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§ 49 SGB VI: Renten wegen Todes bei Verschollenheit

Änderungsdienst
veröffentlicht am

27.03.2023

Änderung

Im Abschnitt 1.1 wurde eine ergänzende Regelung aufgenommen.

Dokumentdaten
Stand07.03.2023
Erstellungsgrundlage in der Fassung des Fünften Gesetzes zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze (5. SGB IV-ÄndG) vom 15.04.2015 in Kraft getreten am 22.04.2015
Rechtsgrundlage

§ 49 SGB VI

Version002.00

Inhalt der Regelung

Die Vorschrift gibt dem Rentenversicherungsträger die Möglichkeit, den Tod von Verschollenen für Zwecke der gesetzlichen Rentenversicherung selbst festzustellen. Sie ist anzuwenden, wenn der Tod von (früheren) Ehegatten, (früheren) eingetragenen Lebenspartnern oder von Elternteilen Voraussetzung ist für einen - gegebenenfalls höheren - Rentenanspruch und der Tod nicht nachgewiesen werden kann, also weder eine Sterbeurkunde noch ein richterlicher Beschluss vorliegt.

Ergänzende/korrespondierende Regelungen

§ 49 SGB VI ist eine Sonderregelung zu den §§ 46, 47, 48, 243, 303 SGB VI.

§ 102 Abs. 6 SGB VI regelt das Ende der Rentenzahlung bei Verschollenheit.

Anwendungsbereich

§ 49 SGB VI gilt, wenn Hinterbliebenenrente begehrt wird, der Tod aber nicht nachgewiesen ist. Die Vorschrift findet damit keine Anwendung, wenn über den Tod

  • eine Sterbeurkunde oder
  • eine Todeserklärung nach dem Verschollenheitsgesetz

vorliegt.

Die Todesfeststellung nach § 49 SGB VI ist regelmäßig nach Ablauf einer Jahresfrist und damit früher als das gerichtliche Todesfeststellungsverfahren nach dem Verschollenheitsgesetz möglich. Dessen Fristen betragen für eine Todeserklärung bei allgemeiner Verschollenheit zehn Jahre, bei über Achtzigjährigen fünf Jahre (§ 3 Verschollenheitsgesetz - VerschG -). Nur im Rahmen einer Gefahrverschollenheit, zum Beispiel bei einem Schiffs- oder Flugzeugunglück, gelten im Verschollenheitsgesetz kürzere Fristen (§§ 4 bis 7 VerschG). Vor dem 25. Lebensjahr ist eine Todeserklärung nach dem Verschollenheitsgesetz jedoch ausgeschlossen. Im Rahmen des § 49 SGB VI kann damit eine Hinterbliebenenrente regelmäßig zu einem früheren Zeitpunkt gewährt werden.

Der Todestag ist nicht vom Rentenversicherungsträger nach § 49 SGB VI festzustellen, wenn bei einem Waisenrentenantrag zu vermuten ist, dass das Kind zwar während der Ehe, aber nach dem Beginn der Verschollenheit des (aufgrund der Ehelichkeitsvermutung nach §§ 1592, 1593 BGB in der Geburtsurkunde eingetragenen) Kindsvaters gezeugt worden ist. In diesem Fall ist ein gerichtliches Todeserklärungsverfahren einzuleiten (Beschluss des BGH vom 14.05.1965, AZ: VI ZB 490/64, BGHZ 44, 83). Es handelt sich hierbei um ein sogenanntes „scheineheliches“ Kind (Rechtslage bei vor dem 01.07.1998 geborenen Kindern) beziehungsweise um ein Kind, dessen Vater vermutlich nicht der verschollene Versicherte ist (Rechtslage bei Geburt ab 01.07.1998). Die Entscheidung über den Waisenrentenantrag ist bis zur Rechtskraft des gerichtlichen Beschlusses über die Todeserklärung zurückzustellen.

Todeserklärungen durch Gerichte in der ehemaligen DDR, Berlin-Ost und aus dem Ausland sind wirksam (zur DDR/Berlin-Ost vergleiche Urteile des BSG vom 11.05.1962, AZ: 4 RJ 69/61, und BSG vom 29.10.1968, AZ: 4 RJ 137/64, SozR Nr. 3 und Nr. 4 zu § 1271 RVO). Sie schließen die Anwendung von § 49 SGB VI aus.

Ist der Tod zwar nachgewiesen, geht aber aus der Sterbeurkunde der genaue Todeszeitpunkt nicht hervor (zum Beispiel bei der Angabe: Gestorben in der Zeit vom 01.07.2014 bis 31.03.2015), kann § 49 SGB VI hilfsweise für die Feststellung des Todestages herangezogen werden. Lässt sich der Todestag danach nicht festlegen, ist der letzte Tag des in der Sterbeurkunde angegebenen Todeszeitraumes als Todestag zugrunde zu legen (siehe auch Beschluss des BGH vom 20.03.1953, AZ: IV ZB 6/53, BGHZ 9, 135, 137). Die Hinterbliebenen haben aber gegebenenfalls die Möglichkeit, nach § 39 VerschG gerichtlich die Todeszeitfeststellung zu beantragen, die dann auch für die gesetzliche Rentenversicherung maßgebend ist.

Feststellung des Todestages

Voraussetzung für die Feststellung des Todes durch den Rentenversicherungsträger ist, dass

  • Versicherte seit mindestens einem Jahr verschollen sind und
  • die Umstände den Tod wahrscheinlich machen.

Beide Voraussetzungen müssen erfüllt sein. Vor Ablauf der Jahresfrist ist die Todesfeststellung nicht möglich, selbst wenn die Umstände für den Tod sprechen.

Für die Beurteilung, ob die Umstände den Tod wahrscheinlich machen, kommt es auf die Verhältnisse des jeweiligen Einzelfalles an. Die bloße Möglichkeit, dass Verschollene verstorben sein können, reicht nicht aus. Es muss mehr für den Tod als für das Fortleben sprechen. Die zum Verschollenheitsgesetz entwickelten Grundsätze sind bei Anwendung des § 49 SGB VI einzubeziehen (zum Beispiel Soergel, Kommentar zum BGB, 11. Aufl., Bd. 1, RdNr. 20 ff. zu § 1 VerschG).

Nach der Rechtsprechung (so Beschluss des OLG Düsseldorf vom 27.06.2001, AZ: Wx 156/01, FamRZ 2002, 339-340) bestehen ernstliche Zweifel am Fortleben eines Verschollenen, wenn Leben und Tod bei vernünftiger Betrachtungsweise gleichermaßen ungewiss sind und über sein Schicksal keine Nachrichten zu erlangen sind, obwohl sie nach Lage des Falles zu erwarten gewesen wären. Dabei sind insbesondere das Alter und der Gesundheitszustand zu berücksichtigen.

Dagegen sprechen solche Umstände gegen die Wahrscheinlichkeit des Todes, die bei Würdigung aller Tatsachen den Verdacht bestehen lassen, ein Vermisster sei zum Beispiel aus familiären oder wirtschaftlichen Gründen untergetaucht oder wolle der Strafverfolgung entgehen (vergleiche LSG Hessen vom 15.06.1993, AZ: L 2 J 47/92). Als Todestag ist der Tag zugrunde zu legen, der nach dem Ergebnis der Ermittlungen am wahrscheinlichsten ist. Er muss nicht mit dem Beginn der Verschollenheit übereinstimmen. Auch das Ende der Jahresfrist hat keine Bedeutung für die Bestimmung des Todestages. In Ausnahmefällen kann als Todestag das Ende eines längeren Zeitraums festgestellt werden, sofern der Tod über diesen Zeitraum hinweg wahrscheinlich, ein konkreter Todestag aber nicht feststellbar ist (siehe auch Beschluss des BGH vom 20.03.1953, AZ: IV ZB 6/53, BGHZ 9, 135, 137).

Die Feststellung des mutmaßlichen Todestages erfolgt durch einen Verwaltungsakt. War der Versicherte noch kein Rentenbezieher, ist ein eigenständiger Bescheid aber nicht erforderlich, in diesem Fall erfolgt die Todesfeststellung im Rahmen des Hinterbliebenen- oder Erziehungsrentenbescheides (siehe hierzu auch GRA zu § 102 SGB VI, Abschnitt 10.1).

Nachfolgende gerichtliche Todesfeststellung

Hat der Rentenversicherungsträger den Todestag zunächst in eigener Zuständigkeit nach § 49 SGB VI festgestellt und weicht dieser Todestag von einer späteren gerichtlichen Todesfeststellung ab, ist ein auf der Grundlage dieses Todestages erteilter Rentenbescheid nicht zu korrigieren. Der vom Rentenversicherungsträger nach § 49 SGB VI festgestellte Todestag bleibt auch bei gerichtlicher Feststellung oder Beurkundung eines abweichenden Todesdatums maßgeblich.

§ 49 S. 4 SGB VI, wonach es bei dem vom Rentenversicherungsträger festgestellten Todestag verbleibt, gilt für alle abweichenden gerichtlichen Feststellungen und Beurkundungen ab Inkrafttreten der Regelung am 22.04.2015, unabhängig davon, ob in der Vergangenheit bereits eine Todesfeststellung nach § 49 S. 3 SGB VI erfolgt ist.

Hinweis:

Wurde der Todestag vor dem 22.04.2015 gerichtlich festgestellt oder beurkundet und weicht dieser Todestag von dem Todestag ab, den der Rentenversicherungsträger festgestellt hat, ist der gerichtlich festgestellte Todestag maßgebend. Der Bescheid über die Bewilligung der Rente wegen Todes ist unter Zugrundelegung des gerichtlich festgestellten abweichenden Todestages nach § 100 Abs. 1 SGB VI in Verbindung mit § 48 SGB X zu korrigieren und die Rente neu festzustellen.

Leistungen vor Ablauf der Jahresfrist

Die Zahlung einer Rente wegen Todes bei Verschollenheit an (frühere) Ehegatten, (frühere) eingetragene Lebenspartner oder an Kinder ist frühestens nach Ablauf der Jahresfrist (siehe Abschnitt 3) möglich. Waren Verschollene bereits Rentenbezieher und ist kein gesetzlicher Vertreter bestimmt worden, an den die Rente weitergezahlt werden kann (zum Beispiel an einen Abwesenheitspfleger nach § 1911 BGB), ist zu prüfen, ob an die Hinterbliebenen Rentenleistungen in entsprechender Anwendung des § 48 SGB I gezahlt werden können, damit diese nicht unversorgt sind. Hierbei ist zu unterstellen, dass verschollene Rentenbezieher aufgrund ihres Verschwindens ihrer Unterhaltpflicht nicht nachkommen. Die Zahlungen sind in Höhe der möglichen (späteren) Hinterbliebenenrente unter Beachtung der Einkommensanrechnung nach § 97 SGB VI vorzunehmen.

Rückkehr von Verschollenen

Stellt sich heraus, dass ein Verschollener doch noch am Leben ist, ist der Bescheid über die Rente wegen Todes nach § 100 Abs. 3 S. 1 SGB VI in Verbindung mit § 48 SGB X zu korrigieren. Dadurch, dass sich in diesem Fall der Verwaltungsakt über die Feststellung des mutmaßlichen Todestages auf andere Weise gemäß § 39 Abs. 2 SGB X erledigt, entfallen die Anspruchsvoraussetzungen für die Rente wegen Todes. Dies stellt in Bezug auf diesen Rentenbescheid eine wesentliche Änderung in den Verhältnissen dar.

Die Aufhebung des Bescheides über die Rente wegen Todes nach § 48 Abs. 1 S. 1 SGB X mit Wirkung für die Zukunft, also mit dem Folgemonat nach Bekanntgabe des Aufhebungsbescheides, ist ohne Weiteres zulässig. Eine Aufhebung des Bescheides mit Wirkung für die Vergangenheit ist nach Maßgabe des § 48 Abs. 1 S. 2 SGB X zulässig. Dabei ist davon auszugehen, dass die hier allein in Betracht kommenden Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 und 4 SGB X ab dem Zeitpunkt vorliegen, zu dem Hinterbliebene Kenntnis vom Fortleben des Verschollenen haben.

Zur Anrechnung bereits geleisteter Renten wegen Todes auf eine wiederauflebende Versichertenrente siehe GRA zu § 102 SGB VI, Abschnitt 10.3.

 

5. SGB IV-ÄndG vom 15.04.2015 (BGBl. I S. 583)

Inkrafttreten: 22.04.2015

Quelle zum Entwurf: BT-Drucksache 18/3699

Mit dem 5. SGB IV-ÄndG wurde § 49 SGB VI mit Wirkung zum 22.04.2015 um einen Satz 4 ergänzt. Danach bleibt der vom Rentenversicherungsträger nach § 49 S. 3 SGB VI festgestellte Todestag auch dann maßgeblich, wenn später ein hiervon abweichendes Todesdatum gerichtlich festgestellt oder beurkundet wird. Diese Ergänzung steht im Zusammenhang mit der Ergänzung des § 102 Abs. 6 SGB VI.

RRG 1992 vom 18.12.1989 (BGBl. I S. 2261)

Inkrafttreten: 01.01.1992

Quelle zum Entwurf: BT-Drucksache 11/4124

§ 49 SGB VI entspricht weitgehend dem bis 31.12.1991 geltenden § 48 AVG beziehungsweise § 1271 RVO. Der Gesetzeswortlaut stellt ab 01.01.1992 jedoch ausdrücklich klar, dass die Vorschrift nicht nur in den Fällen Anwendung findet, in denen eine Hinterbliebenenrente nach verschollenen Versicherten begehrt wird. Es bedarf daher keiner Auslegung mehr, dass die Todesfeststellung auch dann in Betracht kommt, wenn es um einen Anspruch auf Erziehungsrente gemäß § 47 SGB VI (Todesfeststellung des früheren Ehegatten beziehungsweise Lebenspartners) oder auf die Witwen- beziehungsweise Witwerrente nach dem vorletzten Ehegatten beziehungsweise Lebenspartner gemäß § 46 Abs. 3 SGB VI (Todesfeststellung des letzten Ehegatten beziehungsweise Lebenspartners) geht.

Zusatzinformationen

Rechtsgrundlage

§ 49 SGB VI