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§ 41 SGB X: Heilung von Verfahrens- und Formfehlern

Änderungsdienst
veröffentlicht am

01.10.2022

Änderung

Es wurden die in den GRAen zu §§ 24, 35, 45 und 48 SGB X enthaltenen Ausführungen zur Heilung von Form- und Verfahrensfehlern in die GRA zu § 41 SGB X übernommen. Die genannten GRAen werden demnächst entsprechend gekürzt.

Dokumentdaten
Stand26.08.2019
Erstellungsgrundlage in der Fassung des 4. Euro - Einführungsgesetzes vom 21.12.2000 in Kraft getreten am 01.01.2001
Rechtsgrundlage

§ 41 SGB X

Version003.00

Inhalt der Regelung

§ 41 SGB X regelt in Absatz 1, inwieweit Verfahrens- und Formverstöße, die einen Verwaltungsakt nicht nach § 40 Abs. 1 oder 2 SGB X nichtig, sondern nur rechtswidrig machen, durch Nachholen der unterbliebenen oder nicht korrekt durchgeführten Handlung geheilt werden können.

§ 41 Abs. 2 SGB X regelt, dass die Heilung von Verfahrens- und Formfehlern bis zur letzten Tatsacheninstanz eines sozialgerichtlichen oder verwaltungsgerichtlichen Verfahrens möglich ist.

§ 41 Abs. 3 SGB X gibt den Betroffenen in den Fällen des Absatzes 1 Nummern 2 und 3 einen Wiedereinsetzungsanspruch, wenn sie wegen fehlender beziehungsweise fehlerhafter Begründung oder Anhörung die Einhaltung der Rechtsbehelfsfrist versäumt haben.

Ergänzende/korrespondierende Regelungen

Folgende Regelungen stehen im Zusammenhang mit der Vorschrift § 41 SGB X:

Folgen von Verfahrens- und Formfehlern

Verfahrens- und Formfehler bewirken grundsätzlich die Rechtswidrigkeit des davon betroffenen Verwaltungsaktes. Bestimmte Fehler sind jedoch unter den Voraussetzungen des § 41 SGB X heilbar, soweit sie nicht so schwerwiegend sind, dass sie die Nichtigkeit des Verwaltungsaktes nach § 40 SGB X zur Folge haben.

Allgemeines

Unter Heilung ist die Nachholung der versäumten oder nicht korrekt durchgeführten Verfahrenshandlung des Betroffenen (§ 41 Abs. 1 Nr. 1 SGB X) oder der Behörde (§ 41 Abs. 1 Nr. 2 bis 6 SGB X) nach Erlass eines Verwaltungsaktes zu verstehen. Die Heilung erfolgt also nicht durch Erlass eines neuen Verwaltungsaktes. Wird die Verfahrenshandlung nachgeholt, ist die Verletzung der Verfahrens- oder Formvorschrift unbeachtlich und damit die in der Vergangenheit liegende Rechtswidrigkeit beseitigt worden. Ein derartiger Verwaltungsakt bleibt somit auch nach der Heilung mit seinem ursprünglichen Regelungsinhalt bestehen.

Eine Heilung ist auf die in § 41 Abs. 1 SGB X genannten Fälle beschränkt. Für sonstige Verfahrens- und Formfehler gelten die §§ 40, 42, 44 ff. SGB X.

Heilbare Verfahrens- und Formfehler

Nachstehend Ausführungen zur Nachholung der Handlungen, die in § 41 Abs. 1 SGB X genannt sind:

Fehlerhafte oder unterlassene Antragstellung

Eine fehlerhafte oder unterlassene Antragstellung führt im Regelfall zur formellen Rechtswidrigkeit des danach folgenden Verwaltungsaktes, im Ausnahmefall zu dessen Nichtigkeit.

Nach § 41 Abs. 1 Nr. 1 SGB X ist das Fehlen einer wirksamen Antragstellung durch nachträgliche Antragstellung heilbar, wenn der Antragsmangel lediglich die formelle Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes bewirkt hat.

Rentenleistungen der gesetzlichen Rentenversicherung setzen grundsätzlich gemäß § 19 SGB IV und § 115 Abs. 1 S. 1 SGB VI einen Antrag voraus. Rentenbescheide sind als mitwirkungsbedürftige Verwaltungsakte formell rechtswidrig, wenn es an der Mitwirkung des Versicherten, also an der Antragstellung mangelt. Über § 41 Abs. 1 Nr. 1 SGB X ist dieser Mangel heilbar.

Erfolgt die Antragstellung durch eine nicht handlungsfähige Person (§ 36 SGB I), so hat dies ebenfalls nur die formelle Rechtswidrigkeit des davon betroffenen Verwaltungsaktes zur Folge. Durch nachträgliche Genehmigung der Verfahrenshandlung durch den mittlerweile handlungsfähig gewordenen Betroffenen selbst oder durch seinen gesetzlichen Vertreter kann der Formfehler geheilt werden. Die Antragstellung wird durch die Genehmigung rechtswirksam.

Nicht nach den Grundsätzen des § 41 SGB X heilbar sind materielle Folgen einer fehlenden oder verspäteten Antragstellung, zum Beispiel ein deshalb unzutreffend festgestellter Rentenbeginn.

Fehler in der notwendigen Begründung

§ 41 SGB X erfasst nur die Heilung formeller Begründungsfehler, also die Fälle gänzlich fehlender oder den formellen Mindestanforderungen des § 35 SGB X nicht genügender Begründungen. Der mit einem solchen Fehler behaftete Veraltungsakt ist - formell - rechtswidrig.

Der Umfang und die Erforderlichkeit der Begründung ergeben sich aus § 35 Abs. 1 SGB X. Danach sind schriftliche oder elektronische sowie schriftlich oder elektronisch bestätigte Verwaltungsakte zu begründen. In der Begründung hat die Behörde die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe mitzuteilen, die für ihre Entscheidung maßgebend waren. Bei Ermessensentscheidungen muss die Begründung auch die Gesichtspunkte erkennen lassen, von denen die Behörde bei der Ausübung ihres Ermessens ausgegangen ist (vergleiche GRA zu § 35 SGB X).

Wird die erforderliche Begründung eines Verwaltungsaktes nachträglich gegeben, ist der Formfehler nach § 41 Abs. 1 Nr. 2 SGB X unbeachtlich.

Gemäß § 41 Abs. 2 SGB X kann die erforderliche Begründung bis zur letzten Tatsacheninstanz eines sozial- oder verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nachgeholt werden (siehe Abschnitt 5). Bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz ist ein Nachholen ordnungsgemäß erfolgt und der Verfahrensfehler damit geheilt.

Die Nachholung der Begründung kann also im Widerspruchsverfahren (siehe Abschnitt 4.2.1) oder im sozialgerichtlichen Verfahren (siehe Abschnitt 4.2.2) erfolgen.

Ist die Begründung des Verwaltungsaktes ganz oder teilweise unterblieben oder fehlerhaft und nicht rechtzeitig bis zur letzten Tatsacheninstanz eines sozial- oder verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nachgeholt worden, greift § 42 S. 1 SGB X. Danach führt allein der Verstoß gegen die Pflicht zur den formellen Mindestanforderungen des § 35 SGB X entsprechenden Begründung des Verwaltungsaktes nicht zu einem Aufhebungsanspruch des Bescheidempfängers, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat (siehe GRA zu § 42 SGB X).

Hat ein Betroffener allein oder überwiegend wegen fehlender oder den Mindestanforderungen des § 35 SGB X nicht genügender Begründung die rechtzeitige Anfechtung des Verwaltungsaktes versäumt, gilt die Versäumung der Rechtsbehelfsfrist nach § 41 Abs. 3 SGB X als nicht verschuldet. (siehe Abschnitt 6).

Nachholung im Widerspruchsverfahren

Für die Nachholung der Begründung im Widerspruchsverfahren ist es ausreichend, wenn sie im Widerspruchsbescheid ausführlich gegeben wird.

Im Rahmen des Widerspruchsverfahrens gemäß § 78 Abs. 1 SGG ist nicht nur die Rechtmäßigkeit, sondern auch die Zweckmäßigkeit des Verwaltungsaktes nachzuprüfen. Wird dem Widerspruch nicht abgeholfen, so erlässt gemäß § 85 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 SGG in Angelegenheiten der Sozialversicherung die von der Vertreterversammlung bestimmte Stelle den Widerspruchsbescheid. Diesen Widerspruchsausschüssen obliegt dann nicht nur die Überprüfung der Rechtmäßigkeit, sondern auch der Zweckmäßigkeit des angegriffenen Bescheides. Dies bedeutet, dass sie eigenständige Ermessenserwägungen anstellen können.
Enthielt der Ursprungsbescheid keine (hinreichenden) Ermessenserwägungen, wird dieser Mangel durch ausreichende Ermessenserwägungen im Widerspruchsbescheid geheilt.

Nachholung im sozialgerichtlichen Verfahren

Ergibt sich im Verfahren vor dem Sozialgericht oder vor dem Landessozialgericht, dass der Bescheid wegen der nicht hinreichenden Begründung rechtswidrig ist, besteht gemäß § 41 Abs. 2 SGB X bis zum Abschluss des Verfahrens die Möglichkeit, die Begründung nachträglich zu geben.

Die Nachholung der fehlenden Begründung (insbesondere Ermessenserwägungen) bedeutet hier allein die nachträgliche Mitteilung der tatsächlichen und rechtlichen Gründe, die für die Entscheidung maßgebend waren. Durch die Nachholung der Begründung darf der Regelungsumfang des ursprünglichen (streitgegenständlichen) Verwaltungsaktes nicht verändert werden.

Eine Nachholung der Ermessensausübung ist nicht zulässig. Hat der Rentenversicherungsträger übersehen, dass Ermessen auszuüben war und liegt mithin ein Fall des Ermessensnichtgebrauchs vor, ist das nicht heilbar (unter anderem Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 22.02.2007, AZ: L 10 R 5254/05). Nur wenn der Rentenversicherungsträger erkannt hat, dass er Ermessen auszuüben hatte, und es auch tatsächlich ausgeübt hat, ohne seine Erwägungen ausreichend darzulegen, kann die Mitteilung der Ermessenserwägungen im Gerichtsverfahren nachgeholt werden (Urteil des LSG Rheinland-Pfalz vom 03.07.2008, AZ: L 5 LW 9/07).Wurde beispielsweise in einem Verfahren nach § 45 SGB X die erforderliche Ermessensausübung nicht vorgenommen, ist die Erteilung eines neuen Rücknahmebescheides erforderlich, der nach § 96 SGG Gegenstand des Verfahrens wird. Jedoch sind bei Erlass dieses ersetzenden Rücknahmebescheides die Fristen des § 45 SGB X - abgestellt auf den zu erteilenden Rücknahmebescheid - erneut zu beachten (Beschluss des Großen Senats des BSG vom 06.10.1994, AZ: GS 1/91).

Unterlassen der erforderlichen Anhörung eines Beteiligten

Nach § 41 Abs. 1 Nr. 3 SGB X kann die erforderliche Anhörung eines Beteiligten nachgeholt werden. Der Begriff des Beteiligten bestimmt sich nach § 12 SGB X.

Die Anhörungspflicht ist in § 24 SGB X geregelt. Danach ist, sofern nicht einer der in § 24 Abs. 2 SGB X genannten Ausnahmefälle vorliegt, dem Beteiligten vor Erlass eines Verwaltungsaktes, durch den in seine Rechte eingegriffen wird, Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern.

An einer erforderlichen Anhörung im Sinne des § 41 Abs. 1 Nr. 3 SGB X mangelt es, wenn sie entweder unterblieben ist, wenn sie von einer unzuständigen Stelle vorgenommen wurde oder wenn die Anhörung nur unzureichend die beabsichtigte ungünstige Entscheidung der Behörde deutlich gemacht hat. Ein Verwaltungsakt, der ohne die erforderliche Anhörung oder mit einer vorausgegangenen fehlerhaften Anhörung zustande gekommen ist, ist - formell - rechtswidrig.

Eine fehlende oder fehlerhafte Anhörung kann die Behörde jedoch nachholen, indem sie dem Betroffenen nach Erlass des Verwaltungsaktes Gelegenheit gibt, zu den entscheidungserheblichen Tatsachen Stellung zu nehmen. Gemäß § 41 Abs. 2 SGB X kann die erforderliche Anhörung bis zur letzten Tatsacheninstanz eines sozial- oder verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nachgeholt werden (siehe Abschnitt 5).

Die Nachholung der Anhörung kann also im Widerspruchsverfahren (siehe Abschnitt 4.3.1) oder im sozialgerichtlichen Verfahren (siehe Abschnitt 4.3.2) erfolgen.

Ist die vorgeschriebene Anhörung unterblieben und nicht rechtzeitig bis zur letzten Tatsacheninstanz eines sozial- oder verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nachgeholt worden, greift § 42 S. 2 SGB X. Danach führt - anders als bei den übrigen Verfahrens- oder Formfehlern - allein der Verstoß gegen die Anhörungspflicht zu einem Aufhebungsanspruch des Bescheidempfängers, unabhängig von der sachlichen Richtigkeit der Entscheidung (siehe GRA zu § 42 SGB X, Abschnitt 6). Ist der Bescheid allerdings bestandskräftig geworden, besteht auch bei unterlassener Anhörung kein Anspruch mehr auf die Rücknahme des nur formell rechtswidrigen Bescheides (siehe GRA zu § 44 SGB X, Abschnitt 7).

Ist die erforderliche Anhörung eines Beteiligten vor Erlass des Verwaltungsaktes unterblieben und ist dadurch die rechtzeitige Anfechtung des Verwaltungsaktes versäumt worden, gilt die Versäumung der Rechtsbehelfsfrist nach § 41 Abs. 3 SGB X als nicht verschuldet.

Nachholung im Widerspruchsverfahren

Für die Nachholung der Anhörung im Widerspruchsverfahren ist es notwendig, dass die Behörde dem Betroffenen die entscheidungserheblichen Tatsachen unterbreitet, so dass er sich hierzu sachgerecht äußern kann. Eine formelle Nachholung der Anhörung muss nur dann nicht erfolgen, wenn der Ausgangsbescheid bereits alle entscheidungserheblichen Tatsachen enthält, so dass der Betroffene die Gelegenheit hat, seine Gegenvorstellungen vor Erlass des Widerspruchsbescheides darzulegen.

Nachholung im sozialgerichtlichen Verfahren

Ergibt sich im Verfahren vor dem Sozialgericht oder vor dem Landessozialgericht, dass der Bescheid wegen der unterlassenen Anhörung rechtswidrig ist, besteht gemäß § 41 Abs. 2 SGB X bis zum Abschluss des Verfahrens die Möglichkeit, die Anhörung nachzuholen. Der Anhörungsmangel wird nicht schon durch die Äußerungsmöglichkeit im gerichtlichen Verfahren geheilt. Es bedarf eines gesonderten förmlichen Verfahrens der Behörde. Das heißt, die beklagte Behörde muss dem Betroffenen in der Regel ein gesondertes Anhörungsschreiben zukommen lassen, indem sie ihm alle erheblichen Tatsachen mitteilt, auf die sie die belastende Entscheidung stützen will, und ihm eine angemessene Frist zur Äußerung setzt.

  • Äußert sich der Betroffene zur Anhörung, ist sein Vorbringen zur Kenntnis zu nehmen und (erkennbar und belegbar) zu überprüfen, ob weitere Ermittlungen geboten sind und ob an dem ursprünglichen (streitgegenständlichen) Verwaltungsakt festgehalten oder ob dieser abgeändert oder aufgehoben wird.
  • Äußert sich der Betroffene nicht zur Anhörung, ist anhand der Aktenlage zu prüfen, ob an dem ursprünglichen (streitgegenständlichen) Verwaltungsakt festgehalten oder ob dieser abgeändert oder aufgehoben wird.

Der Betroffene ist über das Ergebnis der Überprüfung unter ausführlicher Begründung abschließend in Kenntnis zu setzen (Urteil des BSG vom 09.11.2010, AZ: B 4 AS 37/09 R).

Zur Durchführung kann das jeweilige Gericht gemäß § 114 Abs. 2 SGG auf Antrag die Verhandlung zur Heilung des Verfahrensfehlers aussetzen. Wird nach einer im Gerichtsverfahren erfolgten Heilung die Hauptsache vom Kläger für erledigt erklärt, trägt der beklagte Rentenversicherungsträger gemäß § 193 SGG die Kosten des Verfahrens.

Fehlender Beschluss eines Ausschusses

Nach § 41 Abs. 1 Nr. 4 SGB X wird ein fehlerhafter Verwaltungsakt geheilt, wenn der Beschluss eines Ausschusses, dessen Mitwirkung für den Erlass des Verwaltungsaktes erforderlich ist, nachträglich gefasst wird. Diese Vorschrift hat für die gesetzliche Rentenversicherung keine Bedeutung.

Fehlende Mitwirkung einer anderen Behörde

Nach § 41 Abs. 1 Nr. 5 SGB X wird der fehlerhafte Verwaltungsakt geheilt, wenn die erforderliche Mitwirkung einer anderen Behörde nachgeholt wird. Die Vorschrift knüpft an die Regelung des § 40 Abs. 3 Nr. 4 SGB X an, wonach ein Verwaltungsakt nicht schon deshalb nichtig ist, weil die nach einer Rechtsvorschrift erforderliche Mitwirkung einer anderen Behörde unterblieben ist.

Von der Vorschrift des § 41 Abs. 1 Nr. 5 SGB X sind die sogenannten mehrstufigen Verwaltungsakte betroffen, die der Mitwirkung mehrerer Behörden bedürfen. Da das geltende Rentenversicherungsrecht keine sogenannten mehrstufigen Verwaltungsakte, vor deren unmittelbarem Erlass der Rentenversicherungsträger die Mitwirkung einer anderen Behörde benötigt, kennt, hat die Vorschrift keine praktische Bedeutung.

Fehlende Hinzuziehung eines Beteiligten

Nach § 41 Abs. 1 Nr. 6 SGB X kann die erforderliche Hinzuziehung eines Beteiligten (vergleiche GRA zu § 12 SGB X) nachgeholt werden, wenn sie fehlerhaft unterlassen wurde. Auch die Hinzuziehung eines Beteiligten kann bis zur letzten Tatsacheninstanz eines sozial- oder verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nachgeholt werden (§ 41 Abs. 2 SGB X), sodass dieser Verfahrensfehler dann unbeachtlich ist. Eine Beiladung im Gerichtsverfahren heilt ihn nicht, weil die Hinzuziehung durch die Behörde nachgeholt werden muss.

Zeitliche Begrenzung der Heilungsmöglichkeiten von Verfahrens- und Formfehlern

§ 41 Abs. 2 SGB X legt die zeitlichen Grenzen für die Heilung fest.

Die fehlende Antragstellung (§ 41 Abs. 1 Nr. 1 SGB X) kann ohne zeitliche Begrenzung nach Erlass des insoweit formell rechtswidrigen Bescheides und während dessen Existenz geheilt werden.

Die Ausschlussfrist des § 41 Abs. 2 SGB X hingegen bestimmt, dass Handlungen nach § 41 Abs. 1 Nr. 2 bis 6 SGB X nur bis zur letzten Tatsacheninstanz eines sozial- oder verwaltungsgerichtlichen Verfahrens geheilt werden können (im Sozialrecht bis zum Abschluss eines gerichtlichen Verfahrens vor einem Landessozialgericht). Das heißt, eine Heilung ist ausgeschlossen, wenn die Verfahrenshandlung nicht bis zum genannten Zeitpunkt nachgeholt wurde.

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei fehlender Begründung oder Anhörung

§ 41 Abs. 3 SGB X fingiert bei einer unterbliebenen Begründung oder Anhörung ein fehlendes Verschulden des Betroffenen für den Fall, dass diese kausal für die Nichteinhaltung der Rechtsbehelfsfrist waren. Diese Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im Sinne des § 67 Abs. 1 SGG bewirkt, dass die negativen Folgen des Fristversäumnisses beseitigt werden.

Voraussetzungen im Einzelnen:

1.Ein Verwaltungsakt muss unter Verletzung der Begründungs- oder Anhörungspflicht ergangen sein. Eine Verletzung liegt vor, wenn die Begründung oder Anhörung im erforderlichen Umfang unterblieben ist.
2.Der Betroffene hat deshalb die Widerspruchsfrist versäumt.
3.

Der Betroffene muss die Kausalität zwischen unterlassener Anhörung oder Begründung und versäumter Rechtsbehelfsfrist glaubhaft machen. Kausalität ist bereits dann anzunehmen, wenn der Betroffene darlegt, dass ihm wegen der fehlenden beziehungsweise fehlerhaften Begründung oder Anhörung die Entscheidung darüber, ob er Widerspruch einlegen sollte, erschwert wurde. Keine Kausalität besteht, wenn ohne Zweifel ausschließlich andere Gründe für das Fristversäumnis verantwortlich waren.

In diesem Fall ist die Wiedereinsetzung abzulehnen.

4.

Nach § 41 Abs. 3 SGB X in Verbindung mit § 67 Abs. 2 SGG ist der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand innerhalb eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Im Falle des § 41 Abs. 3 SGB X tritt das für die Wiedereinsetzungsfrist maßgebende Ereignis im Zeitpunkt der Nachholung der unterlassenen Verfahrenshandlung (Nachholen der Begründung beziehungsweise Anhörung) ein. Ist die versäumte Handlung innerhalb der Antragsfrist von einem Monat nachgeholt worden, kann Wiedereinsetzung auch ohne Antrag, also von Amts wegen, gewährt werden (§ 67 Abs. 2 S. 4 SGG).

Gemäß § 67 Abs. 3 SGG ist der Antrag nach einem Jahr seit dem Ende der ursprünglich versäumten Rechtsbehelfsfrist unzulässig, außer wenn der Antrag vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war.

Abgrenzung § 41 SGB X zu § 42 SGB X

Die Vorschriften der §§ 41 und 42 SGB X ergänzen einander, ohne untereinander nachrangig zu sein (vergleiche GRA zu § 42 SGB X).

Ist die Heilung eines Mangels nach § 41 SGB X erfolgt, kommt § 42 SGB X nicht zur Anwendung, da diese Vorschrift einen fehlerhaften Verwaltungsakt voraussetzt.

Ist die Heilung eines Mangels wegen § 41 Abs. 2 SGB X nicht mehr möglich, so kann § 42 S. 1 SGB X dazu führen, dass ein Anspruch auf Aufhebung des Verwaltungsaktes allein wegen des Verfahrens- oder Formfehlers nicht besteht.

Wurde aber in Rechte eines Beteiligten durch Verwaltungsakt eingegriffen und ist die Anhörung nach § 24 SGB X unterblieben, greift § 42 S. 2 SGB X. Danach führt allein der Verstoß gegen die Anhörungspflicht zu einem Aufhebungsanspruch des Bescheidempfängers, wenn der Fehler nicht rechtzeitig nach § 41 Abs. 1 Nr. 3 SGB X geheilt wurde, und zwar ungeachtet einer sachlichen Richtigkeit der Entscheidung. Ist der Bescheid allerdings bestandskräftig geworden, besteht auch bei unterlassener Anhörung kein Anspruch mehr auf die Rücknahme des nur formell rechtswidrigen Bescheides (siehe GRA zu § 44 SGB X, Abschnitt 2).

Ist die Heilung eines Mangels möglich, aber noch nicht erfolgt, so ist § 42 SGB X neben § 41 SGB X anwendbar. Der Behörde steht es in diesem Fall frei, ob sie den formellen Fehler nach § 41 SGB X heilen oder, sofern möglich, sich auf die Unbeachtlichkeit des Fehlers nach § 42 SGB X berufen will (vergleiche GRA zu § 42 SGB X, Abschnitt 3).

Artikel 10 des 4. Euro-Einführungsgesetzes vom 21.12.2000 (BGBl. I S. 1983)

Inkrafttreten: 01.01.2001

Quelle zum Entwurf: BT-Drucksache 14/4375

§ 41 Abs. 2 SGB X wurde durch Artikel 10 des 4. Euro-Einführungsgesetzes neu gefasst (BGBl. I S. 1983). Die Änderung trat am 01.01.2001 in Kraft und regelt, dass die Heilung von Verfahrens- und Formfehlern bis zur letzten Tatsacheninstanz eines sozialgerichtlichen oder verwaltungsgerichtlichen Verfahrens möglich ist. Bis zum 31.12.2000 war ein Nachholen der Handlungen nach Absatz 1 Nummern 2 bis 6 nur bis zum Abschluss eines Vorverfahrens zulässig.

Einigungsvertragsgesetz vom 23.09.1990 (BGBl. II S. 885)
Inkrafttreten: 03.10.1990 beziehungsweise 01.01.1991

Im Beitrittsgebiet gilt § 41 SGB X ab dem 03.10.1990 (Artikel 1 des Einigungsvertragsgesetzes vom 23.09.1990, BGBl. II S. 885), ist aber im Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung erst ab dem 01.01.1991 gültig (Artikel 8 und Anlage I Kapitel VIII Sachgebiet D III Nr. 2 Einigungsvertrag vom 31.08.1990, BGBl. II S. 885, 1032).

SGB X vom 18.08.1980 (BGBl. I S. 1469)

Inkrafttreten: 01.01.1981

Quelle zum Entwurf: BT-Drucksache 8/2034

§ 41 SGB X wurde mit dem SGB X vom 18.08.1980 (BGBl. I S. 1469) eingeführt und ist ab dem 01.01.1981 in Kraft (Art. II § 40 Abs. 1 SGB X).

Zusatzinformationen

Rechtsgrundlage

§ 41 SGB X