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§ 74 SGB X: Übermittlung bei Verletzung der Unterhaltspflicht und beim Versorgungsausgleich

Änderungsdienst
veröffentlicht am

12.11.2019

Änderung

Die GRA wurde redaktionell überarbeitet

Dokumentdaten
Stand20.03.2018
Erstellungsgrundlage in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Bundesversorgungsgesetzes und anderer Vorschriften vom 17.07.2017 in Kraft getreten am 25.05.2018
Rechtsgrundlage

§ 74 SGB X

Version001.01

Inhalt der Regelung

Die Vorschrift erlaubt die Übermittlung von Sozialdaten ohne Einwilligung der betroffenen Personen in Unterhalts- und Versorgungsausgleichsangelegenheiten. Dabei wird unterschieden, ob

  • die Daten für die Durchführung eines gerichtlichen Verfahrens erforderlich sind oder
  • außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens benötigt werden.

Weiterhin ist eine Datenübermittlung für die Anwendung der Öffnungsklausel des § 22 Nr. 1 S. 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb S. 2 EStG zulässig sowie für die Erfüllung von Aufgaben der zentralen Behörde nach § 4 Auslandsunterhaltsgesetz (AUG).

Ergänzende/korrespondierende Regelungen

Die Übermittlung nach § 74 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Buchst. b SGB X an das Familiengericht ist nur zulässig im Versorgungsausgleichsverfahren nach § 220 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit und korrespondiert mit dem eigenen Auskunftsanspruch der betroffenen Person nach § 109 Abs. 5 S. 1 bis 3 SGB VI.

Sofern in Verfahren nach § 74 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB X von den Gerichten medizinische Unterlagen angefordert werden, ist zusätzlich § 76 SGB X zu beachten.

Für die Übermittlung an Privatpersonen oder private Stellen nach § 74 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Buchst. a SGB X müssen in Unterhaltsangelegenheiten Auskunftsverpflichtungen der betroffenen Person bestehen nach

In den Fällen des § 74 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Buchst. b und Nr. 3 SGB X (Geltendmachung von Ausgleichsansprüchen im Rahmen des Versorgungsausgleichs und Anwendung der Öffnungsklausel des § 22 EStG) müssen Auskunftsverpflichtungen der betroffenen Personen nach § 4 Versorgungsausgleichsgesetz (VersAusglG) bestehen.

Die Übermittlung nach § 74 Abs. 2 SGB X an die zentrale Behörde nach § 4 des Auslandsunterhaltsgesetzes (AUG) ist zulässig für die in den §§ 16 und 17 AUG bezeichneten Zwecke.

Definitionen der Begriffe Sozialdaten und Verarbeitung enthält § 67 SGB X in Verbindung mit Art. 4 DSGVO.

Allgemeines

§ 74 SGB X setzt stets ein Auskunftsersuchen/eine Anfrage voraus. Sozialdaten dürfen nicht von Amts wegen übermittelt werden, auch wenn dies im Einzelfall für betroffene Personen vorteilhaft sein könnte. Ist der angegangene Rentenversicherungsträger nicht der aktuell zuständige Träger ist es zulässig, das Auskunftsersuchen/die Anfrage an den zuständigen Rentenversicherungsträger weiterzuleiten. Sofern es im Einzelfall angezeigt erscheint, kann anstelle einer Weiterleitung auch die Mitteilung des zuständigen Rentenversicherungsträgers (aktueller Rentenversicherungsträger) erfolgen (PGGDS 1/2005 TOP 2 und AGGDS 4/2015 TOP 10).

Datenübermittlung an Gerichte

Nach § 74 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB X ist eine Datenübermittlung nur gegenüber einem Gericht zulässig; Privatpersonen sind danach nicht auskunftsberechtigt (PGGDS 1/2004, TOP 18, Anlage 1). Die Beteiligten haben nur die Möglichkeit beim Gericht anzuregen, bei der Deutschen Rentenversicherung die benötigten Auskünfte einzuholen. Lediglich außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens besteht gegenüber Privatpersonen nach § 74 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB X unter bestimmten Voraussetzungen in Unterhalts- oder Versorgungsausgleichsangelegenheiten eine Übermittlungsgrundlage (Abschnitt 4).

Im Vollstreckungsverfahren darf die Auskunft nur dem Vollstreckungsgericht oder dem Gerichtsvollzieher, sofern dieser Vollstreckungsorgan ist, erteilt werden.

Übermittelt werden dürfen sowohl Daten von Unterhaltsberechtigten als auch Unterhaltsverpflichteten.

Unterhaltsverfahren

Für die Durchführung eines gerichtlichen Verfahrens oder eines Vollstreckungsverfahrens zur Regelung eines gesetzlichen oder vertraglichen Unterhaltsanspruchs oder eines an seine Stelle getretenen Ersatzanspruchs dürfen die Sozialdaten der betroffenen Personen im erforderlichen Umfang an das zuständige Gericht übermittelt werden. In den Fällen eines Vollstreckungsverfahrens ist eine Datenübermittlung auch an den Gerichtsvollzieher zulässig, sofern dieser Vollstreckungsorgan ist.

Es dürfen sowohl die Daten der Unterhaltsberechtigten als auch die Daten der Unterhaltsverpflichteten übermittelt werden. Die Auskunft darf nur dem Gericht erteilt werden.

  • Gesetzlicher Unterhaltsanspruch
    Ein gesetzlicher Unterhaltsanspruch besteht
    • zwischen den Ehegatten nach §§ 1360 ff. BGB,
    • zwischen den geschiedenen Ehegatten
      • bei Scheidung vor dem 01.07.1977 nach §§ 58 ff. EheG in der Fassung bis 30.06.1977 (Art. 12 Nr. 3 Abs. 2 1. EheRG),
      • bei Scheidung nach dem 30.06.1977 nach §§ 1569 ff. BGB,
    • zwischen Verwandten in gerader Linie nach §§ 1601 ff. BGB, § 1615a BGB in Verbindung mit §§ 1601 ff. BGB,
    • für die nicht miteinander verheirateten Eltern eines Kindes nach §§ 1615I ff. BGB,
    • für die werdende Mutter eines Erben nach § 1963 BGB,
    • zwischen Lebenspartnern oder Lebenspartnerinnen einer Lebenspartnerschaft im Sinne des § 1 LPartG
  • Vertraglicher Unterhaltsanspruch
    Um einen vertraglichen Unterhaltsanspruch handelt es sich zum Beispiel, wenn von den Ehegatten nach § 72 EheG in der Fassung bis 30.06.1977 oder nach § 1585c BGB über die Unterhaltspflicht für die Zeit nach der Scheidung ein gerichtlicher Vergleich oder eine privatrechtliche Vereinbarung (gegebenenfalls in Form einer notariellen Urkunde) geschlossen wurde.

Versorgungsausgleichsverfahren

Auskünfte über bestehende Rentenanwartschaften von betroffenen Personen dürfen von der Rentenversicherung für das gerichtliche Verfahren zum Versorgungsausgleich an das zuständige Gericht übermittelt werden. Eine Übermittlung ist in diesen Fällen grundsätzlich nur an das Gericht zulässig.

Privatpersonen sind nach § 74 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB X nicht auskunftsberechtigt. Die Beteiligten haben aber die Möglichkeit, beim Gericht anzuregen, bei der Rentenversicherung die benötigten Auskünfte einzuholen. Allerdings haben Versicherte selbst einen eigenen Auskunftsanspruch nach § 109 Abs. 5 S. 1 SGB VI (Näheres siehe GRA zu § 109 SGB VI, Abschnitt 4.1).

Die Auskunftspflicht endet mit der Rechtskraft und der Wirksamkeit der Entscheidung des Gerichts zum Versorgungsausgleich. Das gilt auch dann, wenn die erteilte Auskunft unkorrekt war.

Datenübermittlung an private Personen oder Stellen

Eine Datenübermittlung ist nach § 74 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB X nur außerhalb eines Gerichtsverfahrens zulässig. Sollte ein gerichtliches Verfahren bereits anhängig sein, ist eine Datenübermittlung nur gegenüber dem Gericht zulässig (vergleiche Abschnitt 3).

Unterhalt

§ 74 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Buchst. a SGB X regelt die Übermittlungsbefugnis für die Geltendmachung eines gesetzlichen oder vertraglichen Unterhaltsanspruchs.

Die Worte „für die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen“ stellen klar, dass es um die Klärung der Frage gehen muss, ob und in welcher Höhe eine Unterhaltsverpflichtung besteht. Nicht betroffen sind Fälle, in denen bereits feststehende Unterhaltsleistungen nicht erbracht werden und von den Unterhaltsberechtigten durchgesetzt werden sollen. Auskünfte dürfen nur an Unterhaltsberechtigte (bei Minderjährigen deren gesetzliche Vertreter) erteilt werden und nicht an die Unterhaltsverpflichteten.

Voraussetzung für eine ersatzweise Datenübermittlung durch die Rentenversicherung ist, dass eine Unterhaltsverpflichtung der betroffenen Personen nach den in § 74 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Buchst. a SGB X genannten Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) besteht.

Es ist jedoch § 1605 Abs. 2 BGB zu beachten, wonach vor Ablauf von zwei Jahren Auskunft erneut nur verlangt werden kann, wenn glaubhaft gemacht wird, dass die auskunftspflichtigen Personen später wesentlich höhere Einkünfte oder weiteres Vermögen erworben haben.

Ein gesetzlicher Unterhaltsanspruch besteht

  • zwischen Ehegatten nach §§ 1360 ff. BGB,
  • zwischen geschiedenen Ehegatten
    • bei Scheidung vor dem 01.07.1977 nach §§ 58 ff. EheG in der Fassung bis 30.06.1977 (Art. 12 Nr. 3 Abs. 2 1. EheRG),
    • bei Scheidung nach dem 30.06.1977 nach §§ 1569 ff. BGB,
  • zwischen Verwandten in gerader Linie nach §§ 1601 ff. BGB, § 1615a BGB in Verbindung mit §§ 1601 ff. BGB,
  • für die nicht miteinander verheirateten Eltern eines Kindes nach §§ 1615l ff. BGB
  • für die werdende Mutter eines Erben nach § 1963 BGB,
  • zwischen den Lebenspartnern oder Lebenspartnerinnen einer Lebenspartnerschaft im Sinne des § 1 LPartG

Ein vertraglicher Unterhaltsanspruch besteht,

wenn von den Ehegatten nach § 72 EheG in der Fassung bis 30.06.1977 oder nach § 1585c BGB über die Unterhaltspflicht für die Zeit nach der Scheidung ein gerichtlicher Vergleich oder eine privatrechtliche Vereinbarung (gegebenenfalls in Form einer notariellen Urkunde) geschlossen wurde.

Eine weitere Voraussetzung ist die vorherige Mahnung der auskunftspflichtigen Personen durch die Berechtigten. Näheres hierzu in Abschnitt 6.

Liegen alle Voraussetzungen vor, dürfen die für die Feststellung der Höhe des Unterhaltsanspruches erforderlichen Daten übermittelt werden. Dies sind im Wesentlichen Angaben zu Einkommensverhältnissen, zum Beispiel Entgeltdaten oder Daten zum Leistungsbezug.

Beachte:

Ebenfalls auskunftsberechtigt können Jugendämter sein, die in den nach § 55 Abs. 1 SGB VIII vorgesehenen Fällen Beistand werden können (§ 1712 BGB). Das Jugendamt kann die Beistandschaft auf einen rechtsfähigen Verein übertragen (§ 54 Abs. 1 SGB VIII), wenn durch das Landesjugendamt eine Erlaubnis nach § 54 SGB VIII erteilt wurde. Eine solche Eignungserklärung wurde zum Beispiel durch den Senator für Familie, Jugend und Sport für die Arbeiterwohlfahrt (AWO) erteilt. Die AWO ist daher seit dem 11.09.1970 berechtigt, Beistandschaften zu übernehmen.

Im Rahmen der Ausübung der Beistandschaft durch die zuständigen Jugendämter und die rechtsfähigen Vereine ist die Datenerhebung dieser Stellen nach § 68 Abs. 1 SGB VIII zulässig. Da die Ausübung der Beistandschaft zu den „Anderen Aufgaben der Jugendhilfe" des Dritten Kapitels des SGB VIII gehört und nicht zu den „Leistungen der Jugendhilfe“ des Zweiten Kapitels des SGB VIII, handeln die Jugendämter und rechtsfähigen Vereine bei der Wahrnehmung dieser Aufgaben nicht als Sozialleistungsträger. Eine Datenübermittlung durch die Rentenversicherung scheidet daher nach § 69 Abs. 1 Nr. 1 SGB X aus und ist nur nach § 74 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Buchst. a SGB X zulässig.

Versorgungsausgleich

Die Ehegatten haben nach § 74 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Buchst. b SGB X in Verbindung mit § 109 Abs. 5 S. 2 SGB VI außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens einen wechselseitigen Anspruch auf Auskunft über die in der Ehezeit erworbenen Renten- und Versorgungsansprüche. Im Gegensatz zu den Regelungen in § 74 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Buchst. a SGB X (Abschnitt 4.1) besteht hier ein Auskunftsrecht für beide am Verfahren beteiligte Parteien. Der Gesetzgeber bezweckt mit dieser Regelung, dass für beide Parteien im Vorfeld einer Scheidung eine Beurteilung über ihre Rechte und Pflichten nach der Scheidung möglich sein muss. Ebenso soll den Parteien durch das wechselseitige Auskunftsrecht ermöglicht werden, zu prüfen, wie sich ein Abänderungsantrag (Totalrevision) nach § 51 VersAusglG auswirken könnte. Näheres kann der GRA zu § 109 SGB VI, Abschnitte 4 und 4.2, entnommen werden.

Für eine ersatzweise Datenübermittlung durch die Rentenversicherung ist der Nachweis erforderlich, dass die vom Gesetzgeber vorgeschriebene Mahnung ordnungsgemäß durchgeführt wurde und die auskunftspflichtigen Personen ihrer Auskunftspflicht nicht oder nicht vollständig nachgekommen sind (vergleiche Abschnitt 6). Darüber hinaus ist in jedem Fall ein Nachweis über die Eheschließung vorzulegen (Kopie der Heiratsurkunde).

Es ist in den genannten Fällen jedoch § 1605 Abs. 2 BGB zu beachten, wonach vor Ablauf von zwei Jahren Auskunft erneut nur verlangt werden kann, wenn glaubhaft gemacht wird, dass die zur Auskunft Verpflichteten später wesentlich höhere Anrechte erworben haben.

Sind die nach dem Versorgungsausgleichsgesetz (VersAusglG) auskunftspflichtigen Personen bereits verstorben, so richtet sich der Auskunftsanspruch auch gegen die Hinterbliebenen (Ehegatten, Kinder, Erben). Kann die auskunftsberechtigte Person die erforderlichen Auskünfte nicht von den Hinterbliebenen erlangen, verlagert sich der Auskunftsanspruch auf die betroffenen Versorgungsträger (§ 4 Abs. 2 VersAusglG). Dies gilt auch bei Versterben aller vorrangig auskunftspflichtigen Personen (Ehegatten, Kinder, Erben). Die Voraussetzungen für eine ersatzweise Auskunft durch den Rentenversicherungsträger an die auskunftsberechtigte Person sind auch in diesem Fall erfüllt.

Datenübermittlung an Privatpersonen für die Anwendung der Öffnungsklausel des § 22 EStG

Die auskunftsberechtigten Personen haben nach § 74 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB X einen Anspruch auf Auskunft über eine im Versorgungsausgleich übertragene Rentenanwartschaft der Ausgleichverpflichteten, soweit dies für die Anwendung der Öffnungsklausel des § 22 Nr. 1 S. 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb S. 2 des EStG in Verbindung mit § 4 Abs. 1VersAusglG erforderlich ist.

Auch nach dieser Vorschrift ist für eine ersatzweise Datenübermittlung durch die Rentenversicherung der Nachweis zu erbringen, dass die vom Gesetzgeber vorgeschriebene Mahnung ordnungsgemäß durchgeführt wurde und die auskunftspflichtigen Personen ihrer Auskunftspflicht nicht oder nicht vollständig nachgekommen sind (vergleiche Abschnitt 6).

Im Umfang der Auskunftspflicht der ausgleichpflichtigen Person nach § 4 Abs. 1 VersAusglG können die für die Prüfung und Anwendung der Öffnungsklausel erforderlichen Sozialdaten an die ausgleichberechtigte Person übermittelt werden.

Mahnverfahren

Eine zwingende Voraussetzung für eine Auskunftserteilung durch die Rentenversicherung ist in allen Fällen der Anfragen von Privatpersonen (Abschnitt 4 und Abschnitt 5), dass die auskunftspflichtigen Personen von den auskunftsberechtigten Personen zur Auskunft aufgefordert wurden (Mahnung) und dieser Aufforderung innerhalb angemessener Frist nicht oder nicht vollständig nachgekommen sind (§ 74 Abs. 1 S. 2 SGB X).

In dieser Mahnung muss zum Ausdruck kommen, dass die Rentenversicherung für den Fall der Auskunftsverweigerung oder der unvollständigen Auskunft zur ersatzweisen Auskunft befugt ist. Den auskunftspflichtigen Personen ist eine angemessene Frist (mindestens 6 Wochen) zur Auskunftserfüllung einzuräumen.

Fehlt in der Mahnung der Hinweis über die ersatzweise Übermittlungsbefugnis der Rentenversicherung, ist eine Datenübermittlung unzulässig.

Sind die Voraussetzungen für eine zulässige Datenübermittlung erfüllt, so dürfen die Sozialdaten im erforderlichen Umfang übermittelt werden.

Anschriftenübermittlung

Den auskunftsberechtigten Personen darf nach § 74 Abs. 1 S. 3 SGB X die Anschrift der auskunftspflichtigen Personen zum Zwecke der Mahnung (vergleiche Abschnitt 6) übermittelt werden. Die vom Gesetzgeber vorgeschriebene Mahnung wäre sonst nicht durchführbar. Im Antwortschreiben muss in jedem Fall der Hinweis gegeben werden, dass die übermittelte Anschrift nur zum Zwecke der Mahnung verwendet werden darf (Zweckbindung nach § 78 SGB X).

Liegen über die Anschrift hinaus keine für die Geltendmachung von Ansprüchen nach § 74 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Buchst. a und Buchst. b oder Nr. 3 SGB X relevanten Sozialdaten vor (Angaben zu Einkommensverhältnissen, zum Beispiel Entgeltdaten oder Daten zum Leistungsbezug), ist in diesen Fällen die Herausgabe der Anschrift zum Zwecke der Mahnung unzulässig.

Bundesamt für Justiz

Nach § 74 Abs. 2 SGB X ist eine Übermittlung an das Bundesamt für Justiz zulässig, wenn diese Stelle in ihrer Eigenschaft als sogenannte zentrale Behörde nach § 4 Auslandsunterhaltsgesetz (AUG) tätig wird. Aufgabe des Bundesamtes für Justiz als zentrale Behörde ist die gerichtliche und außergerichtliche Geltendmachung und Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen (§ 5 Abs. 1 und 2 AUG) mit Auslandsberührung im Rahmen von internationalen Abkommen, Verträgen oder Vereinbarungen (§ 1 AUG). Es handelt sich hierbei um Unterhaltsansprüche, bei denen die Unterhaltsberechtigten im Ausland und die Unterhaltsverpflichteten im Inland leben.

Gemäß Art. 3 Abs. 2 S. 1 EGBGB gehen die Vorschriften des UN-Übereinkommens - als unmittelbar anwendbares innerstaatliches Recht - denen des EGBGB vor. Nach Art. 6 Abs. 3 des UN-Übereinkommens ist das Unterhaltsrecht des Staates der Unterhaltsverpflichteten maßgebend, also deutsches Recht (einschließlich EGBGB).

Das Bundesamt für Justiz fungiert dabei als zentrale Empfangs- und Übermittlungsstelle für alle zuständigen Stellen im In- und Ausland.

Die Daten müssen für die Erfüllung der ihr nach § 5 AUG obliegenden Aufgaben und zur Erreichung der in den §§ 16 und 17 AUG bezeichneten Zwecken erforderlich sein. Näheres dazu ist in Abschnitt 8.1 und Abschnitt 8.2 geregelt.

Auskunft zur Herbeiführung oder Änderung eines Titels

§ 16 AUG regelt das Auskunftsrecht im Zusammenhang mit der Herbeiführung oder Änderung eines Titels. Gemäß § 16 Abs. 1 AUG ist das Bundesamt für Justiz zunächst vorrangig verpflichtet, erforderliche Angaben zu Anschriften oder zu Haupt- und Nebenwohnungen von Beteiligten bei den zuständigen Meldebehörden anzufordern. Erst wenn eine Ermittlung über die Meldebehörden gescheitert ist, darf nach § 16 Abs. 2 Nr. 1 AUG eine Auskunft von den Trägern der Rentenversicherung angefordert werden.

Von der Rentenversicherung dürfen nur die bekannte derzeitige Anschrift sowie der derzeitige oder zukünftige Aufenthaltsort der betroffenen Personen übermittelt werden.

Auskunft zum Zweck der Anerkennung, Vollstreckbarerklärung und Vollstreckung eines Titels

§ 17 AUG enthält das Auskunftsrecht im Zusammenhang mit der Anerkennung, Vollstreckbarerklärung und Vollstreckung eines Titels.

Kommen Unterhaltsschuldner einer titulierten Unterhaltsforderung nicht nach, indem sie Auskünfte zu ihrem Einkommen und Vermögen verweigern, oder ist bei einer Vollstreckung in die von den Schuldnern angegebenen Vermögensgegenstände eine vollständige Befriedigung der Gläubiger nicht zu erwarten, stehen dem Bundesamt für Justiz nach § 17 Abs. 1 S. 1 AUG zunächst dieselben Auskunftsrechte wie in § 16 AUG zu (Abschnitt 8.1).

Darüber hinaus darf das Bundesamt für Justiz gemäß § 17 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AUG von den Trägern der gesetzlichen Rentenversicherung den Namen, die Vornamen, die Firma sowie die Anschriften der derzeitigen Arbeitgeber der versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse der Unterhaltsschuldner erheben. Zulässig ist dies allerdings nur nach vorheriger Androhung.

Eine noch weitergehende Erhebung von Daten über das Vermögen der Schuldner darf nach § 17 Abs. 2 AUG durch das Bundesamt für Justiz nur erfolgen, wenn dies erforderlich für die Vollstreckung ist.

Gesetz zur Änderung des Bundesversorgungsgesetzes und anderer Vorschriften vom 17.07.2017 (BGBl. I S. 2541)

Inkrafttreten: 25.05.2018

Quelle zum Entwurf: BT-Drucksache 18/12611

Die bisherigen Regelungen werden beibehalten und redaktionell an die Begriffsbestimmungen aus Artikel 4 der Verordnung (EU) 2016/679 (DSGVO) angepasst.

Gesetz zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 4/2009 und zur Neuordnung bestehender Aus- und Durchführungsbestimmungen auf dem Gebiet des internationalen Unterhaltsverfahrensrechts vom 23.05.2011 (BGBl. I S.  898)

Inkrafttreten: 18.06.2011

Quellen zum Entwurf: BR-Drucksache 854/10; BT-Drucksache 17/5240

Durch Artikel 13 wurde § 74 SGB X (Art. 20 Abs. 1 dieses Gesetzes) neu gefasst. Insbesondere wurde Absatz 2 angefügt, der die Übermittlung von Sozialdaten an die zentrale Behörde nach § 4 Auslandsunterhaltsgesetz erlaubt.

Gesetz zur Strukturreform des Versorgungsausgleichs (VAStrRefG) vom 03.04.2009 (BGBl. I S. 700)

Inkrafttreten: 01.09.2009

Quellen zum Entwurf: BT-Drucksache 16/10144; BT-Drucksache 16/11903

Die in Satz 1 Nummer 2 Buchstabe b enthaltenen Auskunftsverpflichtungen nach den Vorschriften des BGB wurden durch die Vorschrift des § 4 Abs. 1 S. 1 des Versorgungsausgleichsgesetz (VersAusglG) ersetzt.

Nummer 3 wurde eingeführt. Danach ist eine Datenübermittlung für die Anwendung der Öffnungsklausel des § 22 Nr. 1 S. 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb S. 2 EStG zulässig.

Gesetz zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG-Reformgesetz - FGG-RG) vom 17.12.2008 (BGBl. I S. 2586)

Inkrafttreten: 01.09.2009

Quellen zum Entwurf: BT-Drucksache 16/6308; BT-Drucksache 16/9733

Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b wurde neu gefasst.

2. SGBÄndG vom 13.06.1994 (BGBl. I S. 1229)

Inkrafttreten: 01.07.1994

Quellen zum Entwurf: BT-Drucksache 12/6306 vom 01.12.1993

Satz 2 wurde in der Vorschrift ergänzt, der die Übermittlung der Anschrift des Auskunftspflichtigen zum Zwecke der Mahnung zulässt.

RRG 1992 vom 18.12.1989 (BGBl. I S. 2261)

Inkrafttreten: 01.01.1992

Quelle zum Entwurf: BT-Drucksache 11/5490 vom 27.10.1989

Nummer 1 Buchstabe b wurde um die Vorschrift des § 11 Abs. 2 VAHRG und die in Nummer 2 Buchstabe b enthaltenen Auskunftsverpflichtungen nach den Vorschriften des BGB wurden um die Vorschriften der §§ 3a Abs. 8 und 10a Abs. 11 VAHRG ergänzt.

SGB X vom 18.08.1980 (BGBl. I S. 1469, 2218)

Inkrafttreten: 01.01.1981

Quelle zum Entwurf: BT-Drucksache 8/4022 vom 14.05.1980

Das Zweite Kapitel des SGB X (§§ 67 bis 85a) wurde mit den Vorschriften zum Schutz der Sozialdaten zum 01.01.1981 eingeführt (BGBl. I S. 1469).

Zusatzinformationen

Rechtsgrundlage

§ 74 SGB X