§ 839 BGB: Haftung bei Amtspflichtverletzung
veröffentlicht am |
20.08.2019 |
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Änderung | Berichtigung in Abschnitt 4.1 |
Stand | 09.04.2018 |
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Rechtsgrundlage | |
Version | 001.00 |
- Inhalt der Regelung
- Amtspflichtverletzung
- Verschulden
- Kausalität des Schadens
- Mitverschulden
- Verjährung
- „sonstige“ Schadensersatzansprüche
Inhalt der Regelung
§ 839 BGB, Art. 34 GG regeln die Haftung bei schuldhaft verursachten Schäden durch die Verletzung einer Amtspflicht. Dabei ist § 839 BGB die haftungsbegründende, Art. 34 GG die haftungsverlagernde Norm. Dies bedeutet, dass § 839 BGB die tatbestandlichen Voraussetzungen des Anspruchs enthält, während nach Art. 34 GG bei Vorliegen derselben der Schadensersatzanspruch nicht gegenüber dem einzelnen Beamten, sondern gegenüber dessen Anstellungskörperschaft besteht.
Amtspflichtverletzung
Der Schadensersatzanspruch setzt zunächst voraus, dass eine Amtspflicht verletzt wurde.
- Beamter
Ein Anspruch gegenüber dem Rentenversicherungsträger kommt nur in Betracht, wenn die behauptete Amtspflichtverletzung durch Mitarbeiter des Rentenversicherungsträgers in Ausübung ihrer hoheitlichen Tätigkeit begangen wurde. Für den haftungsrechtlichen Beamtenbegriff kommt es nicht darauf an, dass die Pflichtverletzung durch einen Beamten im statusrechtlichen Sinne begangen wurde. Vielmehr zählen hierzu alle Mitarbeiter, die für den Rentenversicherungsträger hoheitlich tätig werden, insbesondere auch die Angestellten sowie die Versichertenberater/Versichertenältesten (siehe § 42 Abs. 4 SGB IV).
Im Gegensatz zum sozialrechtlichen Herstellungsanspruch sind aber keine Schäden auszugleichen, die durch andere Sozialleistungsträger und Behörden verursacht wurden. Eine Ausnahme bilden lediglich Pflichtverletzungen im Rahmen einer Beauftragung nach §§ 88, 89 SGB X (zum Beispiel Kooperation mit der Knappschaft bei den sogenannten C-Versicherten) beziehungsweise nach § 119 Abs. 4 SGB VI (Wahrnehmung von Aufgaben durch den Renten Service), für die ebenfalls der Rentenversicherungsträger haftet. - Pflichtverletzung
Allgemein besteht die Amtspflicht zur rechtmäßigen Bearbeitung und Entscheidung. Die einzelnen Amtspflichten ergeben sich aus den Regelungen des Sozialgesetzbuches und angrenzender Vorschriften. Ist die Bearbeitung und Entscheidung in einer Art und Weise erfolgt, die unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zulässig ist, liegt eine Amtspflichtverletzung vor.
Es kann sich hierbei zum Beispiel handeln um- fehlerhafte Bescheiderteilung,
- Nichtbeachtung versorgungsausgleichsrechtlicher Regelungen,
- unzutreffende Zahlungsanweisungen und -einstellungen,
- unterlassene und falsche Auskunft und Beratung,
- unzutreffende Rentenauskünfte und Renteninformationen,
- Untätigkeit, schleppende Bearbeitung,
- Nichtbeachtung einer Vollmacht (§ 13 SGB X) oder
- unzutreffende Behandlung von Abtretungen, Pfändungen und Ähnliches.
- Drittbezogenheit der verletzten Amtspflicht
Die verletzte Amtspflicht muss gerade auch zum Schutz des konkret betroffenen Anspruchstellers bestehen und darf nicht nur den Interessen der Allgemeinheit dienen. Liegt die Amtspflichtverletzung im Erlass eines belastenden beziehungsweise im Unterlassen/Ablehnung eines begünstigenden Verwaltungsaktes deckt sich die Drittbezogenheit mit der Klagebefugnis nach § 54 SGG.
Ehepartner der Versicherten sind nicht „Dritte“ im Sinne der Amtshaftungsvorschriften. Machen Sie einen Schaden aufgrund einer verletzten Amtspflicht, die gegenüber dem Versicherten besteht, geltend, ist der Anspruch wegen fehlender Drittbezogenheit abzulehnen.
Eine andere Person des öffentlichen Rechts ist nur dann Dritter, wenn der pflichtverletzende Beamte ihr in einer Weise gegenübertritt, wie sie für das Verhältnis zwischen Behörde und Bürger charakteristisch ist. Wirken hingegen beide Körperschaften bei der Erfüllung einer ihnen gemeinsam übertragenen Aufgabe gleichsinnig und nicht in Vertretung einander widerstreitender Interessen derart zusammen, dass sie im Rahmen dieser Aufgabe als Teil eines einheitlichen Ganzen erscheinen, dann sind die zur Förderung des gemeinsamen Ziels bestehenden Pflichten nicht „drittbezogen“ (BGH-Urteil vom 12.12.1991, AZ: III ZR 18/91, BGHZ 116, 312, 315).
Nicht „drittbezogen“ sind zum Beispiel die- Pflichten nach § 17 SGB I wonach Sozialleistungen zeitgemäß, umfassend und zügig zu erbringen sind, soziale Dienste rechtzeitig und ausreichend zur Verfügung stehen müssen und der Zugang zu den Sozialleistungen einfach zu gestalten ist. Diese Vorschrift stellt einen Programmsatz auf und begründet aus sich heraus (mit Ausnahme von § 17 Abs. 2 SGB I) keine subjektiven Rechte.
- Mitteilungspflichten der Rentenversicherungsträger gegenüber der Krankenkasse im Rahmen der KVdR (BGH a.a.O),
- Pflichten gegenüber dem Sozialamt im Rahmen der Amtshilfe zur Grundsicherung,
- sonstige Amtshilfen unter Behörden (§ 3 ff. SGB X)
- „drittbezogen“ ist hingegen die
- Pflicht zur vollständigen und richtigen Auskunftserteilung im Versorgungsausgleichsverfahren, diese besteht nicht nur gegenüber dem Familiengericht, sondern auch gegenüber den Parteien (BGH-Urteil vom 09.10.1997, AZ: III ZR 4/97, BGHZ 137, 11).
Verschulden
Die Amtspflichtverletzung muss vorsätzlich oder fahrlässig verschuldet sein.
In Fällen der „Falschbearbeitung“ ist Fahrlässigkeit erst dann gegeben, wenn eine objektiv unrichtige Gesetzesauslegung gegen den klaren, bestimmten und eindeutigen Wortlaut der Vorschrift verstößt oder wenn die Zweifelsfragen durch die höchstrichterliche Rechtsprechung geklärt sind (BGH-Urteil vom 24.11.1988, AZ: III ZR 86/88, VersR 89, 184f.). Dagegen fehlt es am Verschulden, wenn die objektiv unrichtige Rechtsanwendung eine Vorschrift betrifft, deren Inhalt - bezogen auf den zur Entscheidung stehenden Einzelfall - zweifelhaft sein kann und noch nicht durch eine höchstrichterliche Rechtsprechung klargestellt ist (BGH-Urteil vom 19.12.1991, AZ: III ZR 9/91, NJW-RR 1992,919f.). Wenn die nach sorgfältiger Prüfung der Gesetzes- und Rechtslage gewonnene Rechtsansicht des Amtsträgers als rechtlich vertretbar angesehen werden kann, dann kann aus der Missbilligung dieser Rechtsauffassung durch die Gerichte kein Schuldvorwurf hergeleitet werden (BGH-Urteil vom 08.10.1992, AZ: III ZR 220/90, BGHZ 119, 365, 369). Ob die Rechtslage selbst bei Vorliegen eines Urteils mit abweichender Rechtsauffassung bereits so eindeutig geklärt worden ist, dass ein Festhalten an der vom Urteil abweichenden Ansicht nicht mehr vertretbar erscheint, muss stets der Beurteilung des Einzelfalles vorbehalten bleiben (BGH-Urteil vom 17.03.1994, AZ: III ZR 27/93, NJW 1994, 3158).
Bei fahrlässigen Pflichtverletzungen gilt die Subsidiaritätsklausel aus § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB. Dies bedeutet, dass ein Amtshaftungsanspruch nur gegeben ist, wenn keine anderweitige Ersatzmöglichkeit besteht. Diese kann insbesondere in einer sozialrechtlichen „Heilung“ bestehen. Machen „Geschädigte“ ihr inhaltlich gleiches Begehren gleichzeitig in einem Sozialrechtsstreit geltend, ist vorrangig der Ausgang dieses Verfahrens abzuwarten, bevor abschließend über den Amtshaftungsanspruch entschieden werden kann.
Kausalität des Schadens
Der geltend gemachte Schaden muss durch die Amtspflichtverletzung bedingt sein (Kausalität) und dieser zugerechnet werden können.
Grundsätzlich kann der Geschädigte nur Schadensersatz in Geld verlangen. Andernfalls würden die ordentlichen Gerichte mit der Verurteilung zur Aufhebung eines belastenden Verwaltungsaktes beziehungsweise zum Erlass eines begünstigenden Verwaltungsaktes in die Zuständigkeit der Verwaltungs- und Sozialgerichte eingreifen.
Die Pflichtverletzung muss für den geltend gemachten Schaden ursächlich sein. Der Geschädigte ist so zu stellen, wie er ohne die Amtspflichtverletzung, das heißt bei ordnungsgemäßer Bearbeitung, stehen würde. Maßgebend ist, welchen Verlauf die Dinge genommen hätten und wie sich in diesem Fall die Vermögenslage des Betroffenen entwickelt hätte (BGH-Urteil vom 10.07.2003, AZ: III ZR 155/02, NJW 2003, 3049 ff.).
Bei Ermessensentscheidungen beruht der Schaden nur dann auf einer Amtspflichtverletzung, wenn bei jeder denkbaren anderen ermessensfehlerfreien Entscheidung nach den Umständen des Einzelfalls der Schaden nicht entstanden wäre.
Bei unterlassenen Amtshandlungen ist zu prüfen, ob bei pflichtgemäßem Handeln der Schaden ganz oder teilweise vermieden worden wäre.
Beispiele für geltend gemachte Schäden
Nachfolgend werden einige häufig geltend gemachte Schäden erläutert (die Aufzählung ist nicht abschließend):
- Kosten und Gebühren des Rechtsanwalts/Rentenberaters
Diese Gebühren sind nur dann als Schaden (keine verfahrensrechtliche Kostentragung, zum Beispiel nach § 63 SGB X) zu erstatten, wenn die (sofortige) Inanspruchnahme eines Rechtsanwalts/Rentenberaters erforderlich war. Die Inanspruchnahme eines Rechtsanwalts/Rentenberaters ist beispielsweise gerechtfertigt, wenn der Versicherte/Berechtigte erst komplexe rechtliche Vorgänge zur Beurteilung der Sach- und Rechtslage nachvollziehen müsste oder er sich bereits mehrfach selbst vergeblich um die Klärung seines Anliegens bemüht hat. Dagegen ist die Inanspruchnahme eines Rechtsanwalts/Rentenberaters in einfach gelagerten Fällen und bei erstmaliger Geltendmachung eines Anspruchs grundsätzlich nicht erforderlich. Lediglich unter besonderen Umständen, etwa wenn der Geschädigte aus Mangel an geschäftlicher Gewandtheit oder wegen Krankheit nicht in der Lage war, seine Interessen selbst zu vertreten, ist die sofortige Einschaltung eines Rechtsbeistands geboten (vergleiche BGH-Urteil vom 08.11.1994, AZ: VI ZR 3/94, NJW 1995, 446). Grundsätzlich ist nach den Umständen des Einzelfalles abzuwägen, ob dem Versicherten nicht zunächst auch eine einfache Nachfrage oder Erinnerung bei dem Rentenversicherungsträger zuzumuten gewesen wäre (vergleiche auch Abschnitt 5).
Die Gebühren bemessen sich für die Einschaltung eines Rechtsanwalts nach dem RVG (Gesetz über die Vergütung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte). Nach § 3 RVG fallen in sozialrechtlichen Angelegenheiten regelmäßig Rahmengebühren zuzüglich Auslagen und Umsatzsteuer an. Eine Gebührenerhebung oberhalb der Mittelgebühr setzt dabei eine besonders schwierige oder umfangreiche Angelegenheit voraus. - Steuerschäden/Fremdleistungen
Werden Schäden geltend gemacht, die über das Sozialversicherungsrecht hinausgehen (zum Beispiel aus dem Steuerrecht oder Betriebsrenten) sind diese nicht ersatzfähig. Ein ersatzfähiger Schaden muss aus dem Bereich der Gefahren stammen, zu deren Abwendung die verletzte Norm erlassen wurde. Außerhalb des Sozialversicherungsrechts eintretende Schäden einer Fehlberatung liegen nicht im Schutzzweck des § 14 SGB I. Insoweit kann der Rentenversicherungsträger für Schäden, die nicht auf sozialversicherungsrechtlichem Gebiet eintreten, nicht haftbar gemacht werden (siehe Urteil des OLG München vom 04.08.2011, AZ: 1 U 5070/10). - Schmerzensgeld
Grundsätzlich besteht kein Anspruch auf Zahlung eines Schmerzensgeldes bei bloßer „Falschbearbeitung“. Führte die Amtspflichtverletzung jedoch nachweislich zu einem Gesundheitsschaden oder zu einem Eingriff in die körperliche Unversehrtheit, kann ausnahmsweise auch ein Schmerzensgeldanspruch gegeben sein (§ 253 BGB). - Fahrtkosten, Porto, Telefongebühren und andere
Steht eine schuldhaft begangene Amtspflichtverletzung fest, sind diese Kosten, soweit sie ursächlich durch die Amtspflichtverletzung entstanden sind und geltend gemacht werden, im Allgemeinen bei entsprechendem Nachweis zu erstatten. - Rentenschäden
Rentenschäden sind insbesondere dann zu ersetzen, wenn ein Ausgleich über den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch nicht (vollständig) möglich ist, weil zum Beispiel aufgrund der Amtspflichtverletzung länger als 4 Jahre rückwirkend keine oder eine zu geringe Rente gezahlt wurde (vergleiche auch Abschnitt 6). Gerade hier ist jedoch zu prüfen, ob bei rechtmäßigem Handeln dem Betroffenen unter Berücksichtigung aller Umstände tatsächlich ein (höherer) Rentenanspruch zugestanden hätte beziehungsweise ob er überhaupt schon zu einem früheren Zeitpunkt aufgrund seiner Lebensplanung einen Rentenanspruch geltend gemacht hätte.
(Unrichtige) Rentenauskünfte gemäß § 109 SGB VI vermitteln den Versicherten keine Ansprüche, die ihnen nach dem anzuwendenden Rentenrecht nicht zustehen. Dennoch besteht die Amtspflicht zu richtiger Auskunftserteilung. Die Auskunft soll den Versicherten informieren und begründet daher auch ein schutzwürdiges Vertrauen hinsichtlich des zu erwartenden Einkommens bei einer Verrentung. Die weitere Entscheidung, daraufhin aus dem aktiven Erwerbsleben auszuscheiden und damit - bei gewonnener Freizeit - auf ein erhebliches Mehreinkommen zu verzichten, baut zwar auf den Rentenauskünften auf, bedarf aber als solche einer gesonderten Entschließung über die weitere Lebensgestaltung. Daher ist der Schadensersatzanspruch zur Vermeidung einer Besserstellung auf die Differenz zwischen der tatsächlich bezogenen Rente und dem Betrag begrenzt, auf den die Versicherten nach der erteilten (falschen) Auskunft vertrauen durften. Nicht zu berücksichtigen ist dagegen das Einkommen, das bei Fortsetzung der Berufstätigkeit erzielt worden wäre (BGH-Urteil vom 10.07.2003, AZ: III ZR 155/02, NJW 2003, 3049, 3051), ebenso wenig ist der Freizeitgewinn durch die Aufgabe der Erwerbstätigkeit gegenzurechnen. - Zinsschäden
Zinsschäden sind nur dann erstattungsfähig, wenn der Schaden nicht bereits durch die sozialrechtlichen Verzinsungsvorschriften (§ 44 SGB I, § 27 SGB IV) ausgeglichen ist.
Der Schadensersatzanspruch kann direkt auf Ersatz eines Zinsschadens gerichtet sein. Dies ist zum Beispiel dann der Fall, wenn wegen ausgebliebener oder verspäteter (Renten-)Zahlungen dem Betroffenen nachweislich Kreditzinsen wegen der hierdurch notwendigen Kontoüberziehung oder Kreditaufnahme in Rechnung gestellt wurden.
Begehrt der Anspruchsteller ohne konkreten Nachweis seines Schadens Zinsen nach § 288 BGB oder § 291 BGB gilt folgendes:
Grundsätzlich gilt für die Verzinsung von Sozialleistungen (zum Beispiel Renten und Nachzahlungen) § 44 SGB I als „lex specialis“. Die zivilrechtlichen Zinsvorschriften sind wegen dieser abschließenden Regelung auf verspätete Zahlungen nicht anwendbar.
Im Einzelfall können Zinsen jedoch als Nebenforderung begehrt werden, wenn der Betroffene einen anderen Schaden aufgrund der Amtspflichtverletzung geltend macht und dieser Schadensersatzanspruch dann wegen Verzuges (§ 288 BGB) oder Rechtshängigkeit (§ 291 BGB) zu verzinsen ist. Hier besteht nur dann ein Zinsanspruch, wenn auch die Hauptforderung besteht und fällig ist. - Zeitaufwand
Der für die Abwicklung des Schadensersatzanspruchs geltend gemachte Zeitaufwand („Mühewaltung“) ist nach ständiger Rechtsprechung nicht ersatzfähig (vergleiche zum Beispiel BGH NJW 90, 2060, 2062 m.w.N.). - entgangener Gewinn
Wird „entgangener Gewinn“ geltend gemacht, ist dieser grundsätzlich gemäß § 252 BGB ersatzfähig, wenn er nachgewiesen wird. Oftmals wird dieser in Fällen geltend gemacht, in denen dem Geschädigten aufgrund der Amtspflichtverletzung ein Betrag nicht zur Verfügung stand, den er gewinnbringend hätte anlegen können.
Mitverschulden
Durch eigenes Zutun des Anspruchstellers kann der Ersatzanspruch ganz oder teilweise ausgeschlossen sein.
- „schuldhafte Rechtsmittelversäumnis“
Die Haftung ist nach § 839 Abs. 3 BGB völlig ausgeschlossen, wenn der Betroffene es schuldhaft (auch leicht fahrlässig) versäumt hat, ein Rechtsmittel gegen unsere (verzögerte/falsche) Bearbeitung oder Entscheidung einzulegen. Der Begriff des Rechtsmittels ist hier weit auszulegen (BGH-Urteil vom 05.02.1974, AZ: VI ZR 71/72, NJW 74, 639). Er beinhaltet zum Beispiel auch eine „formlose“ Erinnerung, Gegendarstellung, Dienstaufsichtsbeschwerde, beim Versorgungsausgleichsverfahren eine Vorabentscheidung nach § 628 ZPO, Wiedereinsetzungsanträge und ähnliche Maßnahmen, die geeignet sind, die getroffene Entscheidung zu überprüfen und einen (weiteren) Schaden abzuwenden.
Es ist aber grundsätzlich dem Versicherten nicht zuzumuten, Rechtsmittel deswegen einzulegen, weil er die vom Rentenversicherungsträger vertretene Rechtsauffassung für nicht zutreffend hält. - Mitverschulden § 254 BGB
Darüber hinaus gilt auch für den Amtshaftungsanspruch allgemein § 254 BGB. Hiernach ist der eingetretene Schaden nur dann (vollständig) zu ersetzen, wenn der Geschädigte weder an der Entstehung des Schadens mitgewirkt noch Möglichkeiten der Schadensabwendung und Schadensminderung versäumt hat. Dieses „Verschulden gegen sich selbst“ ist danach zu beurteilen, ob anhand der tatsächlichen Gegebenheiten eine Schadensabwendung hypothetisch möglich gewesen wäre. So kann einem Versicherten zum Beispiel zugemutet werden, den erhaltenen Versicherungsverlauf auf Vollständigkeit zu prüfen oder Unrichtigkeiten (zum Beispiel falsche Zahlenangaben) durch einfache Rückfrage zu klären. Im Gegensatz zu § 839 Abs. 3 BGB (siehe unter Punkt „schuldhafte Rechtsmittelversäumnis“) ist hier nach den Umständen des Einzelfalls auch eine Schadensteilung möglich.
Verjährung
Es gelten weder die sozialrechtliche Verjährung nach § 45 SGB I noch die sozialrechtliche Ausschlussfrist des § 44 Abs. 4 SGB X, auch nicht für Rentenschäden (vergleiche Abschnitt 4 unter Punkt „Rentenschäden“).
Bis 31.12.2001 galt für den Amtshaftungsanspruch wie für alle deliktischen Ansprüche § 852 BGB alte Fassung. Die dreijährige Verjährung begann, sobald der Verletzte von dem Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen (positiv) Kenntnis erlangte. Der Geschädigte musste also wissen, dass die in Rede stehende Amtshandlung widerrechtlich und schuldhaft war und deshalb eine zum Schadensersatz verpflichtende Amtspflichtverletzung darstellte.
Mit Inkrafttreten des SMG (Schuldrechtsmodernisierungsgesetz) zum 01.01.2002 ist für die Schadensforderung die allgemeine Verjährung von 3 Jahren gemäß § 195 BGB zu beachten, für den Fristbeginn gilt § 199 BGB. Hiernach beginnt die Verjährung erst ab Kenntnis beziehungsweise grob fahrlässiger Unkenntnis der anspruchsbegründenden Umstände durch den Geschädigten.
Die Rechtsanwendung richtet sich nach Art. 229 § 6 Abs. 1 EGBGB. Hat der Geschädigte vor dem 01.01.2002 Kenntnis von Schaden und Schädiger erlangt, gilt weiterhin altes Recht.
Die Einrede der Verjährung ist ausdrücklich zu erheben.
„sonstige“ Schadensersatzansprüche
Begehrt ein Betroffener Schadensersatz, kommen vorrangig spezialgesetzliche Anspruchsgrundlagen in Betracht. Praktische Bedeutung für die Rentenversicherungsträger haben beispielsweise die nachfolgenden Vorschriften:
- § 840 Abs. 2 ZPO
Wird im Rahmen der Zwangsvollstreckung (Pfändung und Überweisung der Rente) die Drittschuldnererklärung nicht, unrichtig (zum Beispiel unvollständig) oder verspätet abgegeben, ist dem Gläubiger nach § 840 Abs. 2 ZPO der hierdurch entstandene Schaden zu ersetzen. Hierüber wird ebenfalls durch die Zivilgerichte entschieden. - § 82 SGB X in der Fassung bis 24.05.2018
Diese Vorschrift verweist auf §§ 7 ff. BDSG (Bundesdatenschutzgesetz) und gewährt dem Betroffenen einen Schadensersatzanspruch, wenn ihm der Rentenversicherungsträger durch die unzulässige oder unrichtige Erhebung, Verarbeitung und Nutzung seiner personenbezogenen Daten einen Schaden zugefügt hat. Dieser Anspruch ist ebenfalls vor den Zivilgerichten geltend zu machen.