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IV ZB 6/53

Der Verschollene nahm als Obergefreiter im August 1944 an den Kämpfen am Pruth (Rumänien) teil. Seine Frau ist am 2. Juni 1945 kinderlos gestorben. Seine Schwiegereltern haben Todeserklärung beantragt. Das Amtsgericht hat dem Antrage stattgegeben und als Todeszeitpunkt den 16. August 1944 festgestellt. Die Brüder des Verschollenen begehren, daß der Todeszeitpunkt anderweit auf den 31. Dezember 1945 festgestellt wird. Das Landgericht, an das die Sache vom Oberlandesgericht zweimal zurückverwiesen worden ist, hat ihre Beschwerde zunächst in vollem Umfange zurückgewiesen, den Todeszeitpunkt jedoch in seinem zweiten Beschluß auf den 31. August 1944 und in seinem dritten Beschluß anderweit auf 31. Mai 1945, 24 Uhr festgestellt. Es hat nach umfangreichen Ermittlungen zuletzt ausgeführt, die Zeit der schweren Kämpfe in Rumänien im August/September 1944 und die anschließende Zeit, der unmenschlichen Behandlung der deutschen Kriegsgefangenen bis zur Kapitulation stelle den wahrscheinlichsten Zeitraum für den Tod des Verschollenen dar; es sei deshalb das Ende des Kapitulationsmonats als Todeszeitpunkt eingesetzt. Hiergegen richtet sich die neue sofortige weitere Beschwerde der Brüder des Verschollenen.

Das Oberlandesgericht möchte die Beschwerde zurückweisen. Es sieht sich hieran jedoch durch einen Beschluß des Oberlandesgerichts in Oldenburg vom 12. Mai 1951 (Nds Rpfl 1951, 146) gehindert und hat daher die Sache gemäß § 28 Abs. 2 FGG dem Bundesgerichtshof vorgelegt. Dieser wies die weitere Beschwerde zurück.

Aus den Gründen

Die Beschwerdeführer meinen, das Landgericht habe den Begriff des „wahrscheinlichsten Todeszeitpunkts“ in Art 2 § 2 Abs. 2 VerschÄndG verkannt. Es habe keinen bestimmten Todeszeitpunkt, sondern einen Zeitraum von etwa 9 Monaten (vom 16. August 1944 bis zum 8. Mai 1945) angenommen, innerhalb dessen der Verschollene wahrscheinlich gestorben sei. In solchen Fällen könne als Todeszeitpunkt für Soldaten, die im Osten verschollen seien, nur der 31. Dezember 1945 festgestellt werden (Abs. 3 a.a.O.). Diese Auffassung entspricht der vom Oberlandesgericht in Oldenburg vertretenen Meinung, der nach § 2 Abs. 2 a.a.O. festzustellende Zeitpunkt müsse sich, wie dies allgemein für das Verschollenheitsgesetz gelte und dort in § 9 Abs. 4 VerschG zum Ausdruck komme, mindestens dem Tage nach als wahrscheinlichster Zeitpunkt feststellen lassen, es sei deshalb nicht möglich, einen Monat als den wahrscheinlichsten Zeitraum, in welchen der Tod des Verschollenen fällt, oder etwa den letzten Tag dieses Monats als den wahrscheinlichsten Todeszeitpunkt festzustellen.

Diese Rechtsansicht ist jedoch nicht haltbar. Sie widerspricht der im Schrifttum schon zu der gleichen Frage im Rahmen des früheren § 18 BGB und des § 9 Abs. 2 VerschG ständig vertretenen Auffassung (vgl. zu § 18 BGB: Planck 4. Aufl. 1913 Anm. 3 Abs. 2; BGB RGRK 9. Aufl. Anm. 2; zu § 9 VerschG: Hesse-Kramer in Schlegelberger-Vogels BGB 1939 Anm. 5; Vogels Verschollenheitsrecht 1949 Anm. 10; Arnold Verschollenheitsrecht 1951 Anm. 15). Insoweit ist insbesondere bei Hesse- Kramer näher dargelegt, erscheine kein bestimmter Augenblick als der wahrscheinlichste Zeitpunkt des Todes, sondern ein Zeitraum, der sich über mehrere Tage oder gar Wochen erstrecke, so werde meist das Ende dieses Zeitraums als Zeitpunkt des Todes festzustellen sein. Diese Rechtsauffassung führt auch allein zu befriedigenden Ergebnissen. Es sind gerade für die Verhältnisse auf dem hier in Rede stehenden Kriegsschauplatz im Osten viele Fälle denkbar, in denen der Tod eines Soldaten während eines oder mehrerer gefahrdrohender Zustände von längerer Dauer vor der Kapitulation sehr wahrscheinlich, in denen es jedoch unwahrscheinlich ist, daß er noch über diesen Zeitpunkt hinaus gelebt hat. Ein bestimmter Todestag wird sich in einer großen Zahl dieser Fälle nicht vermuten lassen. Es ist kein zwingender Grund ersichtlich, den Todeszeitpunkt in allen diesen Fällen auf Grund der in Art. 2 Abs. 3 VerschÄndG enthaltenen gesetzlichen Regel auf einen Zeitpunkt den (31. Dezember 1945, 24 Uhr) festzustellen, den die Verschollenen mit großer Wahrscheinlichkeit nicht mehr erlebt haben. Es wäre beispielsweise widersinnig, den Todeszeitpunkt nur deshalb auf das Ende des Jahres 1945 festzulegen, weil ein Verschollener mit großer Wahrscheinlichkeit bei einem Nachtangriff gefallen ist, sich jedoch nicht näher ermitteln läßt, ob er mit größerer Wahrscheinlichkeit vor oder nach Mitternacht gestorben ist. Es spricht auch nichts dafür, daß die Schöpfer des Verschollenheitsgesetzes die damals schon herrschende Meinung aufgeben wollten, das Ende einer länger dauernden Lebensgefahr könne als Todeszeitpunkt festgestellt werden. § 9 Abs. 4 VerschG, auf den das Oberlandesgericht in Oldenburg für seine Ansicht verwiesen hat, spricht nicht gegen, sondern für die hier vertretene Meinung. Nach dieser Bestimmung gilt das Ende des Tages als Zeitpunkt des Todes, wenn die Todeszeit nur dem Tage nach festgestellt ist. Da auch der Tag ein Zeitraum ist, ergibt gerade diese Vorschrift, daß dem Verschollenheitsrecht der Gedanke nicht fremd ist, den Todeszeitpunkt im Zweifel an das Ende eines im übrigen als wahrscheinliche Todeszeit ermittelten Zeitraums zu legen.

Auf Grund dieser Erwägung verstößt es entgegen der Ansicht der Beschwerdeführer auch nicht gegen die Denkgesetze, Landgericht den Todeszeitpunkt nicht auf den Tag der Kapitulation selbst, sondern auf das Ende des Kapitulationsmonats festgestellt hat.

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