Navigation und Service

Logo der Deutschen Rentenversicherung (Link zur Startseite rvRecht)

rvRecht® - Rechtsportal der Deutschen Rentenversicherung

1 RA 111/74

Tatbestand

Streitig ist die Höhe des Beitragssatzes, nach welcher die Nachversicherung für den Beigeladenen durchzuführen ist.

Der im Jahre 1933 geborene Beigeladene war vom 10.2.1955 bis 30.6.1956 beim Bundesgrenzschutz Polizeivollzugsbeamter auf Widerruf und anschließend bis 9.2.1965 bei der Bundeswehr Soldat auf Zeit; während des gesamten Zeitraumes wurden für ihn keine Beiträge zur Rentenversicherung entrichtet.

Bei der Nachversicherung des Beigeladenen legte die Klägerin für die Zeit vom 10.2.1955 bis 30.6.1956 einen Beitragssatz von 11 v.H. und für den anschließenden Zeitraum bis Februar 1965 einen Beitragssatz von 14 v.H. zu Grunde. Die Beklagte war dagegen der Auffassung, daß der Übertritt vom Bundesgrenzschutz zur Bundeswehr lediglich einen Wechsel des Ressorts, nicht aber einen Wechsel des Dienstherrn darstelle. Zeitpunkt des Ausscheidens aus der versicherungsfreien Beschäftigung im Sinne des § 124 Abs. 1 Satz 1 AVG sei daher der 9.2.1965, so daß für die Nachversicherung der Dienstzeit sowohl beim Bundesgrenzschutz als auch bei der Bundeswehr ein Beitragssatz von 14 v.H. maßgeblich sei. Die Beklagte forderte deshalb von der Klägerin eine Nachzahlung von 122,21 DM (Bescheid vom 18.12.1970, Widerspruchsbescheid vom 22.4.1971).

Klage und Berufung der Klägerin blieben ohne Erfolg. Das LSG bestätigte die übereinstimmenden Rechtsauffassungen der Beklagten und des SG im wesentlichen mit folgender Begründung: Entgegen der Ansicht der Klägerin könne in dem Übertritt des Beigeladenen vom Bundesgrenzschutz zur Bundeswehr am 1.7.1956 kein Ausscheiden aus der versicherungsfreien Beschäftigung gemäß § 124 Abs. 1 AVG gesehen werden, weil Dienstherr des Beigeladenen damals weiterhin der Bund geblieben sei. Ein Ausscheiden im Sinne dieser Vorschrift liege grundsätzlich nicht vor, wenn der Dienstherr nicht gewechselt werde, sondern lediglich der Übertritt zu einem anderen Ressort desselben Dienstherrn erfolge. Dies ergebe sich auch unmittelbar aus der in § 6 Abs. 1 Nr. 2 AVG in Verb, mit § 9 Abs. 1 AVG getroffenen gesetzlichen Regelung, wonach eine Nachversicherung dann vorzunehmen sei, wenn Personen aus dem Dienst des Bundes, der Länder, der Gemeindeverbände, der Gemeinden usw. ausscheiden. Der Gesetzgeber hätte diese Formulierung dann nicht gewählt, wenn der Nachversicherungsfall schon dadurch ausgelöst würde, daß durch einen Ressortwechsel die Zuständigkeit einer anderen fiskalischen Kasse begründet werde. Schon aus diesem Grunde könne für den Eintritt des Nachversicherungsfalles nicht von Bedeutung sein, ob die Versicherungsfreiheit bei aufeinander folgenden Beschäftigungsverhältnissen auf jeweils unterschiedlichen Bezugsvorschriften - hier: § 6 Abs. 1 Nr. 5 und Nr. 6 AVG - beruhe (Urteil vom 9.4.1974).

Die Klägerin hat die vom LSG zugelassene Revision eingelegt. Sie rügt Verletzungen des materiellen Rechts durch das Berufungsgericht. Die Klägerin beantragt,

  • das angefochtene Urteil und das Urteil des SG Düsseldorf vom 11.12.1972 sowie den Bescheid der Beklagten vom 18.12.1970 i.d.F. des Widerspruchsbescheides vom 22.4.1971 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

  • die Revision zurückzuweisen.

Der Beigeladene ist im Revisionsverfahren nicht durch einen beim BSG zugelassenen Prozeßbevollmächtigten (§ 166 Abs. 2 SGG) vertreten.

Entscheidungsgründe

Die durch Zulassung statthafte Revision der Klägerin ist nicht begründet.

Das LSG hat zu Recht angenommen, daß der Beigeladene erstmals im Februar 1965 aus der versicherungsfreien Beschäftigung ausgeschieden ist, so daß die versicherungsfreie Zeit bereits vom 10.2.1955 an nach einem einheitlichen Beitragssatz von 14 v.H. im Sinne des § 112 Abs. 1 AVG in der bis zum 31.12.1967 gültigen Fassung nachzuversichern ist (§§ 9, 124 Abs. 1 AVG in Verb. mit Artikel 2 § 4 Abs. 1 AnVNG). Ein Ausscheiden aus der versicherungsfreien Beschäftigung nach §124 Abs. 1 AVG kann in der Regel nicht angenommen werden, wenn im öffentlichen Dienst lediglich ein bloßer Laufbahnwechsel mit geänderter Ressortzuständigkeit bei demselben Dienstherrn eintritt. Dies ist nicht nur die allgemeine Meinung im Schrifttum, sondern entspricht auch der Auffassung der Klägerin (vgl. Koch / Hartmann / v. Altrock / Fürst, AVG, Band IV, Teil V, Anm. B II zu § 9 AVG; Hanow / Lehmann / Bogs, Reichsversicherungsordnung, 5. Aufl., Anm. 6 zu § 1232 RVO; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, Band III S. 626 h III; Verbandskommentar zur RVO, 6. Aufl., Anm. 4 zu § 1232 RVO; Elsholz-Theile, die gesetzliche Rentenversicherung, Synoptischer Kommentar, Anm. 2 zu § 9 AVG und Anm. 2 b zu § 125 AVG; Eicher / Haase / Rauschenbach, Die Rentenversicherung der Arbeiter und der Angestellten, 5. Aufl., Anm. 4 zu § 1403 RVO/§ 125 AVG; Zimmer, Rentenversicherung der Arbeiter und der Angestellten, 2. Aufl., Anm. 4 zu § 125 AVG; ebenso Bundesminister des Innern vom 7.11.1957 - VI B 2 - 64 407 B - 1042/57, abgedruckt bei Püllmann-Binz, Wehrdienst und Sozialversicherung, Band 1 S. 375 sowie Erlaß des Bundesministers der Verteidigung vom 5. 2. 1968 in VMBI S. 194, 197 und Neufassung vom 14.2.1973 in VMBI S. 111, 114 unter Nr. 14). Der für ein Ausscheiden im Sinne der genannten Vorschrift in der Regel erforderliche Wechsel des Dienstherrn kommt indes bei der gesetzlichen Umwandlung des Dienstverhältnisses des Beigeladenen bei der Klägerin am 1.7.1956 vom Polizeivollzugsbeamten auf Widerruf zum Soldaten auf Zeit entsprechend den §§ 2 und 5 des Zweiten Gesetzes über den Bundesgrenzschutz vom 30.5.1956 (BGBl. I S. 436) nicht in Betracht.

Nach der Entscheidung des erkennenden Senats vom 18.1.1962 (BSG Bd. 16 S. 112) könnte allerdings auch ohne tatsächliches Ausscheiden aus einer Beschäftigung beim gleichen Dienstherrn ein für die Berechnung der nachzuentrichtenden Beiträge maßgebender Nachversicherungsfall gegeben sein, wenn durch eine Änderung der Rechtslage die bisherige Versicherungsfreiheit wegfällt. Insoweit ist der Revision zwar zuzugeben, daß es für die Zeit vom 1.4.1956 (Inkrafttreten des Soldatengesetzes vom 19.3.1956, BGBl. I S. 114) bis zum Inkrafttreten des § 6 Abs. 1 Nr. 6 AVG am 1.3.1957 (Artikel 3 §7 AnVNG) an ausdrücklichen gesetzlichen Vorschriften fehlte, welche die sozialversicherungsrechtliche Stellung der Berufssoldaten und der Soldaten auf Zeit regelten (vgl. hierzu Jantz-Zweng, Das neue Recht der Rentenversicherung der Arbeiter und der Angestellten, 1. Aufl., Anm. IV S. 281 und Elsholz-Theile, a.a.O., Anm. 7 zu Art. 2 § 4 AnVNG). Gleichwohl ist von der Versicherungsfreiheit des Beigeladenen auch in diesem Zeitraum auszugehen, weil sich nach Artikel 2 § 4 Abs. 4 AnVNG bei Soldaten auf Zeit und Berufssoldaten eine Nachversicherung nach § 9 AVG auch auf die Zeit einer Wehrdienstleistung nach dem 31.3.1956 erstreckt. Unter Beachtung dieser besonderen Übergangsregelung kann es nicht darauf ankommen, daß der Beigeladene von seiner versicherungsfreien Beschäftigung als Beamter auf Widerruf (§ 169 Abs. 1 und 2 RVO in der bis zum 28.2.1957 geltenden Fassung) am 1.7.1956 in eine ‘Beschäftigung" als Soldat auf Zeit übergetreten war, die bis zum Inkrafttreten des § 6 Abs. 1 Nr. 6 AVG am 1.3. 1957 nicht versicherungspflichtig gewesen ist. Zwei nachzuversichernde Zeiträume schließen sich vielmehr nahtlos aneinander an, so daß bei rückschauender Betrachtung ein durchgehendes Dienstverhältnis beim Bund vorgelegen hat.

Der weitere im Urteil des BSG vom 28.2.1967 (BSG Bd. 26 S. 136) entschiedene Ausnahmefall, daß die Nachversicherungspflicht - unter Aufschub der Beitragsentrichtung (§ 125 AVG) - auch dann zu bejahen ist, wenn der Beschäftigte bei ein und demselben Arbeitgeber aus einer an sich arbeiterrentenversicherungspflichtigen in eine an sich angestelltenversicherungspflichtige Beschäftigung übertritt (oder umgekehrt), liegt hier ebenfalls nicht vor. Der Beigeladene gehört als Polizeivollzugsbeamter auf Widerruf zu einer Berufsgruppe, die an sich der Angestelltenversicherungspflicht unterliegt (vgl. Abschnitt A XVIII Nr. 1 der Bestimmung von Berufsgruppen in der Angestelltenversicherung vom 8.3.1924, RGBI. I S. 274, 410). Deshalb hat der Bundesminister des Innern angeordnet, daß im Falle des versorgungslosen Ausscheidens von Polizeivollzugsangehörigen des Bundesgrenzschutzes die Nachversicherung in der Angestelltenversicherung durchzuführen ist (vgl. Erlaß vom 20.12.1954 bei Püllmann-Binz, a.a.O., S. 374/375). Es besteht kein Anhalt dafür, daß der vom Beigeladenen im Anschluß an seine Bundesgrenzschutzzeit ausgeübte Dienst bei der Bundeswehr seiner Art nach nicht ebenfalls eine an sich angestelltenversicherungspflichtige Beschäftigung gewesen ist (vgl. hierzu Koch / Hartmann /v. Altrock / Fürst, a.a.O., Anm. C II 2 zu § 9 AVG). Gegenteiliges wird auch von der Revision nicht vorgetragen. Die Klägerin geht vielmehr selbst davon aus, daß - unter Berücksichtigung des § 9 Abs. 3 AVG - die Dienstzeit des Beigeladenen in der Bundeswehr ebenfalls in der Rentenversicherung der Angestellten nachzuversichern ist.

Nach alledem muß der Revision der Erfolg versagt bleiben.

Zusatzinformationen