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11 RA 48/79

Tatbestand

I

Streitig ist die Erstattung von Beiträgen zur Rentenversicherung.

Der 1906 als Deutscher geborene Kläger, der in K lebt und seit 1950 die k Staatsangehörigkeit besitzt, hat von 1922 bis 1926 Pflichtbeiträge zur Angestelltenversicherung, für die Zeit von 1927 bis 1970 (mit Unterbrechungen) freiwillige Beiträge und außerdem zwölf Beiträge zur Höherversicherung entrichtet. Auf seinen 1972 gestellten Antrag hin bewilligte die Beklagte ihm Altersruhegeld; zugleich stellte sie jedoch gemäß § 94 Abs. 1 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) das - teilweise - Ruhen dieser Rente fest und zahlte nur die Leistung aus der Höherversicherung von monatlich 30,60 DM aus. Hierauf begehrte der Kläger im Januar 1975, ihm die Beiträge zu erstatten, was die Beklagte mit Bescheid vom 12. Mai 1975 ablehnte, weil schon die Bewilligung der - ruhenden - Rente eine Leistungsgewährung im Sinne des § 82 Abs. 5 AVG darstelle. Das Widerspruchsverfahren blieb erfolglos (Bescheid vom 27. September 1976).

Die Klage hat das Sozialgericht (SG) mit Urteil vom 12. Dezember 1978 abgewiesen. Ob das Ruhen einer Dauerrente schon als Leistungsfall im Sinne von § 82 Abs. 5 AVG anzusehen sei, könne offenbleiben. Mit der Rente aus den Beiträgen der Höherversicherung erhalte der Kläger jedenfalls eine Regelleistung „aus der Versicherung“; sie schließe die Erstattung auch der Grundbeiträge aus.

Mit der zugelassenen Sprungrevision beantragt der Kläger,

  • das Urteil des SG sowie die Bescheide der Beklagten aufzuheben und sie zu verurteilen, ihm die Beiträge in gesetzlicher Höhe zu erstatten,

hilfsweise,

  • die Sache zurückzuverweisen.

Zur Begründung rügt er eine rechtsirrige Anwendung des § 82 Abs. 5 AVG. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) hierzu komme es auf die tatsächliche Erbringung der Leistung an. Da das Gesetz die Beiträge aus der Grundversicherung und der Höherversicherung unterschiedlich behandele, könne insoweit nicht von einer Einheit im Hinblick auf die Beitragserstattung gesprochen werden. Die Auslegung der §§ 82 Abs. 5, 94 AVG durch das SG greife in das durch Art. 14 des Grundgesetzes (GG) geschützte Eigentumsrecht ein.

Die Beklagte beantragt,

  • die Revision zurückzuweisen.

Die Beteiligten sind mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden.

Entscheidungsgründe

II

Die Revision des Klägers ist nicht begründet; ihm sind keine Beiträge zur Rentenversicherung der Angestellten zu erstatten.

Auch wenn der Kläger sein Erstattungsbegehren nicht präzisiert hat, ist doch nach seinem Vorbringen davon auszugehen, daß er eine Beitragserstattung nur in dem in § 82 Abs. 1 Satz 1 AVG vorgesehenen Rahmen verlangt. Nach dieser, hier in der Fassung des Rentenreformgesetzes (RRG) vom 16. Oktober 1972 anzuwendenden Vorschrift ist dem Versicherten auf Antrag die Hälfte der nach dem 20. Juni 1948 im Bundesgebiet entrichteten Beiträge zu erstatten, wenn die Versicherungspflicht in allen Zweigen der gesetzlichen Rentenversicherung entfällt (entfallen ist), ohne daß das Recht zur freiwilligen Versicherung besteht. Dieses Recht haben nach § 10 AVG - ebenfalls i.d.F. des RRG - nur Personen, die im Geltungsbereich des Gesetzes wohnen oder sich gewöhnlich aufhalten, und die Deutschen im Ausland; dem in K wohnhaften Kläger k Staatsangehörigkeit steht dagegen nach § 10 AVG ein Weiterversicherungsrecht - ab Inkrafttreten des RRG - nicht (mehr) zu. Allerdings hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) durch Beschluß vom 26. Juni 1979 (1 BvL 10/78) § 1233 Abs. 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO) i.d.F. des RRG (= § 10 Abs. 1 AVG) mit dem Rechtsstaatsprinzip insoweit für unvereinbar erklärt, als dadurch ausländischen Versicherten, die (wie der Kläger) von ihrem Recht zur freiwilligen Weiterversicherung bis zum RRG Gebrauch gemacht hatten, übergangslos die Möglichkeit genommen wird, ihr Versicherungsverhältnis fortzusetzen. Der Senat braucht jedoch nicht abzuwarten, ob die vom Gesetzgeber nun zu treffende Neuregelung dem Kläger die Befugnis zur Weiterversicherung einräumt und damit zugleich eine Voraussetzung des § 82 Abs. 1 Satz 1 AVG für die Beitragserstattung entfallen läßt. Denn wie das SG zutreffend entschieden hat, kann der Kläger schon derzeit aus anderen Gründen des Gesetzes keine Beitragserstattung beanspruchen. Seinem Begehren steht jedenfalls § 82 Abs. 5 AVG entgegen. Bei ihm kommt die Erstattung wegen der Gewährung einer Regelleistung aus der Versicherung nicht in Betracht (§ 82 Abs. 5 AVG), denn er erhält Altersruhegeld aus Beiträgen der Höherversicherung.

Nach § 82 Abs. 5 AVG sind, wenn dem Versicherten eine „Regelleistung aus der Versicherung gewährt“ worden ist, nur die später entrichteten Beiträge zu erstatten. Der Begriff „Versicherung“ ist umfassend gemeint (SozR Nr. 7 zu § 1303 RVO); er schließt alle in den §§ 1 bis 11 AVG für die Angestelltenversicherung vorgesehenen Versicherungsmöglichkeiten ein. Er bezieht sich demzufolge mit auf die Höherversicherung, deren Beiträge § 82 AVG im übrigen in Abs. 1 Satz 3 ausdrücklich dadurch in die Erstattung einbezieht, daß er ihre volle Erstattung vorschreibt. Die aus der Versicherung zu gewährenden Regelleistungen führt § 12 AVG im einzelnen an; zu ihnen gehören nach der Nr. 2 „Renten“. Hierunter fallen Renten, die allein aufgrund von Höherversicherungsbeiträgen gewährt werden. Das bestätigen die §§ 22, 23 Abs. 4, 24 Abs. 4, 25 Abs. 7, 30 Abs. 1 und 31 Abs. 1 i.V.m. 38, ferner 40 Abs. 3, 49 Abs. 3 AVG und wird auch in der Rechtsprechung anerkannt (vgl. SozR Nr. 19 zu § 183 RVO, Nr. 9 zu § 1229 RVO). Hiernach kann sich eine Rente nicht nur teilweise, sondern auch ganz aus Beiträgen der Höherversicherung zusammensetzen. Dem steht nicht entgegen, daß das AVG für die Leistungen aus der Höherversicherung in mehrfacher Hinsicht Sonderregelungen zu Gunsten oder zu Ungunsten des Versicherten trifft (so bei der Wartezeit, in § 82 Abs. 1 Satz 3 AVG, bei Kürzungsvorschriften und Ruhensvorschriften, bei der Rentenanpassung). Diese Sonderstellung hat zwar dazu geführt (BSGE 42, 232), einen Beitragszuschuß zur Krankenversicherung nach § 381 Abs. 4 RVO den „eigentlichen“ Renten vorzubehalten und ihn bei einer reinen Höherversicherungsrente zu versagen; sie vermag im Rahmen des § 82 Abs. 5 AVG aber nichts am Charakter der „Regelleistung aus der Versicherung“ zu ändern. Hier ist es nach dem Gesamtinhalt sowie nach Sinn und Zweck des § 82 AVG nicht gerechtfertigt, bei den positiven und negativen Voraussetzungen der Beitragserstattung zwischen Höherversicherungsbeiträgen und Grundbeiträgen zu unterscheiden und beide einer getrennten Behandlung zu unterwerfen. § 82 AVG bestimmt in Abs. 4, daß die Erstattung nicht auf einen Teil der Beiträge beschränkt werden kann; Abs. 5 verlangt keine Beziehung zu den die Regelleistung tragenden Beiträgen; Abs. 7 schließt mit der Erstattung weitere Ansprüche aus den bisher zurückgelegten Versicherungszeiten aus. Das läßt deutlich erkennen, daß das Gesetz die bisherigen Beiträge insgesamt einheitlich behandeln will. Demzufolge beendet die erfolgte Erstattung grundsätzlich das gesamte bisherige Versicherungsverhältnis, wie umgekehrt jede Regelleistung aus diesem Versicherungsverhältnis die Erstattung aller bisherigen Beiträge ausschließt, weil mit ihr schon ein versicherungsrechtliches Risiko aus dem Versicherungsverhältnis abgedeckt worden ist. Der Senat hat deshalb in SozR Nr. 7 zu § 1303 RVO eine Erstattung von Höherversicherungsbeiträgen ablehnen müssen, weil, wenn auch aufgrund anderer Beiträge, ein Heilverfahren gewährt worden war; dem entspricht es, im vorliegenden Falle dem Kläger nunmehr die Erstattung von Grundbeiträgen deshalb zu versagen, weil er eine Höherversicherungsrente erhält. Da hinsichtlich dieser Rente kein Zweifel an ihrer „Gewährung“ bestehen kann, kann der 11. Senat wie der 1. Senat (BSGE 46, 67, 72) offen lassen, ob auch die Bewilligung einer ruhenden Dauerrente den Tatbestand des § 82 Abs. 5 AVG erfüllt.

Die hier zu treffende Entscheidung wird schließlich nicht durch einen weiteren Beschluß des BVerfG vom 20. März 1979 - 1 BvR 111/74 und 283/78 - berührt. Dort hat das BVerfG die Ruhensregelung des § 94 Abs. 1 Nr. 1 AVG für sich freiwillig im Ausland aufhaltende Ausländer (wie wohl der Kläger) für unvereinbar mit Art. 3 Abs. 1 GG erklärt, weil die Folgen des Ruhens nicht mindestens durch einen Anspruch auf eine angemessene Beitragserstattung ausgeglichen würden. Damit ist § 82 AVG und im besonderen dessen der Beitragserstattung hier entgegenstehende Abs. 5 nicht als verfassungswidrig bezeichnet worden. Die Entscheidung läßt dem Gesetzgeber verschiedene Wege offen. Er kann z.B. die Ruhensregelung ganz oder teilweise beseitigen. Verfassungsrechtliche Probleme mit Bezug auf den Fall des Klägers könnten sich wohl erst ergeben, wenn der Gesetzgeber an der bisherigen Ruhensregelung festhalten, sich zu einer Neuregelung der Beitragserstattung für Ausländer mit ruhenden Renten entschließen würde, bei diesen aber § 82 Abs. 5 AVG unverändert mit der Wirkung bestehen ließe, daß auch dann noch die nicht ruhende Leistung aus der Höherversicherung eine Beitragserstattung bei den übrigen Beiträgen ausschließen würde.

Nicht zu folgen ist dem Kläger jedenfalls in seiner Auffassung, daß die hier vorgenommene Anwendung des § 82 Abs. 5 AVG Eigentumsrechte i.S. des Art. 14 GG verletzt. Wie der Senat ebenfalls schon in SozR Nr. 7 zu § 1303 RVO dargelegt hat, beruht die Einräumung von Ansprüchen auf die Erstattung rechtmäßig entrichteter Beiträge im ganzen auf Billigkeitserwägungen, so daß damit schon insgesamt kein dem Eigentum vergleichbares Recht begründet wird. Davon abgesehen kann ein Erstattungsanspruch von vornherein nur mit den ihn gesetzlich begrenzenden oder ausschließenden Einschränkungen bestehen, wozu auch die negativen Voraussetzungen in § 82 Abs. 5 AVG gehören.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.

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