Art. 28 SVA-Türkei: Rentenberechnung
veröffentlicht am |
19.10.2020 |
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Änderung | Überarbeitung und Aktualisierung der GRA - Hinweis auf den Grundrentenzuschlag. |
Stand | 05.10.2020 |
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Rechtsgrundlage | |
Version | 002.00 |
- Inhalt der Regelung
- Zuordnung der türkischen Versicherungszeiten
- Berechnung der deutschen Rente
- Zurechnungszeit
- Besonderheiten bei der Waisenrente
- Berechnung der Rente aus einem Beitrag
- Keine Arbeitsmarktrente
Inhalt der Regelung
Art. 28 SVA-Türkei beinhaltet die generellen Regelungen zur Berechnung von Leistungen nach deutschen Rechtsvorschriften. Die Vorschrift ist einseitig von den Trägern der Deutschen Rentenversicherung anzuwenden.
Absatz 1 regelt die Zuordnung der nach Art. 27 SVA-Türkei zu berücksichtigenden türkischen Versicherungszeiten zu einem deutschen Versicherungszweig. Sie bestimmt ferner, dass in den bergbaulichen Betrieben unter Tage zurückgelegte türkische Versicherungszeiten der deutschen knappschaftlichen Rentenversicherung zugeordnet werden.
Nach Absatz 2 wird die deutsche Rente allein aus den deutschen Versicherungszeiten berechnet.
Absatz 3 regelt die Halbierung der deutschen Zurechnungszeit, wenn der Rentenanspruch nur zwischenstaatlich unter Zusammenrechnung der vertragsstaatlichen Versicherungszeiten besteht.
Nach Absatz 4 kann ein Kinderzuschuss zur Versichertenrente oder der Betrag, um den sich die deutsche Waisenrente erhöht, gegebenenfalls nur zur Hälfte gezahlt werden.
Absatz 5 bestimmt, dass für den Wegfall der Knappschaftsausgleichsleistung türkische knappschaftliche Betriebe deutschen knappschaftlichen Betrieben gleichstehen.
Nach Absatz 6 bleiben die nach den türkischen Rechtsvorschriften zurückgelegten Versicherungszeiten für die Gewährung des Leistungszuschlags nach den deutschen Rechtsvorschriften über die knappschaftliche Rentenversicherung unberücksichtigt.
Absatz 7 schließt die Gewährung einer Arbeitsmarktrente aus.
Ergänzende/korrespondierende Regelungen
- Art. 1 Nr. 2 SVA-Türkei
Die Vorschrift definiert den Begriff „Rechtsvorschriften“ (vergleiche GRA zu Art. 1 SVA-Türkei). - Art. 1 Nr. 4 SVA-Türkei
Die Vorschrift definiert den Begriff „Träger“ (vergleiche GRA zu Art. 1 SVA-Türkei) - Art. 4a SVA-Türkei
Die Vorschrift regelt die Gebietsgleichstellung. (vergleiche. GRA zu Art. 4a SVA-Türkei) - Nr. 14 SP zum SVA-Türkei
Nr. 14 SP bestimmt, dass türkische Versicherungszeiten bei den wartezeitähnlichen Regelungen für die deutsche Rentenberechnung grundsätzlich nicht zu berücksichtigen sind. - Nr. 15 SP zum SVA-Türkei
Nr. 15 SP definiert den Begriff des bergbaulichen Betriebs für die Anwendung des SVA-Türkei.
Zuordnung der türkischen Versicherungszeiten
Türkische Versicherungszeiten sind dann der knappschaftlichen Rentenversicherung zuzuordnen, wenn sie in bergbaulichen Betrieben unter Tage zurückgelegt worden sind (Art. 28 Abs. 1 SVA-Türkei in Verbindung mit Nr. 15 SP zum SVA-Türkei) und ein Beitrag aufgrund einer Beschäftigung zur knappschaftlichen Rentenversicherung gezahlt worden ist.
Diese Versicherungszeiten müssen sowohl im Formblatt TR 4 als auch im Formblatt TR 5 bestätigt werden. Andernfalls werden die türkischen Beitragszeiten in der allgemeinen Rentenversicherung berücksichtigt (Art. 28 Abs. 1 S. 3 SVA-Türkei).
Ist für die besonderen knappschaftlichen Rentenleistungen Voraussetzung, dass ständige Arbeiten unter Tage verrichtet worden sind, so können hierfür die im türkischen Bergbau verrichteten Tätigkeiten ebenfalls berücksichtigt werden, soweit diese den nach deutschen Rechtsvorschriften maßgebenden ständigen Arbeiten unter Tage entsprechen.
Hinweis:
Die von der SGK sowie der SGK - Emeklilik gegebenenfalls gewährten Hinzurechnungszeiten beziehungsweise Dienstzulagen können in keinem Fall der knappschaftlichen Rentenversicherung zugeordnet werden, da während dieser Zeiten keine Tätigkeit unter Tage verrichtet worden ist. Diese Zeiten sind von türkischer Seite daher ausschließlich im Formblatt TR 4 zu bestätigen.
Berechnung der deutschen Rente
Die deutsche Rente wird allein aus den deutschen rentenrechtlichen Zeiten berechnet (analog Art. 28 Abs. 2 SVA-Türkei). Türkische Versicherungszeiten nehmen an der Berechnung der Rente nicht teil. Sie sind Lücken im Versicherungsleben. Dies gilt auch in den Fällen, in denen der deutsche Rentenanspruch nur zwischenstaatlich durch Zusammenrechnung mit türkischen Versicherungszeiten nach Art. 27 SVA-Türkei besteht.
Für die Berechnung deutscher Renten gilt Folgendes:
- Türkischen Versicherungszeiten werden keine Entgeltpunkte zugeordnet.
- Beim Zusammentreffen von türkischen und deutschen Versicherungszeiten entsteht keine deutsche beitragsgeminderte Zeit.
- Türkische Versicherungszeiten bleiben unberücksichtigt
- bei der Ermittlung von Entgeltpunkten für beitragsfreie Zeiten nach § 72 SGB VI,
- bei der Ermittlung eines Zuschlages für beitragsgeminderte Zeiten im Rahmen der Vergleichsbewertung nach § 73 SGB VI,
- bei der Ermittlung des Zuschlages zur Waisenrente nach § 78 SGB VI,
- bei der Ermittlung des zeitlichen Umfanges der anrechenbaren Berücksichtigungszeiten für Kindererziehung, aus denen der Zuschlag nach § 78a SGB VI ermittelt wird,
- bei der Errechnung des Leistungszuschlages nach § 85 SGB VI, auch wenn sie in der Türkei in bergbaulichen Betrieben unter Tage zurückgelegt worden sind (Nr. 15 SP zum SVA-Türkei),
- bei der Ermittlung der erforderlichen „5 Jahre mit Pflichtbeiträgen aufgrund einer versicherten Beschäftigung“ für die Ermittlung von Entgeltpunkten für Beitragszeiten mit Sachbezug nach § 259 SGB VI und
- bei der Ermittlung der pauschalen Anrechnungszeit nach § 253 SGB VI.
- Die Bewertung und die Fiktion für die ersten 36 Kalendermonate bei Zeiten einer beruflichen Ausbildung (§§ 54 Abs. 3, 71 Abs. 3 S. 1 Nr. 2, 71 Abs. 3 S. 2, 246 S. 2, 263 Abs. 5, 6 und 7 SGB VI) gelten nur für deutsche Pflichtbeiträge.
- Türkische Versicherungszeiten bleiben bei der Ermittlung des Hinzuverdienstdeckels und der Hinzuverdienstgrenzen für Altersrenten und Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nach § 34 Abs. 3a SGB VI, § 96a Abs. 1b und 1c SGB VI, § 313 SGB VI unberücksichtigt. Eine „erste Rente wegen Alters“ im Sinne des § 34 Abs. 3a SGB VI kann nur eine deutsche Altersrente sein.
- Der Bezug einer türkischen Rente steht dem Bezug einer deutschen Rente bei Anwendung von § 72 Abs. 3 Nr. 2 SGB VI, § 73 S. 1 Nr. 3 SGB VI und § 262 Abs. 3 SGB VI nicht gleich.
- Der Zugangsfaktor im Sinne des § 77 Abs. 1 bis 3 SGB VI bestimmt sich nach deutschem Recht. Der Bezug einer türkischen Rente steht dem Bezug einer deutschen Rente nicht gleich.
Türkische Versicherungszeiten bleiben bei den sogenannten wartezeitähnlichen Voraussetzungen hinsichtlich der Rentenberechnung ebenfalls unberücksichtigt (Nr. 14 SP zum SVA-Türkei).
Sie fließen damit weder
- in die Ermittlung der erforderlichen 35 Jahre an rentenrechtlichen Zeiten für die Gewährung von Mindestentgeltpunkten bei geringem Arbeitsentgelt (§ 262 Abs. 1 S. 1 SGB VI) noch
- in die Ermittlung der erforderlichen 25 Jahre an rentenrechtlichen Zeiten für die Gutschrift zusätzlicher Entgeltpunkte für Zeiten der Erziehung und/oder Pflege von Kindern (§ 70 Abs. 3a SGB VI) ein und
- werden auch nicht für die Prüfung des Anspruchs auf einen Zuschlag an Entgeltpunkten für langjährige Versicherung bei den Grundrentenzeiten nach § 76g Abs. 2 SGB VI berücksichtigt (2. Sondersitzung der AGZWSR 2/2020, TOP 3).
Zurechnungszeit
Nach Art. 28 Abs. 3 SVA-Türkei wird der auf die Zurechnungszeit entfallende Leistungsanteil der deutschen Rente halbiert, wenn der Rentenanspruch nur zwischenstaatlich unter Berücksichtigung der türkischen Versicherungszeiten nach Art. 27 SVA-Türkei erfüllt ist.
Diese Regelung war auf das bis zum 31.12.1991 geltende Recht des AVG, RKG und der RVO zugeschnitten. Danach wurde die Zurechnungszeit bei Erfüllung der Voraussetzungen (Halbbelegung) in vollem Umfang berücksichtigt. Sinn und Zweck der Halbierungsregelung des Art. 28 Abs. 3 SVA-Türkei war, die Anrechnung der vollen Zurechnungszeit bei einem nur zwischenstaatlich bestehenden Anspruch auszuschließen, da eine volle Anrechnung der Zurechnungszeit in diesen Fällen nicht angemessen erschien.
Nach den Berechnungsvorschriften des SGB VI wird seit 01.01.1992 die Zurechnungszeit im Rahmen der Gesamtleistungsbewertung immer im Verhältnis der individuellen Beitrags-leistung (Anzahl und Höhe der Beiträge) zum belegungsfähigen Gesamtzeitraum berücksichtigt. Da bereits das innerstaatliche Recht eine individuelle Minderung vorsieht, ist eine zusätzliche Halbierung der Zurechnungszeit nach Art. 28 Abs. 3 SVA-Türkei nicht mehr gerechtfertigt.
Art. 28 Abs. 3 SVA-Türkei wird daher aufgrund eines Erlasses des heutigen BMAS bei erstmaligen Rentenfeststellungen nach dem SGB VI nicht mehr angewendet.
Beachte:
Art. 28 Abs. 3 SVA-Türkei hat auf das Entstehen einer Anrechnungszeit im Sinne des § 58 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 SGB VI und des § 252 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI keine Auswirkung. Die in einer Vorrente enthaltene Zurechnungszeit wird in der Folgerente ohne Rücksicht auf die bisherige Halbierung in vollem Umfang Anrechnungszeit.
Bei Rentenneufeststellungen ist das Recht maßgeblich, das bei der erstmaligen Feststellung der Rente anzuwenden war (§ 300 Abs. 3 SGB VI). Wurde die in einer nach dem AVG, RKG oder der RVO festgestellten Rente enthaltene Zurechnungszeit nach Art. 28 Abs. 3 SVA-Türkei halbiert, verbleibt es bei Neufeststellung der Rente bei der Halbierung.
Besonderheiten bei der Waisenrente
Nach Art. 28 Abs. 4 SVA-Türkei ist der Kinderzuschuss (zur Versichertenrente) oder der Betrag, um den sich die deutsche Waisenrente erhöht, nur zur Hälfte zu zahlen, wenn
- entweder der deutsche Rentenanspruch zwischenstaatlich unter Berücksichtigung der türkischen Versicherungszeiten nach Art. 27 SVA-Türkei besteht oder
- auch ein Anspruch auf eine Waisenrente nach den türkischen Rechtsvorschriften besteht.
Diese Regelung war auf das bis zum 31.12.1991 geltende Recht des AVG, RKG und der RVO zugeschnitten. Danach wurde
- der in einer Waisenrente enthaltene Kinderzuschuss oder Erhöhungsbetrag sowie
- der in einer Versichertenrente enthaltene Kinderzuschuss
unabhängig von der Versicherungsdauer und der Beitragsleistung des Versicherten gewährt.
Nach den ab 01.01.1992 geltenden Berechnungsvorschriften des SGB VI richtet sich die Höhe des Zuschlages bei Waisenrenten nach der Anzahl an Kalendermonaten mit rentenrechtlichen Zeiten und dem Zugangsfaktor des verstorbenen Versicherten (§ 78 SGB VI). Türkische Versicherungszeiten bleiben bei der Ermittlung des Zuschlages unberücksichtigt. Sie wirken sich als Lücken im Versicherungsleben wertmindernd auf den Zuschlag aus. Es widerspricht damit dem Sinn und Zweck des Art. 28 Abs. 4 SVA-Türkei, den Zuschlag noch einmal zu halbieren.
Art. 28 Abs. 4 SVA-Türkei wird bei der Feststellung von Waisenrenten nach dem SGB VI in Übereinstimmung mit dem heutigen BMAS daher nicht mehr angewendet.
Ein Anspruch auf einen Kinderzuschuss zur Versichertenrente kann ab 01.01.1984 nicht mehr neu entstehen. Die Regelung des Art. 28 Abs. 4 SVA-Türkei ist daher durch Zeitablauf für die erstmalige Feststellung einer Versichertenrente nach dem SGB VI nicht mehr von Bedeutung. Faktisch werden heute auch keine Kinderzuschüsse mehr gezahlt.
Im Falle der Weitergewährung oder Neufeststellung einer nach dem AVG, RKG oder der RVO festgestellten Waisenrente, findet das für die Rente bisher maßgebliche Recht Anwendung (vergleiche GRA zu § 300 SGB VI, Abschnitte 4.3 und 5.9). Wurde im Einzelfall Art. 28 Abs. 4 SVA-Türkei angewendet, weil ein nur zwischenstaatlicher Rentenanspruch besteht, verbleibt es bei der Halbierung. Erfolgte eine Halbierung, weil auch ein Anspruch auf eine Waisenrente nach den türkischen Rechtsvorschriften besteht, wird zu prüfen sein, ob die Voraussetzungen für die Halbierung weiterhin vorliegen.
Ist eine Waisenrente nach einer Unterbrechung des Rentenanspruchs von mindestens einem Monat erneut zu gewähren, gilt nach § 300 Abs. 1 SGB VI das aktuelle Recht zum Zeitpunkt des Beginns der Rente. Art. 28 Abs. 4 SVA-Türkei ist nicht mehr anzuwenden.
Berechnung der Rente aus einem Beitrag
Das SVA-Türkei enthält keine Vorschrift über die Zurücklegung einer Mindestversicherungszeit und keine sogenannte „weniger-als-Regelung“ (mehr). Das bedeutet, dass eine deutsche Rente bereits aus einem anrechenbaren Beitrag gezahlt werden kann, wenn die Anspruchsvoraussetzungen durch die Zusammenrechnung mit türkischen Versicherungszeiten nach Art. 27 SVA-Türkei erfüllt sind.
Bis zum 31.03.1987 kannte das SVA-Türkei eine Kleinstzeiten-Regelung (vergleiche GRA zu Übersicht VV zum SVA-Türkei, Abschnitt 4.3.2.7).
Keine Arbeitsmarktrente
Eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, die nicht allein aus medizinischen Gründen, sondern unter Berücksichtigung des verschlossenen deutschen Teilzeitarbeitsmarktes zusteht, kann nicht in die Türkei gezahlt werden. Nach Art. 28 Abs. 7 SVA-Türkei wird die Gebietsgleichstellung nach Art. 4a SVA-Türkei insoweit ausgeschlossen, so dass uneingeschränkt § 112 S. 1 SGB VI gilt (vergleiche auch GRA zu Art. 4a SVA-Türkei, Abschnitt 3.3). Diese Einschränkung betrifft auch Renten, bei den das Vorliegen einer verminderten Erwerbsfähigkeit mit zu den Voraussetzungen für den Rentenanspruch gehört (GRA zu § 112 SGB VI, Abschnitt 2).
Gesetz zu dem Zusatzabkommen (ZA) vom 02.11.1984 Inkrafttreten: 20.12.1986 (Gesetz), 01.04.1987 (Abkommen) Quellen: BGBl. 1986 II, S. 1038 ff, BGBl. 1987 II, S. 188 |
Art. 28 SVA-Türkei regelt die Zuordnung türkischer Versicherungszeiten zu den deutschen Trägern und deren Auswirkung auf die Ermittlung der deutschen Rente oder auf die Leistung anderer Rentenbestandteile.
Gesetz zu dem Abkommen vom 30.04.1964 Inkrafttreten: 22.09.1965 (Gesetz), 01.11.1965 (Abkommen) Quellen: BGBl. 1965 II, S. 1169 ff, BGBl. 1965 II, S. 1588 |
Mit dem vorgenannten Gesetz wurde das Abkommen Bestandteil der deutschen Rechtsordnung.