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§ 84 SGG: Frist und Form des Widerspruchs - Zulässigkeit eines Widerspruchs

Änderungsdienst
veröffentlicht am

07.02.2022

Änderung

Abschnitt 10.2 erhält Hinweise zum Widerspruch eines Anwalts über das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA).

Dokumentdaten
Stand31.01.2022
Erstellungsgrundlage in der Fassung des Gesetzes zur Einführung der elektronischen Akte in der Justiz und zur weiteren Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs vom 05.07.2017 in Kraft getreten am 01.01.2018
Rechtsgrundlage

§ 84 SGG

Version004.00

Inhalt der Regelung

Der Widerspruch als förmlicher Rechtsbehelf gegen einen von der Behörde erlassenen Verwaltungsakt ist Teil des verfassungsrechtlich garantierten Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG). Die Rechtswegzuweisung zur Sozialgerichtsbarkeit erfolgt über § 62 SGB X. § 84 SGG regelt Frist und Form des Widerspruchs.

Bezeichnung als Widerspruch

Ein Widerspruch muss nicht als solcher bezeichnet sein. Ein Schreiben, aus dem hervorgeht, dass der Betroffene mit einem Bescheid nicht einverstanden ist, reicht aus. In diesem Zusammenhang ist stets der Wille des Widerspruchsführers zu ermitteln (§ 133 BGB). Ergibt sich aus dem Inhalt einer Erklärung in Verbindung mit den offensichtlichen Umständen zweifelsfrei, dass ein Rechtsbehelf eingelegt werden soll, darf er nicht als unzulässig behandelt werden, weil er unzulänglich formuliert ist (Beschluss des BVerfG vom 10.08.1999, AZ: 2 BvR 184/99, NJW 2000, 649-650).

Inhalt des Widerspruchs

Der Widerspruch muss weder einen Antrag noch eine Begründung enthalten. Deshalb ist im Zweifel anzunehmen, dass der Widerspruchsführer eine „Überprüfung“ in vollem Umfang begehrt, also aller Verfügungssätze (beziehungsweise Verwaltungsakte, siehe Abschnitt 5) des angefochtenen Bescheides (Beschluss des BSG vom 31.01.2008, AZ: B 13 R 43/07 B). Widersprüche, die ohne Begründung eingereicht werden, sind nicht als unzulässig zurückzuweisen.

Ein Widerspruch kann während des anhängigen Verfahrens erweitert oder eingeschränkt werden. Das gilt insbesondere dann, wenn der Ausgangsbescheid ersetzt oder ergänzt wird (§ 86 SGG). Einschränkungen ergeben sich nur, soweit bereits eine Abhilfe erfolgt ist (siehe GRA zu § 85 SGG).

Verwaltungsakt muss angefochten werden

Der Widerspruch muss sich gegen einen Verwaltungsakt (siehe GRA zu § 31 SGB X) richten. Bevor der Widerspruchsführer überhaupt eine Beschwer (siehe Abschnitt 7) geltend machen kann, muss deshalb eine Regelung ergangen sein, die in seine Rechte eingreift (unter anderem Urteil des BSG vom 22.06.2004, AZ: B 2 U 22/03 R).

Ein Bescheid kann mehrere Verwaltungsakte enthalten

Erhebt der Betroffene Widerspruch, wendet er sich regelmäßig gegen einen Bescheid schlechthin. Bei der Prüfung des Vorliegens eines Verwaltungsaktes ist jedoch genau zu differenzieren, welche Einzelregelung angegriffen wird.

Soweit ein Widerspruch gegen einen Rentenbescheid erhoben wird, können damit vier eigenständige Regelungen (Verwaltungsakte) angefochten sein (unter anderem BSG vom 23.03.1999, AZ: B 4 RA 41/98 R, SozR 3-1300 § 31 Nr. 13, BSG vom 31.05.1978, AZ: 5 RJ 76/76, SozR 1500 § 77 Nr. 29). Bei den vier Verwaltungsakten handelt es sich um die Entscheidungen über

  • die Rentenart,
  • die Rentenhöhe,
  • den Rentenbeginn und
  • die Rentendauer (bei befristeten Renten)

des anerkannten subjektiven Rechts.

Die genannten Verwaltungsakte können deshalb auch zu unterschiedlichen Zeitpunkten in Bestandskraft erwachsen. Wehrt sich beispielsweise ein Versicherter ausschließlich und ausdrücklich gegen die Befristung in seinem Rentenbescheid, so erwachsen die anderen Verwaltungsakte (und damit auch die der Rentenberechnung zugrunde liegenden Versicherungszeiten) in Bindung.

Ein Feststellungsbescheid im Sinne von § 149 Abs. 5 SGB VI beinhaltet eine Vielzahl von Einzelregelungen (Verwaltungsakte) jeweils über den Rechtscharakter und zeitlichen Umfang der einzelnen rentenrechtlichen Zeit (unter anderem Urteile des BSG vom 30.03.2004, AZ: B 4 RA 36/02 R und AZ: B 4 RA 46/02 R, SozR 4-2600 § 149 Nr. 1).

Widerspruch gegen „Lücken“ im Feststellungsbescheid

Bei einer „Lücke“ im Feststellungsbescheid handelt es sich grundsätzlich nicht um einen Verwaltungsakt. Das Bundessozialgericht hat in diesem Zusammenhang entschieden, dass "Schweigen" einer Behörde zu einem bestimmten Sachverhalt keine Regelung darstellt. Schweigen ist grundsätzlich weder eine zustimmende noch eine ablehnende, sondern keinerlei Willensbetätigung und somit auch kein Verwaltungsakt (vergleiche BSG vom 17.10.2006, AZ: B 5 RJ 66/04 R, in SozR 4-1300 § 63 Nr. 5, und BSG vom 23.08.2007, AZ: B 4 RS 7/06 R). Ein derartiger Widerspruch ist deshalb in der Regel unzulässig.

Wenn jedoch im Kontenklärungsverfahren die Vormerkung von Daten beantragt wurde, über die die Behörde hätte entscheiden müssen, dies aber (aus welchem Grund auch immer) nicht getan hat, ist in der „Lücke“ im Feststellungsbescheid ein ablehnender Verwaltungsakt zu sehen. Ein Widerspruch ist zulässig.

Wird Widerspruch gegen einen Rentenbescheid erhoben und eine fehlende Zeit geltend gemacht beziehungsweise eine „Lücke“ im Versicherungsverlauf beanstandet, ist der Widerspruch zulässig. Angefochten ist dann der Verwaltungsakt über die Rentenhöhe. Der Versicherungsverlauf stellt „lediglich“ die Berechnungsgrundlage (das Begründungselement) dar (unter anderem Urteil des BSG vom 23.08.2005, AZ: B 4 RA 21/04 R). Das gleiche gilt für den Fall, dass ein Widerspruch gegen den Rentenbescheid erhoben und die Überprüfung einer bindend abgelehnten oder erstmals festgestellten Zeit begehrt wird. Hintergrund ist auch hier die Tatsache, dass der Feststellungsbescheid im Rentenbescheid aufgeht.

Beschwer (Verletzung eigener Rechte)

Der Widerspruchsführer muss grundsätzlich eine Verletzung der eigenen Rechtsposition (sogenannte Beschwer) geltend machen.

Eine Beschwer liegt vor, wenn vorgetragen wird, ein in persönliche Rechte eingreifender Verwaltungsakt müsse beseitigt werden (sogenannte „formelle Beschwer“). Die Behauptung, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig ist, genügt. Ob der Widerspruchsführer tatsächlich (materiell-rechtlich) beschwert ist, ist eine Frage der Begründetheit (siehe GRA zu § 85 SGG).

Beschwert sein kann jeder Adressat eines Verwaltungsaktes oder ein beteiligter Dritter. Das heißt, er selbst muss eine Rechtsbeeinträchtigung oder ein Betroffensein durch eine Regelung der Behörde geltend machen. Dies gilt zum Beispiel auch für Träger der Sozialhilfe beziehungsweise Jugendämter, die ihren Widerspruch auf § 95 SGB XII beziehungsweise § 97 SGB VIII stützen können. Von diesen oder entsprechenden Vorschriften abgesehen, haben erstattungsberechtigte Leistungsträger jedoch nicht das Recht, Widerspruch gegen einen Rentenbescheid einzulegen.

Ein Widerspruch ist nicht möglich, wenn die Behörde nicht tätig wurde. Dann stehen dem Betroffenen die Instrumente des Antrages (siehe GRA zu § 18 SGB X) oder der Untätigkeitsklage offen (siehe GRA zu § 88 SGG).

Rechte von Dritten können nicht eingefordert werden. So hat beispielsweise ein geschiedener Ehemann keine Widerspruchsbefugnis gegen den Rentenbewilligungsbescheid der geschiedenen Ehefrau, unabhängig davon, ob dieser Auswirkungen auf die Rentenhöhe des Mannes hat (BSG vom 25.11.1986, AZ: 11a RA 18/85, SozR 1500 § 54 Nr. 71).

Fehlende Vollmacht

Kann ein Bevollmächtigter im Widerspruchsverfahren keine Vollmacht nachweisen, ist der von ihm erhobene Widerspruch unzulässig. Eine Vollmacht muss spätestens zum Tag der Entscheidung der Widerspruchsstelle vorliegen. Ist das nicht der Fall, ist der Widerspruch gegenüber dem vermeintlichen Vollmachtgeber (in der Regel der Versicherte oder Hinterbliebene) als unzulässig zurückzuweisen. In diesem Zusammenhang ist die Frist des § 88 Abs. 2 SGG zu beachten; der Schriftwechsel der Sachbearbeitung zur fehlenden Vollmachtserklärung darf nicht dazu führen, dass Untätigkeitsklage erhoben wird.

Frist

Die Frist, in der ein Widerspruch einzureichen ist, beträgt bei Bekanntgabe des Verwaltungsaktes im Inland einen Monat (§ 84 Abs. 1 SGG). Für das Ausland gilt eine Frist von drei Monaten. Zur Fristberechnung wird auf die Ausführungen in der GRA zu § 64 SGG verwiesen.

Die Frist beginnt mit der Bekanntgabe des Verwaltungsaktes an den Bescheidempfänger (Adressaten). Die Form der Bekanntgabe des Verwaltungsaktes (Bescheides) richtet sich nach § 37 SGB X. Wurde der angefochtene Bescheid zugestellt (Einschreiben gemäß § 4 VwZG, siehe GRA zu § 64 SGG, Abschnitt 5.3), gilt ebenfalls die Frist des § 84 Abs. 1 SGG. In der Zustellung nach dem Verwaltungszustellungsgesetz (VwZG) liegt immer auch die Bekanntgabe (Urteil des BSG vom 09.04.2014, AZ: B 14 AS 46/13 R).

„Fristgemäß einreichen“ bedeutet, dass der Widerspruch in den Machtbereich, die Verfügungsgewalt der Behörde gelangt. Der Zeitpunkt der Aufgabe des Widerspruchs bei der Post beispielsweise ist nicht ausschlaggebend für einen Fristablauf.

Ist die Rechtsbehelfsbelehrung im Bescheid falsch oder fehlt sie, gilt die Jahresfrist (§ 36 SGB X, § 66 SGG, GRA zu § 64 SGG, Abschnitt 5.1).

Besonderheiten können wie folgt zu beachten sein:

  • Bei Bekanntgabe des Bescheides an einen Bevollmächtigten im Inland, während der Berechtigte seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland hat, beträgt die Widerspruchsfrist (nur) einen Monat. Zur Bekanntgabe eines Bescheides an einen Berechtigten ohne Bevollmächtigten ins Ausland siehe GRA zu § 64 SGG, Abschnitt 5.4.
  • Bei einem Verwaltungsakt mit Doppel- beziehungsweise Drittwirkung ist hinsichtlich der Bekanntgabe gegenüber dem betroffenen Dritten zu beachten, wann dieser vom Verwaltungsakt Kenntnis hatte oder hätte haben müssen und ob gegebenenfalls die Jahresfrist des § 66 Abs. 2 SGG zu beachten ist.
  • Ist ein Bevollmächtigter bestellt, ist ihm im Hinblick auf die Ermessensentscheidung der Behörde der Verwaltungsakt bekannt zu geben (§ 37 Abs. 1 S. 2 SGB X in Verbindung mit § 13 Abs. 3 S. 1 SGB X). Wenn nur der Vertretene den Bescheid erhalten hat, kann sich der Rentenversicherungsträger nicht auf eine Verfristung des Widerspruchs berufen. Zwar ist der Bescheid wirksam, die Widerspruchsfrist beginnt jedoch erst zu laufen, wenn der Bevollmächtigte den Bescheid nachweislich erhalten hat (Urteil des LSG Bremen vom 01.03.1990, AZ: L 1 J 28/87).
  • Der Einwurf in den Briefkasten der Behörde vor Mitternacht des letzten Tages der Widerspruchsfrist genügt. Wann der Briefkasten üblicherweise geleert wird, ist nicht entscheidend.
    Beachte:
    Wurde die Widerspruchsfrist schuldhaft versäumt, so ist der Widerspruch grundsätzlich als unzulässig zurückzuweisen. Im Einzelfall ergibt sich allerdings regelmäßig die Eröffnung eines Korrekturverfahrens. Der verspätet erhobene Widerspruch ist, weil unzulässig, als Antrag auf Überprüfung des bindend gewordenen Bescheides anzusehen. Gegen den daraufhin zu erteilenden (Ablehnungs-)Bescheid wäre erneut Widerspruch zulässig. Deshalb kann aus Gründen der Praktikabilität auf die Geltendmachung der Fristversäumnis verzichtet und eine sachliche (materiell-rechtliche) Entscheidung getroffen werden. Das ist unproblematisch, denn die Gerichte sind an die Entscheidung des Rentenversicherungsträgers gebunden (BSG vom 12.10.1979, AZ: 12 RK 19/78, SozR 1500 § 84 Nr. 3, sowie BSG vom 14.04.2011, AZ: B 8 SO 12/09 R, SozR 4-3500 § 82 Nr. 7). Der angefochtene Bescheid ist dann als nicht bindend geworden anzusehen.

Form

Gemäß § 84 Abs. 1 SGG ist der Widerspruch

  • schriftlich (siehe Abschnitt 10.1),
  • in elektronischer Form nach § 36a Abs. 2 SGB I (siehe Abschnitt 10.2)
  • oder zur Niederschrift bei der Stelle einzureichen, die den Verwaltungsakt erlassen hat (siehe Abschnitt 10.3).

Widerspruch in schriftlicher Form

Der Schriftform ist genüge getan, wenn das Begehren schriftlich fixiert ist und es die eigenhändige Unterschrift des Widerspruchsführers oder seines Bevollmächtigten trägt.

Ohne eigenhändige Unterschrift ist der Widerspruch wirksam erhoben, wenn ohne weitere Ermittlungen erkennbar ist, dass der Widerspruch vom Widerspruchsführer herrührt und dieser die Widerspruchsschrift wissentlich und willentlich in den Verkehr gebracht hat (Breitkreuz in Breitkreuz/Fichte, SGG, 2. Aufl. 2014, § 84 SGG, Rdnr. 4 sowie Lüdtke/Berchtold, Sozialgerichtsgesetz, SGG § 84 Rn. 2, beck-online).

Der Schriftform ist auch entsprochen, wenn die Widerspruchsschrift einen Faksimile-Stempel trägt, als Tele- oder Computerfax (Versendung einer Textdatei vom Computer auf ein FAX-Gerät der Behörde) mit gescannter Unterschrift, als Telegramm oder Fernschreiben übermittelt wird.

Eine mündliche oder telefonische Einlegung eines Widerspruchs ist auch dann nicht als schriftlich anzusehen, wenn hierüber vom Sozialleistungsträger ein Aktenvermerk gefertigt wurde.

Widerspruch in elektronischer Form

Ein Widerspruch in elektronischer Form muss den Vorgaben des § 36a Abs. 2 SGB I entsprechen. Hierauf wird in der Rechtsbehelfsbelehrung (zum Beispiel in Bezug auf die DRV Bund) hingewiesen:

Bild 1 zu § 84 SGG: Frist und  Form des Widerspruchs - Zulässigkeit eines Widerspruchs

Bei einem Widerspruch durch E-Mail mit qualifizierter elektronischer Signatur bezieht sich die Signatur nicht auf den "reinen Text" der E-Mail (zum Beispiel "Ich lege Widerspruch ein.") Signieren kann man nur eine beigefügte Datei, zum Beispiel eine Word- oder pdf-Datei. Die Signaturdatei wird der E-Mail ebenfalls als Dateianhang beigefügt. Sie hat üblicherweise die Endung

*.pkcs7 (das ist die häufigste Endung),

*.p7s,

*.pk7,

*.p7m,

*.p7b oder

*.p7c.

Wird Widerspruch auf elektronischem Weg per E-Mail ohne qualifizierte elektronische Signatur oder als Nachricht über die Online-Dienste der Rentenversicherung ohne elektronische Identifizierung erhoben, sollten die Widerspruchsführenden unverzüglich entsprechend aufgeklärt werden. Es bietet sich an, dem Aufklärungsschreiben einen Ausdruck des Widerspruchs beizufügen und den/die Widerspruchsführer*in zu bitten, diesen unterschrieben innerhalb von einem Monat wieder zurückzusenden. Hinsichtlich einer eventuellen Fristversäumnis wird auf Abschnitt 9 verwiesen.

Der Widerspruch kann auf elektronischem Weg auch erhoben werden, indem das elektronische Dokument zwischen dem besonderen elektronischen Anwaltspostfach (beA) und dem besonderen elektronischen Behördenpostfach (beBPo) eines RV-Trägers übermittelt wird. Dies entspricht einem "sonstigen sicheren Verfahren" im Sinne von § 36a Abs. 2 S. 4 Nr. 4 SGB I und ersetzt die erforderliche Schriftform. Es ist ausreichend, wenn der Widerspruch mit der Namenswiedergabe des Anwalts versehen ist. Eine qualifizierte elektronische Signatur ist nicht erforderlich.

Widerspruch zur Niederschrift

Ein Widerspruch ist zur Niederschrift erhoben, wenn ein Betroffener bei einer zur Entgegennahme des Widerspruchs befugten Stelle (siehe Abschnitt 12) erscheint und erklärt, Widerspruch erheben zu wollen und ein Bediensteter diesen Widerspruch protokolliert. Zur Niederschrift verpflichtet ist nur die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat, nicht jedoch die Behörden nach § 84 Abs. 2 SGG.

Terminvergabe in der Auskunfts- und Beratungsstelle

Die Rentenversicherungsträger haben durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass alle Betroffenen die Möglichkeit haben, innerhalb der gesetzlichen Fristen ihren Widerspruch „zur Niederschrift" aufnehmen zu lassen (FAVR 4/2014, TOP 5).

Wendet sich ein Versicherter zur Vereinbarung eines Beratungstermins telefonisch an eine Auskunfts- und Beratungsstelle, wird seit der Version eTermin 3.2 (Oktober 2016) abgefragt, ob der Anlass für den Beratungstermin ein Widerspruch ist. Nach Eingabe des Datums des anzufechtenden Bescheides werden den Mitarbeitern anschließend der Ablauf der Widerspruchsfrist sowie mögliche Beratungstermine innerhalb der Frist angezeigt. Sollte kein Beratungstermin frei sein, wird der Versicherte aufgefordert, den Widerspruch schriftlich zu erheben oder die Beratungsstelle innerhalb der Widerspruchsfrist auch ohne Termin aufzusuchen.

Die genannten Funktionalitäten stehen auch zur Verfügung, wenn das Verfahren eTermin vom Versicherten über die Internetadresse

https://www.eservice-drv.de/eTermin

aufgerufen wird.

Ort der Einlegung

Der Widerspruch ist gemäß § 84 Abs. 1 S. 1 SGG bei der Ausgangsbehörde einzulegen, das heißt bei der Stelle, die den Verwaltungsakt erlassen hat. Alternativ dazu werden in § 84 Abs. 2 S. 1 SGG weitere Stellen benannt, bei denen der Widerspruch fristwahrend erhoben werden kann, zum Beispiel bei einem anderen Sozialversicherungsträger, einer sonstigen inländischen Behörde.

Im Falle von Sozialversicherungsabkommen kann die Widerspruchsschrift auch bei den Dienststellen des Versicherungsträgers im Vertragsstaat eingereicht werden.

Darüber hinaus bestimmt § 84 Abs. 2 S. 2 SGG (analog zu § 91 Abs. 2 SGG), dass die Widerspruchsschrift unverzüglich der zuständigen Behörde zuzuleiten ist. Dort wiederum ist sie der für die Entscheidung zuständigen Stelle vorzulegen.

Das Widerspruchsverfahren ist erst mit dem Eingang des Widerspruchs beim zuständigen Rentenversicherungsträger rechtshängig. Erst ab diesem Tag läuft die Dreimonatsfrist nach deren Ablauf der Widerspruchsführer Untätigkeitsklage erheben könnte (siehe GRA zu § 88 SGG).

Anwendung von §§ 66 und 67 SGG

§ 84 Abs. 2 S. 3 SGG bestimmt die „entsprechende“ Anwendung von § 66 SGG und § 67 SGG. Danach tritt bei fehlender oder unzutreffender Rechtsbehelfsbelehrung an die Stelle der Monats- oder Drei-Monatsfrist die Jahresfrist (siehe Abschnitt 9).

Hinsichtlich der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird auf die GRA zu § 27 SGB X verwiesen.

Gesetz zur Einführung der elektronischen Akte in der Justiz und zur weiteren Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs vom 05.07.2017 (BGBl. I S. 2208)

Inkrafttreten: 01.01.2018

Quelle zum Entwurf: BT-Drucksache 18/9416

§ 84 SGG wird um Regelungen zum „elektronischen Widerspruch“ ergänzt.

6. SGG-ÄndG vom 17.08.2001 (BGBl. I S. 2144)

Inkrafttreten: 02.01.2002

Quelle zum Entwurf: BT-Drucksache 14/5943

Die Vorschrift wurde seit ihrer Einführung mit der Ergänzung von Satz 2 im Absatz 1 „lediglich“ um die 3-Monats-Regelung bei Bekanntgabe des Widerspruchsbescheides im Ausland erweitert. Ansonsten blieb sie unverändert.

Zusatzinformationen

Rechtsgrundlage

§ 84 SGG