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§ 29 VersAusglG: Leistungsverbot bis zum Abschluss des Verfahrens

Änderungsdienst
veröffentlicht am

20.08.2019

Änderung

Die GRA wurde redaktionell überarbeitet und um aktuelle Rechtsprechung ergänzt.

Dokumentdaten
Stand14.10.2015
Erstellungsgrundlage in der Fassung des Gesetzes zur Strukturreform des Versorgungsausgleichs (VAStrRefG) vom 03.04.2009 in Kraft getreten am 01.09.2009
Rechtsgrundlage

§ 29 VersAusglG

Version001.00

Inhalt der Regelung

§ 29 VersAusglG verpflichtet den beteiligten Versorgungsträger bis zum wirksamen Abschluss des Verfahrens über den Versorgungsausgleich keine Zahlungen an die ausgleichspflichtige Person vorzunehmen, die sich auf die Höhe der in der Ehezeit erworbenen Anrechte auswirken können. Die Vorschrift soll verhindern, dass durch die Auszahlung von Beiträgen an den Versicherten Versorgungsansprüche erlöschen und dem Versorgungsausgleich die Grundlage entzogen wird.

Hinweis:

Die Ausführungen bei Scheidung einer Ehe gelten auch bei Aufhebung einer eingetragenen Lebenspartnerschaft (siehe GRA zu § 20 LPartG).

Ergänzende/korrespondierende Regelungen

Bei der gesetzlichen Rentenversicherung steht die Vorschrift in Zusammenhang mit der Regelung zur Erstattung von zu Recht gezahlten Beiträgen (§ 210 SGB VI).

Allgemeines

§ 29 VersAusglG entspricht der bis zum 31.08.2009 geltenden Vorgängerregelung des § 10d VAHRG (siehe auch BT-Drucksache 16/10144, Seite 70). Die Vorschrift wurde lediglich sprachlich an das Recht ab 01.09.2009 angepasst; inhaltliche Änderungen sind damit nicht verbunden.

Versorgungsansprüche erlöschen mit der Erstattung der hierfür geleisteten Beiträge oder Aufwendungen (in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 210 Abs. 6 SGB VI). Erfolgt die Beitragserstattung für in der Ehezeit erworbene Anrechte einer versicherten Person, könnten diese deshalb nicht mehr in den Versorgungsausgleich einbezogen werden. Mit dem in § 29 VersAusglG normierten Leistungsverbot (Zahlungsverbot) des beteiligten Versorgungsträgers soll verhindert werden, dass die ausgleichspflichtige Person ihre in der Ehezeit erworbenen Anrechte dem Versorgungsausgleich entzieht, indem sie sich noch im Laufe des anhängigen Versorgungsausgleichsverfahrens ihre auszugleichenden Anrechte auszahlen lässt. Sobald ein beteiligter Versorgungsträger Kenntnis von einem anhängigen Versorgungsausgleichsverfahren erhält, ist er bis zu dessen Abschluss daran gehindert, die Beitragserstattung durchzuführen; insoweit wirkt § 29 VersAusglG als vorrangiges Recht.

Für Beitragserstattungen, die bereits vor der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags durchgeführt wurden, gilt § 29 VersAusglG nicht, da bereits zum Ehezeitende keine ausgleichbaren Anrechte im Sinne des § 2 VersAusglG vorhanden waren.

Die Vorschrift gilt sowohl in Erst- als auch in Abänderungsverfahren und beschränkt sich nicht nur auf die Erstattungen innerhalb der gesetzlichen Rentenversicherung, sondern gilt für sämtliche Versorgungsträger, bei denen die ausgleichspflichtige Person auszugleichende Anrechte nach § 2 VersAusglG erworben hat. Die versorgungsrechtliche Qualität und die Höhe des jeweiligen Anrechts sind dabei unbeachtlich.

Gegenstand des Leistungsverbots

In der gesetzlichen Rentenversicherung gilt das Leistungsverbot für die Beitragserstattung nach § 210 SGB VI, die nach § 210 Abs. 6 Satz 2 SGB VI zur vollständigen Auflösung des bisherigen Versicherungsverhältnisses und damit zum vollständigen Erlöschen der Rentenanwartschaft führt.

Nach dem Wortlaut der Vorschrift ist das Leistungsverbot des § 29 VersAusglG auf diejenigen Anrechte (§ 2 VersAusglG) beschränkt, die sich auf die Höhe eines vorhandenen Ausgleichswerts (§ 1 Abs. 2 Satz 2 VersAusglG) auswirken können.

Eine Beitragserstattung nach § 210 SGB VI wirkt sich auf ein Anrecht im Sinne des § 29 VersAusglG aus, wenn sich die Höhe des Ausgleichswerts dadurch verändert. Die Höhe des Ausgleichswerts bestimmt sich dabei nicht nur aus den in der Ehezeit zurückgelegten rentenrechtlichen Zeiten, sondern kann außerdem (im Rahmen der Gesamtleistungsbewertung) durch voreheliche Zeiten beeinflusst werden. Liegt ein solcher Fall vor, ist der Rentenversicherungsträger auch an der Beitragserstattung für voreheliche Zeiten gehindert.

Während des laufenden Versorgungsausgleichsverfahrens kann eine Beitragserstattung aber ausnahmsweise durchgeführt werden, wenn zweifelsfrei feststeht, dass die den Antrag stellende Person keine Anrechte in der Ehezeit erworben hat (RBRTB 1/2015, TOP 19).

Laufende Rentenzahlungen werden von dem Leistungsverbot des § 29 VersAusglG nicht erfasst (BGH vom 07.09.2011, AZ: XII ZB 546/10, FamRZ 2011, 1785 - 1788).

Das Leistungsverbot gilt auch nicht für die Rückerstattung von zu Unrecht gezahlten Beiträgen (§ 26 SGB IV), denn bei diesen Erstattungen geht es in der gesetzlichen Rentenversicherung um Beiträge, die ihrer Natur nach ohnehin nicht ausgleichsfähig sind. Die erstattungsberechtigte Person kann auch nicht verpflichtet werden, von ihrem Anspruch abzusehen, um die Beiträge - sofern zulässig - als freiwillige Beiträge nach § 202 SGB VI im Versicherungskonto zu belassen.

Werden zu Unrecht gezahlte Pflichtbeiträge jedoch nicht zurückgefordert, sondern gelten diese als freiwillige Beiträge (§ 202 Satz 1 SGB VI), weil in dem entsprechenden Zeitraum das Recht zur freiwilligen Versicherung besteht, fallen diese unter das Leistungsverbot des § 29 VersAusglG. Das Gleiche gilt bei zu Unrecht gezahlten Pflichtbeiträgen, die im Versicherungskonto als freiwillige Beiträge verbleiben, nachdem Arbeitnehmer die Beitragsanteile des Arbeitgebers erstattet („abgelöst“) haben (§ 202 Satz 4 SGB VI).

Der Rentenversicherungsträger hat das Leistungsverbot nach § 29 VersAusglG zu beachten, wenn zum Zeitpunkt der Antragstellung auf Beitragserstattung nach § 210 SGB VI ein Versorgungsausgleichsverfahren anhängig ist oder ein solches im Laufe des Erstattungsverfahrens anhängig wird. Ergeben sich aufgrund der späteren rechtskräftigen und wirksamen Entscheidung über den Versorgungsausgleich zusätzliche Wartezeitmonate, sind diese bei der Entscheidung über einen Antrag auf Beitragserstattung zu berücksichtigen. Ist der Anspruch auf Beitragserstattung von der nicht erfüllten allgemeinen Wartezeit abhängig, besteht ein solcher Anspruch nicht, wenn aufgrund der zusätzlichen Wartezeitmonate die allgemeine Wartezeit erfüllt wird (AGFAVR 3/2012, TOP7, siehe Verbindliche Entscheidung in RVaktuell 4/2013, 79).

Dauer des Leistungsverbots

Das Leistungsverbot nach § 29 VersAusglG ist zeitlich begrenzt. Es gilt von dem Zeitpunkt an, zu dem der Rentenversicherungsträger Kenntnis von einem Versorgungsausgleichsverfahren (Erst- oder Abänderungsverfahren) erhält, bis zu dem Zeitpunkt, zu dem das Verfahren über den Versorgungsausgleich wirksam endet.

Die Kenntnis von einem Verfahren über den Versorgungsausgleich erhält der Rentenversicherungsträger regelmäßig durch die Aufforderung des Familiengerichts zur Erteilung einer Auskunft über die ehezeitlichen Versorgungsanrechte (§ 220 FamFG). Er kann aber auch auf andere Weise Kenntnis hierüber erlangen, zum Beispiel von einem Beteiligten (§ 219 FamFG). Unabhängig davon, auf welche Art der Rentenversicherungsträger die entsprechende Kenntnis erhalten hat, darf ein Bescheid über eine Zahlung, die dem Leistungsverbot nach § 29 VersAusglG widersprechen würde, nicht mehr erteilt werden. Wurde bereits ein entsprechender Bescheid erteilt, darf der Rentenversicherungsträger aus dem Bescheid nicht leisten, selbst wenn die Erstattungsansprüche bereits vor Beginn des Versorgungsausgleichsverfahrens entstanden und fällig geworden sind.

Nach dem Wortlaut des § 29 VersAusglG besteht das Leistungsverbot „bis zum wirksamen Abschluss eines Verfahrens über den Versorgungsausgleich“. Nach dem Sinn und Zweck der Regelung ist § 29 VersAusglG auch dann anzuwenden, wenn der Rentenversicherungsträger von einem Scheidungsverfahren im Ausland Kenntnis erlangt. Bei einer derartigen Fallgestaltung besteht das Leistungsverbot bis zum wirksamen Abschluss des auf Antrag (isoliert) durchzuführenden Versorgungsausgleichsverfahrens. Hierbei ist jedoch Voraussetzung, dass nach der rechtskräftigen Ehescheidung im Ausland beziehungsweise nach Feststellung der Anerkennungsvoraussetzungen durch die Landesjustizverwaltung die Durchführung des Versorgungsausgleichs innerhalb einer angemessenen Frist beim Familiengericht beantragt wird.

Verstreicht die angemessene Frist, ohne dass ein Antrag auf Durchführung des Versorgungsausgleichs gestellt wird, kann sich der Rentenversicherungsträger nicht mehr auf das Leistungsverbot des § 29 VersAusglG berufen. Die angemessene Frist sollte sich an den in § 187 Abs. 5 SGB VI genannten Fristen orientieren. Das heißt, bei einem Wohnsitz im Inland sollte die Frist drei, bei einem Wohnsitz im Ausland sechs Kalendermonate betragen, gerechnet vom Ablauf des Monats an, in dem das Verfahren über die Ehescheidung beziehungsweise das Feststellungsverfahren bei der Landesjustizverwaltung rechtskräftig endet. Abzustellen ist bei den Fristen auf den Wohnsitz des geschiedenen Ehegatten der erstattungsberechtigten Person. Entsprechendes gilt bei einer Ehescheidung im Inland, wenn auf Antrag beim Familiengericht über den Versorgungsausgleich in einem isolierten Verfahren noch zu entscheiden ist.

Ein Versorgungsausgleichsverfahren endet, wenn die Versorgungsausgleichsentscheidung des Gerichts rechtskräftig und wirksam geworden ist (§ 224 Abs. 1 FamFG) oder sich das Verfahren auf andere Weise erledigt hat (zum Beispiel durch Rücknahme des Scheidungsantrags). Die Abtrennung, Aussetzung oder die Anordnung eines Ruhens beenden ein Versorgungsausgleichsverfahren nicht. In Fällen, in denen das Verfahren über den Versorgungsausgleich nach § 2 Abs. 1 Satz 1 VAÜG ausgesetzt worden ist, ist dem Versicherten bei einem Antrag auf Beitragserstattung nach § 210 SGB VI die Antragstellung auf Wiederaufnahme des Versorgungsausgleichsverfahrens beim Familiengericht (§ 50 VersAusglG) zu empfehlen (siehe GRA zu § 210 SGB VI, Abschnitt 8.4).

Verletzung des Leistungsverbots

Hat der zuständige Rentenversicherungsträger der ausgleichspflichtigen Person trotz Kenntnis über ein anhängiges Versorgungsausgleichsverfahren sowohl einen Erstattungsbescheid erteilt als auch die Erstattung bereits vorgenommen, wird er zu prüfen haben, ob der Erstattungsbescheid nach § 45 SGB X zurückzunehmen und der erstattete Betrag nach § 50 SGB X zurückzufordern ist. Die erstattungsberechtigte Person dürfte in der Regel kein schutzwürdiges Vertrauen in den Bestand eines Erstattungsbescheides haben, der unter Missachtung des § 29 VersAusglG erteilt worden ist. Sollte eine Rücknahme des Erstattungsbescheides und die Rückforderung des Erstattungsbetrages nicht möglich sein, so kommt ein Ausgleich für die entsprechenden Anrechte nicht in Betracht (BGH-Beschluss vom 19.10.1994, AZ: XII ZB 158/83, FamRZ 1995, 31, 32; BGH-Beschluss vom 28.09.2005, AZ: XII ZB 31/03, FamRZ 2005, 2055 - 2058). Das Gericht wäre dann bei der Auskunftserteilung entsprechend zu informieren.

Versorgungsausgleichsgesetz (VersAusglG) vom 03.04.2009 (BGBl. I S. 700)

Inkrafttreten: 01.09.2009

Quellen zum Entwurf: BR-Drucksache 343/08; BT-Drucksache 16/10144

Artikel 1 des Gesetzes zur Strukturreform des Versorgungsausgleichs (VAStrRefG) beinhaltet das Gesetz über den Versorgungsausgleich (Versorgungsausgleichsgesetz - VersAusglG). Die Vorschrift ist Teil des Gesetzes.

Zusatzinformationen

Rechtsgrundlage

§ 29 VersAusglG