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Art. 46 VO (EG) Nr. 883/2004: Leistungen bei Invalidität und Beteiligung von Rechtsvorschriften des Typs B

Änderungsdienst
veröffentlicht am

12.11.2019

Änderung

Dokumentdaten
Stand12.03.2015
Version001.01

Inhalt der Regelung

Absatz 1 bestimmt die anzuwendenden Rechtsvorschriften für Invaliditätsleistungen, wenn mindestens ein Mitgliedstaat mit einem Invaliditätsrentensystem des Typs B (zum Beispiel Deutschland) beteiligt ist.

In Absatz 2 werden die Voraussetzungen beschrieben, unter denen Anspruchsprüfung und Rentenberechnung bei Invaliditätsrentensystemen des Typs A erfolgen. Diese Vorschrift hat für die deutsche Rentenversicherung keine Bedeutung.

Über Absatz 3 sind von einem Träger der in Anhang VII VO (EG) Nr. 883/2004 genannten Mitgliedstaaten getroffene Entscheidungen über die Anerkennung der Invalidität für jeden anderen Träger dieser Mitgliedstaaten verbindlich.

Ergänzende/korrespondierende Regelungen

  • Art. 44, 45 VO (EG) Nr. 883/2004
  • Art. 44 Abs. 1 VO (EG) Nr. 883/2004 definiert die im Kapitel 4 des Titels III der VO (EG) Nr. 883/2004 (Art. 44 bis 49) für Leistungen bei Invalidität vorgenommene Unterscheidung in Rechtsvorschriften des „Typs A“ und „Rechtsvorschriften des „Typs B“. Darüber hinaus bestimmen Art. 44 und 45 VO (EG) Nr. 883/2004, wie Invaliditätsleistungen des Typs A (von der Versicherungsdauer unabhängige Invaliditätsleistungen, die in Anhang VI VO (EG) Nr. 883/2004 eingetragen sind) koordiniert werden.
  • Kapitel 5 VO (EG) Nr. 883/2004
    Die Vorschriften des Kapitels 5 (Art. 50 bis 60 VO (EG) Nr. 883/2004) regeln die Feststellung von Renten wegen Alters und Todes. Sie gelten über Art. 46 Abs. 1 VO (EG) Nr. 883/2004 auch, wenn Invaliditätsleistungen des Typs B (zum Beispiel deutsche Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit) festzustellen sind.
  • Anhang VI VO (EG) Nr. 883/2004
    Anhang VI benennt die Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten, nach denen die Höhe der Leistungen bei Invalidität nicht von der Dauer der Versicherungszeit abhängt und die der Sonderkoordinierung des Art. 44 Abs. 2 und 3 VO (EG) Nr. 883/2004 unterliegen sollen (Typ A-Leistungen). Alle anderen Invaliditätsleistungen (Typ B-Leistungen) unterliegen der Koordinierung des Art. 46 Abs. 1 VO (EG) Nr. 883/2004.
  • Anhang VII VO (EG) Nr. 883/2004
    Anhang VII benennt die Mitgliedstaaten, für die die Tatbestandsmerkmale für die Anerkennung von Invalidität (Erwerbsminderungsstufen) als übereinstimmend anerkannt wurden.

Feststellung von Invaliditätsleistungen nach Typ B

Unter die Typ B-Leistungen fallen die von der Dauer der Versicherungszeiten abhängigen Invaliditätsleistungen sowie die von der Dauer der Versicherungszeiten unabhängigen Invaliditätsleistungen, die nicht in Anhang VI VO (EG) Nr. 883/2004 aufgenommen wurden (vergleiche GRA zu Art. 44 VO (EG) Nr. 883/2004, Abschnitt 2).

In Deutschland sind die Leistungen bei Invalidität (nach der Terminologie des SGB VI die Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nach §§ 43 ff., 240 ff. SGB VI - vergleiche auch Abschnitt 3.1) von der Dauer der Versicherungszeiten abhängig und daher Leistungen nach Typ B. Die Feststellung der deutschen Invaliditätsleistung erfolgt nach Art. 46 Abs. 1 VO (EG) Nr. 883/2004.

Gelten für eine Person ausschließlich die Rechtsvorschriften des Typs B oder galten für sie sowohl die Rechtsvorschriften nach Typ A als auch nach Typ B, so sind gemäß Art. 46 Abs. 1 VO (EG) Nr. 883/2004 die Vorschriften des Kapitels 5 (Art. 50 ff. VO (EG) Nr. 883/2004) anzuwenden. Gemäß Kapitel 5, VO (EG) Nr. 883/2004 sind prinzipiell alle beteiligten Mitgliedstaaten (teil-)leistungspflichtig. Sofern sich ein Invaliditätsrentenantrag auch auf Leistungen der deutschen Rentenversicherung erstreckt, bedeutet dies immer, dass sich in allen beteiligten Mitgliedstaaten (auch in denen die Invaliditätsleistung von der Dauer der Versicherungs- oder Wohnzeiten unabhängig ist und die in Anhang VI VO (EG) Nr. 883/2004 aufgenommen wurden - Typ A-Leistungen) Anspruchsprüfung und Rentenberechnung nach Kapitel 5, Art. 50 bis Art. 60 VO (EG) Nr. 883/2004 zu richten haben.

Verfahren zur Anerkennung der Invalidität

In der VO (EG) Nr. 883/2004 sind weder der Begriff der Invalidität noch Kriterien für die Anerkennung der Invalidität definiert. Daher hat der zuständige Versicherungsträger eines jeden Mitgliedstaates das Vorliegen von Invalidität nach seinen nationalen Rechtsvorschriften zu prüfen. In der deutschen Rentenversicherung erfolgt dies nach den einschlägigen Vorschriften des SGB VI gegebenenfalls unter Hinzuziehung ausländischer ärztlicher Unterlagen. Eine Verpflichtung zur Berücksichtigung von Entscheidungen anderer mitgliedstaatlicher Versicherungsträger über die Invalidität kennt das Europarecht grundsätzlich nicht (Ausnahme vergleiche Abschnitt 3.3).

Deutsche Leistungen bei Invalidität

Als Leistungen bei Invalidität im Sinne des Europarechts gelten die folgenden Leistungen der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung:

Bestimmung des bisherigen Berufs (Hauptberuf)

Für die Beurteilung von Berufsunfähigkeit nach § 240 Abs. 2 SGB VI ist der "bisherige Beruf" (Hauptberuf) zu ermitteln (vergleiche GRA zu § 240 SGB VI: Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit, Abschnitt 3).

Bei Anwendung des Europarechts wird dabei von einer einheitlichen "europäischen" Berufslaufbahn ausgegangen. Das heißt, es sind auch in anderen Mitgliedstaaten ausgeübte versicherungspflichtige Beschäftigungen oder Tätigkeiten zu berücksichtigen (vergleiche EuGH-Urteil vom 07.06.1988, Rechtssache 20/85, Roviello und BSG vom 21.09.1988, AZ: 5/5b/1 RJ 114/83, SozR 2200 § 1246 Nr. 159). Heranzuziehen sind sämtliche Beschäftigungen und Tätigkeiten, die während der Zugehörigkeit zu allen nach dem Europarecht relevanten gesetzlichen Pflichtversicherungen der Mitgliedstaaten als Arbeitnehmer oder als Selbständiger ausgeübt wurden. Während der Zugehörigkeit zu einer Einwohner- oder Volksrentenversicherung kommen aber nur Beschäftigungen als Arbeitnehmer, Selbständiger oder sonstige Berufstätigkeiten in Betracht. Tätigkeiten während einer freiwilligen Versicherung im Mitgliedstaat werden nicht berücksichtigt.

Der so ermittelte bisherige Beruf wird sowohl für den innerstaatlichen, als auch für den zwischenstaatlichen Anspruch zugrunde gelegt.

Bei der qualitativen Bewertung des bisherigen Berufes nach dem Mehrstufenschema (vergleiche GRA zu § 240 SGB VI: Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit, Abschnitt 4) sind allein die in Deutschland geforderten theoretischen und praktischen Kenntnisse und Fertigkeiten maßgebend. Diese Kenntnisse und Fertigkeiten können allerdings auch durch eine Ausbildung oder praktische Tätigkeit im Ausland erworben worden sein (vergleiche BSG vom 29.11.1978, AZ: 5 RKn 4/77, SozR 2600 § 45 RKG Nr. 24).

Wechselseitige Anerkennung der Invalidität

Für Belgien, Frankreich und Italien sind die Tatbestandsmerkmale für die Anerkennung von Invalidität (Erwerbsminderungsstufen) in Anhang VII VO (EG) Nr. 883/2004 als übereinstimmend anerkannt worden. Eine von einem Träger dieser Mitgliedstaaten getroffene Entscheidung über die Invalidität ist damit gemäß Art. 46 Abs. 3 VO (EG) Nr. 883/2004 auch für jeden anderen Träger dieser drei Mitgliedstaaten verbindlich.

Die Bundesrepublik Deutschland ist in Anhang VII VO (EG) Nr. 883/2004 nicht aufgeführt. Für sie gilt Art. 46 Abs. 3 VO (EG) Nr. 883/2004 daher nicht. Die unterschiedlichen Definitionen von Invalidität beziehungsweise einer verminderten Erwerbsfähigkeit ließen eine Eintragung Deutschlands in Anhang VII VO (EG) Nr. 883/2004 bisher nicht zu.

Das Vorliegen von Invalidität nach den deutschen Rechtsvorschriften beurteilt sich nach §§ 43 ff., 240 ff. SGB VI (Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit). Da die Tatbestandsmerkmale für das Vorliegen von Erwerbsminderung nach deutschem Recht nicht denen für eine Erwerbsminderungsstufe nach den Vorschriften eines anderen Mitgliedstaats entsprechen, hat eine Entscheidung eines anderen Mitgliedstaates keine Auswirkung auf das deutsche Verfahren zur Anerkennung der Invalidität. Die entsprechende Entscheidung ist allein von deutschen Trägern ohne Bindung an eine vorangegangene Entscheidung des Trägers eines anderen Mitgliedstaates zu treffen.

Arbeitsunfähigkeit im anderen Mitgliedstaat

In einigen Mitgliedstaaten (zum Beispiel Estland, Finnland, Griechenland, Irland, Lettland, Schweden, Tschechische Republik und Vereinigtes Königreich) kann die Gewährung von Leistungen wegen Invalidität davon abhängig sein, dass in bestimmten Zeiträumen Geldleistungen bei Krankheit gewährt wurden oder dass Arbeitsunfähigkeit vorlag.

Die Träger dieser Mitgliedstaaten haben bei der Prüfung ihres Leistungsanspruchs die in anderen Mitgliedstaaten zurückgelegten Zeiten

  • der Arbeitsunfähigkeit, in denen Geldleistungen wegen Krankheit gezahlt wurden oder in denen Lohnfortzahlung im Krankheitsfall erfolgte und
  • in denen Leistungen (Renten) „im Sinne der Kapitel 4 und 5 VO (EG) Nr. 883/2004“ gewährt werden, die auf Invalidität beruhen,

so zu berücksichtigen, als ob es sich um nach ihren Rechtsvorschriften zurückgelegte Zeiten der Arbeitsunfähigkeit oder des Leistungsbezuges wegen Krankheit handelt. Eine entsprechende Regelung war bisher in Art. 40 Abs. 3 VO (EWG) Nr. 1408/71 enthalten. Diese Regelung ist auf Grund der in Art. 5 VO (EG) Nr. 883/2004 normierten Sachverhaltsgleichstellung (GRA zu Art. 5 VO (EG) Nr. 883/2004) nicht mehr erforderlich und ist deshalb entfallen.

Im Antragsdokument für Invaliditätsleistungen SED P2200 DE (oder übergangsweise im Formblatt E 204 DE) müssen diese Sachverhalte dem mitgliedstaatlichen Träger mitgeteilt beziehungsweise auf dessen Rückfrage gegebenenfalls ermittelt werden. Dabei gelten folgende deutsche Renten als Leistungen „im Sinne der Kapitel 4 und 5 VO (EG) Nr. 883/2004“, die auf Invalidität beruhen:

Der Charakter dieser Leistungen verändert sich nicht, auch wenn nach Vollendung des 60. Lebensjahres die Voraussetzungen für die Gewährung einer (anderen) Altersrente erfüllt werden. Anfragen der mitgliedstaatlichen Träger nach dem Charakter der deutschen Altersrente werden in diesem Sinne beantwortet.

VO (EG) Nr. 883/2004 vom 29.04.2004

Inkrafttreten: 20.05.2004

Anzuwenden ab: 01.05.2010

Quelle: Amtsblatt (EU) Nr. L 200/1 vom 07.06.2004 (berichtigte Fassung)

Art. 46 VO (EG) Nr. 883/2004 ist mit der VO (EG) Nr. 883/2004 vom 29.04.2004 am 20.05.2004 in Kraft getreten und ab 01.05.2010 anwendbar (Art. 91 Satz 2 VO (EG) Nr. 883/2004).

Art. 46 Abs. 1 und 2 VO (EG) Nr. 883/2004 entsprechen inhaltlich Art. 40 Abs. 1 und 2 VO (EWG) Nr. 1408/71.

Absatz 3 entspricht inhaltlich Art. 40 Abs. 4 VO (EWG) Nr. 1408/71.

Mit der VO (EG) Nr. 883/2004 konnte eine wesentliche Vereinfachung und Vereinheitlichung des Verfahrens der Koordinierung von Invalidenrentenansprüchen erreicht werden. Mitgliedstaaten, deren Leistungen wegen Invalidität nicht von der Dauer der zurückgelegten Versicherungszeiten abhängen, müssen diese Leistungen ausdrücklich in Anhang VI VO (EG) Nr. 883/2004 aufnehmen lassen, wenn sie die Leistungsansprüche wie bisher koordinieren wollen.

Alle anderen Mitgliedstaaten wenden über Art. 46 Abs. 1 VO (EG) Nr. 883/2004 unabhängig von der Ausgestaltung ihres jeweiligen Invaliditätsrentensystems die Koordinierung der Leistungen wegen Invalidität nach Kapitel 5 VO (EG) Nr. 883/2004 (Art. 50 bis 60 VO (EG) Nr. 883/2004) an.

Damit haben Mitgliedstaaten die Möglichkeit, durch Nichtaufnahme eigentlich von der Versicherungsdauer unabhängiger Invaliditätsleistungen in Anhang VI VO (EG) Nr. 883/2004 zu entscheiden, dass diese wie Leistungen des Typs B zu behandeln sind. Von dieser Möglichkeit haben Belgien, Frankreich und die Niederlande Gebrauch gemacht.

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