europa-/Assoziations-/Kooperations-/Partnerschafts-Abkommen: EU/SVA

Änderungsdienst
veröffentlicht am

12.11.2019

Änderung

In Abschnitt 2 wurde das Datum des Inkrafttretens der Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen mit Serbien sowie mit Bosnien und Herzegowina ergänzt. Abschnitt 3 berücksichtigt nun auch die zum 01.10.2013 geänderten Auslandszahlungsvorschriften. siehe Hinweis SB, Abgleich mit DRV Nordbayern

Dokumentdaten
Stand20.10.2015
Version001.01

Allgemein

Die Europäische Union (EU) hat verschiedene Rechtsformen von Assoziierungsbeziehungen - insbesondere zu den Mittelmeeranrainerstaaten und den Staaten Mitteleuropas und Osteuropas - entwickelt. Freihandelsassoziationen schaffen ein Freihandelsgebiet oder eine Zollunion, Entwicklungsassoziationen sollen wirtschaftlich schwachen Ländern bei ihrer Entwicklung Erleichterungen verschaffen und Beitrittsassoziationen zielen auf die Vorbereitung und Erleichterung einer Mitgliedschaft der assoziierten Staaten zur EU, ohne dass ein Beitritt automatisch erfolgen soll.

Alle Abkommen bringen immer auch eine Verknüpfung der Staatsangehörigen aus den Assoziierungsstaaten mit den sozialen Sicherungssystemen in der EU mit sich. Eine Folge der Assoziierungsbeziehungen ist regelmäßig, dass Staatsangehörige der Abkommensstaaten gegenüber anderen Drittstaatsangehörigen privilegiert werden.

Die Abkommen enthalten regelmäßig Bestimmungen über

  • die Zusammenrechnung der in den einzelnen EU-Mitgliedstaaten zurückgelegten Versicherungs- oder Wohnzeiten für den Anspruchserwerb in den Mitgliedstaaten, aber keine Zusammenrechnung mit den Versicherungszeiten des Vertragsstaates;
  • den Transfer von Rentenleistungen;
  • den Anspruch auf Familienleistungen.

Abkommen

Die EU und ihre Mitgliedstaaten haben die folgenden Abkommen geschlossen:

Vertragsstaat

Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen

Albanien

vom 26.11.2008 (BGBl. II 2008 Seite 1302 und Amtsblatt Nr. L 107 vom 28.04.2009);

in Kraft ab 01.04.2009 (Amtsblatt Nr. L 104 vom 24.04.2009)

Bosnien und Herzegowina

vom 16.06.2008 (BGBl. II 2009 Seite 546 und Amtsblatt Nr. L 164 vom 30.06.2015);

in Kraft ab 01.06.2015 (Amtsblatt Nr. L 164 vom 30.06.2015)

Mazedonien

vom 09.04.2001 (BGBl. II 2002 Seite 1210 und Amtsblatt Nr. L 84 vom 20.03.2004);

in Kraft ab 01.04.2004 (Amtsblatt Nr. L 85 vom 23.03.2004)

Montenegro

vom 17.09.2009 (BGBl. II 2009 Seite 1082 und Amtsblatt Nr. L 108 vom 29.04.2010);

in Kraft ab 01.05.2010

Serbien

vom 29.04.2008 (BGBl. II 2011 Seite 1146 und Amtsblatt Nr. L 278 vom 18.10.2013);

in Kraft ab 01.09.2013

Türkei

vom 12.09.1963 (BGBl. II 1964 Seite 509 und Amtsblatt Nr. P 217 vom 29.12.1964);

in Kraft ab 01.12.1964 (BGBl. II 1964 Seite 1959) -
in der Fassung des Zusatzprotokolls vom 23.11.1970 (BGBl. II 1972 Seite 385), in Kraft ab 01.01.1973 (BGBl. II 1973 Seite 113 und Amtsblatt Nr. L 293 vom 29.12.1972)

Vertragsstaat

Kooperationsabkommen

Algerienseit 01.09.2005 ersetzt durch das Europa-Mittelmeer-Abkommen mit Algerien
Marokkoseit 01.03.2000 ersetzt durch das Europa-Mittelmeer-Abkommen mit Marokko
Tunesienseit 01.03.1998 ersetzt durch das Europa-Mittelmeer-Abkommen mit Tunesien

Vertragsstaat

Europa-Mittelmeer-Assoziationsabkommen

Algerien

vom 22.04.2002 (BGBl. II 2003 Seite 1138 und Amtsblatt Nr. L 265 vom 10.10.2005);

in Kraft ab 01.09.2005 (Amtsblatt Nr. L 292 vom 08.11.2005)

Israel

vom 20.11.1995 (BGBl. II 1997 Seite 1168 und Amtsblatt Nr. L 147 vom 21.06.2000);

in Kraft ab 01.06.2000 (Amtsblatt Nr. L 147 vom 21.06.2000)

Marokko

vom 26.02.1996 (BGBl. II 1998 Seite 1810 und Amtsblatt Nr. L 70 vom 18.03.2000);

in Kraft ab 01.03.2000 (Amtsblatt Nr. L 70 vom 18.03.2000)

Tunesien

vom 17.07.1995 (BGBl. II 1997 Seite 342 und Amtsblatt Nr. L 97 vom 30.03.1998);

in Kraft ab 01.03.1998 (Amtsblatt Nr. L 132 vom 06.05.1998)

Vertragsstaat

Abkommen über Zusammenarbeit und eine Zollunion

Republik San Marino

vom 16.12.1991 (BGBl. II 1993 Seite 1130 und Amtsblatt Nr. L 84 vom 28.03.2002);

in Kraft ab 01.04.2002 (Amtsblatt Nr. L 84 vom 28.03.2002)

Rechtliche Wirkung

Die Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen, die Europa-Mittelmeer-Assoziationsabkommen und das Abkommen über Zusammenarbeit und eine Zollunion entfalten zurzeit noch keine generelle rechtliche Wirkung. Sie haben zudem weitestgehend an Bedeutung verloren, nachdem die VO (EG) Nr. 859/2003 die Anwendung der Bestimmungen der VO (EWG) Nr. 1408/71 und die VO (EG) Nr. 1231/2010 die Anwendung der Bestimmungen der VO (EG) Nr. 883/2004 auf Staatsangehörige aus Drittländern, die sich in einem Mitgliedstaat der EU aufhalten, erweitert hat. Dies gilt ab dem 01.10.2013 auch, wenn sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt außerhalb der EU-Mitgliedstaaten haben oder dorthin umziehen. Nach dem Beitritt eines Vertragsstaates als Vollmitglied in die EU entfalten die Abkommen keine Wirkung mehr.

Zwar enthalten die Abkommen Regelungen für den sozialen Bereich, jedoch bedürfen sie eines gesonderten Beschlusses eines zu bildenden besonderen Gremiums (zum Beispiel Assoziationsrat), um Anwendung zu finden. Bevor ein solcher Beschluss in Form von Durchführungsvorschriften nicht vorliegt, kann aus den entsprechenden Vorschriften der Abkommen kein unmittelbarer Rechtsanspruch abgeleitet werden (vergleiche auch BSG vom 15.10.1998, AZ: B 14/10 KG 27/96 R, ergangen zum Europa-Abkommen mit der Republik Polen vom 16.12.1991).

Ausführende Beschlüsse sind bisher nur zum Assoziationsabkommen mit der Türkei ergangen, von denen der Assoziationsratsbeschluss Nr. 3/80 vom 19.09.1980 (Amtsblatt (EG) Nr. C 110 vom 25.04.1983) umfangreiche Koordinierungsbestimmungen für den Bereich der sozialen Sicherheit enthält. Der Art. 32 ARB Nr. 3/80 sieht vor, dass die Türkei und die EU zur Durchführung des Beschlusses beiderseitig erforderliche Maßnahmen treffen. Diese sind noch nicht ergangen. Daher hat sich der EuGH mehrfach mit der unmittelbaren Anwendbarkeit der Regelungen des ARB Nr. 3/80 befasst:

Den Art. 12 und 13 ARB Nr. 3/80, die die Zusammenrechnung für den Anspruch und die Berechnung vorsehen, kommt keine unmittelbare Wirkung zu. Sie sind nach ihrer Art dazu bestimmt, durch einen weiteren Rechtsakt des Rates ergänzt zu werden (EuGH Urteil vom 10.09.1996 in der Rechtssache C-277/94, Taflan-Met und andere, Rdnr. 22 und 38).

Demgegenüber hat der EuGH in seinen Urteilen vom 04.05.1999 in der Rechtssache C-262/96, Sürül, und vom 28.04.2004 in der Rechtssache C-373/02, Öztürk, die unmittelbare Anwendbarkeit des Art. 3 ARB Nr. 3/80, der ein Diskriminierungsverbot aufgrund der Staatsangehörigkeit beinhaltet, bejaht. Seit dem 01.10.2013 unterscheiden die Auslandszahlungsvorschriften (§§ 113, 114, 272 SGB VI) nicht mehr nach der Staatsangehörigkeit, sodass die Gleichbehandlung an Bedeutung verloren hat.

Auch Art. 6 Abs. 1 ARB Nr. 3/80, der die Leistungserbringung ins Ausland regelt, ist unmittelbar anzuwenden (EuGH-Urteil vom 26.05.2011, Rechtssache C-485/07, Akdas und andere, Rdnr. 74 und 82). Türkische Staatsangehörige mit gewöhnlichem Aufenthalt in der Türkei oder in einem EU-Mitgliedstaat erhalten danach Geldleistungen grundsätzlich so, als hielten sie sich im Inland auf (Aufhebung der Wohnortklauseln). Bei Aufenthalt in Island, Liechtenstein, Norwegen und der Schweiz kann der Art. 6 Abs. 1 ARB Nr. 3/80 nicht angewandt werden. Staatsangehörige der EU-Mitgliedstaaten können sich, auch unter Beibehaltung ihrer türkischen Staatsangehörigkeit, nicht auf Art. 6 ARB Nr. 3/80 berufen und in der Türkei keine Leistungen wie im Inland erhalten (EuGH vom 14.01.2015, Rechtssache C-171/13, Demirci und andere, Rdnr. 60).

Beachte:

Der Art. 59 des Zusatzprotokolls zum Assoziationsabkommen mit der Türkei vom 23.11.1970 schränkt die Leistungserbringung ins Ausland aber immer dann ein, wenn sie zur Türkei günstiger wäre als zu den EU-Mitgliedstaaten (Besserstellungsverbot). Auch der Anhang II Buchst. c Nr. 1 ARB Nr. 3/80 sieht Einschränkungen für die Zahlung aus Reichsgebiets-Beitragszeiten und Beitrags- und Beschäftigungszeiten nach dem FRG vor.

Daraus ergeben sich für die Anspruchsprüfung und Leistungserbringung folgende Besonderheiten:

  • Halten sich türkische Staatsangehörige gewöhnlich in den EU-Mitgliedstaaten auf, erfolgt die Anspruchsprüfung und Leistungsgewährung vorrangig nach den Drittstaatsverordnungen (EG) Nr. 859/2003 beziehungsweise (EU) Nr. 1231/2010. Dies gilt ab dem 01.10.2013 auch, wenn sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt außerhalb der EU-Mitgliedstaaten haben oder dorthin umziehen. Durch die Anwendung des Art. 7 VO (EG) Nr. 883/2004 ergibt sich bei gewöhnlichem Aufenthalt in einem EU-Mitgliedstaat auch für die Zahlung aus Reichsgebiets-Beitragszeiten und Beitrags- und Beschäftigungszeiten nach dem FRG keinerlei Einschränkung (siehe GRA zu Art. 7 VO (EG) Nr. 883/2004, Abschnitt 3.2).
  • Halten sich türkische Staatsangehörige gewöhnlich in der Türkei auf, ist die Aufhebung der Wohnortklauseln aus Art. 6 Abs. 1 ARB Nr. 3/80 insofern eingeschränkt, als dass aus Entgeltpunkten für Reichsgebiets-Beitragszeiten und Beitragszeiten nach dem FRG nur unter den Voraussetzungen des § 272 SGB VI in die Türkei gezahlt werden kann; aus Entgeltpunkten für Beschäftigungszeiten nach dem FRG gar nicht (siehe GRA zu § 272 SGB VI, Abschnitt 3).
    Ebenso können Arbeitsmarktrenten nicht bei gewöhnlichem Aufenthalt in der Türkei gezahlt werden (siehe GRA zu § 112 SGB VI, Abschnitte 2 und 3). Dies verhindert der Art. 59 des Zusatzprotokolls zum Assoziationsabkommen, denn auch Staatsangehörige der EU-Mitgliedstaaten würden dort keine Arbeitsmarktrente erhalten. Arbeitsmarktrenten können im Übrigen auch nicht über Art. 4a SVA-Türkei gezahlt werden, weil Art. 28 Abs. 7 SVA-Türkei dies ebenso einschränkt.

Beachte:

Lediglich wenn türkische Staatsangehörige ihre Aufenthaltsbewilligung in den EU-Mitgliedstaaten wegen dauernder Arbeitsunfähigkeit verlieren und deshalb in die Türkei zurückkehren, greift das Besserstellungsverbot aus Art. 59 des Zusatzprotokolls zum Assoziationsabkommen nicht, weil für Staatsangehörige der EU-Mitgliedstaaten grundsätzlich Freizügigkeit besteht. In einem solchen Ausnahmefall wäre auch die deutsche Arbeitsmarktrente in die Türkei zu exportieren.

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