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5 RJ 16/93

Tatbestand

Streitig ist im Revisionsverfahren nur noch, ob für die Klägerin im Zeitraum vom 1. Juli 1972 bis 30. Juni 1980 mehrere Zeiten der Pflichtversicherung wegen Kindererziehung nach den §§ 3 Nr. 1, 56, 249 Abs. 1 Sozialgesetzbuch - Sechstes Buch - (SGB VI) von der Beklagten vorzumerken sind.

Die Klägerin und ihr Ehemann sind jordanische Staatsangehörige und seit 1961 miteinander verheiratet. Der Ehemann der Klägerin lebt seit März 1963 in der Bundesrepublik Deutschland und war seitdem bei verschiedenen Arbeitgebern beschäftigt. Nach der Einreise wurden ihm von der Ausländerbehörde zunächst mehrere befristete Aufenthaltserlaubnisse und schließlich am 24. Juli 1980 eine Aufenthaltsberechtigung erteilt. Der Klägerin wurde im Februar 1971 der Zuzug in das Bundesgebiet zum Zwecke der Familienzusammenführung gestattet. Ab Mai 1971 erhielt sie von der Ausländerbehörde ebenfalls zunächst mehrere befristete Aufenthaltserlaubnisse bis ihr am 31. Juli 1989 eine Aufenthaltsberechtigung erteilt wurde. Seit dem Zuzug lebt die Klägerin bei ihrem Ehemann in W. Sie hat dort in den Jahren 1972 bis 1984 neun Kinder geboren und erzogen (Geburtsdaten der Kinder: 11. Juni 1972, 13. November 1973, 21. Oktober 1974, 15. März 1976, 10. April 1977, 15. April 1978, 2. Juni 1979, 29. April 1982, 1. November 1984).

Die Beklagte lehnte den Antrag der Klägerin auf Vormerkung von Kindererziehungszeiten für die vorgenannten Kinder ab (Bescheid vom 21. März 1990), weil die Klägerin vor der Erteilung der Aufenthaltsberechtigung keinen gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich der Reichsversicherungsordnung gehabt habe.

Widerspruch und Klage waren erfolglos. Das Landessozialgericht (LSG) hat auf die Berufung der Klägerin das Urteil des Sozialgerichts (SG) sowie den Bescheid der Beklagten aufgehoben und die Beklagte verurteilt, für die Klägerin Zeiten der Versicherungspflicht wegen Kindererziehung bzgl ihrer neun Kinder - geboren in der Zeit vom 11. Juni 1972 bis 1. November 1984 - vorzumerken (Urteil vom 14. Dezember 1992). In den Entscheidungsgründen hat es im wesentlichen ausgeführt: Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts <BSG> (vgl. insbesondere Urteil vom 28. Juli 1992 - 5 RJ 24/91 -) sei ein gewöhnlicher Aufenthalt der Klägerin im Inland i.S. von § 56 SGB VI zu bejahen. Im maßgeblichen Zeitraum - seit Juli 1972 - habe sie faktisch und dauerhaft den Schwerpunkt ihrer Lebensverhältnisse mit ihrer Familie im Bundesgebiet gehabt. Trotz der befristeten Aufenthaltserlaubnis habe es sich um einen "beständigen" Aufenthalt gehandelt. Denn der Ehemann der Klägerin habe jedenfalls ab Juli 1972 einen Anspruch auf eine Aufenthaltsberechtigung gehabt. Die bei ihm eingetretene Verfestigung seines Aufenthaltsrechts wirke sich auch auf die Klägerin aus.

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte die Verletzung materiellen Rechts (§§ 3 Satz 1 Nr. 1, 56, 249 SGB VI). Sie ist der Auffassung, ein gewöhnlicher Aufenthalt der Klägerin könne erst angenommen werden, nachdem ihrem Ehemann eine Aufenthaltsberechtigung erteilt worden sei (24. Juli 1980). Dementsprechend hat die Beklagte die Vormerkung von Zeiten der Pflichtversicherung wegen Kindererziehung vom 1. Mai 1982 bis 30. April 1983 und vom 1. Dezember 1984 bis 30. November 1985 hinsichtlich der am 29. April 1982 und 1. November 1984 geborenen Kinder im Revisionsverfahren anerkannt.

Die Beklagte beantragt,

  • das Urteil des Landessozialgerichts aufzuheben und die Klage abzuweisen, soweit die Beklagte verurteilt wurde, für die Klägerin folgende Zeiten der Kindererziehung vorzumerken:
  1. 1. Juli 1972 bis 30. Juni 1973,
  2. 1. Dezember 1973 bis 30. November 1974,
  3. 1. Dezember 1974 bis 30. November 1975,
  4. 1. April 1976 bis 31. März 1977,
  5. 1. Mai 1977 bis 30. April 1978,
  6. 1. Mai 1978 bis 30. April 1979,
  7. 1. Juli 1979 bis 30. Juni 1980.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

  • die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Der Senat hat im Einvernehmen mit den Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz <SGG>).

Die durch Zulassung statthafte Revision der Beklagten ist nicht begründet. Zu Recht hat das Berufungsgericht die Beklagte verurteilt, für die Klägerin die noch streitigen Pflichtversicherungszeiten wegen Kindererziehung vorzumerken.

Über den Anspruch der Klägerin auf Anerkennung (Vormerkung) von Versicherungszeiten ist seit dem 1. Januar 1992 allein nach den Vorschriften des SGB VI zu entscheiden. Nach § 300 Abs. 1 SGB VI finden die Vorschriften dieses Gesetzbuches von dem Zeitpunkt ihres Inkrafttretens an auf einen Sachverhalt oder Anspruch auch dann Anwendung, wenn bereits vor diesem Zeitpunkt der Sachverhalt oder Anspruch bestanden hat. Von § 300 Abs. 1 SGB VI abweichende Regelungen greifen hier nicht ein (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 25. Februar 1992 - 4 RA 34/91 - = SozR 3-6180 Art 13 Nr. 2).

Die Klägerin hat einen Anspruch darauf, daß über die von ihr beantragte Vormerkung von Versicherungszeiten entschieden wird. Die Beklagte ist nach § 149 Abs. 5 SGB VI verpflichtet, die im Versicherungsverlauf enthaltenen Daten durch Bescheid festzustellen, soweit diese länger als sechs Kalenderjahre zurückliegen. Dies war hinsichtlich der im Revisionsverfahren streitigen Zeiten der Fall. Die Beklagte als örtlich zuständiger Träger der Rentenversicherung der Arbeiter ist nach § 126 Abs. 3 SGB VI nach Wahl der Klägerin auch der für die Versicherung wegen Kindererziehung zuständige Rentenversicherungsträger.

Sachlich hat die Beklagte es mit dem angefochtenen Bescheid zu Unrecht abgelehnt, die streitig gebliebenen Zeiten der Versicherungspflicht wegen Kindererziehung vorzumerken. Die Zeiten von jeweils zwölf Monaten nach Ablauf des Monats der Geburt der zwischen Juni 1972 und Juni 1979 geborenen Kinder (vgl. § 249 Abs. 1 SGB VI) sind als Zeiten der Versicherungspflicht wegen Kindererziehung nach § 3 Nr. 1 SGB VI anzuerkennen, weil in den genannten Zeiträumen die Voraussetzungen des § 56 SGB VI für die Anrechnung von Kindererziehungszeiten vorlagen.

Für ein vor dem 1. Januar 1992 geborenes Kind wird einem Elternteil eine Kindererziehungszeit von zwölf Monaten nach Ablauf des Monats der Geburt angerechnet, wenn die Erziehungszeit dem Elternteil zuzuordnen ist, die Erziehung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erfolgt ist oder einer solchen gleichsteht und wenn der Elternteil nicht von der Anrechnung ausgeschlossen ist (§ 56 Abs. 1 Satz 2 SGB VI). Da die Eltern der Kinder, für deren Erziehung Versicherungszeiten geltend gemacht werden, eine übereinstimmende Erklärung nicht abgegeben haben, sind die Erziehungszeiten der Klägerin als Mutter zuzuordnen (§ 56 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 8 SGB VI). Ausschlußgründe (§ 56 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 i.V.m. Abs. 4 SGB VI) sind nicht ersichtlich.

Entgegen der Auffassung der Beklagten liegen auch die übrigen Voraussetzungen einer Anrechnung vor. Die Klägerin hat ihre Kinder i.S. von § 56 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB VI im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erzogen, weil sie sich mit den Kindern hier gewöhnlich aufgehalten hat (§ 56 Abs. 3 Satz 1 SGB VI).

Nach den Feststellungen des SG, die das LSG als unstreitig seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat und die im Revisionsverfahren nicht angefochten worden sind und deshalb für den erkennenden Senat gemäß § 163 SGG bindend sind, hatte die Klägerin im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland bis zum 30. Juli 1989 zwar nur befristete Aufenthaltserlaubnisse nach §§ 2, 7 Ausländergesetz (AuslG) vom 28. April 1965 - BGBl I S. 353 - (AuslG aF). Dieser aufenthaltsrechtliche Status der Klägerin erfüllte aber im streitigen Zeitraum vom 1. Juli 1972 bis 30. Juni 1980 bereits die Voraussetzungen eines gewöhnlichen Aufenthalts im Bundesgebiet i.S. von § 56 Abs. 3 Satz 1 SGB VI i.V.m. § 30 Abs. 3 Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil - (SGB I).

Das LSG ist zutreffend davon ausgegangen, daß den gewöhnlichen Aufenthalt jemand dort hat, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, daß er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt (§ 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I). Diese Definition gilt für alle Sozialleistungsbereiche des Sozialgesetzbuches (SGB), soweit sich nicht aus seinen besonderen Teilen etwas anderes ergibt (§ 37 Satz 1 SGB I). Die im Gesetz ausdrücklich vorgesehene Möglichkeit, abweichende Regelungen zu treffen, zeigt, daß der Begriff des "gewöhnlichen Aufenthaltes" nur hinreichend unter Berücksichtigung des Zweckes des Gesetzes bestimmt werden kann, in welchem der Begriff gebraucht wird.

Die einzelgesetzliche Materie bewirkt eine "Einfärbung" des Begriffs (BSG SozR 3-7833 § 1 Nr. 2 Seiten 12, 13 m.w.N.). Entscheidungen und Begriffsbestimmungen zum gewöhnlichen Aufenthalt, die aus anderen Gesetzen stammen oder sich auf anders geartete Materien beziehen, können deshalb nur mit einer gewissen Zurückhaltung auf weitere Sachgebiete übertragen werden. Infolgedessen ist die Frage, wann ein Ausländer seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat, vom BSG ungeachtet der vereinheitlichenden Definition des gewöhnlichen Aufenthalts in § 30 Abs. 3 SGB I für den Bereich verschiedener Sozialgesetze unterschiedlich beantwortet worden (vgl. für den Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung: BSGE 57, 93 = SozR 2200 § 205 Nr. 56; für den Geltungsbereich des Bundeskindergeldgesetzes <BKGG>: BSGE 53, 294 = SozR 5870 § 1 Nr. 10 und aaO Nr. 14). Zum Bundeserziehungsgeldgesetz (BErzGG) hat der 4. Senat des BSG ua mit Urteil vom 27. September 1990 (BSGE 67, 243 = SozR 3-7833 § 1 Nr. 2) den Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts im Inland i.S. von § 1 BErzGG nicht auf alle Ausländer angewendet, die sich (faktisch) im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland aufhalten, sondern für diesen Begriff auch auf den ausländerrechtlichen Aufenthaltsstatus abgestellt. Ausländer haben danach solange keinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland, solange ihr Aufenthalt im Inland ausländerrechtlich nur vorübergehend und nicht rechtlich beständig gestattet ist. Der 4. Senat hat dabei klargestellt, daß grundsätzlich der ausländerrechtliche Status in dem Zeitraum maßgebend ist, für den die sozialrechtliche Leistung bzw. Anerkennung begehrt wird, so daß eine später erteilte unbefristete Aufenthaltserlaubnis (§ 5 AuslG aF) einen bis dahin nur geduldeten (§ 17 AuslG aF) und deshalb nur vorübergehenden Aufenthalt nicht rückwirkend für die Zeit vor Erteilung der Aufenthaltserlaubnis zum gewöhnlichen Aufenthalt macht. Insoweit hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) durch Beschluß vom 14. Mai 1991 - 1 BvR 300/91 - = SozR 3-7833 § 1 Nr. 4 bestätigt, daß es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist, das Bestehen eines gewöhnlichen Inlandsaufenthaltes i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 BErzGG während eines Asylverfahrens zu verneinen, auch wenn die Ausländerbehörde später nach rechtsverbindlicher Ablehnung des Asylantrags von einer Abschiebung des Antragstellers abgesehen hat. Der erkennende Senat hat sich der aufgezeigten und vom BVerfG nicht beanstandeten Rechtsprechung des 4. Senats für den Bereich der Kindererziehungszeiten angeschlossen (vgl. Urteil vom 28. Juli 1992 - 5 RJ 24/91 - = SozR 3-2600 § 56 Nr. 2). Gleiches gilt für die weitere, zum BErzGG ergangene Rechtsprechung des 4. Senats, wonach ein Asylbewerber von Anfang an seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat, wenn verbindlich festgestellt ist, daß er in der Zeit, für die ein Anspruch geltend gemacht wird, unter dem Schutz des Art 16 Abs. 2 Satz 2 des Grundgesetzes stand (vgl. Urteil des 4. Senats vom 14. September 1989 - 4 REg 7/88 in BSGE 65, 261 = SozR 7833 § 1 Nr. 7 und Beschluß vom 7. Oktober 1991 - 4 REg 12/91 - = SozR 3-1500 § 114 Nr. 2 m.w.N. sowie Urteil des erkennenden Senats vom 28. Juli 1992 - 5 RJ 4/92 - = SozR 3-2600 § 56 Nr. 3).

Der Senat geht weiterhin davon aus, daß die in § 30 Abs. 3 SGB I enthaltene Legaldefinition den Begriff des gewöhnlichen Aufenthaltes grundsätzlich für alle Bücher des SGB einheitlich umschreibt, die konkrete normative Bedeutung dieses Begriffs sich jedoch erst aus dem Gesetz ergibt, das ihn verwendet und nach dessen Sinn und Zweck er ausgelegt werden muß (vgl. BSG SozR 3-7833 § 1 Nr. 2 S. 10). Auch für § 56 Abs. 3 Satz 1 SGB VI gilt, daß diese Vorschrift eine einseitige Kollisionsnorm ist, die den persönlichen Anwendungsbereich des Gesetzes - Begünstigung der Kindererziehung - einschränkt (vgl. dazu für den Bereich des BErzGG BSG SozR 3-7833 § 1 Nr. 2 S. 9). Für die Auslegung des Begriffes in § 56 Abs. 3 Satz 1 SGB VI ist dabei wie im BErzGG der ausländerrechtliche Aufenthaltsstatus eines Ausländers zu berücksichtigen. Aus dem Zweck der Kindererziehungszeit folgt, daß der Aufenthalt des Begünstigten mindestens rechtlich so beständig sein muß, wie es der 4. Senat für den Anspruch auf Bundeserziehungsgeld nach der bis zum 31. Dezember 1991 geltenden Gesetzesvorschrift gefordert hat.

Die Anrechnung von Kindererziehungszeiten hat im Gegensatz etwa zu den Leistungen nach dem BKGG oder dem BErzGG keine unmittelbaren finanziellen Vorteile für den Begünstigten. Leistungen können erst beim Eintritt des Versicherungsfalles als Renten wegen Alters bzw. verminderter Erwerbsfähigkeit (§ 33 SGB VI), dh in der Regel erhebliche Zeit nach dem Anrechnungszeitraum gewährt werden. Die Kindererziehungszeiten dienen damit der langfristigen sozialen Absicherung der erziehenden Eltern. Die Gewährung dieser Sozialleistung ist damit in besonderem Maße nur dann gerechtfertigt, wenn der Aufenthalt eines Ausländers materiell-rechtlich gebilligt und nicht nur vorübergehend - und damit nicht rechtlich beständig - gestattet ist. Hiervon ausgehend ist bei der Klägerin ein "gewöhnlicher Aufenthalt" anzunehmen.

Für eine solche Annahme sind die Verhältnisse im streitigen Zeitraum maßgebend. Dies folgt schon daraus, daß für die Beurteilung der Kindererziehungszeit als Zeit der Versicherungspflicht (§ 3 SGB VI) - wie stets bei der Beurteilung der Versicherungspflicht - grundsätzlich auf die Umstände im Zeitpunkt des Eintritts der Versicherungspflicht abzustellen ist. Eine Korrektur dieser Beurteilung durch später eintretende Umstände ließe sich allenfalls damit rechtfertigen, daß nicht die Umstände im Zeitpunkt der Erziehung, sondern die Umstände im Zeitpunkt der Leistungsgewährung, dh des Versicherungsfalles, für die Leistungen wegen Kindererziehung entscheidend sein sollten. Der Gesetzgeber hat aber nicht auf die Umstände im Zeitpunkt der Leistungsgewährung abgestellt, sondern durch die Ausgestaltung der Kindererziehungszeit als Zeit der Versicherungspflicht auf die zZ der möglicherweise anrechenbaren Kindererziehung maßgebenden Umstände.

Im streitigen Zeitraum hat sich die Klägerin auch i.S. von § 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland gewöhnlich aufgehalten. Nach der in dieser Vorschrift enthaltenen Definition ist der Begriff des gewöhnlichen Aufenthaltes in erster Linie nach den objektiv gegebenen tatsächlichen Verhältnissen zu beurteilen. Danach ist entscheidend, ob die Klägerin den örtlichen Schwerpunkt ihrer Lebensverhältnisse faktisch dauerhaft im Inland hatte. Dauerhaft ist ein solcher Aufenthalt, wenn und solange er nicht auf Beendigung angelegt, also zukunftsoffen ist. Hierbei ist ein Domizilwille, der mit den tatsächlichen Umständen nicht übereinstimmt, rechtlich unerheblich (vgl. BSG SozR 3-5850 § 3c Nr. 2 zum deutschen Auswanderer). Da es auf die Tatsachen ankommt, die während des streitigen Zeitraumes objektiv vorlagen (vgl. dazu im einzelnen BSG SozR 3-1200 § 30 Nr. 5 S. 8; BSGE 67, 243 = SozR 3-7833 § 1 Nr. 2; SozR 3-7833 § 1 Nr. 3; BSGE 65, 261 = SozR 7833 § 1 Nr. 7; SozR 3-6180 Art 13 Nr. 2 S. 8 f, jeweils m.w.N.), ist eine spekulative Abwägung bzw. Prognose zukünftiger Geschehnisse unzulässig.

Nur bei Ausländern wird der an tatsächlichen Umständen zu messende Begriff des gewöhnlichen Aufenthaltes durch rechtliche Voraussetzungen eingeschränkt. Dies hat der 4. Senat in seinem Urteil vom 30. September 1993 (4 RA 49/92, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen), unter Aufrechterhaltung der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung verdeutlicht. Dem schließt sich der erkennende Senat an. Ausländer stehen - wie auch die Klägerin - in aller Regel als Staatsbürger ihres Heimatstaates zu diesem in einem besonderen Rechtsverhältnis, das sie grundsätzlich unter dessen Schutz und Fürsorge stellt und ihnen rechtlich die jederzeitige Heimkehr dorthin erlaubt. Andererseits ist ein Ausländer, der sich in Deutschland aufhält, nach § 12 Abs. 1 AuslG aF bzw. § 42 Abs. 1 AuslG nF zur Ausreise verpflichtet, wenn er eine nach den Vorschriften des AuslG erforderliche Aufenthaltsgenehmigung nicht oder nicht mehr besitzt. Es wäre widersprüchlich, wenn die Rechtsordnung den rechtswidrigen Aufenthalt eines ausreisepflichtigen Ausländers als gewöhnlichen Inlandsaufenthalt anerkennen und den daran anknüpfenden Erwerb von Rechten und Ansprüchen zulassen würde. Deshalb hat ein Ausländer, der tatsächlich dauerhaft im Inland verweilt, nur dann einen gewöhnlichen Aufenthalt, wenn er sich berechtigterweise hier aufhält (BSGE 65, 261, 263 f = SozR 7833 § 1 Nr. 7).

Infolgedessen fehlt es bei Ausländern an der für den gewöhnlichen Aufenthalt erforderlichen Dauerhaftigkeit i.S. der Zukunftsoffenheit nur, wenn der Aufenthalt des Ausländers im jeweils streitigen Zeitraum nach einer bereits vorliegenden Entscheidung der dafür allein zuständigen Ausländerbehörde auflösend befristet (Aufenthaltserlaubnis für eine von vornherein bestimmte Zeit) oder auflösend bedingt (Aufenthaltserlaubnis für einen bestimmten Zweck) gestattet worden ist. Dies ist bei einer "schlicht" befristeten Aufenthaltserlaubnis nicht der Fall, weil eine solche Entscheidung nur die Wirksamkeit der Aufenthaltserlaubnis befristet und nicht das Ende eines berechtigten Aufenthaltes feststellt, vielmehr die Berechtigung für die Zukunft offen läßt und somit den Aufenthalt "dauerhaft" gestattet. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Auslegung der befristeten Aufenthaltserlaubnis ergibt, daß sie eine auf den Einzelfall bezogene Entscheidung über das endgültige Ende des Aufenthaltes enthält. Im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten stellt die befristete Aufenthaltserlaubnis (§§ 2, 7 Abs. 2 AuslG aF) in der Rangfolge nach der Aufenthaltsgestattung gemäß § 20 Asylverfahrensgesetz (AsylVfG) oder einer Duldung gemäß § 17 AuslG aF zwar nur eine schwache Form des Aufenthaltsstatusses dar, weil die Erlaubnis lediglich für eine begrenzte Zeit gilt und während der Geltungsdauer noch nicht ohne weiteres erkennbar ist, ob und in welcher Weise sich der ausländerrechtliche Status nach dem Fristablauf verfestigt. Es ist auch nicht zu verkennen, daß eine Aufenthaltsberechtigung (§ 8 AuslG aF) als stärkere Form des Aufenthaltsrechts (vgl. hierzu Kanein, Kommentar zum Ausländergesetz, 4. Aufl, 1988, § 8 RdNrn 1 und 5; Hailbronner, Ausländerrecht, 2. Aufl, 1989, RdNr. 239) zur Folge hat, daß ein Ausländer nur noch beschränkt ausgewiesen werden kann (§ 11 Abs. 1 AuslG aF). Andererseits geht aber auch dieses Aufenthaltsrecht verloren, wenn der Ausländer das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland verläßt oder keinen gültigen Paß mehr besitzt (vgl. § 9 AuslG aF), das Aufenthaltsrecht also nicht uneingeschränkt auf Dauer garantiert ist, so daß bei einer befristeten Aufenthaltserlaubnis der Umstand der Befristung nicht allein entscheidend ist. Es kommt vielmehr maßgebend auf die Zukunftsoffenheit an. Im Unterschied zu einem Asylbewerber, der nur im Besitz einer Aufenthaltsgestattung nach § 20 AsylVfG ist oder dessen Aufenthalt nur nach § 17 AuslG aF geduldet ist, hält sich deshalb ein Ausländer, der kein Asylbewerber ist und eine befristete zukunftsoffene Aufenthaltserlaubnis hat, in dem von der Befristung umfaßten Zeitraum gewöhnlich im Gebiet der Bundesrepublik i.S. von § 56 Abs. 3 Satz 1 SGB VI auf.

Hiervon ausgehend hatte die Klägerin im streitigen Zeitraum ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland. Von der Beklagten unangegriffen und damit für den Senat bindend (§ 163 SGG) hat das LSG festgestellt, daß die Klägerin ihrem Ehemann, der sich seit März 1963 in der Bundesrepublik aufhält, im Februar 1971 zum Zwecke der Familienzusammenführung gefolgt ist und jedenfalls während des hier streitigen Zeitraumes faktisch dauerhaft den Schwerpunkt ihrer Lebensverhältnisse im Gebiet der Bundesrepublik gehabt hat. Da die zuständige Ausländerbehörde der Klägerin durchgehend fortlaufende (befristete) Aufenthaltserlaubnisse erteilt hatte, war dieser Aufenthalt materiell rechtmäßig und i.S. der Zukunftsoffenheit rechtlich beständig. Die Ausländerbehörde hat ausdrücklich keine bindende, den rechtmäßigen Aufenthalt auflösend befristende oder auflösend bedingende Entscheidung getroffen. Den Befristungen der Wirksamkeit der einzelnen Aufenthaltserlaubnisse kann auch sinngemäß keine Entscheidung des Inhalts entnommen werden, der Klägerin dürfe nach Ablauf der jeweiligen Frist keine Aufenthaltserlaubnis mehr erteilt werden. Ebensowenig ist zum Ausdruck gebracht worden, die Klägerin müsse zu einem bestimmten Zeitpunkt oder bei Eintritt bestimmter Bedingungen die Bundesrepublik Deutschland verlassen. Erst recht ist keine Ausweisung angeordnet worden (§§ 10, 23 AuslG aF).

Da nach alledem die Voraussetzungen für die von der Klägerin begehrte Vormerkung gegeben sind, war die Revision der Beklagten als unbegründet zurückzuweisen (§ 170 Abs. 1 Satz 1 SGG).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.

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