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Art. 45 VO (EG) Nr. 987/2009: Beantragung von Leistungen

Änderungsdienst
veröffentlicht am

02.04.2024

Änderung

Die Ergänzung in Abschnitt 3 stellt klar, dass ein Antrag auf Rehabilitationsleistungen in einem anderen Mitgliedstaat nicht als Rentenantrag gilt.

Dokumentdaten
Stand18.03.2024
Rechtsgrundlage

Art. 45 VO (EG) Nr. 987/2009

Version003.00

Inhalt der Regelung

Art. 45 Abs. 1 bis 3 VO (EG) Nr. 987/2009 betrifft die Beantragung von Leistungen aufgrund von Rechtsvorschriften ausschließlich des Typs A nach Art. 44 Abs. 2 VO (EG) Nr. 883/2004 (Leistungen bei Invalidität, deren Höhe von der Dauer der Versicherungs- und Wohnzeiten unabhängig ist und die durch den zuständigen Mitgliedstaat ausdrücklich in Anhang VI VO (EG) Nr. 883/2004 aufgenommen wurden). Da eine derartige Konstellation bei Beteiligung der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung nicht vorkommt, werden die Absätze 1 bis 3 nicht kommentiert.

Art. 45 Abs. 4 VO (EG) Nr. 987/2009 regelt die Beantragung von Leistungen in „sonstigen Fällen“ und ermöglicht sie alternativ beim Träger des Wohnstaats oder beim Träger des Mitgliedstaates, dessen Rechtsvorschriften zuletzt galten (vergleiche Abschnitt 2).

Nach Absatz 5 ist der Zeitpunkt der Antragstellung für alle beteiligten Träger verbindlich (vergleiche Abschnitt 3).

Art. 45 Abs. 6 VO (EG) Nr. 987/2009 bestimmt abweichend vom allgemeinen Grundsatz des Absatzes 5, dass für die Antragsgleichstellung die Angabe von Versicherungs- und Wohnzeiten anderer Mitgliedstaaten zwingend erforderlich ist. Sofern also Antragsteller trotz Aufforderung nicht angeben, in anderen Mitgliedstaaten beschäftigt gewesen zu sein oder gewohnt zu haben, ist - bezogen auf die Rechtsvorschriften des Mitgliedstaates, zu denen die entsprechenden Angaben bisher fehlten - nicht der „erste“ Zeitpunkt der Antragstellung verbindlich, sondern erst der Zeitpunkt, zu dem die fehlenden Angaben vervollständigt wurden oder ein neuer Antrag gestellt wurde (vergleiche Abschnitt 4).

Ergänzende/korrespondierende Regelungen

Möglichkeiten der Antragstellung

Personen, die Rentenleistungen unter Anwendung des Europarechts beanspruchen, stellen ihre Anträge nach Art. 45 Abs. 4 VO (EG) Nr. 987/2009 entweder

  1. beim Träger des Wohnstaats oder
  2. beim Träger des Mitgliedstaates, dessen Rechtsvorschriften zuletzt galten.

Die Antragsteller haben danach ein Wahlrecht aus diesen beiden (gleichwertigen) Alternativen.

Entschied sich ein Antragsteller für die Antragstellung beim Träger des Wohnstaats (Fall a) und stellt dieser Wohnsitz-Träger fest, dass seine Rechtsvorschriften zu keinem Zeitpunkt für die betreffende (versicherte) Person galten (diese Konstellation kann insbesondere bei Anträgen auf Hinterbliebenenrente auftreten), leitet er den Antrag an den Träger des Mitgliedstaats weiter, dessen Rechtsvorschriften zuletzt galten. Auch in diesem Fall muss ein Antragsteller nach der Antragstellung nicht mehr tätig werden, und die erforderlichen Aktivitäten der Weiterleitung werden allein vom Wohnsitz-Träger vorgenommen werden.

Anmerkung:

Haben nach den Angaben im Antrag die Rechtsvorschriften weiterer Mitgliedstaaten gegolten, ist es geboten, zeitgleich auch alle anderen beteiligten Träger über die Antragstellung sowie Weiterleitung zu informieren.

Die Formulierung „… dessen Rechtsvorschriften zuletzt galten …“ bedeutet für Leistungsanträge aus der gesetzlichen Rentenversicherung, dass Versicherungs- oder Wohnzeiten im Sinne des Art. 1 Buchst. t und v VO (EG) Nr. 883/2004 vorliegen.

Sofern sich Antragsteller - abweichend von den beiden Alternativen - an einen „dritten“ mitgliedstaatlichen Träger (nicht Wohnsitz-Träger und nicht Träger, dessen Rechtsvorschriften zuletzt galten, sondern Träger, dessen Rechtsvorschriften „irgendwann“ galten) wenden sollten, dürfen sie dadurch nicht benachteiligt werden. Das heißt, dass der beim angegangenen Träger gestellte Antrag so behandelt wird, als wäre er direkt und wirksam beim „richtigen“ Träger gestellt worden (das entspricht inhaltlich dem EuGH-Urteil vom 24.10.1996, Rechtssache C-335/95, Picard). In diesen Fällen wird der Antrag zur Vermeidung von Laufzeitverzögerungen und zum Schutz der Antragsteller vor einer mehrfachen Antragstellung vom angegangenen Träger aus praktischen Gründen generell an den Träger des Wohnstaates weitergeleitet (Wohnortnähe). Das gilt nur dann nicht, sofern im Wohnstaat keine Versicherungszeiten vorliegen oder es sich beim Wohnstaat um einen Drittstaat handelt. Dann wird der Antrag an den Träger des Mitgliedstaates weitergeleitet, dessen Rechtsvorschriften zuletzt galten. Die Antragsteller werden darüber informiert, an welchen Träger der Antrag weitergeleitet wurde. Da eine Antragstellung bei einem „dritten“ mitgliedstaatlichen Träger oftmals „formlos“ erfolgen dürfte, werden die Antragsteller in diesen Fällen gebeten, auch selbst beim so bestimmten Träger (Träger des Wohnsitzstaates oder Träger des Mitgliedstaates, dessen Vorschriften zuletzt galten) einen Antrag nach den dortigen nationalen Vorschriften zu stellen.

Siehe Beispiele 1 bis 4

Verfahrensfolgen aus der Antragstellung

Dem Träger, an den der Leistungsantrag nach Art. 45 Abs. 4 VO (EG) Nr. 987/2009 gerichtet oder an den er weitergeleitet wurde, kommt die Aufgabe des Kontakt-Trägers nach Art. 47 Abs. 1 VO (EG) Nr. 987/2009 zu (vergleiche GRA zu Art. 47 VO (EG) Nr. 987/2009). Kontakt-Träger muss somit nicht zwangsläufig der Wohnsitz-Träger sein, auch wenn dessen Rechtsvorschriften (irgendwann) galten. Hat ein Antragsteller für die Antragstellung den Träger des Mitgliedstaates gewählt, dessen Rechtsvorschriften zuletzt galten, wird dieser Kontakt-Träger.

Grundsätze zur Verbindlichkeit des Antragsdatums

Art. 45 Abs. 5 VO (EG) Nr. 987/2009 enthält die Verbindlichkeit des Zeitpunktes der Antragstellung für alle beteiligten Träger. Das bedeutet, dass das (nationale) Antragsdatum bei einem Träger eines anderen Mitgliedstaates so behandelt wird, als wäre der Antrag direkt und wirksam bei dem für die Leistungsgewährung zuständigen Träger gestellt worden.

Die Verbindlichkeit des Zeitpunktes der Antragstellung für den betreffenden mitgliedstaatlichen Träger ist an die Voraussetzung geknüpft, dass bei der Antragstellung auch die dortigen Versicherungs-/Wohnzeiten angegeben wurden (vergleiche Abschnitt 4).

Das verbindliche Antragsdatum kann nur aus Anträgen auf Rentenleistungen bei Invalidität, Alter und Tod (Titel III Kapitel 4 VO (EG) Nr. 987/2009) hergeleitet werden. Innerhalb des Renten-Sektors hängt es jedoch nicht davon ab, dass der Antrag in einem Mitgliedstaat zwangsläufig auf eine gleichartige Leistung in einem anderen Mitgliedstaat gerichtet ist. So ist der Zeitpunkt eines Antrages auf Altersrente in einem Mitgliedstaat auch verbindlich als Zeitpunkt eines Antrages auf eine Invaliden- oder Hinterbliebenenrente in einem anderen Mitgliedstaat.

Ergäbe sich ein Antragsdatum allerdings allein aus einer in einem anderen Mitgliedstaat beantragten gesetzlichen Vorruhestandsleistung (Art. 3 Abs. 1 Buchst. i VO (EG) Nr. 883/2004), ist es nicht verbindlich für eine Leistung aus dem Renten-Sektor. Zwar wurden die gesetzlichen Vorruhestandsleistungen in den sachlichen Geltungsbereich der VO (EG) Nr. 883/2004 eingezogen; hierbei handelt es sich jedoch nicht um Leistungen im Sinne von Titel III Kapitel 4 VO (EG) Nr. 987/2009.

Das Gleiche gilt für einen im Ausland gestellten Antrag auf ausländische Rehabilitationsleistungen (Art. 3 Abs. 1 Buchst. a VO (EG) Nr. 883/2004). Dieser Antrag gilt nicht als Antrag auf Rente gemäß § 116 Abs. 2 SGB VI, da es sich bei Rehabilitationsleistungen um Leistungen bei Krankheit im Sinne von Titel III Kapitel 1 VO (EG) Nr. 883/2004 handelt (siehe auch GRA zu Art. 5 VO (EG) Nr. 883/2004, Abschnitt 7.4).

Wird bei der Antragstellung angegeben, dass die Feststellung einer Rente wegen Alters aufgeschoben wird (Art. 50 Abs. 1 VO (EG) Nr. 883/2004), liegt bezogen auf den betreffenden Mitgliedstaat kein verbindliches Antragsdatum vor. Der Antrag auf eine Leistung wegen Alters ist mit dem Aufschub für diesen Mitgliedstaat nicht mehr offen und damit verbraucht (GRA zu Art. 50 VO (EG) Nr. 883/2004, Abschnitt 3).

Besonderheiten zum verbindlichen Antragsdatum bei Antragseinleitung durch deutschen Träger

a) Antragsdatum aus zweiseitigen Sozialversicherungsabkommen

Ein nach einem Sozialversicherungsabkommen (SVA) festgestelltes Antragsdatum wird für Art. 45 Abs. 5 VO (EG) Nr. 987/2009 übernommen, sofern auch das betreffende SVA eine dem Europarecht vergleichbare Antragsgleichstellung beinhaltet. Dies trifft uneingeschränkt auf die SVA mit Brasilien, Indien, Kanada (in der Fassung des Zusatzabkommens vom 27.08.2003), Korea, Moldau, Philippinen, Quebec (SVV 2010), Uruguay sowie den USA zu, weil auch darin die Antragsgleichstellung an die Angabe auch deutscher Versicherungszeiten bereits bei der Antragstellung nach dem SVA gebunden ist.

Diese Auslegung steht mit der Systematik des Europarechts und der SVA über die Antragsgleichstellung im Einklang, die verhindern soll, dass Berechtigte mehrere Anträge stellen müssen oder allein wegen Verwaltungsformalitäten Ansprüche verlieren.

Nach den SVA mit Bosnien-Herzegowina, Chile, Israel, Marokko, Montenegro, Nordmazedonien, Serbien, Türkei und Tunesien ist eine Angabe von deutschen Versicherungszeiten schon bei der Antragstellung für die Antragsgleichstellung nicht erforderlich. Um ein Antragsdatum nach den genannten SVA für Art. 45 Abs. 5 VO (EG) Nr. 987/2009 übernehmen zu können, müssen deutsche Versicherungszeiten bereits bei der (ersten) Antragstellung oder nach Aufforderung angegeben worden sein (gleiches Kriterium wie nach dem Europarecht). Ansonsten gelten die Abschnitte 4 und 4.1.

b) Antragsdatum aus vorzeitig gestellten deutschen Altersrentenanträgen

Anträge auf deutsche Altersrente, die mehr als 12 Monate vor dem deutschen Rentenbeginn gestellt werden, werden mit dem Hinweis abgelehnt, den Antrag später - aber rechtzeitig - erneut zu stellen.

Diese verfahrensrechtliche Behandlung des Antrages in Deutschland hat keinen Einfluss auf die Verbindlichkeit des Zeitpunktes der Antragstellung für alle anderen beteiligten mitgliedstaatlichen Träger nach Art. 45 Abs. 5 VO (EG) Nr. 987/2009. Ein deutscher Kontakt-Träger ist deshalb verpflichtet, den Leistungsantrag an die anderen beteiligten mitgliedstaatlichen Träger zu übermitteln und das betreffende Antragsdatum anzugeben.

c) Antragsdatum aus deutschen Anträgen auf Weiterzahlung zeitlich befristeter Renten

Jeder Antrag auf Weiterzahlung zeitlich befristeter Renten (beispielsweise Erwerbsminderungs- oder Waisenrenten) gilt auch als Antrag auf Weitergewährung für einen anderen beteiligten Mitgliedstaat, wenn dort ebenfalls zeitlich befristete Leistungen gewährt werden. Dabei kommt es nicht darauf an, dass die Befristung zeitlich identisch ist.

Ein deutscher Kontakt-Träger ist deshalb grundsätzlich verpflichtet, den Weiterzahlungsantrag an die anderen beteiligten mitgliedstaatlichen Träger zu übermitteln und das betreffende Antragsdatum anzugeben. Von diesem Grundsatz kann es nur dann Abweichungen geben, wenn mit der Verbindungsstelle eines Mitgliedstaates hierzu andere Verfahrensweisen abgesprochen sein sollten.

d) Antragsdatum aus deutschem Rehabilitationsantrag

Gilt ein Rehabilitationsantrag nach § 116 SGB VI als Antrag auf Rente, wird das Reha-Antragsdatum für Art. 45 Abs. 5 VO (EG) Nr. 987/2009 übernommen. Im Hinblick auf Art. 45 Abs. 6 VO (EG) Nr. 987/2009 ist festzustellen, dass auch der deutsche Rehabilitationsantrag eine Abfrage nach ausländischen Zeiten enthält.

e) Antragsdatum bei Gewährung einer Leistung von Amts wegen

Im deutschen Sondersystem für Beamte kann die Gewährung von Leistungen auch ohne Antrag erfolgen. Ergibt sich für das Europarecht das frühestmögliche „Antragsdatum“ aus einem dortigen Verfahren und einer Leistung „von Amts wegen“, wird ein konkretes Antragsdatums zur Mitteilung an einen mitgliedstaatlichen Träger nach den Umständen des Einzelfalles in Absprache mit der Generalzolldirektion - Service-Center Köln bestimmt (beispielsweise erstmaliges Tätigwerden der dortigen Sachbearbeitung).

f) Antragsdatum bei Antragstellung in der deutschen Alterssicherung für Landwirte/im deutschen Beamtensystem/im deutschen berufsständischen Versorgungssystem

Die allgemeine deutsche Rentenversicherung ist innerstaatlich nicht mit der deutschen Alterssicherung für Landwirte/dem deutschen Beamtensystem/dem deutschen berufsständischen Versorgungssystem koordiniert. Daher kann die Übernahme eines (früheren) Antragsdatums aus einem dieser drei deutschen Systeme des Renten-Sektors in der allgemeinen deutschen Rentenversicherung für Art. 45 Abs. 5 VO (EG) Nr. 987/2009 nur europarechtlich über die Gleichstellung dieses Antrages in einem anderen mitgliedstaatlichen Renten-System erfolgen; das heißt wenn auch in mindestens einem anderen Mitgliedstaat Versicherungs-/Wohnzeiten zurückgelegt sind.

Besonderheiten zum verbindlichen Antragsdatum bei Antragseinleitung durch mitgliedstaatlichen Träger

a) Antragsdatum aus zweiseitigen Sozialversicherungsabkommen

Der in Abschnitt 3.1 unter Buchstabe a) beschriebenen deutschen Rechtsauffassung haben sich nicht alle Mitgliedstaaten angeschlossen. Das bedeutet, dass einige Mitgliedstaaten nur auf das Antragsdatum abstellen, dass ausschließlich auf Rentenleistungen nach dem Europarecht gerichtet ist und dieses Datum mitteilen. Das für die deutsche Rentenversicherung maßgebende Antragsdatum (nach Abschnitt 3.1 Buchstabe a) wird in diesen Fällen gesondert ermittelt.

b) Antragsdatum bei Gewährung einer Leistung von Amts wegen

In Fällen, in denen für die Gewährung von Leistungen in einem anderen Mitgliedstaat ein Antrag nicht erforderlich ist (Leistungen von Amts wegen), die Dokumentation eines Antragsdatums zur Feststellung einer deutschen Rentenleistung jedoch notwendig ist, wird dieses Datum nach den Umständen des Einzelfalles bestimmt (beispielsweise erstmaliges Tätigwerden der Sachbearbeitung im anderen Mitgliedstaat). Für diese Feststellung können auch Absprachen mit den betreffenden mitgliedstaatlichen Trägern herangezogen werden.

Abweichendes verbindliches Antragsdatum bei verspäteten Angaben zu Versicherungs-/Wohnzeiten

Art. 45 Abs. 6 VO (EG) Nr. 987/2009 enthält eine Ergänzung zur generellen Verbindlichkeit des Zeitpunktes der Antragstellung (Abschnitt 3). Dort ist geregelt, dass für die Verbindlichkeit des (ersten) Antragsdatums die Angabe von Versicherungs- und Wohnzeiten anderer Mitgliedstaaten zwingend erforderlich ist. Sofern ein Antragsteller trotz Aufforderung keine Angaben zu den Versicherungs- oder Wohnzeiten anderer Mitgliedstaaten macht, ist dieses (erste) Antragsdatum für den betreffenden mitgliedstaatlichen Träger nicht verbindlich.

Für die deutschen Rentenversicherungsträger bedeutet dies, dass erst der Tag der Geltendmachung der deutschen Versicherungszeiten als verbindliches Antragsdatum auf Rentenleistungen auch aus der deutschen Rentenversicherung angesehen werden kann. „Günstigere Bestimmungen“ im Sinne von Art. 45 Abs. 6 letzter Halbs. VO (EG) Nr. 987/2009 sehen die deutschen Rechtsvorschriften nicht vor.

Der nachfolgende Abschnitt 4.1 enthält nähere Ausführungen zum Begriff der „Aufforderung“ im Sinne des Art. 45 Abs. 6 VO (EG) Nr. 987/2009. Wie mit Anträgen umgegangen wird, die vor dem 01.05.2010 gestellt wurden, erläutert Abschnitt 4.2.

„Aufforderung“ zur Angabe von Versicherungs-/Wohnzeiten

Jeder Mitgliedstaat ist verpflichtet, in seinen nationalen Antragsformularen auch Abfragen zu Versicherungs- oder Wohnzeiten in anderen Mitgliedstaaten aufzunehmen. Ferner muss bei der Antragsaufnahme darauf geachtet werden, dass die entsprechende Abfrage vom Antragsteller beantwortet wird (entsprechend Beschluss Nr. 193 der Verwaltungskommission vom 29.10.2003, ergangen zur VO (EWG) Nr. 574/72).

Mit der Umsetzung dieser Vorgaben ist der Antragsteller „aufgefordert“ worden, alle Versicherungs- oder Wohnzeiten auch in anderen Mitgliedstaaten anzugeben.

a) ein deutscher Träger ist Kontakt-Träger

Die deutschen Rentenantragformulare erfüllen bereits seit mehreren Jahren das Erfordernis einer Abfrage zu Versicherungs-/Wohnzeiten in anderen Mitgliedstaaten. Hat ein Antragsteller die Beantwortung dieser Abfrage offen gelassen, wird er bei Erstbearbeitung des Antrages einmalig (mit möglicherweise einmaliger Erinnerung) um Beantwortung gebeten. Unterbleibt danach weiterhin die Beantwortung und wird die Angabe mitgliedstaatlicher Versicherungs- oder Wohnzeiten erst später vorgenommen, wird dem betreffenden mitgliedstaatlichen Träger im Antragsdokument (derzeit noch E202, 203, 204) nicht das erste Antragsdatum mitgeteilt, sondern das Datum, an dem die Angabe der entsprechenden mitgliedstaatlichen Versicherungs- oder Wohnzeiten nachgeholt wurde.

Eine Nachfrage ist dagegen entbehrlich, wenn zwar die Fragen zu Versicherungs- oder Wohnzeiten anderer Mitgliedstaaten in den bundeseinheitlichen Antragsvordrucken unbeantwortet blieben, sich aber bereits aus den Unterlagen, die mit dem Rentenantrag eingereicht wurden, oder aus dem Aktenvorgang Anhaltspunkte für das Vorliegen von Versicherungs- oder Wohnzeiten anderer Mitgliedstaaten ergeben. In diesen Fällen wird das Rentenverfahren mit dem auch für die deutsche Rente maßgeblichen Antragsdatum beim jeweiligen Träger im anderen Mitgliedstaat eingeleitet.

b) ein mitgliedstaatlicher Träger ist Kontakt-Träger

Die Frage, ob andere mitgliedstaatliche Versicherungszeiten „angegeben“ wurden, kann nur vom jeweiligen mitgliedstaatlichen Kontakt-Träger beurteilt werden und muss dann auch in den Angaben, die den beteiligten Trägern in den Antragsformularen mitgeteilt werden, ihren Niederschlag finden.

Bei einer Verfahrenseinleitung aus einem anderen Mitgliedstaat in Deutschland wird in der Regel davon auszugehen sein, dass diese nur deshalb erfolgen konnte, weil die deutschen Versicherungszeiten auch angegeben wurden. Denn ohne deren Angabe wäre eine Verfahrenseinleitung in Deutschland weder tatsächlich möglich noch sinnvoll.

Sollte allerdings der Zeitpunkt dieser Verfahrenseinleitung und das dabei angegebene mitgliedstaatliche Antragsdatum „zeitlich auseinanderfallen“ (wobei es hierzu keine starren Regeln geben kann) und hätte diese „Abweichung“ rechtliche Auswirkung auf die Feststellung der deutschen Rente (zum Beispiel Rentenbeginn), wird im Einzelfall zu prüfen sein (auch unter Berücksichtigung der praktischen Erfahrungen zur Verfahrensweise des betreffenden mitgliedstaatlichen Kontakt-Trägers), ob die deutschen Versicherungszeiten bereits bei der ursprünglichen Antragstellung angegeben/geltend gemacht wurden. Konnten sie dabei nur deshalb nicht angegeben/geltend gemacht werden, weil die Antragsformulare des mitgliedstaatlichen Kontakt-Trägers zu diesem Zeitpunkt (noch) keine Abfrage zu Versicherungs- oder Wohnzeiten anderer Mitgliedstaaten enthielten beziehungsweise dieser nicht auf die Beantwortung einer vorhandenen Abfrage geachtet hat, gehen diese Versäumnisse nicht zu Lasten der Antragsteller.

Frühere Anträge mit Antragsdatum vor dem 01.05.2010

Sofern ein mitgliedstaatlicher Träger erst nach dem 30.04.2010 einen Antrag nach Deutschland übermittelt, der im betreffenden Mitgliedstaat bereits vor längerer Zeit gestellt wurde, richtet sich die Entscheidung, ob die Angabe von Versicherungs- und Wohnzeiten anderer Mitgliedstaaten für die Verbindlichkeit des Antragsdatums erforderlich ist, nach dem Zeitpunkt der Antragstellung:

  • wurde der ursprüngliche Antrag vor dem 01.05.2010 gestellt, gilt Art. 36 Abs. 4 VO (EWG) Nr. 574/72 - und zwar auch dann, wenn die Zeiten anderer Mitgliedstaaten erst nach dem 30.04.2010 erstmalig geltend gemacht wurden;
  • wurde der ursprüngliche Antrag ab dem 01.05.2010 gestellt, gelten Art. 45 Abs. 5 und 6 VO (EG) Nr. 987/2009 (vergleiche Abschnitte 3 und 4).

Aufgaben des deutschen Kontakt-Trägers nach einer Antragstellung in Deutschland

Damit alle beteiligten Träger die Leistungsanträge bearbeiten können, muss der Kontakt-Träger nach einer Antragstellung alle Leistungsanträge an alle beteiligten Träger übermitteln.

Einzelheiten können der GRA zu Art. 47 VO (EG) Nr. 987/2009 entnommen werden.

Welche Formulare in der EESSI-Übergangszeit verwendet werden, erläutert die GRA zu Art. 95 VO (EG) Nr. 987/2009.

Beispiel 1: Möglichkeiten der Antragstellung

(Beispiel zu Abschnitt 2)

Ein Antragsteller hat seinen Wohnsitz in Belgien und stellt einen formlosen Antrag in Deutschland. Er war versichert in Deutschland, Frankreich und Belgien (in dieser zeitlichen Reihenfolge).

Lösung:

Der Antragsteller wohnt in Belgien und war dort auch zuletzt versichert. Als Kontakt-Träger kommt nach Art. 45 Abs. 4 S. 1 VO (EG) Nr. 987/2009 nur der belgische Träger in Betracht. Der formlose Antrag wird vom deutschen an den belgischen Träger weitergeleitet und der Antragsteller gebeten, in Belgien nach den dortigen Vorschriften einen Antrag zu stellen.

Beispiel 2: Möglichkeiten der Antragstellung

(Beispiel zu Abschnitt 2)

Der Antragsteller wohnt in Belgien und hat Versicherungszeiten in Belgien und Deutschland zurückgelegt (in dieser zeitlichen Reihenfolge). Er stellt einen formlosen Rentenantrag beim deutschen Träger.

Lösung:

Zwar wohnt der Antragsteller in Belgien und hat dort auch Versicherungszeiten zurückgelegt. Er hat jedoch von seinem Wahlrecht nach Art. 45 Abs. 4 S. 1 VO (EG) Nr. 987/2009 Gebrauch gemacht und den Antrag nicht beim Wohnsitz-Träger, sondern beim Träger des Staates gestellt, in dem er zuletzt versichert war. Eine Weiterleitung an den belgischen Träger ist daher nicht zulässig.

Beispiel 3: Möglichkeiten der Antragstellung

(Beispiel zu Abschnitt 2)

Der Antragsteller wohnt in Italien und hat Versicherungszeiten in Italien, Deutschland und Frankreich zurückgelegt (in dieser zeitlichen Reihenfolge). Er stellt einen formlosen Rentenantrag beim deutschen Träger.

Lösung:

Der Antragsteller wohnt in Italien und hat dort auch Versicherungszeiten zurückgelegt. Zuletzt war er jedoch weder beim Wohnsitz-Träger noch beim Träger des Staates, bei dem der Antrag gestellt wurde, versichert. Nach Art. 45 Abs. 4 S. 1 VO (EG) Nr. 987/2009 könnte der Antrag wahlweise beim italienischen oder beim französischen Träger gestellt werden. Aus praktischen Gründen (insbesondere Wohnortnähe) wird der formlose Antrag vom deutschen Träger an den italienischen Träger weitergeleitet und der Antragsteller darüber hinaus gebeten, den formellen Rentenantrag beim Wohnsitz-Träger in Italien zu stellen. Gleichzeitig wird er auf die Möglichkeit der Antragstellung beim französischen Träger aufmerksam gemacht.

Beispiel 4: Möglichkeiten der Antragstellung

(Beispiel zu Abschnitt 2)

Der Antragsteller wohnt in Italien und hat Versicherungszeiten in Deutschland und Frankreich zurückgelegt (in dieser zeitlichen Reihenfolge). Er stellt einen formlosen Rentenantrag beim deutschen Träger.

Lösung:

In Italien (Wohnstaat) wurden keine Versicherungszeiten zurückgelegt. Nach Art. 45 Abs. 4 S. 1 VO (EG) Nr. 987/2009 kann der Antrag zwar wirksam beim Wohnsitz-Träger gestellt werden, dieser leitet den Antrag aber an den Träger weiter, bei dem der Antragsteller zuletzt versichert war (Art. 45 Abs. 4 S. 2 VO (EG) Nr. 987/2009). Der deutsche Träger leitet den formlosen Antrag deshalb an den französischen Kontakt-Träger weiter und bittet den Antragsteller, dort einen formellen Antrag zu stellen.

VO (EG) Nr. 987/2009 vom 16.09.2009

Inkrafttreten: 01.05.2010

Quelle: Amtsblatt (EU) Nr. L 284/1 vom 30.10.2009

Art. 45 Abs. 4 VO (EG) Nr. 987/2009 ersetzt ab seinem Anwendungszeitpunkt Art. 36 VO (EWG) Nr. 574/72.

Zu den in Art. 45 Abs. 5 und 6 VO (EG) Nr. 987/2009 enthaltenen Regelungen gab es in der VO (EWG) Nr. 574/72 keine Entsprechungen.

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