Navigation und Service

Logo der Deutschen Rentenversicherung (Link zur Startseite rvRecht)

rvRecht® - Rechtsportal der Deutschen Rentenversicherung

Sowjetunion (bis 1991) - 2.1 Grundsätze der Sozialversicherung: Recht der Herkunftsgebiete

Änderungsdienst
veröffentlicht am

05.06.2021

Änderung

redaktionelle Anpassungen in Abschnitt 2 und 3

Dokumentdaten
Stand04.08.2016
Rechtsgrundlage

Recht der Herkunftsgebiete

Version003.00

Allgemeines

Die nachstehend beschriebenen Grundsätze sollen lediglich einen Kurzüberblick geben; Einzelheiten zum Versicherungs- und Leistungsrecht der sowjetischen Sozialversicherung enthalten die weiteren GRAen.

Das Ziel der Sozialversicherung war die Umsetzung der in der Verfassung garantierten materiellen Versorgung der Bürger bei einem Wegfall des Verdienstes. Der Schutz bezog sich sowohl auf den vorübergehenden als auch auf den dauerhaften Verdienstausfall und vereinte die verschiedenen Zweige der Sozialversicherung.

Personenkreis

Der Personenkreis, der in den Schutz der Sozialversicherung einbezogen wurde, erfasste alle Arbeiter und Angestellten (Personen, die sich in einem Arbeitsverhältnis befanden) und ihre Familienangehörigen sowie - in einem eigenständigen System - die Kolchosmitglieder. Nicht versichert wurden dagegen diejenigen, die selbständig tätig waren (für sie gab es eine Änderung erst mit der Reform zum Ende der Sowjetunion).

Für einige Berufsgruppen, bei denen sich Elemente der abhängigen Beschäftigung und der selbständigen Erwerbstätigkeit mischten (zum Beispiel Mitglieder von Rechtsanwaltskollegien), gab es besondere Verordnungen, die die Zugehörigkeit zur Sozialversicherung regelten. Die Einbeziehung in die Sozialversicherung erfolgte allein durch gesetzlichen Zwang (Pflichtversicherung); ein freiwilliger Beitritt zur Sozialversicherung war nicht möglich.

Die Einbeziehung der Arbeiter und Angestellten in die Sozialversicherung schloss nicht aus, dass einzelne Berufsgruppen (zum Beispiel Wissenschaftler oder Künstler) darüber hinaus weitere Ansprüche im Rahmen der sozialen Versorgung hatten.

Einzelheiten zu den versicherten Personen sind in den GRAen

GRA zu Sowjetunion (bis 1991) - 2.2 Versicherte Personen (Arbeitnehmer): Recht der Herkunftsgebiete,
GRA zu Sowjetunion (bis 1991) - 2.3 Besondere Arbeitsverhältnisse und Berufsgruppen: Recht der Herkunftsgebiete,
GRA zu Sowjetunion (bis 1991) - 2.4 Kolchosmitglieder: Recht der Herkunftsgebiete,
GRA zu Sowjetunion (bis 1991) - 2.5 Militärpersonen: Recht der Herkunftsgebiete

enthalten.

Leistungen

Die Leistungen lassen sich in kurz- und langfristige Ansprüche unterteilen. Zu den kurzfristigen Leistungen (bei vorübergehendem Verlust der Arbeitsfähigkeit) gehörten insbesondere das Kranken-, Schwangerschafts- und Wochengeld sowie Beihilfen in bestimmten Lebenslagen. Die für die gesetzliche Rentenversicherung charakteristischen langfristigen Leistungen (bei dauerhaftem Verlust der Arbeitsfähigkeit) waren in erster Linie Alters-, Invaliden- und Hinterbliebenenrenten; daneben gab es noch für bestimmte Berufsgruppen die sogenannten Dienstaltersrenten (mitunter auch als Dienstzeitrenten bezeichnet).

Altersrenten wurden in der Sowjetunion bereits in einem früheren Alter gezahlt als in Deutschland. Das „normale“ Rentenalter war für Männer die Vollendung des 60. Lebensjahres, für Frauen die Vollendung des 55. Lebensjahres. Für Personen, die unter erschwerten Arbeitsbedingungen tätig waren, war eine weitere Absenkung des Rentenalters möglich. Voraussetzung für die Altersrente war eine bestimmte Beschäftigungsdauer. Die Rentenhöhe hing ab vom letzten Arbeitsverdienst sowie von Art und Dauer der Tätigkeit.

Invalidenrenten waren nach dem Grad der Erwerbsminderung in drei Gruppen gegliedert. Beruhte die Invalidität auf einem Arbeitsunfall, einer Berufskrankheit oder einem gleichgestellten Ereignis, waren keine weiteren Voraussetzungen erforderlich. Ansonsten musste eine bestimmte Beschäftigungsdauer zurückgelegt sein, deren Länge altersabhängig war (je früher die Invalidität eintrat, desto kürzer war die erforderliche Wartezeit). Die Rentenhöhe hing ab vom Grad der Erwerbsminderung und vom Grund der Invalidität; sie berechnete sich in der Regel aus einem bestimmten Prozentsatz der Altersrente (in einigen Fällen nach dem Verdienst).

Hinterbliebenenrenten wurden nur an Familienangehörige gezahlt, die selbst nicht arbeitsfähig waren (wegen Invalidität, Alter, Ausbildung). Zu dem begünstigten Personenkreis gehörten (anders als nach deutschem Recht) auch Geschwister, Eltern und Großeltern. Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen ähnelten denen der Invalidenrenten. Die Rentenhöhe war abhängig von der Todesursache (Arbeitsunfall oder nicht), der Art der Tätigkeit, dem Verdienst und der Zahl der Hinterbliebenen.

Dienstaltersrenten wurden nur bestimmten Berufsgruppen gewährt. Sie setzten weder Invalidität noch ein bestimmtes Lebensalter voraus, sondern allein die Zurücklegung einer festgelegten Beschäftigungsdauer in diesem Beruf. Diese Berufstätigkeit musste auch aufgegeben worden sein; andere Beschäftigungen waren aber weiterhin zulässig. Die Rentenhöhe wurde nach dem Verdienst bemessen.

Generell galt, dass nur eine der Renten bezogen werden durfte. Gemeinsam ist allen Renten, dass es bestimmte Mindestrenten und Höchstrenten gab. Eine automatische Anpassung erfolgte nicht; es gab nur pauschale Anhebungen in unregelmäßigen Abständen.

Weitere Einzelheiten zu Leistungen sind in der GRA zu Sowjetunion (bis 1991) - 2.6 Rentenleistungen: Recht der Herkunftsgebiete und der GRA zu Sowjetunion (bis 1991) - 2.7 Sonstige Sozialleistungen: Recht der Herkunftsgebiete enthalten.

Finanzierung

Die Sozialversicherung basierte auf dem verfassungsmäßig garantierten Recht aller Bürger auf materielle Versorgung. In den bereits von Lenin verkündeten und seit Einführung der allgemeinen Sozialversicherung (1922) praktizierten Grundsätzen gehörte, dass hierfür der Staat aufzukommen hatte und die Bürger nicht mit Beiträgen für die Sozialversicherung belastet wurden.

Dennoch waren auch in der Sowjetunion Beiträge zur Sozialversicherung (und damit zur Rentenversicherung) zu zahlen, und zwar von den Arbeitgebern. Die restlichen Mittel der Sozialversicherung wurden durch Zuschüsse aus dem Staatshaushalt gedeckt.

Erst die 1990 verwirklichte Reform brachte einen Einstieg in die Beteiligung der Arbeitnehmer bei der Finanzierung der Sozialversicherung. Für den Anfang lag der Arbeitnehmerbeitrag aber noch in der eher symbolischen Höhe von 1 % des Verdienstes.

Die Beitragszahlung der Arbeitgeber erfolgte nach dem so genannten „Lohnfondssystem“. Das heißt die Betriebe mussten die Beiträge in Höhe eines bestimmten Anteils der gesamten Lohnsumme zahlen. Die Beitragszahlung der Arbeitgeber war nicht nur in ihrer Höhe mit der Lohnzahlung verbunden, sondern auch bei der Durchführung, weil die Staatsbank die für die Lohnzahlung benötigten Gelder erst dann freigab, wenn auch der Auftrag für die Beitragszahlung vorlag.

Theoretisch ließe sich der Beitrag für den einzelnen Arbeitnehmer aus seinem Lohn und dem Beitragssatz ermitteln. In der Praxis erfolgte das aber nicht, weil der Beitrag keine Bedeutung für die Leistungsansprüche hatte. Es gab daher auch keine individuellen Beitragsunterlagen, weder beim Arbeitnehmer noch beim Arbeitgeber noch bei der Verwaltung der Sozialversicherung.

Auswirkungen auf die FRG-Anwendung

Die Anerkennung von Beitragszeiten nach § 15 FRG setzt eine Beitragszahlung voraus. Dass die Versicherten in der Sowjetunion selbst keine Beiträge geleistet haben (sieht man von der geringen Beteiligung im letzten Jahr der Sowjetunion ab), steht dem nicht entgegen. Nach der Rechtsprechung (BSG vom 15.01.1958, AZ: 1 RA 136/57, BSGE 6, 263) reicht ein „irgendwie geartetes Beitragsaufkommen“. Das ist mit der pauschalen Beitragszahlung durch die Arbeitgeber erfüllt.

Konkrete Bestätigungen der Beitragszahlung (Beitragsunterlagen) sind nicht zu erlangen. Die enge Verflechtung von Lohn- und Beitragszahlung ermöglicht aber einen Rückschluss von der Zahlung der Löhne auf die Beitragsleistung. Wird im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses die Lohnzahlung nachgewiesen oder glaubhaft gemacht, kann eine entsprechende Beitragszahlung unterstellt werden.

Verwaltung

Nach ihrer Einführung wurden die Aufgaben der Sozialversicherung zunächst von regional gegliederten Versicherungskassen wahrgenommen. Sie waren eng mit den Gewerkschaften verbunden.

Durch Regierungsbeschluss wurde 1933 die Durchführung und Verwaltung der Sozialversicherung den (unter dem Dach des Zentralrates der Gewerkschaften zusammengefassten) Gewerkschaften übertragen. Die Gewerkschaften waren zunächst nach Wirtschaftszweigen unterteilt; innerhalb der jeweiligen Gewerkschaften waren die einzelnen Organe (Gewerkschaftskomitees) aber auch noch sehr stark in unterschiedliche Verwaltungsebenen gegliedert (vom Zentralkomitee bis zum Orts- beziehungsweise Betriebskomitee). Bei diesen Komitees wurden jeweils Kommissionen für Sozialversicherung oder für Rentenfragen gebildet. Die Aufgaben der Sozialversicherung wurden dabei möglichst basisnah erledigt, zum großen Teil also in den betrieblichen Gewerkschaftskommissionen. Da sie regelmäßig mit ehrenamtlichen Mitgliedern besetzt waren, bedienten sie sich der Hilfe der Betriebe (zum Beispiel Auszahlung einzelner Leistungen).

Nach Inkrafttreten des Staatsrentengesetzes vom 14.07.1956 fielen die Organe der Sozialen Sicherheit zwar formal in die Zuständigkeit des entsprechenden Ministeriums; die Gewerkschaften und ihre Organe beteiligten sich aber nach wie vor wesentlich an der Durchführung der Sozialversicherung.

Alle vorstehend beschriebenen Einrichtungen der sowjetischen Sozialversicherung sind als Träger einer gesetzlichen Rentenversicherung im Sinne von § 15 FRG anzusehen.

Zusatzinformationen

Rechtsgrundlage

Recht der Herkunftsgebiete