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1 RA 165/74

Tatbestand

I.

1954 hatte der Direktor des … aus F. zusammen mit seinem Sohn M., dem Versicherten, die O.-Kommanditgesellschaft M. G. & Co gegründet. Persönlich haftender Gesellschafter war der Versicherte. Sein Vater war Kommanditist mit einer Einlage von 10.000,00 DM. Beide waren mit je 50 % am Gewinn und Verlust der Gesellschaft beteiligt. Nach Fertigstellung des Filmes „…“ gründete der Versicherte zusammen mit seinem Vater die O.-Filmgesellschaft mbH. Von dem Stammkapital von 20.000,00 DM übernahmen der Versicherte 10.100,00 DM und sein Vater 9.900,00 DM. Zweck dieser Firma war vor allem die Herstellung des Films „…“. Der Versicherte wurde zum Geschäftsführer bestellt. Beschlüsse der Gesellschaft waren mit einfacher Mehrheit zu fassen.

Am 12. Dezember 1958 übertrugen der Versicherte und sein Vater durch notariellen Vertrag ihre Geschäftsanteile an der GmbH an die O.-Kommanditgesellschaft M. G. & Co. Das Gewinnbezugsrecht ging ebenfalls auf die O.-Kommanditgesellschaft über. Am 23. Dezember 1958 wurde der Versicherte als Geschäftsführer der O.-Film-GmbH mit einem Gehalt von 750,00 DM bei der Allgemeinen Ortskrankenkasse (AOK) zur Rentenversicherung angemeldet. Die Versicherungskarte Nr. 1 wurde am 13. Januar 1959 ausgestellt. In sie wurde für Dezember 1958 und Januar 1959 von der O.-Film GmbH der Arbeitsverdienst eingetragen.

Am 10. Januar 1959 verunglückte der Versicherte bei einem Flugzeugabsturz in … tödlich. Die Klägerin zu 1) ist seine Ehefrau, die Kläger zu 2) und 3) sind seine Söhne. Sie begehren Hinterbliebenenrente aus der Angestelltenversicherung (AnV) des Versicherten.

Den ersten Antrag der Hinterbliebenen vom Februar 1959, dem die Versicherungskarte Nr. 1 beigefügt war, lehnte die Beklagte mit dem Bescheid vom 5. April 1960 mit der Begründung ab, daß die erforderliche Wartezeit für die begehrte Leistung nicht erfüllt sei. Zur AnV seien lediglich für die Zeit vom 1. Dezember 1958 bis zum 31. Januar 1959, also für 2 Monate, Beiträge entrichtet. Die Frage, ob für diesen Zeitraum ein angestelltenversicherungspflichtiges Verhältnis vorgelegen habe, sei noch nicht endgültig geklärt. Aber selbst wenn für die zwei Monate Beiträge aufgrund eines angestelltenversicherungspflichtigen Verhältnisses entrichtet sein sollten, sei die erforderliche Wartezeit nicht erfüllt. Auch unter der Voraussetzung, daß die Beiträge für die Monate Dezember 1958 und Januar 1959 aufgrund eines versicherungspflichtigen Arbeitnehmerverhältnisses entrichtet sein sollten, gelte die Wartezeit nach § 29 Abs. 1 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) nicht als erfüllt, da die Ermittlungen der Berufsgenossenschaft für Feinmechanik und Elektrotechnik ergeben hätten, daß der Versicherte den tödlichen Unfall nicht im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses nach § 537 Nr. 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO) a.F. erlitten habe. Klage und Berufung gegen diesen Bescheid blieben erfolglos. Das … Landessozialgericht (LSG) war in seinem Urteil L 2 An 1255/63 vom 19. April 1966 der Auffassung, der Versicherte habe als geschäftsführender Gesellschafter eine GmbH mit einer Stammeinlage von 51 % weder in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis gestanden noch sei er wie ein in abhängiger Beschäftigung Stehender vorübergehend tätig geworden (§ 537 Nrn. 1, 10 RVO a.F.).

Ein Antrag der Kläger auf Gewährung von Hinterbliebenenrenten aus der Unfallversicherung war durch den Bescheid der Berufsgenossenschaft für Feinmechanik und Elektrotechnik vom 24. Juni 1959 mit der Begründung abgelehnt worden, daß der Versicherte als Unternehmer keinen Unfallversicherungsschutz genossen habe. Klage und Berufung waren ebenfalls erfolglos (Urteil des Hessischen LSG L 3 U 170/60 vom 24.1.1961).

Einen im August 1966 gestellten Antrag auf Überprüfung nach § 627 RVO lehnte die Berufsgenossenschaft mit der Begründung ab, sie habe sich nicht davon überzeugen können, daß sie die Leistung in ihrem ersten Bescheid zu Unrecht abgelehnt habe. Im Rechtsmittelzug verurteilte das … LSG mit Urteil vom 25. Februar 1970 (L 3 U 194/68) die Berufsgenossenschaft, den Klägern einen neuen Bescheid zu erteilen, da der erste Bescheid im Widerspruch zur Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 25. Mai 1965 (BSG 23, 83) stehe. Danach ist ein zum Geschäftsführer bestellter Mitgesellschafter einer GmbH in der Regel nicht Mitunternehmer des von der GmbH betriebenen Unternehmens, so daß Versicherungsschutz nach § 537 Nr. 10 RVO a.F. in Betracht kommen kann, weil er „wie“ ein nach § 537 Nr. 1 RVO a.F. Versicherter tätig gewesen ist. Das LSG war dazu der Meinung, zwar habe im vorliegenden Fall kein reguläres Beschäftigungsverhältnis i.S. von § 537 Nr. 1 RVO bestanden, weil trotz des gezahlten Entgelts von 750,00 DM monatlich das Merkmal der persönlichen Abhängigkeit gefehlt habe. Der Versicherte habe jedoch gemäß § 537 Nr. 10 RVO a.F. unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung gestanden. Die Berufsgenossenschaft stellte daraufhin die begehrte Hinterbliebenenrente mit Bescheid vom 25. August 1970 fest.

Die Kläger beantragten nunmehr auch bei der Beklagten am 13. November 1970 die Erteilung eines neuen Bescheides und die Aufhebung des Bescheides vom 5. April 1960, da jetzt rechtskräftig festgestellt sei, daß der Versicherte bei einem Arbeitsunfall ums Leben gekommen sei. Die Beklagte lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 26. März 1971 ab. Sie könne sich nicht überzeugen, daß der Erstbescheid zu Unrecht ergangen sei (§ 79 AVG). Rechtswirksame Beiträge seien für den Versicherten nicht entrichtet worden. Als Mehrheitsgesellschafter der O.-Film GmbH habe der Versicherte nicht in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis gestanden, er sei also nicht versicherungspflichtiger Arbeitnehmer der GmbH gewesen, weil das Merkmal der persönlichen Abhängigkeit gefehlt habe. Die für die Zeit vom 1. Dezember 1958 bis 31. Januar 1959 bescheinigten Beiträge in Höhe von 14 % von 1.500,00 DM = 210,00 DM seien somit zu Unrecht entrichtet. Sie würden hiermit beanstandet und seien damit unwirksam. Sie könnten bis zum 31. Dezember 1973 zurückgefordert werden. Damit sei der Verstorbene nicht Versicherter i.S. des § 29 Nr. 1 AVG gewesen.

Die hiergegen von den Klägern eingelegten Rechtsmittel (Widerspruch und Klage) waren zunächst erfolglos. Auf ihre Berufungen hin hob jedoch das Hessische LSG das klageabweisende Urteil des Sozialgerichts (SG) Frankfurt vom 7. Dezember 1972 und den Bescheid der Beklagten vom 26. März 1971 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Juni 1971 auf. Es war der Auffassung, die Beklagte müsse davon überzeugt sein, daß sie die Leistung, die Gewährung von Hinterbliebenenrenten, zu Unrecht abgelehnt habe. Der tödliche Flugzeugabsturz am 10. Januar 1959 sei ein Arbeitsunfall gewesen, wobei es nicht darauf ankomme, ob Versicherungsschutz nach § 537 Nr. 1 oder Nr. 10 RVO a.F. bestanden habe. Davon gehe auch die Beklagte aus. Sie berufe sich stattdessen darauf, daß kein gültiges Angestelltenversicherungsverhältnis bestanden habe, weil sie die Wirksamkeit der geleisteten Monatsbeiträge beanstandet habe. Hierzu habe das SG richtig erkannt, daß in dem Bescheid nach § 79 AVG ein weiterer Verwaltungsakt mit rechtsgestaltender Wirkung enthalten sei, nämlich die Beanstandung der geleisteten beiden Monatsbeiträge. Dies sei jedoch nicht zulässig gewesen. Die Beklagte übersehe, daß sie die 10-Jahres-Frist des § 145 Abs. 2 AVG nicht eingehalten habe. Die Versicherungskarte sei bei der Antragstellung am 23. Februar 1959 eingereicht worden. Dieser Vorgang stehe der in § 145 Abs. 2 AVG geforderten Aufrechnung gleich. Die Beklagte habe erst mit ihrem Bescheid vom 26. März 1971 die Rechtswirksamkeit der beiden geleisteten Monatsbeiträge beanstandet.

Nach alledem sei der Bescheid der Beklagten vom 26. März 1971 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Juli 1971 aufzuheben und die Beklagte verpflichtet, unter Beachtung der Rechtsansicht des Senats den Antrag der Kläger neu zu bescheiden, wobei sie sich nicht mehr darauf berufen dürfe, der Tod des Versicherten sei nicht auf einen Arbeitsunfall zurückzuführen und die beiden Monatsbeiträge für Dezember 1958 und Januar 1959 seien als rechtsunwirksam beanstandet.

Hiergegen richtet sich die vom LSG zugelassene Revision der Beklagten. Sie rügt unrichtige Anwendung der §§ 79 und 145 Abs. 2 AVG und beantragt,

  • das angefochtene Urteil aufzuheben und die Berufung der Kläger gegen das Urteil des SG Frankfurt vom 7. Dezember 1972 zurückzuweisen. Die Kläger haben Anschlußrevision eingelegt und beantragen sinngemäß, unter Zurückweisung der Revision der Beklagten das angefochtene Urteil dahin zu ergänzen, daß diese verurteilt wird, ihnen Hinterbliebenenrenten vom 1. Januar 1959 an zu gewähren.

Das angefochtene Urteil sei richtig. Die beiden Beiträge für Dezember 1958 und Januar 1959 könnten nach den zutreffenden Ausführungen des LSG wegen Fristablaufs nicht mehr beanstandet werden. Im übrigen seien sie auch wirksam entrichtet worden, da der Versicherte damals tatsächlich in einem angestellten-versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis gestanden habe. Zwar habe er vom Stammkapital von 20.000,00 DM den größeren Anteil mit 10.000,00 DM gehabt, bei der überragenden Stellung des Vaters gegenüber seinem 24-jährigen Sohn müsse man diesen jedoch trotz seiner Mehrheitsbeteiligung als weisungsgebundenen Angestellten ansehen.

Die Beklagte beantragt

  • die Zurückweisung der Anschlußrevision.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision der Beklagten ist begründet. Die Voraussetzungen des § 79 AVG für eine Neufeststellung der Leistung sind nicht erfüllt. Es kann nicht festgestellt werden, daß die Beklagte davon überzeugt sein muß, daß sie die Anträge auf Gewährung von Hinterbliebenenrenten aus der AnV zu Unrecht abgelehnt hatte. Der Auffassung des LSG zu § 145 Abs. 2 AVG kann nicht gefolgt werden.

Das LSG stellt in tatsächlicher Hinsicht fest, daß der Versicherte am 10. Januar 1959 bei einem Flug, den er als Geschäftsführer der O.-Film GmbH im Rahmen von Aufnahmen für den Tierfilm „…“ unternommen hatte, tödlich verunglückt ist. Die genannte Gesellschaft war zum Zwecke der Herstellung dieses Filmes gegründet worden. Für die früher gegründete „O.-Kommanditgesellschaft M. G. & Co.“, auf welche die beiden Gesellschafter ihre Anteile an der GmbH übertragen hatte, war der Versicherte nicht tätig gewesen. Sie hatte sich im wesentlichen der Herstellung und der Auswertung des Filmes „…“ gewidmet. Durch den Organvertrag von 12. Dezember 1958 war die O.-Film GmbH auch nicht in die Kommanditgesellschaft überführt worden. Vielmehr hatten beide Gesellschaften nebeneinander bestanden. Das LSG läßt im übrigen dahingestellt, ob der Versicherte als Gesellschafter der O.-Film GmbH in einem angestelltenversicherungspflichtigen Dienstverhältnis zu dieser gestanden hat. Es kommt sodann zu dem Ergebnis, daß jedenfalls der tödliche Flugzeugabsturz ein Arbeitsunfall war, wobei es nicht darauf ankomme, ob Versicherungsschutz in der Unfallversicherung nach § 579 Nr. 1 oder Nr. 10 RVO a.F. bestanden habe.

In rechtlicher Hinsicht geht das LSG davon aus, daß M. G. auch „Versicherter“ i.S. des § 29 AVG gewesen sei, weil zwei Beiträge zur AnV für ihn entrichtet worden seien, die von der Beklagten nicht mehr beanstandet werden könnten, da sie die Frist des § 145 Abs. 2 AVG nicht eingehalten habe. Hiergegen wendet sich die Beklagte mit Recht.

Da der Versicherte 1958 und 1959 wegen Fehlens entsprechender Vorversicherungszeiten zu einer freiwilligen Versicherung nach § 10 AVG a.F. nicht befugt war, kann er „Versicherter“ i.S. des § 29 AVG nur gewesen sein, wenn für ihn gültige Pflichtbeiträge entrichtet worden sind. Das setzt voraus, daß er in einem versicherungspflichtigen Angestelltenverhältnis zur O.-Film GmbH gestanden hat. Das aber ist nicht dargetan, da nach der Rechtsprechung des BSG die für die Angestellteneigenschaft notwendige persönliche Abhängigkeit bei Gesellschaftern einer GmbH, die für ihre Gesellschaft als Geschäftsführer entgeltlich tätig werden, jedenfalls dann von vornherein ausscheidet, wenn der Gesellschafter nach seiner Kapitalbeteiligung so maßgebenden Einfluß auf die Entscheidungen der Gesellschaft hat, daß er jeden Beschluß, insbesondere jede ihm nicht genehme Weisung, verhindern kann (so zuletzt Urteil vom 22. November 1974 1 RA 251/73,) Eine solche Fallgestaltung kam für den Versicherten in Betracht, da er alleiniger Geschäftsführer der O.-Film GmbH war, an der er ohnehin schon den größeren Kapitalanteil besaß, und außerdem über die O.-Kommanditgesellschaft als deren persönlich haftender Gesellschafter auch im übrigen den größeren Einfluß besaß. Damit hatte 1958 und 1959 keine wirksame Beitragsentrichtung vorgelegen.

Ist ein Betrag unwirksam, so kann dies grundsätzlich von jedem geltend gemacht werden, der an der Beitragsentrichtung materiell beteiligt ist, also sowohl vom Versicherten als auch vom Arbeitgeber (vgl. dazu § 146 Abs. 1 AVG) als auch schließlich vom Versicherungsträger. Die Geltendmachung der Unwirksamkeit durch diesen wird als Beanstandung bezeichnet. Der Rentenversicherungsträger ist sowohl im Interesse der Versichertengemeinschaft als auch der betroffenen Versicherten verpflichtet, die Beanstandung auszusprechen, sobald er Kenntnis von der Unwirksamkeit einer Beitragsleistung erlangt hat. Die Beanstandung dient vor allem dem Zweck, auch den Versicherten über die Feststellung der Unwirksamkeit zu unterrichten. Sie kann in der Regel nur durch eine an ihn gerichtete Erklärung erfolgen, die allerdings an keine bestimmte Form gebunden ist (vgl. hierzu im einzelnen Baumgarten, Mitteilungen der LVA Berlin 1968, 193 ff., 213).

Für die Beanstandung ist dem Versicherungsträger jedoch in § 145 Abs. 2 AVG eine Frist gesetzt. Nach Ablauf von 10 Jahren nach „Aufrechnung“ der Versicherungskarte können u.a. die Richtigkeit der Eintragung der Beschäftigungszeiten, der Arbeitsentgelte und der Beiträge nicht mehr angefochten werden. Dies gilt lediglich dann nicht, wenn die Eintragung in der Entgeltbescheinigung in betrügerischer Absicht herbeigeführt worden ist.

Was „Aufrechnung“ i.S. dieser Vorschrift ist, wird eindeutig in § 134 AVG bestimmt. Nach Abs. 1 dieser Vorschrift ist die Versicherungskarte bei einer Ausgabestelle einzureichen, aufzurechnen und in eine neue Versicherungskarte umzutauschen, wenn die durch die Entgeltbescheinigungen und durch Beitragsmarken vorgesehenen Felder gefüllt sind; sie soll spätestens binnen 3 Jahren nach der Ausstellung umgetauscht werden. Für die umgetauschte Versicherungskarte erhält der Versicherte eine Aufrechnungsbescheinigung, in der die verwendeten Beitragsmarken nach Beitragsklassen zusammengefaßt bescheinigt sind und der Inhalt der eingetragenen Entgeltbescheinigungen wiedergegeben ist (Abs. 2). Die Aufrechnung erfordert also die Abgabe der Versicherungskarte bei der Ausgabestelle (§ 136 AVG) zu den genannten Zwecken.

Eine solche „Aufrechnung“ ist hinsichtlich der Versicherungskarte des Versicherten aber gerade nicht vorgenommen worden. Insbesondere fehlt eine Aufrechnung der Versicherungskarte und die Erteilung einer Aufrechnungsbescheinigung. Auf diese Vorgänge kommt es jedoch entscheidend an, wie der Senat bereits in seinem Urteil vom 21. Mai 1974 (BSG 37, 219) eingehend ausgeführt hat. Auch nach der Auffassung des 11. Senats in SozR 2200 § 1423 RVO Nr. 4 setzt der Beanstandungsschutz voraus, daß die Aufrechnungsbescheinigung bekanntgegeben worden ist. Eine weitere Einschränkung des Beanstandungsrechts, als in § 145 Abs. 2 AVG vorgesehen ist, ist nach dem Wortlaut des Gesetzes nicht möglich (vgl. Verbkomm. 1958/73 § 1423 RVO Note 8). Die dem entgegenstehende Auffassung des LSG vermag nicht zu überzeugen. Sie beachtet nicht, daß § 145 Abs. 2 AVG als eine Ausnahmevorschrift eng auszulegen ist. Nur unter den dort abschließend geregelten Voraussetzungen werden den Versicherten aus Gründen des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit Rechte zugebilligt, die sie sonst nicht hätten.

Deshalb verstößt es auch nicht, wie das LSG meint, gegen die besondere Fürsorgepflicht eines Versicherungsträgers gegenüber dem Versicherten und gegen den auch im Rentenversicherungsrecht gültigen Grundsatz von Treu und Glauben, wenn die Beklagte sich auf die fehlende Aufrechnung der Versicherungskarte beruft. Grundsätzlich muß das Ergebnis als gerecht und billig angesehen werden, das der wahren Sach- und Rechtslage entspricht.

Aus diesen Erwägungen kann der Auffassung des LSG hinsichtlich der Unzulässigkeit der ausgesprochenen Beanstandung nicht gefolgt werden. Dann aber bleibt nur noch die rechtskräftig gewordene Versagung von Hinterbliebenenrenten an die Kläger aus der AnV durch den Bescheid vom 5. April 1960, bestätigt durch das Urteil des LSG vom 19. April 1966 (2 An 1255/63) übrig. Kann jedoch den Ausführungen des LSG aus den oben genannten Gründen nicht gefolgt werden, so sind keine Umstände mehr vorhanden, welche die Beklagte zu der Überzeugung zwingen müßten, daß sie zu Unrecht eine Leistung abgelehnt hätte (§ 79 AVG), vgl. SozR Nr. 1 zu § 93 des Reichsknappschaftsgesetzes.

Somit muß die Revision der Beklagten Erfolg haben. Zugleich war die Anschlußrevision der Kläger zurückzuweisen.

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