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Art. 2 SVA-Kanada: Sachlicher Geltungsbereich

Änderungsdienst
veröffentlicht am

12.11.2019

Änderung

Der Abschnitt 3.1 enthält jetzt auch den KV-Zuschuss nach § 106 SGB VI als Ausnahme vom Verbot der multilateralen Vertragsanwendung.

Dokumentdaten
Stand10.10.2017
Rechtsgrundlage

Art. 2 SVA-Kanada

Version001.01

Inhalt der Regelung

Der Art. 2 SVA-Kanada regelt, auf welches innerstaatliche Recht das Abkommen anwendbar ist (sachlicher Geltungsbereich).

Absatz 1 führt die Rechtsvorschriften der sozialen Sicherheit auf, die vom Abkommen erfasst werden. Damit wird der sachliche Geltungsbereich des Abkommens für beide Vertragsparteien festgelegt.

Absatz 2 enthält zusammen mit der Nr. 2 Buchst. b SP zum SVA-Kanada den Grundsatz, dass bei Anwendung des Abkommens andere zwischenstaatliche oder überstaatliche Regelungen unberücksichtigt bleiben (Verbot der multilateralen Vertragsanwendung).

Absatz 3 stellt klar, dass das Abkommen auch für Änderungen der erfassten Rechtsvorschriften gilt (Zukunftsoffenheit).

Ergänzende/korrespondierende Regelungen

  • Art. 1 Abs. 1 Buchst. c SVA-Kanada
    Die Regelung enthält die Definition was im Abkommen unter „Rechtsvorschriften“ in Bezug auf die Bundesrepublik Deutschland und Kanada zu verstehen ist.
  • Art. 18 Satz 3 SVA-Kanada
    Die unmittelbare Bekanntgabe in Kanada ist auch für Bescheide über Leistungen der Kriegsopferversorgung nach dem oder in entsprechender Anwendung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) und diesbezügliche Gerichtsentscheidungen möglich.
  • Nr. 2 Buchst. a SP zum SVA-Kanada
    Die Bestimmungen über Leistungen (Art. 12 bis 15 SVA-Kanada) gelten nicht für die hüttenknappschaftliche Zusatzversicherung und die Alterssicherung der Landwirte.
  • Nr. 2 Buchst. b SP zum SVA-Kanada
    Hier ist die zur Durchsetzung des Verbots der multilateralen Vertragsanwendung aus Art. 2 Abs. 2 SVA-Kanada zusätzlich notwendige Abwehrklausel enthalten.
  • Nr. 2 Buchst. c SP zum SVA-Kanada
    Das Verbot der multilateralen Vertragsanwendung gilt ausdrücklich nicht für Versicherungslastregelungen (siehe GRA zu Versicherungslastregelungen: EU/SVA).
  • Nr. 2 Buchst. d SP zum SVA-Kanada
    Neu eingeführte kanadische Leistungen und neue Gruppen von kanadischen Leistungsempfängern können entgegen der Pro-futuro-Regelung des Art. 2 Abs. 3 SVA-Kanada vom Abkommen ausgenommen werden.
  • Nr. 13 SP zum SVA-Kanada
    Günstigere deutsche Regelungen zur Wiedergutmachung für Verfolgte des Nationalsozialismus werden vom Abkommen nicht berührt.
  • Art. 6 DV zum SVA-Kanada
    Die Vorschrift regelt die Dokumentation der anzuwendenden Rechtsvorschriften bei Entsendungen und Ausnahmevereinbarungen.

Erfasste Rechtsvorschriften

Der Art. 2 Abs. 1 SVA-Kanada regelt, auf welche Rechtsvorschriften das Abkommen Anwendung findet (sachlicher Geltungsbereich).

Für die Bundesrepublik Deutschland umfasst der sachliche Geltungsbereich des Abkommens die Rechtsvorschriften über die

  • Rentenversicherung,
  • hüttenknappschaftliche Zusatzversicherung und über die
  • Alterssicherung der Landwirte.

Unter Rentenversicherung ist die deutsche gesetzliche Rentenversicherung im Sinne des § 23 SGB I zu verstehen. Mit Rechtsvorschriften sind in Bezug auf Deutschland alle Gesetze und Verordnungen der genannten Zweige der sozialen Sicherheit gemeint (Art. 1 Abs. 1 Buchst. c SVA-Kanada).

Für Kanada umfasst der sachliche Geltungsbereich des Abkommens die Rechtsvorschriften über die

  • Volksrente (Old Age Security Act - OAS) und die
  • Kanadische Rentenversicherung (Canada Pension Plan - CPP).

Nähere Informationen zu den vom Abkommen erfassten kanadischen Rechtsvorschriften können der GRA zu Leistungen der Rentenversicherung Kanada, Abschnitt 1 entnommen werden.

Eingeschränkt erfasste Rechtsvorschriften

Für die hüttenknappschaftliche Zusatzversicherung und die Alterssicherung der Landwirte gilt nicht Teil II des Abkommens (Nr. 2 Buchst. a SP zum SVA-Kanada). Die Art. 12 und Art. 13 SVA-Kanada können für diese Zweige nicht angewandt werden, so dass eine Zusammenrechnung mit kanadischen Versicherungszeiten zur Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen nach dem Abkommen nicht möglich ist.

Die hüttenknappschaftliche Zusatzversicherung (HZV) ist eine zusätzliche Rentenversicherung auf öffentlich-rechtlicher Grundlage für Arbeitnehmer in den Betrieben der Saarhütten und anderer Unternehmen der eisenerzeugenden, eisenverarbeitenden und eisenweiterverarbeitenden Industrie im Saarland auf der Grundlage des Hüttenknappschaftlichen Zusatzversicherungs-Gesetzes (HZvG).

Die Alterssicherung der Landwirte ist die gesetzliche Altersversorgung für selbständige Landwirte sowie mitarbeitende Familienangehörige nach dem Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte (ALG).

Weitere erfasste Rechtsvorschriften

Bestimmte Regelungen des Abkommens gelten auch für andere Bereiche, erweitern quasi den sachlichen Geltungsbereich. So war der Export von Geldleistungen der gesetzlichen Unfallversicherung nach Kanada auch schon vor der Schaffung des § 97 SGB VII zum 01.01.1997 grundsätzlich möglich (Nr. 4 Buchst. a SP zum SVA-Kanada). Bescheide über Leistungen der Kriegsopferversorgung nach dem oder in entsprechender Anwendung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) und diesbezügliche Urteile können unmittelbar auch Personen in Kanada bekanntgegeben werden (Art. 18 Satz. 3 SVA-Kanada).

Bei einer in Kanada ausgeübten Beschäftigung/selbständigen Tätigkeit, die den deutschen Rechtsvorschriften über die Versicherungspflicht unterliegt, sind auch die deutschen Rechtsvorschriften über die gesetzliche Arbeitslosenversicherung (SGB III) anzuwenden (Nr. 4a SP zum SVA-Kanada). Durch die Versicherungspflicht (§ 25 Abs. 1 SGB III) sind Beschäftigte für den Fall einer anschließenden Arbeitslosigkeit in Deutschland geschützt.

Nicht erfasste Rechtsvorschriften

Das Abkommen erfasst nicht die deutschen Rechtsvorschriften über die gesetzliche Kranken- (SGB V) und Pflegeversicherung (SGB XI - siehe GRA zu KVdR/PflegeV/BZ Kanada), grundsätzlich nicht die Arbeitslosen- (SGB III) und Unfallversicherung (SGB VII) sowie das Schwerbehindertenrecht (SGB IX, Teil 2). Eine Schwerbehinderung kann jedoch auch bei gewöhnlichem Aufenthalt in Kanada vorliegen (siehe GRA zu Art. 12 SVA-Kanada).

Das deutsche Wiedergutmachungsrecht wird durch das Abkommen nicht berührt. Die Nr. 13 SP zum SVA-Kanada stellt sicher, dass deutsche Rechtsvorschriften, die günstigere Regelungen für Verfolgte des Nationalsozialismus enthalten, weiter angewandt werden können.

Verbot der multilateralen Vertragsanwendung

Der Art. 2 Abs. 2 SVA-Kanada schränkt die vom Abkommen erfassten Rechtsvorschriften (Art. 1 Abs. 1 Buchst. c SVA-Kanada) ein. Nicht darunter zu verstehen sind Bestimmungen, die sich aus zwischenstaatlichen Verträgen oder aus überstaatlichem Recht ergeben. Diese bleiben nach der Abwehrklausel (Nr. 2 Buchst. b SP zum SVA-Kanada) unberücksichtigt. Eine gleichzeitige Anwendung und Vermengung des Abkommens mit Kanada und anderer Abkommen oder überstaatlichen Rechts ist danach ausgeschlossen (Verbot der multilateralen Vertragsanwendung). Denn eine völkerrechtlich vereinbarte Sperre gegen die Verknüpfung mehrerer Abkommen setzt sich auch im innerstaatlichen Recht gegen den allgemeinen Grundsatz einer Zusammenrechnung aller berücksichtigungsfähigen Versicherungszeiten durch (BSG vom 21.01.1993, AZ: 13 RJ 7/91, SozR 3-6858 Nr. 2 und vom 27.01.1994, AZ: 5 RJ 44/90, SozR 3-2200 § 1263 Nr. 1).

Siehe Beispiel 1

Somit ist bei der Anspruchsprüfung nur eine Zusammenrechnung von deutschen und kanadischen Versicherungszeiten zulässig. Für Zeiten, die in die deutsche Versicherungslast übergegangen sind, bestehen Ausnahmen (siehe Abschnitt 3.1). Auch andere Regelungen des Abkommens, wie etwa zur Berechnung oder Zahlung, dürfen niemals multilateral, das heißt zugleich mit Vorschriften aus einem anderen Abkommen oder überstaatlichem Recht angewandt werden.

Ausnahmen vom Verbot

Vom Verbot der multilateralen Vertragsanwendung ausdrücklich ausgenommen sind Versicherungslastregelungen (Nr. 2 Buchst. c SP zum SVA-Kanada). Sie werden auch bei Anwendung des Abkommens mit Kanada berücksichtigt.

Im Rahmen von Versicherungslastregelungen sind mit verschiedenen Staaten Regelungen getroffen worden, wer aus bestimmten Versicherungszeiten eine Rente zu erbringen hat (siehe GRA zu Versicherungslastregelungen: EU/SVA). Fällt danach eine Zeit in die deutsche Last, so dass die Deutsche Rentenversicherung aus dieser eine Rente zu erbringen hat, wird diese übernommene Zeit auch bei der Anwendung des Abkommens berücksichtigt und dem kanadischen Träger als deutsche Versicherungszeit mitgeteilt (siehe GRA zu Art. 1 SVA-Kanada, Abschnitt 5).

Beachte:

Deutsche Zeiten, die in die Last eines anderen Vertragsstaats fallen, scheiden mit allen Konsequenzen aus der Deutschen Rentenversicherung aus und stehen dann für die Anwendung des Abkommens mit Kanada nicht mehr zur Verfügung (siehe GRA zu Art. 1 SVA-Kanada, Abschnitt 5.1).

Eine weitere Ausnahme vom Verbot der multilateralen Vertragsanwendung kann in der Anwendung des Grundsatzes der Nichtdiskriminierung aus dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (Art. 45 Abs. 2 AEUV), dem Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum (Art. 4 EWR-Abkommen) und dem Abkommen über die Freizügigkeit (Art. 2 AüF) gesehen werden. Die daraus resultierende Gleichbehandlung von Staatsangehörigen der EU-/EWR-Mitgliedstaaten und der Schweiz mit einem Deutschen sowie deren Hinterbliebenen mit Hinterbliebenen von Deutschen wird nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) vom 05.01.2002, Rechtssache C-55/00, Gottardo, auch bei Anwendung des Abkommens mit Kanada beachtet (siehe GRA zu Art. 4 SVA-Kanada, Abschnitt 2 und GRA zu Art. 5 SVA-Kanada, Abschnitt 2).

Schließlich stellt die Anwendung abweichender über- oder zwischenstaatlicher Rechtsvorschriften zur Erfüllung des Rentenanspruchs einerseits und zur Zahlung des Zuschusses nach § 106 SGB VI andererseits keinen Verstoß gegen das Verbot der multilateralen Vertragsanwendung in den bilateralen Sozialversicherungsabkommen dar (Sitzung AGZWSR 1/2016, TOP 4; siehe auch GRA zu Art. 5 SVA-Kanada, Abschnitt 2.5).

Weitere Anspruchsgrundlagen

Sofern neben dem Abkommen mit Kanada andere Abkommen oder überstaatliches Recht einschlägig sind, ist zwar eine mehrseitige Zusammenrechnung von Versicherungszeiten für den Anspruchserwerb ausgeschlossen, jedoch erfolgt auch eine Anspruchsprüfung nach den jeweiligen anderen Regelungen, wobei dem Berechtigten die günstigste Leistung gewährt wird.

Die Anwendung weiterer Anspruchsgrundlagen kann auf Regionalträgerebene dazu führen, dass ein anderer Regionalträger als Verbindungsstelle (siehe GRA zu § 127a SGB VI sowie GRA zu § 128 SGB VI) beteiligt wird (Mehrfachzuständigkeit). Dabei gilt der Grundsatz, dass die zuerst angegangene Verbindungsstelle das Verfahren betreibt und beteiligte Regionalträger als Verbindungsstelle zu anderen Staaten so früh wie möglich einbezieht. Nach Prüfung aller Ansprüche zahlt schließlich derjenige Regionalträger die Rente, bei dem sich der höchste Anspruch ergibt.

Zum Verfahren der Regionalträger bei Mehrfachzuständigkeit siehe GRA zu § 128 SGB VI, Abschnitt 3.8.

Zukunftsoffenheit

Der Art. 2 Abs. 3 SVA-Kanada erweitert die erfassten Rechtsvorschriften pro futuro. Ändern sich nach Unterzeichnung des Abkommens die erfassten Rechtsvorschriften (Art. 1 Abs. 1 Buchst. c SVA-Kanada), so gilt das Abkommen auch für diese Änderungen (Grundsatz der Zukunftsoffenheit), wie zum Beispiel das RV-Leistungsverbesserungsgesetz (BGBl. 2014 I S. 787). Dabei kann es sich um Änderungen durch Gesetze, Verordnungen oder sonstige allgemein rechtsetzende Akte handeln, wie zum Beispiel Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (§ 31 BVerfGG).

Neu eingeführte kanadische Leistungen und neue Gruppen von kanadischen Leistungsempfängern können entgegen der Zukunftsoffenheit durch die Pro-futuro-Regelung vom Abkommen ausgenommen werden (Nr. 2 Buchst. d SP zur SVA-Kanada). Dazu muss Kanada der Anwendung des Abkommens auf diese Neuerungen aber ausdrücklich innerhalb von drei Monaten nach der amtlichen Veröffentlichung widersprechen, also aktiv werden. Für Kanada besteht so die Möglichkeit, neue Leistungen und deren Berechtigte von der Anwendung des Abkommens auszunehmen, wenn diese in Deutschland kein Pendant haben und zu einem Ungleichgewicht bei der Anwendung des Abkommens führen würden.

Beispiel 1: Keine Vermengung von Anspruchsgrundlagen

(Beispiel zu Abschnitt 3)
Ein Versicherter hat in seinem Versicherungsleben folgende Versicherungszeiten zurückgelegt:
Versicherungszeiten nach deutschem Rechtvon 1984 bis 1987  
Versicherungszeiten in den USAvon 1988 bis 1998  
Versicherungszeiten in Kanadavon 1999 bis 2013  
Welche Zeiten sind im Rahmen des Abkommens mit Kanada zu berücksichtigen?
Lösung:
Bei der Anwendung des Abkommens mit Kanada sind nur die Versicherungszeiten von 1984 bis 1987 in Deutschland und die Zeiten von 1999 bis 2013 in Kanada heranzuziehen. Die Zeit von 1988 bis 1998 in den USA bleibt bei der Prüfung, ob die Anspruchsvoraussetzungen nach dem Abkommen mit Kanada erfüllt sind, außer Betracht.
Die Versicherungszeiten in den USA führen auch zur Anwendung des deutsch-amerikanischen Sozialversicherungsabkommens (SVA-USA). Hierbei bleiben allerdings die kanadischen Zeiten unberücksichtigt.
Gesetz zu dem Zusatzabkommen vom 27.08.2002 zum Abkommen vom 14.11.1985 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Kanada über Soziale Sicherheit

Inkrafttreten: 01.12.2003 (Abkommen), 28.07.2003 (Gesetz)

Quelle: BGBl. 2003 II S. 666, BGBl. 2003 II S. 1136

Das Zusatzabkommen fasste die Zweige der deutschen Rentenversicherung zusammen und stellte in Absatz 3 klar, dass das Abkommen auf künftige innerstaatliche Rechtsänderungen anzuwenden ist.

Gesetz zu dem Abkommen vom 14.11.1985 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Kanada über Soziale Sicherheit

Inkrafttreten: 01.04.1988 (Abkommen), 20.01.1988 (Gesetz)

Quelle: BGBl. 1988 II S. 26, BGBl. 1988 II S. 625

Mit dem vorgenannten Gesetz vom 12.01.1988 wurde das deutsch-kanadische Abkommen (SVA-Kanada) vom 14.11.1985 Bestandteil der deutschen Rechtsordnung. Das Abkommen ist am 01.04.1988 nach Austausch der Ratifikationsurkunden in Kraft getreten.

Zusatzinformationen

Rechtsgrundlage

Art. 2 SVA-Kanada