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Art. 9 VO (EG) Nr. 883/2004: Erklärungen der Mitgliedstaaten zum Geltungsbereich dieser Verordnung

Änderungsdienst
veröffentlicht am

20.08.2019

Änderung

Abschnitt 3 wurde aufgrund aktueller EuGH-Rechtsprechung überarbeitet

Dokumentdaten
Stand10.10.2018
Version001.00

Inhalt der Regelung

Art. 9 VO (EG) Nr. 883/2004 verpflichtet die Mitgliedstaaten, einmal jährlich im Rahmen einer offiziellen Mitteilung (Erklärung) die Rechtsvorschriften, Systeme oder Regelungen zu benennen, die unter den sachlichen Geltungsbereich des Europarechts fallen. In die Erklärung sind darüber hinaus die von den Mitgliedstaaten geschlossenen Abkommen im Sinne des Art. 8 Abs. 2 VO (EG) Nr. 883/2004, die nach ihren nationalen Rechtsvorschriften vorgesehenen Mindestleistungen im Sinne des Art. 58 VO (EG) Nr. 883/2004 sowie das Fehlen eines Versicherungssystems im Sinne des Art. 65a Abs. 1 VO (EG) Nr. 883/2004 aufzunehmen (vergleiche Abschnitt 2).

Ergänzende/korrespondierende Regelungen

Inhalt und Notifizierung der Erklärungen

Die Mitgliedstaaten benennen gegenüber der Europäischen Kommission in schriftlichen Erklärungen

Sie geben dabei ferner an, wann die jeweiligen Rechtsvorschriften, Regelungen oder Abkommen in Kraft getreten sind beziehungsweise ab welchem Zeitpunkt sie auf die VO (EG) Nr. 883/2004 Anwendung finden.

Die Mitgliedstaaten sind verpflichtet, ihre Erklärungen einmal jährlich der Europäischen Kommission schriftlich in Form einer offiziellen Mitteilung bekannt zu geben (notifizieren). Die Bekanntmachung der Erklärungen erfolgt anschließend im „erforderlichen Umfang“ (Art. 9 Abs. 2 VO (EG) Nr. 883/2004). Die Europäische Kommission, Generaldirektion für Beschäftigung, Soziales und Integration veröffentlicht die Erklärungen zu Art. 9 VO (EG) Nr. 883/2004 derzeit auf ihrer Internetseite.

Verbindlichkeit der Erklärungen

Die Frage der Verbindlichkeit der Erklärungen wurde vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) in zahlreichen Verfahren zur Auslegung von Art. 5 VO (EWG) Nr. 1408/71 diskutiert. Hierbei ging es zum einen um die Frage, ob in den Erklärungen nicht genannte Vorschriften unter den sachlichen Geltungsbereich des Europarechts fallen. Zum anderen war zu klären, welche Folgen sich im Hinblick auf die Anwendbarkeit des Europarechts ergeben, wenn Leistungen (Gesetze) in die Erklärungen aufgenommen wurden.

Die Rechtsprechung zur Auslegung des Art. 5 VO (EWG) Nr. 1408/71 wird zur ersten Frage auf den inhaltsgleichen Art. 9 VO (EG) Nr. 883/2004 übertragen. Damit gilt für Art. 9 VO (EG) Nr. 883/2004: wird ein Gesetz oder eine Regelung in den Erklärungen der Mitgliedstaaten nicht erwähnt, so ergibt sich daraus nicht ohne weiteres, dass dieses Gesetz oder diese Regelung nicht unter den Geltungsbereich der Verordnung fällt. Nationale Vorschriften können vielmehr auch dann unter den sachlichen Geltungsbereich des Europarechts fallen, wenn sie in den Erklärungen der Mitgliedstaaten nicht genannt sind (EuGH-Urteil vom 27.11.1977, Rechtssache C-35/77, Beerens; EuGH-Urteil vom 27.01.1981, Rechtssache C-70/80, Vigier).

Die zur zweiten Frage ergangene EuGH-Rechtsprechung, wonach die von einem Mitgliedstaat in seiner Erklärung genannten Gesetze oder Regelungen zwingend unter den sachlichen Geltungsbereich des Europarechts fallen (EuGH-Urteil vom 11.06.1991, Rechtssache C-251/89, Athanasopoulos, EuGH-Urteil vom 20.02.1997, Rechtssache C-88/95, C-102/95, C-103/95, Losada, Balado, Paredes), kann zur Auslegung des Art. 9 VO (EG) Nr. 883/2004 nicht mehr herangezogen werden. Denn der EuGH hat in seinem EuGH-Urteil vom 30.05.2018, Rechtssache C-517/16, entschieden, dass die von einem Mitgliedstaat gemäß Art. 9 VO (EG) Nr. 883/2004 abgegebene Erklärung nicht bindend sein muss und von einem nationalen Gericht - gegebenenfalls unter Einschaltung des EuGH - eigenständig geprüft werden darf.

Zusammenfassend bedeutet das, dass die Erklärungen der Mitgliedstaaten nicht uneingeschränkt verbindlich sind. Aus ihnen kann nicht geschlossen werden, dass sie abschließend, vollständig und zutreffend sind.

Darüber hinaus muss - unabhängig von der Rechtsprechung des EuGH - im Einzelfall beachtet werden, dass eine Übermittlung der (aktualisierten) Erklärungen an die Europäische Kommission nur einmal jährlich erfolgt (vergleiche Abschnitt 2). Diese zeitliche Vorgabe kann unter Umständen nicht immer den häufigen Änderungen in den Sozialversicherungssystemen der Mitgliedstaaten gerecht werden. Führt eine nationale Rechtsänderung beispielsweise dazu, dass der Charakter einer Leistung derartig geändert wird, dass sie zu einer Leistung der sozialen Fürsorge wird, so kann der gegebenenfalls noch vorhandene Eintrag dieses Gesetzes oder dieser Leistung in der Erklärung eines Mitgliedstaates nicht dazu führen, dass das Gesetz oder die Leistung weiterhin unter den sachlichen Geltungsbereich des Europarechts fällt. In diesem Fall muss die Regelung des Art. 3 Abs. 5 VO (EG) Nr. 883/2004 vorgehen.

Die Erklärungen der einzelnen Mitgliedstaaten

Soweit bereits bekannt, können nachfolgend die einzelnen Erklärungen der Mitgliedstaaten aufgerufen werden (soweit verfügbar in deutscher Sprache; ansonsten in englischer Sprache):

BelgienIrlandMaltaSlowakei
BulgarienIslandNiederlandeSlowenien
DänemarkItalienNorwegenSpanien
DeutschlandKroatienÖsterreichTschechien
EstlandLiechtensteinPolenUngarn
FinnlandLettlandPortugalVereinigtes Königreich
FrankreichLitauenRumänienZypern
GriechenlandLuxemburgSchweden

Die Erklärung der Schweiz zu Art. 9 VO (EG) Nr. 883/2004 ist derzeit noch nicht veröffentlicht worden.

Nach Art. 90 Abs. 1 Buchst. c VO (EG) Nr. 883/2004 blieb die VO (EWG) Nr. 1408/71 bis zu einer Übernahme der VO (EG) Nr. 883/2004 für die EWR-Staaten Island, Liechtenstein und Norwegen (bis 31.05.2012) sowie für die Schweiz (bis 31.03.2012) in Kraft. Für diese Staaten waren daher die bis zum jeweiligen Stichtag nach Art. 5 VO (EWG) Nr. 1408/71 abgegebenen Erklärungen maßgebend.

VO (EU) Nr. 465/2012 vom 22.05.2012

Inkrafttreten: 28.06.2012

Quelle: Amtsblatt (EU) Nr. L 149/4 vom 08.06.2012

Art. 9 Abs. 2 VO (EG) Nr. 883/2004 wurde dahingehend geändert, dass die Notifizierungen der Mitgliedstaaten nicht mehr im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht, sondern nur noch „im erforderlichen Umfang bekannt gemacht“ werden. Ferner wurde der Begriff „Kommission der Europäischen Gemeinschaften“ durch den Begriff „Europäische Kommission“ ersetzt sowie die Notifizierungen um das Fehlen eines Versicherungssystems im Sinne des Art. 65a Abs. 1 VO (EG) Nr. 883/2004 erweitert.

VO (EG) Nr. 883/2004 vom 29.04.2004

Inkrafttreten: 20.05.2004

Quelle: Amtsblatt (EU) Nr. L 200/1 vom 07.06.2004 (berichtigte Fassung)

Anzuwenden ab: 01.05.2010

Art. 9 VO (EG) Nr. 883/2004 ist mit der VO (EG) Nr. 883/2004 vom 29.04.2004 am 20.05.2004 in Kraft getreten und ab 01.05.2010 anwendbar (Art. 91 Satz 2 VO (EG) Nr. 883/2004).

Art. 9 VO (EG) Nr. 883/2004 entspricht inhaltlich im Wesentlichen Art. 5 VO (EWG) Nr. 1408/71, hinsichtlich des Verfahrens zur Notifizierung und Veröffentlichung der Erklärungen Art. 97 VO (EWG) Nr. 1408/71. Unterschiede bestehen insoweit, dass in die Erklärungen

  • beitragsunabhängige Sonderleistungen sowie Familienbeihilfen oder andere Beihilfen an Waisen nicht mehr sowie
  • die von den Mitgliedstaaten miteinander im Geiste des Europarechts geschlossenen Abkommen nunmehr

aufgenommen werden.

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