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11 RA 159/65

Aus den Gründen

Nach § 82 Abs. 5 AVG (=  § 1303 Abs. 5 RVO), der auf die Beitragserstattung wegen Heirat nach § 83 Abs. 3 AVG (= § 1304 Abs. 3 RVO) - vor der Streichung des § 83 AVG mit Wirkung ab 01.01.1968 durch Art. 1 § 2 Nr. 11 FinanzÄndG 1967 v. 21.12.1967 (BGBl.  1259) - entsprechend anzuwenden ist, sind, wenn der Versicherten eine Regelleistung aus der Vers. gewährt worden ist, nur die später entrichteten Beiträge zu erstatten. Das LSG hat zutreffend diese Einschränkung auch auf die Höherversicherungsbeiträge bezogen. § 82 Abs. 1 Satz 1 AVG regelt zunächst ebenso wie § 83 Abs. 1 Satz 1 AVG die Voraussetzungen des Anspruchs auf Erstattung von „Beiträgen“ - allgemein - nach Grund und Höhe. Der in beiden Vorschriften unmittelbar folgende Satz “Beiträge der Höhervers, sind dem Versicherten in voller Höhe zu erstatten“ enthält für Höherversicherungsbeiträge eine Ausnahme hinsichtlich der Höhe des Erstattungsanspruchs; eine andere Bedeutung hat dieser Satz nicht; er besagt nicht, daß Höherversicherungsbeiträge nicht ebenso „Beiträge“ i.S. des ersten Satzes sind, wie Pflichtbeiträge und freiwillige Beiträge. § 82 Abs. 5 AVG enthält eine Einschränkung des Anspruchs auf Erstattung von „Beiträgen“ für den Fall, daß dem Versicherten eine Regelleistung aus der Vers. gewährt worden ist; das Wort „Beiträge“ hat hier keine andere Bedeutung als in der „Grundregel“ des Abs. 1 Satz 1, d.h. es bezieht sich auf Grundbeiträge (Pflichtbeiträge und freiwillige Beiträge) und Höherversicherungsbeiträge. Wenn diese Einschränkung für Höherversicherungsbeiträge nicht gelten sollte, hätte in Abs. 5 für diese Beiträge ebenso eine Sonderregelung getroffen werden müssen, wie dies in Abs. 1 geschehen ist.

Diese Auffassung steht auch mit dem Sinn und Zweck der §§ 82, 83 AVG im allgemeinen und mit der „Verfallklausel“ des § 82 Abs. 5 AVG im besonderen in Einklang. Bei den in §§ 82, 83 AVG als erstattungsfähig erklärten Beiträgen - Grundbeiträgen und Höherversicherungsbeiträgen - handelt es sich um Beiträge, für die die Voraussetzungen der Zulässigkeit und der Wirksamkeit der Beitragsentrichtung vorgelegen haben. Sie sind die Gegenleistung dafür, daß der VersTr. - bzw. die Versichertengemeinschaft - das Risiko des einen Leistungsanspruch begründenden VersFalles trägt. Deshalb können sie grundsätzlich auch dann nicht erstattet werden, wenn ein VersFall überhaupt nicht eintritt, wenn etwa der Versicherte nicht berufs- oder erwerbsunfähig wird oder wenn er stirbt, ohne Altersruhegeld bezögen zu haben und ohne daß rentenberechtigte Hinterbliebene vorhanden sind, oder wenn Maßnahmen zur Erhaltung, Besserung und Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit für ihn nicht erforderlich werden. Soweit trotzdem im Ges. ein Anspruch auf Beitragserstattung eingeräumt ist, beruht diese Regelung auf Billigkeitserwägungen. Den in § 82 AVG geregelten Erstattungsfällen liegt die Erwägung zugrunde, daß mit dem Wegfall der VersPflicht und der Beseitigung der Möglichkeit zur freiwilligen Weitervers. die Voraussetzungen für die Erfüllung der Wartezeit und damit für den Erwerb eines Rentenanspruchs entfallen; der in § 83 AVG geregelte Erstattungsfall hat auf der - allerdings stets umstrittenen - Auffassung beruht, daß weibliche Versicherte nicht selten eine Sicherung gegen die an sich von der RentV gedeckten VersRisiken in der Ehe finden und daß ihnen zugleich durch die Beitragserstattung die Gründung eines Hausstands erleichtert wird. In den Erstattungsfällen tritt der Erstattungsanspruch „ersatzweise“ - als eine Regelleistung der Vers. (vgl. § 12 Nr. 4 AVG§ 1235 Nr. 4 RVO) - an die Stelle der Ansprüche auf die sonst möglicherweise aus der Vers. zu gewährenden Leistungen. Es handelt sich dabei um eine Art „Prämienrückgewähr“; es entspricht aber allgemeinen versicherungsrechtlichen und versicherungsmathematischen Grundsätzen, daß eine solche „Prämienrückgewähr“ nur Platz greift, soweit VersLeistungen nicht in Anspruch genommen worden sind, und ohne Rücksicht darauf, in welcher Höhe VersLeistungen gewährt worden sind. Wenn ein VersVerhältnis bereits „aktualisiert“, d.h. ein versicherungsrechtliches Risiko bereits abgedeckt ist, sollen diesem VersVerhältnis nicht nachträglich die Grundlagen entzogen oder verändert werden. Diese Erwägungen treffen gleichermaßen für Grundbeiträge wie für Höherversicherungsbeiträge zu. Zwar teilen die Höherversicherungsbeiträge im Leistungsrecht vielfach nicht das „Schicksal“ der Grundbeiträge. Die Besonderheit der Höherversicherungsbeiträge liegt darin, daß sie schon durch das HöVG v. 14.03.1951 (BGBI. I 188) gewissermaßen mit der Garantie einer „prämiengerechten“ Leistung ausgestattet worden sind. Die Beiträge, die der zusätzlichen Vorsorge dienen sollen, sollten dem Versicherten voll und ganz rentensteigernd zugute kommen. So könnte weder die Anwartschaft aus den Höherversicherungsbeiträgen verfallen (§ 5 Abs. 2 HöVG) noch könnten die aus Höherversicherungsbeiträgen zu leistenden Steigerungsbeträge ruhen oder gekürzt werden (§ 5 Abs. 3 HöVG). In entsprechender Weise ist das Höherversicherungsrecht bei der Neuregelung des RentVRechts in das allgemeine Rentenrecht eingegliedert worden. Im Leistungsrecht bestehen deshalb weitgehend Sondervorschriften für die Berücksichtigung von Höherversicherungsbeiträgen (vgl. die §§ 23 Abs. 4, 24 Abs. 4, 25 Abs. 5, 30 Abs. 1 Halbsatz 2, 31 Abs. 1 Halbsatz 2, 38, 40 Abs. 3, 46 Abs. 2, 47 Abs. 2, 49 Abs. 3, 62, 72 AVG und Art. 2 §§ 15 Abs. 1, 33 Abs. 1 AnVNG). Auch für den dem Leistungsrecht angehörenden Erstattungsanspruch ist dem Grundgedanken, daß Höherversicherungsbeiträge voll dem Versicherten „gutgebracht“ werden sollen, insofern Rechnung getragen, als diese Beiträge - anders als die Grundbeiträge, die nur zur Hälfte erstattet werden - dem Versicherten voll zu erstatten sind (§§ 82 Abs. 1 Satz 2, 83 Abs. 1 Satz 2 AVG). Dies gilt jedoch nur, wenn die Voraussetzungen der „Erstattungsfähigkeit“ von Beiträgen überhaupt vorliegen. Hieran fehlt es, wenn eine Regelleistung aus der Vers. erbracht ist. Die Höherversicherungsbeiträge bleiben jedoch - trotz der Erstattung der Grundbeiträge - für eine künftige Rentenberechnung wirksam.

Zu Unrecht meint die Klägerin, die Erstattungsfähigkeit der Höherversicherungsbeiträge für die Zeit vor der Durchführung des Heilverfahrens sei deshalb zu bejahen, weil die Höherversicherungsbeiträge nicht Grundlage des Heilverfahrens gewesen seien, das Heilverfahren also nicht „aus der (Höher-) Versicherung“ gewährt worden sei. Der Begriff „Versicherung“ bezeichnet in den RentV-Ges. einerseits die Aufgabe des VersTr., also seine „Funktion“ (vgl. z.B. die Überschriften zum 1. und 2. Abschn. des AVG, die §§ 84, 85, 86, 98 Abs. 2 Buchst. b, 109 AVG), andererseits die Summe der öffentlich-rechtlichen Beziehungen, die zwischen dem Versicherten und dem RentV-Tr. durch die Leistung von Beiträgen entstehen (vgl. z.B. §§ 10, 28 Abs. 2, 36 Abs. 3, 37 Abs. 1, 82 Abs. 8, 97 Abs. 2 AVG). Es handelt sich also um einen umfassenden Begriff, in dem nicht danach unterschieden, wird, ob die „Versicherung“ auf Pflichtbeiträgen, freiwilligen Beiträgen oder Höherversicherungsbeiträgen beruht. Auch die Höherversicherungsbeiträge dienen der „Funktion“ des VersTr., und auch die Höhervers., ist ein Teil des öffentlich-rechtlichen Vers Verhältnisses, sie begründet nicht eine neben dem öffentlich-rechtlichen VersVerhältnis bestehende Rechtsbeziehung anderer Art (vgl. z.B. Jantz/Zweng, Das neue Recht der RentV der Arbeiter und Angestellten, Einführung S. 9). Auch die Einkünfte aus der Höhervers. gehören zu den Mitteln des VersTr., die für die Aufgaben der „Versicherung“ allgemein zur Verfügung stehen.

Da das Heilverfahren der Klägerin aus dieser „Versicherung“ gewährt worden ist, steht der Klägerin ein Erstattungsanspruch nach den §§ 83, 82 Abs. 5 AVG nur hinsichtlich der später entrichteten Beiträge zu. Das LSG hat daher zu Recht den Anspruch der Klägerin auf Erstattung der vor der Durchf. des Heilverfahrens geleisteten Beiträge in vollem Umfange, also auch hinsichtlich der Höherversicherungsbeiträge, verneint.

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