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§ 102 SGB X: Anspruch des vorläufig leistenden Leistungsträger

Änderungsdienst
veröffentlicht am

13.11.2023

Änderung

Wegfall der Abschnitte 1.1.1 bis 1.1.4 mit Ergänzung des Abschnitts 1.1 sowie Aktualisierung des Abschnitts 3

Dokumentdaten
Stand27.10.2023
Erstellungsgrundlage in der Fassung des Art. 2 SGB X vom 04.11.1982 in Kraft getreten am 01.07.1983
Rechtsgrundlage

§ 102 SGB X

Version002.00

Inhalt der Regelung

Absatz 1 regelt den Erstattungsanspruch des Leistungsträgers, der aufgrund gesetzlicher Vorschriften für einen anderen Leistungsträger vorläufig Sozialleistungen erbracht hat.

Absatz 2 bestimmt, dass sich der Umfang des Erstattungsanspruchs nach den für den erstattungsberechtigten Leistungsträger geltenden Rechtsvorschriften bemisst.

Ergänzende/korrespondierende Regelungen

Ob eine Erstattungsforderung nach § 102 SGB X gegenüber dem erstattungspflichtigen Sozialleistungsträger durchgesetzt werden kann, hängt nicht alleine von dieser Vorschrift ab. Die nachfolgend aufgeführten Vorschriften nehmen hierbei auch maßgeblich Einfluss auf die Durchsetzung einer Erstattungsforderung:

  • § 106 SGB X Rangfolge bei mehreren Erstattungsberechtigten regelt die Verteilung einer Nachzahlung auf mehrere Erstattungsansprüche (vergleiche GRA zu § 106 SGB X),
  • § 107 SGB X Erfüllung regelt, dass durch die Leistung des erstattungsberechtigten Trägers die Verpflichtung des letztlich zuständigen Leistungsträgers als erfüllt gilt (vergleiche GRA zu § 107 SGB X),
  • § 108 SGB X Erstattung in Geld, Verzinsung regelt einerseits, dass Sach- und Dienstleitungen in Geld zu erstatten sind, andererseits die Verzinsung von Erstattungsansprüchen der Träger der Sozialhilfe, der Kriegsopferfürsorge und der Jugendhilfe (vergleiche GRA zu § 108 SGB X),
  • § 109 SGB X Verwaltungskosten und Auslagen schließt die Erstattung von Verwaltungskosten aus,
  • § 110 SGB X Pauschalierung enthält Regelungen zur pauschalierten Abgeltung von Erstattungsansprüchen (vergleiche GRA zu § 110 SGB X),
  • § 111 SGB X Ausschlussfrist enthält Regelungen zum Ausschluss des Anspruchs auf Erstattung (vergleiche GRA zu § 111 SGB X),
  • § 112 SGB X Rückerstattung enthält Regelungen zur Rückzahlung von Beträgen, wenn ein Erstattungsanspruch zu Unrecht erfüllt wurde (vergleiche GRA zu § 112 SGB X),
  • § 113 SGB X Verjährung enthält Regelungen zur Verjährung von Erstattungsansprüchen (vergleiche GRA zu § 113 SGB X) sowie
  • § 114 SGB X Rechtsweg enthält Regelungen zum Rechtsweg bei Streitigkeiten im Zusammenhang mit Erstattungsansprüchen.

Grundsätze des Erstattungsrechts und Anwendungsbereich - Allgemeines

Nach § 102 SGB X hat der Leistungsträger, der wegen ungeklärter Zuständigkeit aufgrund besonderer gesetzlicher Vorschriften zur vorläufigen Leistung verpflichtet ist, einen Erstattungsanspruch gegen den endgültig zur Leistung verpflichteten Leistungsträger.

Beachte:

Im Bereich der Gewährung von Rentenleistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung können die Rentenversicherungsträger weder vorleistender noch zur Erstattung verpflichteter Leistungsträger im Sinne des § 102 SGB X sein. Denn es besteht keine gesetzliche Verpflichtung, wonach ein anderer als ein Rentenversicherungsträger vorläufig eine Rente nach dem Recht der gesetzlichen Rentenversicherung zu zahlen hätte oder ein Rentenversicherungsträger mit der Rentenzahlung für einen anderen Sozialleistungsbereich in Vorlage treten müsste.

Bei Rentenbewilligungen können Erstattungsansprüche nach § 102 SGB X daher nicht entstehen.

Im Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung treten Erstattungsansprüche nach § 102 SGB X nur in folgenden beiden Fallgestaltungen auf:

  • Weiterzahlung von Leistungen durch ein Jobcenter als Vorschuss auf das von der Rentenversicherung zu gewährende Übergangsgeld nach § 25 SGB II,
  • Vorläufige Zahlung von Übergangsgeld im Anschluss an eine abgeschlossene Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben.

§ 102 SGB X erfasst nur die rechtmäßige Erfüllung einer gesetzlichen Vorleistungspflicht. Hat der vorleistende Leistungsträger seine Leistungsverpflichtung zu Unrecht aufgrund der für ihn maßgebenden Rechtsvorschriften bejaht, kann der tatsächlich zuständige Leistungsträger die Erstattung ablehnen.

§ 102 SGB X findet nur Anwendung zwischen Leistungsträgern unterschiedlicher Sozialleistungen im Sinne der §§ 18 ff. SGB I. Wenn ein nach den §§ 127 ff. SGB VI unzuständiger Rentenversicherungsträger für einen anderen Rentenversicherungsträger (vorläufig) geleistet hat, ist § 102 SGB X daher nicht anwendbar.

In Fällen des § 14 SGB IX (Zuständigkeitsklärung bei Rehabilitationsmaßnahmen) findet § 102 SGB X ebenfalls keine Anwendung. Hier sieht § 14 SGB IX in Absatz 4 einen entsprechenden Erstattungsanspruch vor. Die Regelungen der §§ 103, 104 SGB X bleiben unberührt.

Erstattungsberechtigte Leistungsträger

Nicht jede „öffentliche Stelle“ ist zur Erstattung nach dieser Vorschrift auch berechtigt. Die tatsächlich zur Erstattung berechtigten Leistungsträger sind zum einen die in § 12 SGB I genannten Leistungsträger. Weiterhin sind die Leistungsträger zur Erstattung berechtigt, die Leistungen nach den in § 68 SGB I aufgeführten Gesetzen erbringen.

Andere als diese - die sogenannten Nicht-Leistungsträger -, wie zum Beispiel die Bayerische Versorgungskammer oder Arbeitgeber, sind nicht zum Ausgleich ihrer Forderungen im Wege der §§ 102 ff. SGB X berechtigt. Solche Forderungen können allenfalls im Wege der Abtretung nach § 53 SGB I erfüllt werden, sofern dafür die Voraussetzungen erfüllt sind (siehe GRA zu § 53 SGB I).

§ 102 SGB X findet nur bei Ansprüchen gleichrangig verpflichteter Leistungsträger im Sinne des § 106 SGB X Anwendung (BSG vom 01.07.2003, AZ: B 1 KR 13/02 R).

Erstattungsfähige Leistungen

Die Forderung eines erstattungsberechtigten Leistungsträgers ist nur erstattungsfähig, wenn es sich um eine "entsprechende Leistung" handelt.

"Entsprechende Leistung" bedeutet, dass die Leistungen des erstattungsberechtigten Leistungsträgers und die des erstattungspflichtigen Leistungsträgers gleichartig sind. Hierunter sind grundsätzlich alle Sozialleistungen zu verstehen. Eine Vielzahl der erstattungsfähigen Sozialleistungen sind in den §§ 18 bis 29 SGB I genannt.

Welche Sozialleistung eine vorläufige Leistung im Sinne des § 102 SGB X darstellt, ergibt sich ausschließlich aus den Vorschriften, die die vorläufige Leistungserbringung regeln.

Nicht zu erstattende Leistungen

Leistungen des vorleistenden Leistungsträgers, welche von Beginn an zu Unrecht erbracht wurden, lösen einen Erstattungsanspruch nach § 102 SGB X nicht aus. Der Ausgleich solcher Leistungen vollzieht sich außerhalb des Erstattungsrechts und beurteilt sich vornehmlich nach § 50 SGB X.

Umfang des Erstattungsanspruchs

Nach § 102 Abs. 2 SGB X bemisst sich der Umfang des Erstattungsanspruchs nach den Vorschriften, die für den in Vorlage getretenen Leistungsträger gelten.

Der vorleistende Träger erhält nach § 102 SGB X daher die von ihm rechtmäßig erbrachte vorläufige Leistung in der von ihm tatsächlich erbrachten Höhe erstattet. Somit kann der erstattungspflichtige Leistungsträger mehr zu erstatten haben, als er bei eigener Leistung an den Berechtigten nach den für ihn geltenden Vorschriften aufzuwenden gehabt hätte.

Der vorleistende Leistungsträger soll also eine volle Erstattung der von ihm "verauslagten" und letztendlich "für Rechnung" des endgültig zuständigen Leistungsträgers erbrachten Leistungen erhalten. Diesem Erstattungsumfang liegt der Gedanke zugrunde, dass der vorläufig leistende Leistungsträger aufgrund gesetzlicher Vorschriften eigentlich gegen seinen Willen zur "Vorleistung" gezwungen worden ist. Dabei ist es unerheblich, dass der letztendlich verpflichtete Leistungsträger aufgrund der für ihn maßgebenden Rechtsvorschriften bei rechtzeitiger Leistungserfüllung mit einem geringeren finanziellen Aufwand belastet gewesen wäre.

Der zeitliche Umfang des Erstattungsanspruchs des vorleistenden Leistungsträgers ist auf das tatsächliche Zusammentreffen der Leistungen abzustellen, das heißt es muss eine zeitliche Kongruenz zwischen der Vorleistung und der Nachzahlung bestehen.

Personenidentität

Ein Erstattungsanspruch nach § 102 SGB X setzt Personenidentität voraus. Das bedeutet, der Berechtigte der Leistung des erstattungspflichtigen Leistungsträgers muss mit dem Berechtigten der Leistung des erstattungsberechtigten Leistungsträgers identisch sein.

Keine befreiende Wirkung

Anders als die §§ 103 bis 105 SGB X enthält § 102 SGB X keine Regelung, wonach der letztlich verpflichtete (materiell zuständige) Leistungsträger mit befreiender Wirkung gegenüber dem nach § 102 SGB X erstattungsberechtigten Leistungsträger zahlen kann.

Erstattungsansprüche der Träger der Grundsicherung nach § 25 SGB II

Nach § 25 SGB II erbringen die Träger der Grundsicherung für Arbeitssuchende (Jobcenter) Arbeitslosengeld II als Vorschuss auf die Leistung der Rentenversicherung (Übergangsgeld) weiter, soweit der Bezieher von Bürgergeld/Arbeitslosengeld II dem Grunde nach Anspruch auf Übergangsgeld bei medizinischen Leistungen zur Rehabilitation hat. Zum 01.07.2023 wurde § 20 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b SGB VI neu gefasst. Damit entfällt ab diesem Zeitpunkt der Anspruch auf Übergangsgeld bei vorherigem Bezug von Bürgergeld/Arbeitslosengeld II. Im Zusammenhang mit Leistungen zur medizinischen Rehabilitation haben die Jobcenter somit längstens bis 30.06.2023 einen Anspruch auf Erstattung des gezahlten Bürgergeldes/Arbeitslosengeldes II.

Erstattungsansprüche der Rentenversicherung gegenüber der Agentur für Arbeit aufgrund vorläufiger Zahlung von Übergangsgeld nach abgeschlossener Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben

Näheres ergibt sich aus der GRA zu § 51 SGB IX.

SGB X - Art. II - Übergangs- und Schlussvorschriften sowie Änderung von weiteren Gesetzen vom 04.11.1982 (BGBl. I S. 1450)

Inkrafttreten: 01.01.1983/01.07.1983

Quellen zum Entwurf: BT-Drucksache 9/95 und 9/1753

§ 102 SGB X ist mit Wirkung zum 01.07.1983 in Kraft getreten und seitdem nicht geändert worden.

Zusatzinformationen

Rechtsgrundlage

§ 102 SGB X