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Art. 11 VO (EG) Nr. 883/2004: Bestimmung des anwendbaren Rechts - Allgemeine Regelung

Änderungsdienst
veröffentlicht am

16.12.2019

Änderung

Im Abschnitt 9 wurde die Anwendung der Auffangregelung um den Personenkreis erwerbstätiger Personen mit Beschäftigung außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs erweitert (EuGH-Urteil vom 08.05.2019, Rs.C-631/17, 'SF').

Dokumentdaten
Stand06.12.2019
Version002.00

Inhalt der Regelung

Die Art. 11 VO (EG) Nr. 883/2004 bis Art. 16 VO (EG) Nr. 883/2004 bestimmen als sogenannte „Kollisionsnormen“ den Mitgliedstaat, dessen Rechtsvorschriften auf Arbeitnehmer, Selbständige, Beamte und besondere Personenkreise im Einzelfall anzuwenden sind, um einerseits Doppelversicherungen und andererseits Lücken in der sozialen Sicherung zu vermeiden.

Hierbei gilt nach Art. 11 Abs. 1 VO (EG) Nr. 883/2004 der Grundsatz, dass die betroffene Person den Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedstaats unterliegt.

Absatz 2 fingiert - ausschließlich zur Bestimmung der anzuwendenden Rechtsvorschriften - das Fortbestehen einer Beschäftigung/selbständigen Tätigkeit, sofern aufgrund oder infolge dieser eine Geldleistung bezogen wird.

Absatz 3 regelt unter Buchstabe a zunächst den Grundsatz der Rechtszuweisung, das sogenannte „Territorialitätsprinzip“. Ausnahmen von diesem Prinzip gelten nach Maßgabe der Buchstaben b bis d für Beamte, Bezieher von Leistungen bei Arbeitslosigkeit und Wehr- oder Zivildienstleistende. Als Auffangregelung verhindert Buchstabe e, dass in Anwendung der Kollisionsnormen kein sozialer Schutz besteht.

Absatz 4 regelt die Rechtszuweisung für Seeleute.

Absatz 5 regelt die Rechtszuweisung für Flugzeugbesatzungen.

Ergänzende/korrespondierende Regelungen

Bestimmung der anzuwendenden Rechtsvorschriften - Allgemeines

Nach Maßgabe des Art. 11 Abs. 1 VO (EG) Nr. 883/2004 gelten für die vom persönlichen Geltungsbereich dieser Verordnung erfassten Personen (vergleiche GRA zu Art. 2 VO (EG) Nr. 883/2004, Abschnitt 2) die Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedstaats (und nicht etwa, beispielsweise bei Beschäftigung in mehreren Mitgliedstaaten, die Rechtsvorschriften jedes dieser Mitgliedstaaten). Seit dem 01.01.2011 werden zudem auch Drittstaatsangehörige im Sinne der (Drittstaats-)VO (EU) Nr. 1231/2010 von Art. 11 VO (EG) Nr. 883/2004 erfasst. Dies gilt nicht für Großbritannien und Dänemark, die die VO (EU) Nr. 1231/2010 nicht angenommen haben. In Bezug auf Großbritannien ist für Drittstaatsangehörige jedoch versicherungsrechtlich weiterhin die VO (EWG) Nr. 1408/71 anwendbar.

Der Wohnort des Arbeitnehmers oder der Betriebssitz des Arbeitgebers sind bei einer Beschäftigung in nur einem Mitgliedstaat hinsichtlich der Bestimmung der anzuwendenden Rechtsvorschriften unbeachtlich.

Die Rechtszuweisung in das System eines bestimmten Mitgliedstaats bezieht sich auf obligatorische Pflichtversicherungen, nicht dagegen auf Pflichtversicherungen, die auf einer freien Entscheidung beruhen, auch wenn der freiwillige Beitritt zu einer Beitragszahlungspflicht führt (zum Beispiel Antragspflichtversicherung nach § 4 Abs. 1 SGB VI). Eine Antragspflichtversicherung nach § 4 SGB VI ist demnach neben einer Pflichtversicherung aufgrund einer Beschäftigung in einem anderen Mitgliedstaat zulässig. Eine weitere Ausnahme vom Grundprinzip des Art. 11 Abs. 1 VO (EG) Nr. 883/2004, wonach eine Person den Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedstaats unterliegt, ist darüber hinaus die Versicherungspflicht wegen Kindererziehungszeiten nach Maßgabe des § 3 S. 1 Nr. 1 SGB VI, der grundsätzlich nicht entgegensteht, dass die betreffende Person beispielsweise in Deutschland wohnt und ein Kind erzieht und gleichzeitig aufgrund der Ausübung einer Beschäftigung in einem anderen Mitgliedstaat den dortigen Rechtsvorschriften unterliegt.

Die Rechtszuweisung gilt für alle Versicherungszweige, sodass zum Beispiel bei Rentenversicherungspflicht nach deutschem Recht, keine Krankenversicherungspflicht nach dem Recht eines anderen Mitgliedstaats bestehen kann.

Fiktion der Ausübung einer Beschäftigung/Tätigkeit

Nach Maßgabe des Art. 11 Abs. 2 VO (EG) Nr. 883/2004 ist zur Bestimmung der anzuwendenden Rechtsvorschriften bei Personen, die aufgrund einer Beschäftigung oder selbständigen Erwerbstätigkeit eine Geldleistung beziehen (zum Beispiel Arbeitslosengeld und Krankengeld), davon auszugehen, dass sie diese Erwerbstätigkeit ausüben. Die Rechtszuweisung erfolgt dann unter Beachtung dieser fortgeltenden Beschäftigung, als würde sie weiterhin ausgeübt.

Durch diese Regelung soll insbesondere verhindert werden, dass bei Bezug vorübergehender Entgeltersatzleistungen im Wohnmitgliedstaat und gleichzeitiger Teilzeitbeschäftigung in einem anderen Mitgliedstaat ein Rechtswechsel in dessen Rechtsvorschriften nach Art. 11 Abs. 3 Buchst. a VO (EG) Nr. 883/2004 erfolgt. Durch die Fiktion des Art. 11 Abs. 2 VO (EG) Nr. 883/2004 verbleibt es stattdessen während der (nur) vorübergehenden Entgeltersatzleistung bei der bisherigen Rechtszuordnung. Die Fiktion des Art. 11 Abs. 2 VO (EG) Nr. 883/2004 gilt dementsprechend nicht für Dauergeldleistungen (Renten) aus den Bereichen der Rentenversicherung, Unfallversicherung und Krankenversicherung.

Rechtszuordnung bei Beschäftigten

Art. 11 Abs. 3 Buchst. a VO (EG) Nr. 883/2004 verweist vorbehaltlich abweichender Regelungen in den Art. 12 VO (EG) Nr. 883/2004 bis Art. 16 VO (EG) Nr. 883/2004 auf die Rechtsvorschriften des Beschäftigungsstaats, wenn nur in einem Mitgliedsstaat eine Beschäftigung ausgeübt wird. Der Wohnort des Arbeitnehmers oder der Betriebssitz des Arbeitgebers ist bei einer Beschäftigung in nur einem Mitgliedstaat hinsichtlich der Bestimmung der anzuwendenden Rechtsvorschriften unbeachtlich.

Wohnt der Arbeitnehmer in einem Mitgliedstaat, in dem aufgrund des Wohnens Versicherungspflicht eintreten würde, liegt der Beschäftigungsort aber in einem anderen Mitgliedstaat, sind somit allein die Rechtsvorschriften des Beschäftigungsstaats anzuwenden. Dies gilt auch dann, wenn die Rechtsvorschriften des Beschäftigungsstaats nicht an die Ausübung einer Beschäftigung, sondern an das Wohnen anknüpfen.

Ob eine Beschäftigung im Sinne des Art. 11 Abs. 3 Buchst. a VO (EG) Nr. 883/2004 vorliegt, richtet sich nach den jeweiligen Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, in dem die Beschäftigung ausgeübt wird (Art. 1 Buchst. a VO (EG) Nr. 883/2004). Wesentliches Merkmal einer Beschäftigung ist die Leistungserbringung auf Weisung mit einer Vergütung als Gegenleistung (EuGH-Urteil vom 21.06.1988, Rechtssache 197/66, Brown).

Im Zusammenhang mit der Frage, ob die Pflegetätigkeit im Sinne des § 3 S. 1 Nr. 1a SGB VI als Beschäftigung einzustufen ist, gehen die Rentenversicherungsträger ebenfalls davon aus, dass der Mitgliedstaat, in dem die Pflege ausgeübt wird, nach seinen Rechtsvorschriften zu beurteilen hat, ob eine Beschäftigung im Sinne des Art. 11 Abs. 3 Buchst. a VO (EG) Nr. 883/2004 vorliegt. Kommt er zu dem Ergebnis, dass es sich nicht um eine Beschäftigung, sondern um einen sonstigen die Versicherungspflicht begründenden Tatbestand, zum Beispiel eine familiäre Hilfeleistung, handelt, gelten nach Art. 11 Abs. 3 Buchst. e VO (EG) Nr. 883/2004 die Rechtsvorschriften des Wohnstaats.

Dessen ungeachtet kann Versicherungspflicht für Pflegepersonen nach § 3 S. 1 Nr. 1a SGB VI auch eintreten, wenn die nicht erwerbsmäßige Pflege in einem Mitgliedstaat der EU/des EWR beziehungsweise der Schweiz oder im Inland erfolgt und der Pflegende in einem anderen Mitgliedstaat wohnt, sofern der Pflegebedürftige Pflegeleistungen von einer deutschen Pflegekasse erhält (siehe GRA zu § 3 SGB VI, Abschnitte 3.1.8 und 3.2.8). Die Versicherungspflicht des Pflegenden zieht in diesem Fall jedoch nicht die Anwendung der deutschen Rechtsvorschriften nach sich. Bei Personen, die neben der nicht erwerbsmäßigen Pflegetätigkeit auch eine Erwerbstätigkeit im anderen Mitgliedstaat ausüben, bleibt der andere Mitgliedstaat kollisionsrechtlich der zuständige Beschäftigungsstaat. Die zusätzliche Anwendung der deutschen Rechtsvorschriften ist in diesem Fall unproblematisch, weil dies für die Pflegeperson nicht mit zusätzlichen Beitragslasten verbunden ist (EuGH-Urteil vom 09.06.1964, Rechtssache 92/63, „Nonnenmacher“). Die dabei entstehende Doppelversicherung fällt leistungsrechtlich unter die Verdrängungsregeln des Art. 12 VO (EG) Nr. 987/2009).

Betriebliche Berufsausbildungen und Praktika im Rahmen von Berufsausbildungen erfüllen ebenfalls den Tatbestand der Beschäftigung im Sinne des Art. 11 Abs. 3 Buchst. a VO (EG) Nr. 883/2004.

Auch Teilzeitbeschäftigungen sind Beschäftigungen im Sinne des Art. 11 Abs. 3 Buchst. a VO (EG) Nr. 883/2004. Die Rechtsvorschriften des Beschäftigungsstaats sind bei tageweiser Beschäftigung auch an den beschäftigungsfreien Tagen anzuwenden.

Sonderregelungen für Beschäftigte enthalten Art. 12 Abs. 1 VO (EG) Nr. 883/2004, für beschäftigte Seeleute Art. 11 Abs. 4 VO (EG) Nr. 883/2004 und für beschäftigte Mitglieder des Besatzungspersonals von Luftfahrtunternehmern Art. 11 Abs. 5 VO (EG) Nr. 883/2004.

Rechtszuordnung bei selbständig Erwerbstätigen

Die Zuordnungsregelung für selbstständig Tätige entspricht der für Beschäftigte, wobei die Beurteilung, ob eine selbständige Erwerbstätigkeit vorliegt, nach den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats erfolgt, in dem die selbständige Erwerbstätigkeit ausgeübt wird (siehe Art. 1 Buchst. b VO (EG) Nr. 883/2004). Anzuwenden sind gemäß Art. 11 Abs. 3 Buchst. a VO (EG) Nr. 883/2004 die Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, in dem die selbstständige Tätigkeit ausgeübt wird.

Nach deutschem Recht werden nur bestimmte selbstständig Tätige von der Versicherungspflicht kraft Gesetzes erfasst (§§ 2, 229, 229a SGB VI). Da es für die Zuordnung nach Art. 11 Abs. 3 Buchst. a VO (EG) Nr. 883/2004 unerheblich ist, ob nach den Rechtsvorschriften des Staates, in dem die selbstständige Tätigkeit ausgeübt wird, tatsächlich Versicherungspflicht eintritt, kann ein Sicherungsdefizit entstehen, wenn zum Beispiel die in Deutschland ausgeübte selbstständige Tätigkeit nicht der deutschen Versicherungspflicht unterliegt und Art. 11 Abs. 3 Buchst. a VO (EG) Nr. 883/2004 eine im Wohnstaat des Selbstständigen aufgrund des Wohnens an sich bestehende Pflichtversicherung ausschließt. Ein Anwendungsfall des Art. 11 Abs. 3 Buchst. e VO (EG) Nr. 883/2004, der einen sozialen Schutz im Wohnstaat begründen könnte, liegt hier nicht vor, da diese Regelung voraussetzt, dass keine andere Kollisionsnorm einschlägig ist. Eine solche vorrangige Kollisionsnorm ist jedoch zum Beispiel Art. 11 Abs. 3 Buchst. a VO (EG) Nr. 883/2004.

Sonderregelungen für Selbstständige enthalten Art. 12 Abs. 2 VO (EG) Nr. 883/2004 und für selbstständige Seeleute Art. 11 Abs. 4 VO (EG) Nr. 883/2004.

Rechtszuordnung bei Beamten

Beamter im Sinne der VO (EG) Nr. 883/2004 ist jede Person, die in dem Mitgliedstaat, dem die sie beschäftigende Verwaltungseinheit angehört, als Beamter oder diesem gleich gestellte Person gilt. Im Einzelnen wird auf die Ausführungen in der GRA zu Art. 1 Buchstabe d VO (EG) Nr. 883/2004 verwiesen.

Darüber hinaus gelten (ausschließlich zur Bestimmung der anzuwendenden Rechtsvorschriften) deutscherseits als Beamten gleichgestellte Personen auch Mitarbeiter des Bundes, der Länder, der Gemeinden oder der Gemeindeverbände sowie der Körperschaften, der Anstalten und der Stiftungen des öffentlichen Rechts oder deren Verbände, sofern für sie grundsätzlich unmittelbar vor der Aufnahme der Auslandstätigkeit die deutschen Rechtsvorschriften gegolten haben.

Im Gegensatz zu Beschäftigten und Selbständigen im Sinne des Art. 11 Abs. 3 Buchst. a VO (EG) Nr. 883/2004 unterliegen Beamte und ihnen Gleichgestellte nicht den Rechtsvorschriften des Beschäftigungsstaats, sondern des Staates, dem die sie beschäftigende Verwaltungseinheit angehört (Art. 11 Abs. 3 Buchst. b VO (EG) Nr. 883/2004).

Zum betroffenen Personenkreis gehören aus deutscher Sicht unter anderem auch Berufs- und Zeitsoldaten.

Die Zuordnung in die Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, dem die beschäftigende Verwaltungseinheit angehört, gilt auch dann, wenn neben der Beamtentätigkeit im anderen Mitgliedstaat eine abhängige Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit ausgeübt wird (Art. 13 Abs. 4 VO (EG) Nr. 883/2004).

Eine Nachversicherung nach § 8 Abs. 2 SGB VI hat keinen rückwirkenden Einfluss auf die Zuordnung nach Art. 11 Abs. 3 Buchst. b VO (EG) Nr. 883/2004 während der aktiven Dienstzeit. Erst nach dem Ende der aktiven Dienstzeit ist diese Zuordnungsvorschrift nicht mehr einschlägig.

Art. 11 Abs. 3 Buchst. b VO (EG) Nr. 883/2004 gilt sowohl für unbefristete Tätigkeiten von Beamten und ihnen Gleichgestellte in einem anderen Mitgliedstaat, als auch für zeitlich im Voraus befristete Einsätze.

Die allgemeine Entsenderegelung des Art. 12 VO (EG) Nr. 883/2004 findet auf zeitlich im Voraus befristet in einem anderen Mitgliedstaat beschäftigte Beamte und ihnen Gleichgestellte keine Anwendung. Die Entsendung dieser Personenkreise erfolgt speziell nach der Vorschrift Art. 11 Abs. 3 Buchst. b VO (EG) Nr. 883/2004.

Zuordnung bei arbeitslosen Grenzgängern

Nach Art. 65 Abs. 2 S. 1 VO (EG) Nr. 883/2004 muss sich eine vollarbeitslose Person, die während ihrer letzten Beschäftigung oder selbstständigen Erwerbstätigkeit in einem anderen als dem zuständigen Mitgliedstaat gewohnt hat (Grenzgänger) und weiterhin dort wohnt oder dorthin zurückkehrt, der Arbeitsverwaltung des Wohnmitgliedstaats zur Verfügung stellen. Nach Art. 65 Abs. 5 Buchst. a und Abs. 6 S. 1 VO (EG) Nr. 883/2004 erhält diese Person Leistungen wegen Arbeitslosigkeit vom Träger des Wohnorts nach dessen Rechtsvorschriften und zu seinen Lasten.

Vollarbeitslose Personen, die keine Grenzgänger waren und in den Wohnmitgliedstaat zurückkehren, erhalten unter den Voraussetzungen des Art. 64 VO (EG) Nr. 883/2004 zunächst für 3 bis höchstens 6 Monate noch Leistungen wegen Arbeitslosigkeit vom Träger des Beschäftigungsstaats nach dessen Rechtsvorschriften. Der Leistungsbezug vom Träger des Wohnstaats ist für diese Zeitdauer ausgesetzt (Art. 65 Abs. 5 Buchst. b VO (EG) Nr. 883/2004).

Die vorstehend genannten Personen unterliegen nach Art. 11 Abs. 3 Buchst. c VO (EG) Nr. 883/2004 den Rechtsvorschriften des Wohnmitgliedstaats, wenn sie nach dessen Rechtsvorschriften Leistungen bei Arbeitslosigkeit erhalten.

Rechtszuordnung bei Wehr- und Zivildienstleistenden

Anzuwenden sind die Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, für den der Wehr- oder Zivildienst geleistet wird (Art. 11 Abs. 3 Buchst. d VO (EG) Nr. 883/2004). Aus der Formulierung "einberufene" beziehungsweise „wiedereinberufene“ Person ergibt sich, dass es sich um einen Dienst aufgrund gesetzlicher Pflicht (vergleiche § 3 S. 1 Nr. 2 SGB VI) handeln muss. Auch die Fiktion einer Wehrdienstleistung im Sinne des § 3 S. 1 Nr. 2 SGB VI bei freiwilliger Dienstleistung nach § 1 S. 2 SGB VI bewirkt die Zuordnung nach Art. 11 Abs. 3 Buchst. d VO (EG) Nr. 883/2004.

Auffangregelung

Die Auffangregelung des Art. 11 Abs. 3 Buchst. e VO (EG) Nr. 883/2004 dient dem sozialen Schutz aller Personen, die nicht bzw. nicht mehr von den Kollisionsnormen (Art. 11 Abs. 3 Buchst. a bis d VO (EG) Nr. 883/2004 und Art. 12 VO (EG) Nr. 883/2004 bis Art. 16 VO (EG) Nr. 883/2004) erfasst werden. In diesem Fall sind allein die Rechtsvorschriften des Wohnstaats anzuwenden.

Dies gilt in erster Linie für Personen, die nicht erwerbstätig sind (zum Beispiel Studenten), aber auch für Personen, deren Erwerbstätigkeit von den Art. 11 Abs. 3 Buchst. a bis d VO (EG) Nr. 883/2004 und Art. 12 VO (EG) Nr. 883/2004 bis Art. 16 VO (EG) Nr. 883/2004 nicht erfasst wird, weil sie beispielsweise außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs der Kollisionsnormen ausgeübt wird (EuGH-Urteil vom 08.05.2019, Rechtssache C-631/17, „SF“).

Rechtszuordnung bei Seeleuten

Anzuwenden sind die Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, unter dessen Flagge das Schiff fährt, auf dem die Berufstätigkeit ausgeübt wird. Art. 11 Abs. 4 S. 1 VO (EG) Nr. 883/2004 fingiert den Beschäftigungsort in den Flaggenstaat. Erfasst werden sowohl die Beschäftigung als auch die selbständige Tätigkeit als Seemann. Aus der Anknüpfung an den Flaggenstaat ergibt sich, dass die Zuordnung für die Seeschifffahrt, nicht dagegen für die Binnenschifffahrt gilt.

Durch Art. 11 Abs. 4 S. 2 VO (EG) Nr. 883/2004 wird hiervon abweichend geregelt, dass eine Person, die an Bord eines Seeschiffes von einem Arbeitgeber beschäftigt wird, der seinen Sitz in einem anderen Mitgliedstaat hat als dem, unter dessen Flagge das Schiff fährt, den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats unterliegt, in dem der beschäftigende Arbeitgeber seinen Sitz unterhält, sofern die Person in diesem Mitgliedstaat ihren Wohnsitz hat.

Im Falle einer Entsendung an Bord eines Schiffes gilt die allgemeine (Entsende) Regelung des Art. 12 VO (EG) Nr. 883/2004.

Rechtszuweisung für Flugzeugbesatzungen

Durch die VO (EU) Nr. 465/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22.05.2012 ist Art. 11 VO (EG) Nr. 883/2004 um einen Absatz 5 erweitert worden. Er enthält eine besondere kollisionsrechtliche Zuweisung für Personen, die als Besatzungsmitglieder von Flugzeugen beschäftigt sind.

Art. 11 Abs. 5 VO (EG) Nr. 883/2004 fingiert den Beschäftigungsort in den Mitgliedstaat, in dem sich die Heimatbasis des betreffenden Besatzungsmitglieds befindet. Nach der Definition im Anhang III VO (EWG) Nr. 3922/91 ist Heimatbasis der Ort, der durch den Luftfahrtunternehmer gegenüber dem Besatzungsmitglied bekanntgegeben wird, wo das Besatzungsmitglied normalerweise eine Dienstzeit oder Abfolge von Dienstzeiten beginnt und beendet und wo der Luftfahrtunternehmer normalerweise nicht für die Unterbringung des betreffenden Besatzungsmitglieds verantwortlich ist.

Das Inkrafttreten der VO (EU) Nr. 465/2012 kann für den Personenkreis der Flugzeugbesatzungen zu einer anderen Rechtszuweisung führen, als das nach den bis zum 27.06.2012 (EU-Mitgliedstaaten), 01.02.2013 (EWR-Staaten) oder 31.12.2014 (Schweiz) geltenden Regelungen der VO (EG) Nr. 883/2004 der Fall war. Daher wurde durch die VO (EU) Nr. 465/2012 mit Art. 87a Abs. 1 VO (EG) Nr. 883/2004 eine Übergangsregelung geschaffen.

Sofern durch die Anwendung des Art. 11 Abs. 5 VO (EG) Nr. 883/2004 für eine Person die Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats gelten, als dies bis zum jeweiligen Inkrafttreten der VO (EU) Nr. 465/2012 durch die Anwendung des Titels II der VO (EG) Nr. 883/2004 der Fall war, besteht diese Rechtszuweisung solange fort, wie sich der bis dahin vorherrschende Sachverhalt nicht ändert, längstens jedoch für einen Übergangszeitraum von 10 Jahren ab dem jeweiligen Inkrafttreten der VO (EU) Nr. 465/2012. Die betreffende Person kann jedoch beantragen, dass der Übergangszeitraum auf sie keine Anwendung findet. Im Einzelnen wird auf die Ausführungen in der GRA zu Art. 87a VO (EG) Nr. 883/2004 verwiesen.

Beschluss Nr. 1/2014 des gemischten Ausschusses, eingesetzt im Rahmen des Abkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit vom 28.11.2014 zur Änderung von Anhang II dieses Abkommens über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit.

Inkrafttreten: 01.01.2015

Quelle: Amtsblatt (EU) Nr. L 367/122 vom 23.12.2014

Mit dem Beschluss Nr. 1/2014 des gemischten Ausschusses vom 28.11.2014 wurde der Anwendungsbereich der VO (EU) Nr. 465/2012 vom 22.05.2012 auf die Schweiz erweitert.

Beschluss Nr. 14/2013 des gemeinsamen EWR-Ausschusses vom 01.02.2013 zur Änderung von Anhang VI (Soziale Sicherheit) des EWR-Abkommens

Inkrafttreten: 02.02.2013

Quelle: Amtsblatt (EU) Nr. L 144/19 vom 30.05.2013

Mit dem Beschluss Nr. 14/2013 des gemeinsamen EWR-Ausschusses vom 01.02.2013 wurde der Anwendungsbereich der VO (EU) Nr. 465/2012 vom 22.05.2012 auf die EWR-Staaten Island, Liechtenstein und Norwegen erweitert.

VO (EU) Nr. 465/2012 vom 22.05.2012

Inkrafttreten: 28.06.2012

Quelle: Amtsblatt (EU) Nr. L 149/4 vom 08.06.2012

Art. 11 VO (EG) Nr. 883/2004 wurde durch Art. 1 Nr. 4 der VO (EU) Nr. 465/2012 um den Absatz 5 ergänzt, der eine besondere kollisionsrechtliche Zuweisung von Besatzungspersonal von Luftfahrtunternehmern enthält.

Art. 11 Abs. 5 VO (EG) Nr. 883/2004 ist für die Mitgliedstaaten der EU mit der VO (EU) Nr. 465/2012 vom 22.05.2012 am 28.06.2012 in Kraft getreten.

VO (EG) Nr. 883/2004 vom 29.04.2004

Inkrafttreten: 20.05.2004

Quelle: Amtsblatt (EU) Nr. L 200/1 vom 07.06.2004 (berichtigte Fassung)

Anzuwenden ab: 01.05.2010

Art. 11 VO (EG) Nr. 883/2004 ist mit der VO (EG) Nr. 883/2004 vom 29.04.2004 am 20.05.2004 in Kraft getreten und ab 01.05.2010 anwendbar (Art. 91 S. 2 VO (EG) Nr. 883/2004).

Art. 11 VO (EG) Nr. 883/2004 entspricht inhaltlich weitgehend den Art. 13 VO (EWG) Nr. 1408/71 und Art. 14b VO (EWG) Nr. 1408/71.

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