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§ 18 SGB X: Beginn des Verfahrens

Änderungsdienst
veröffentlicht am

20.05.2024

Änderung

Konkretisierung des Endes des Verwaltungsverfahrens im Abschnitt 6

Dokumentdaten
Stand06.05.2024
Erstellungsgrundlage in der Fassung des SGB X vom 18.08.1980 in Kraft getreten am 01.01.1981
Rechtsgrundlage

§ 18 SGB X

Version002.00

Inhalt der Regelung

Nach § 18 Satz 1 SGB X hat die Behörde nach pflichtgemäßem Ermessen darüber zu entscheiden, ob und wann sie ein Verwaltungsverfahren durchführt (Offizialmaxime).

Dieser Grundsatz gilt nach § 18 Satz 2 SGB X dann nicht, wenn die Behörde aufgrund von Rechtsvorschriften

  • von Amts wegen oder auf Antrag tätig werden muss oder
  • nur auf Antrag tätig werden darf und ein Antrag nicht vorliegt.

In der Praxis der Rentenversicherungsträger bildet die Ausnahme des § 18 Satz 2 SGB X die Regel, denn nach dem Grundsatz des § 115 SGB VI beginnt das Verfahren mit dem Antrag (Dispositionsmaxime), wenn nicht etwas anderes bestimmt ist.

Versicherungsträger und Versicherungsämter sind verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass unverzüglich beziehungsweise rechtzeitig klare und sachdienliche Anträge gestellt und unvollständige Anträge ergänzt werden (§ 16 Abs. 3 SGB I, § 93 SGB IV, § 115 Abs. 6 SGB VI).

Ergänzende Regelungen

§ 16 Abs. 3 SGB I enthält den Hinweis auf die unverzügliche Antragstellung.

§ 19 SGB IV regelt ebenso die Leistungen auf Antrag oder von Amts wegen.

§ 93 SGB IV betrifft die Aufgaben der Versicherungsämter.

§ 115 SGB VI bezieht sich auf den Beginn des Verfahrens.

§ 97 SGB VIII regelt das Recht zur Antragstellung durch Träger der öffentlichen Jugendhilfe.

§ 95 SGB XII regelt das Recht zur Antragstellung durch Träger der Sozialhilfe.

Einleitung nach pflichtgemäßem Ermessen der Behörde (Satz 1)

Obwohl in der Rentenversicherung die Einleitung eines Verwaltungsverfahrens auf Antrag überwiegt, geht § 18 Satz 1 SGB X davon aus, dass die Behörde - und damit auch ein Rentenversicherungsträger - grundsätzlich nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden hat, ob sie ein Verwaltungsverfahren durchführt oder nicht.

Fälle, in denen der Rentenversicherungsträger die Entscheidung über die Einleitung eines Verwaltungsverfahrens nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffen hat, sind unter anderem:

  • Widerruf eines rechtmäßigen nicht begünstigenden Verwaltungsaktes nach § 46 SGB X,
  • Widerruf eines rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsaktes nach § 47 SGB X,
  • Berichtigung einer offenbaren Unrichtigkeit in einem Verwaltungsakt nach § 38 Satz 1 SGB X,
  • Abzweigung eines Leistungsanteils nach § 48 SGB I, wenn kein Antrag vorliegt,
  • Aufrechnung nach § 51 SGB I.

Das Ermessen der Behörde kann sich zur Pflicht verdichten, wenn sie nur durch einen bindend gewordenen Verwaltungsakt mit seinen Klarstellungs-, Konkretisierungs- und Titelfunktionen ihrer verfassungsmäßigen Pflicht zum Gesetzesvollzug nachkommen beziehungsweise diese erfüllen kann.

Leitet die Behörde ein Verfahren ein, hat sie die Beteiligten davon zu unterrichten, denn durch den nachfolgenden Verwaltungsakt wird in vielen Fällen in die Rechte der Beteiligten eingegriffen. Ihnen muss Gelegenheit gegeben werden, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern (§ 24 SGB X).

Werden die Rechte dritter Personen (natürliche oder juristische) vom Ausgang des Verfahrens berührt, können sie nach § 12 Abs. 2 SGB X als Beteiligte zugezogen werden.

Einleitung des Verfahrens von Amts wegen (Satz 2 Nummer 1, 1. Alternative)

Bei der Einleitung eines Verwaltungsverfahrens von Amts wegen nach § 18 Satz 2 Nr. 1 1. Alternative SGB X hat die Behörde im Gegensatz zu § 18 Satz 1 SGB X keinen Ermessensspielraum, sie muss tätig werden.

In der Rentenversicherung muss die Behörde unter anderem in folgenden Fällen von Amts wegen tätig werden, wenn

  • Versicherungs- und Beitragspflicht festzustellen ist, nachdem ausreichende Anhaltspunkte hierfür vorliegen (zum Beispiel § 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3, 9 SGB VI; siehe auch § 76 Abs. 1 SGB IV und § 212 SGB VI),
  • Versicherte, die eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit beziehen, die Regelaltersgrenze erreichen (§ 115 Abs. 3 Satz 1 SGB VI),
  • Berechtigte, die eine Rente wegen Todes nach § 46 Abs. 1 SGB VI beziehen, die Altersgrenze für eine große Witwenrente oder Witwerrente erreichen (§ 115 Abs. 3 Satz 2 SGB VI),
  • Berechtigte, die eine Rente wegen Todes nach § 46 Abs. 2 SGB VI beziehen, die Altersgrenze für eine große Witwenrente oder Witwerrente noch nicht erreicht haben, kein Kind im Sinne von § 46 Abs. 2 Nr. 1 SGB VI mehr erziehen beziehungsweise nicht mehr erwerbsgemindert sind,
  • Berechtigte, die eine Rente wegen Todes aus der eigenen Versicherung (Erziehungsrente) nach § 47 SGB VI beziehen, die Regelaltersgrenze erreichen,
  • die Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsaktes im Sinne der §§ 44, 45 SGB X gegeben ist,
  • ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung wegen einer wesentlichen Änderung in den Verhältnissen nach § 48 SGB X aufzuheben ist (zum Beispiel Änderung des Hinzuverdienstes mit Auswirkung auf den Rentenanspruch),
  • eine offenbare Unrichtigkeit in einem Verwaltungsakt besteht, deren Berichtigung im berechtigten Interesse des Beteiligten liegt (§ 38 Satz 2 SGB X).

Allerdings ist das Tätigwerden von Amts wegen in diesen Fällen auf den Wegfall der bisherigen Leistung und/oder die Aufklärung (im Rahmen der Anhörung) über den Anspruch auf die eventuell nunmehr zustehende Rente beschränkt.

Dass auch in den genannten Fällen in der Regel (gegebenenfalls verkürzte) Anträge gefordert werden, ändert nichts an der Verpflichtung der Behörde, von Amts wegen das Verfahren zunächst einzuleiten. Die Anträge dienen der Behörde zur Arbeitserleichterung und helfen dem Berechtigten, alle Tatsachen anzugeben, die für das Verfahren erheblich sein können.

Einleitung auf Antrag des Beteiligten (Satz 2 Nummer 1, 2. Alternative)

Ein Verwaltungsverfahren in der gesetzlichen Rentenversicherung beginnt in der Regel mit der Antragstellung (§ 115 Abs. 1 Satz 1 SGB VI). Auch Anträge auf Beitragszahlung (zum Beispiel § 4 Abs. 2 SGB VI) oder Anträge auf Befreiung von der Versicherungspflicht (zum Beispiel § 6 Abs. 1a SGB VI) ziehen ein Verwaltungsverfahren nach sich.

Als Antrag ist jede Erklärung anzusehen, durch die jemand gegenüber einer zuständigen Stelle unter anderem das Begehren zum Ausdruck bringt, Beiträge zahlen, sich von Zahlungsverpflichtungen befreien oder Leistungen erhalten zu wollen. Der Antrag kann schriftlich, mündlich (zum Beispiel zu Protokoll) oder auf andere Weise, also konkludent und auch fernmündlich gestellt werden.

Voraussetzung für eine rechtsgültige Antragstellung ist allerdings, dass die Berechtigung dazu nachgewiesen wird, zum Beispiel durch eine Vollmacht des Berechtigten, falls er nicht selbst der Antragsteller ist.

Die Art der Antragstellung muss der Behörde die Möglichkeit bieten, die Identität des Antragstellers festzustellen. Deshalb ist der Beteiligte anzuhalten, den Antrag schriftlich zu wiederholen, falls er zum Beispiel zunächst fernmündlich gestellt wurde. Der Antrag ist grundsätzlich in deutscher Sprache zu stellen (Ausnahmen: siehe hierzu GRA zu § 19 SGB X). Mit dem Antrag wird das Verfahren anhängig, er ist Zulässigkeitsvoraussetzung für den später zu erlassenen Verwaltungsakt oder den Abschluss des öffentlich-rechtlichen Vertrages.

Fehlt der erforderliche Antrag oder wird er zurückgenommen, ist die weitere Betreibung des Verwaltungsverfahrens unzulässig. Ein gleichwohl ergehender Verwaltungsakt ist in der Regel rechtswidrig, in schwerwiegend gelagerten Einzelfällen eventuell nichtig (§ 40 Abs. 1 SGB X). Der lediglich zu einer Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes führende Mangel des fehlenden Antrages ist aber nach § 41 Abs. 1 Nr. 1 SGB X durch eine nachträgliche Antragstellung heilbar.

In ganz bestimmten, gesetzlich vorgeschriebenen Fällen kann der Antrag auch von einer dritten Stelle gestellt werden, zum Beispiel nach § 95 SGB XII (bis 31.12.2004: § 91a BSHG) durch den erstattungsberechtigten Träger der Sozialhilfe oder nach § 97 SGB VIII durch den erstattungsberechtigten Träger der öffentlichen Jugendhilfe.

Aus den Bestimmungen der §§ 145 Abs. 2, 428 Abs. 2 SGB III beziehungsweise § 51 SGB V lässt sich kein eigenes Antragsrecht der Träger der Arbeitsförderung beziehungsweise der Träger der gesetzlichen Krankenversicherung herleiten. Die Träger sind lediglich befugt, den Berechtigten aufzufordern, einen bestimmten Antrag zu stellen. Kommt der Berechtigte der Aufforderung nicht nach, besitzen die Träger nur das Recht, ihm gegenüber eine bestimmte Maßnahme zu ergreifen.

Ausschluss des Tätigwerdens (Satz 2 Nummer 2)

Solange eine antragsabhängige Leistung nicht beantragt wird, darf die Behörde nicht tätig werden. Bezieht zum Beispiel ein Beteiligter eine Rente wegen Berufsunfähigkeit und stellt sich bei einer Nachuntersuchung heraus, dass volle Erwerbsminderung vorliegt, ist die Behörde im Rahmen ihrer Beratungspflicht aus § 14 SGB I verpflichtet, den Rentner auf die nahe liegende, für ihn günstige Gestaltungsmöglichkeit hinzuweisen.

Kommt es aber dennoch nicht zu einer Antragstellung, ist es dem Versicherungsträger verwehrt, tätig zu werden. Dies gilt nicht, wenn eine erstattungsberechtigte Stelle aufgrund gesetzlicher Ermächtigung (zum Beispiel § 95 SGB XII, § 97 SGB VIII) einen Antrag stellen kann und es auch tut.

Beginn und Ende des Verwaltungsverfahrens

Das Verwaltungsverfahren beginnt in Fällen, in denen ein Antrag Voraussetzung ist, mit der Antragstellung. Ist ein Antrag nicht erforderlich, beginnt es mit dem Tätigwerden der Behörde.

Das Verwaltungsverfahren endet mit der wirksamen Bekanntgabe eines Verwaltungsaktes oder dem Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrages (siehe GRA zu § 8 SGB X).

Auch die Rücknahme oder die Erledigungserklärung beziehungsweise der Widerruf des Antrages oder der Tod des Antragstellers - wenn keine Rechtsnachfolger (§§ 56 ff. SGB I) vorhanden sind - beenden das Verwaltungsverfahren. Ist in der Sache ein Rechtsmittelverfahren anhängig, beendet bei einer Abweisung des Anspruchs der Eintritt der Rechtskraft des Urteils beziehungsweise die Rücknahme des Rechtsmittels auch das Verwaltungsverfahren. In Fällen der Verurteilung oder in Vergleichsfällen wird das Verwaltungsverfahren erst durch die gegebenenfalls zu erlassenden Ausführungsbescheide beendet.

Hat die Behörde das Verfahren von Amts wegen eingeleitet, kann sie es auch ohne Verwaltungsakt oder Vertrag abschließen, wenn dadurch nicht in Rechte oder Pflichten eines Beteiligten eingegriffen wird.

Sozialgesetzbuch (SGB) -  Verwaltungsverfahren - (Zehntes Buch) vom 18.08.1980 (BGBl. I S. 1469)

Inkrafttreten: 01.01.1981

Quelle zum Entwurf: BT-Drucksache 8/2034

Nach der Gesetzesbegründung entspricht der § 18 SGB X dem § 22 VwVfG.

Zusatzinformationen

Rechtsgrundlage

§ 18 SGB X