§ 19 SGB X: Amtssprache
veröffentlicht am |
25.10.2021 |
---|---|
Änderung | Die Anlage 5 wurde zu den Honoraren für Dolmetscher und zu den Vorschriften zum Datenschutz überarbeitet. Die Anlage 7 wurde neu aufgenommen. |
Stand | 11.10.2021 |
---|---|
Erstellungsgrundlage | in der Fassung des Gesetzes zur Weiterentwicklung des Behindertengleichstellungsrechts vom 19.07.2016 in Kraft getreten am 27.07.2016 |
Rechtsgrundlage | |
Version | 004.00 |
- Inhalt der Regelung
- Amtssprache
- Kommunikationshilfen
- Fremdsprachige Eingaben und Dokumente
- Übersetzung des fremdsprachigen Dokuments
- Fristversäumnis und Hinweispflicht
- Inhalt der Regelung
- Amtssprache
- Kommunikationshilfen
- Fremdsprachige Eingaben und Dokumente
- Übersetzung des fremdsprachigen Dokuments
- Fristversäumnis und Hinweispflicht
Inhalt der Regelung
Absatz 1 stellt klar, dass im Verwaltungsverfahren die Amtssprache deutsch ist. Menschen mit Hörbehinderungen und Menschen mit Sprachbehinderungen haben das Recht, zur Verständigung in Deutscher Gebärdensprache, mit lautsprachbegleitenden Gebärden oder über andere geeignete Kommunikationshilfen zu kommunizieren (§ 19 Abs. 1 S. 2 SGB X). Die Kosten für Kommunikationshilfen sind von dem für die Sozialleistung zuständigen Leistungsträger zu tragen. Die Vergütung von Kommunikationshilfen richtet sich nach § 5 KHV in der jeweils geltenden Fassung.
Absatz 1a bezieht sich auf die Regelung des § 11 BGG und stellt klar, dass es auch im Sozialverwaltungsverfahren (hier: bei der Antragstellung von Renten) auf eine verständliche Kommunikation im Sinne einer einfachen Sprache ankommt.
Absatz 2 regelt Ausnahmen, in denen der Grundsatz des Absatzes 1 Satz 1 durchbrochen wird, weil Anträge gestellt oder Eingaben, Belege, Urkunden oder sonstige Dokumente vorgelegt werden, die in einer fremden (nichtdeutschen) Sprache abgefasst sind. Hierbei ist zu unterscheiden zwischen Berechtigten, die von den Regelungen des überstaatlichen beziehungsweise zwischenstaatlichen Rechts betroffen sind und sonstigen nichtdeutschen Berechtigten. Die Behörde wird ermächtigt, die Vorlage von Übersetzungen zu verlangen oder sich selbst auf Kosten des Beteiligten, der anderenfalls die Übersetzung vorzulegen hätte, die Übersetzungen zu beschaffen. Für Dolmetscher/-innen gilt weiterhin eine Vergütung nach dem JVEG.
Absatz 3 regelt bei Anträgen, Anzeigen oder Willenserklärungen, die in einer fremden Sprache abgefasst sind und die eine Frist für ein bestimmtes behördliches Tätigwerden in Lauf setzen sollen, dass der Lauf der Frist erst mit dem Zeitpunkt beginnt, in dem der Behörde die Übersetzung vorliegt.
Absatz 4 hat eine wichtige Bedeutung für Anträge, Anzeigen oder Willenserklärungen, die in einer fremden Sprache abgefasst und bei denen der rechtzeitige Eingang bei der Behörde für die Fristwahrung bedeutsam ist oder bei denen die Erbringung einer Sozialleistung beispielsweise vom Tag der Antragstellung beziehungsweise von dem Beginn des Monats, in dem der Antrag gestellt wird, abhängig ist. In diesen Fällen soll zugunsten der Beteiligten die rechtzeitig beschaffte Übersetzung rückwirkende Kraft für die Fristenwahrung besitzen.
Ergänzende/korrespondierende Regelungen
Durch das Gesetz zur Weiterentwicklung des Behindertengleichstellungsrechts wird die Möglichkeit der vielfältigen Kommunikation von Hör- und Sprachbehinderungen durch verschiedene Kommunikationshilfen erweitert. Die Vergütung richtet sich für Kommunikationshilfen nach der jeweiligen KHV.
Korrespondierend mit der Vorschrift des § 19 SGB X statuiert der § 17 Abs. 2 SGB I das Recht von Menschen mit Hör- und Sprachbehinderungen in Deutscher Gebärdensprache, mit Lautsprachbegleitenden Gebärden oder über andere geeignete Kommunikationshilfen zu kommunizieren. § 17 Abs. 2 S. 2 und 3 SGB I verpflichtet die Leistungsträger zur Kostentragung nach der jeweiligen KHV.
Für die Vergütung von Dolmetschern und Übersetzern ist weiterhin nach § 19 Abs. 2 S. 4 erster Halbs. SGB X das Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG) maßgebend. Das JVEG wurde zum 01.01.2021 durch das Kostenrechtsänderungsgesetz 2021 (KostRÄG 2021) vom 21.12.2020 geändert. Unter anderem wurden die Honorare von Dolmetschern angepasst.
Die Behörde kann mit Dolmetschern und Übersetzern aber auch eine Vergütung vereinbaren.
Amtssprache
Amtssprache ist die von und vor einer öffentlichen Stelle (Behörde) im Rechtsverkehr benutzte Sprache. In dieser Sprache sind alle amtlichen (behördlichen) Mitteilungen, Entscheidungen, Verwaltungsakte oder öffentlich-rechtlichen Verträge abzufassen, und zwar im Verkehr sowohl mit Deutschen als auch mit Ausländern.
Neben der „Amtssprache“ kann in der täglichen Verwaltungspraxis beim Umgang mit Ausländern auch deren Sprache angewandt werden, soweit die Angehörigen der Behörde ihrer mächtig sind. Die Verwaltung ist insbesondere nicht daran gehindert, auch fremdsprachliche Merkblätter zu benutzen.
Gesetzliche und sonstige amtliche Fristen können durch den Gebrauch einer fremden (nichtdeutschen) Sprache weder in Lauf gesetzt noch gewahrt werden (vergleiche hierzu die Ausnahmen für das über- und zwischenstaatliche Recht, siehe Abschnitt 4).
Deutsche Sprache
Aus dem Wortlaut der gesetzlichen Bestimmung „Die Amtssprache ist deutsch“, ist abzuleiten, dass im schriftlichen Verkehr die amtliche Hochsprache zu verwenden ist. § 19 SGB X regelt nicht, in welcher Schriftart das Dokument abzufassen ist. Eine Eingabe in einer nicht mehr gebräuchlichen Schriftart (zum Beispiel Sütterlinschrift) darf deshalb nicht zurückgewiesen werden.
Deutsche Gebärdensprache
Menschen mit Hör- und Sprachbehinderungen haben das Recht, bei der Ausführung von Sozialleistungen, insbesondere auch bei ärztlichen Untersuchungen und Behandlungen, in Deutscher Gebärdensprache, mit lautsprachbegleitenden Gebärden oder über andere geeignete Kommunikationshilfen zu kommunizieren, soweit dies zur Wahrnehmung eigener Rechte im Verwaltungsverfahren erforderlich ist.
Als Gebärdensprache bezeichnet man eine eigenständige, visuell wahrnehmbare Natürliche Sprache, die insbesondere von gehörlosen und stark schwerhörigen Menschen zur Kommunikation genutzt wird. Gebärdensprache besteht aus kombinierten Zeichen (Gebärden), die vor allem mit den Händen, in Verbindung mit Mimik und Mundbild (lautlos gesprochene Wörter oder Silben) und zudem im Kontext mit der Körperhaltung gebildet werden. Bei der taktilen Gebärdensprache für blinde Gehörlose werden die Gebärden gefühlt. Dazu nimmt der Sprecher oder Dolmetscher die Hände seines Gegenübers in seine eigenen.
Für die Integration der Gehörlosen ist es von großer Bedeutung, in beiden Sprachen - der Lautsprache und der Gebärdensprache - je nach den Erfordernissen der konkreten Situation, kommunizieren zu können. Für den Sozialbereich wird es den Menschen mit Hör- und Sprachbehinderungen ermöglicht, im Verkehr mit öffentlichen Einrichtungen die Gebärdensprache zu verwenden. Dies soll nicht nur im Verfahren der Sozialverwaltung, sondern auch bei der Ausführung aller Sozialleistungen gelten.
Gebärdensprachdolmetscher/-innen übersetzen traditionell für die Gruppe der Gehörlosen beziehungsweise Gebärdensprachnutzer/-innen. Dabei verwenden sie üblicherweise die Deutsche Gebärdensprache (DGS).
Auf Wunsch können sie jedoch auch für Menschen mit Sprachbehinderungen (lautsprachorientierte Hörgeschädigte) tätig werden, soweit diese lautsprachbegleitende Gebärden verstehen können.
Sprachen nationaler Minderheiten
Im Rahmenübereinkommen des Europarates zum Schutz nationaler Minderheiten ist festgeschrieben, dass die Vertragsparteien sich bemühen, in Gebieten, die von Angehörigen nationaler Minderheiten bewohnt werden, soweit wie möglich die Voraussetzungen dafür sicherzustellen, dass im Verkehr zwischen Angehörigen dieser Minderheiten und den Verwaltungsbehörden die Minderheitensprache gebraucht werden kann, sofern die Angehörigen dieser Minderheiten dies verlangen und dieses Anliegen einem tatsächlichen Bedarf entspricht.
Bei der Unterzeichnung des Rahmenabkommens hat die Bundesrepublik Deutschland erklärt: „Nationale Minderheiten in der Bundesrepublik Deutschland sind die Dänen deutscher Staatsangehörigkeit und die Angehörigen des sorbischen Volkes mit deutscher Staatsangehörigkeit. Das Rahmenabkommen wird auch auf die Angehörigen der traditionell in Deutschland heimischen Friesen deutscher Staatsangehörigkeit und der Sinti und Roma deutscher Staatsangehörigkeit angewendet“ (BGBl. II S. 1406 vom 22.07.1997).
Eine konkrete Ausgestaltung hat diese Erklärung bisher nur für die Angehörigen des sorbischen Volkes erfahren. Im Freistaat Sachsen (§ 8 SächsSorbG) und in Brandenburg ist die sorbische Sprache als gleichberechtigt neben der deutschen Sprache anerkannt worden. Machen die Bürger in sorbischen Siedlungsgebieten von dem Recht, sich der sorbischen Sprache zu bedienen, Gebrauch, hat dies dieselben Wirkungen, als würden sie sich der deutschen Sprache bedienen. In Siedlungsgebieten der Sorben können von sorbischen Verfahrensbeteiligten Kosten für Dolmetscher oder Übersetzer im Verwaltungsverfahren nicht erhoben werden (§ 4 VwVfGBbg).
Nach § 184 GVG ist die sorbische Sprache in den Heimatkreisen der sorbischen Bevölkerung als zweite Gerichtssprache zugelassen.
Sprache im schlichten Verwaltungshandeln
Im sogenannten „schlichten Verwaltungshandeln“, das heißt, im mündlichen und schriftlichen Verkehr zwischen den Beteiligten und der Behörde kann auch in einer nichtdeutschen Sprache oder einer deutschen Mundart verhandelt werden, wenn sowohl der Bedienstete der Behörde als auch der Beteiligte sie beherrschen. Eventuell sich daraus ergebende Vermerke für die Akte sind jedoch in der deutschen Sprache abzufassen.
Bei einer ärztlichen Untersuchung kann ein Dolmetscher auf Kosten des Sozialleistungsträgers hinzugezogen werden, wenn ohne Dolmetscher die Untersuchung mangels ausreichender Verständigungsmöglichkeit nicht durchgeführt werden kann. Die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Dolmetschers kann aber nur der untersuchende Arzt beurteilen (vergleiche AGZWSR 1/86, TOP 30).
Kommunikationshilfen
Die Kommunikation mittels eines Gebärdensprachdolmetschers (siehe hierzu Abschnitt 3.1) oder einer anderen Kommunikationshilfe (vergleiche hierzu Abschnitt 3.2) ist als geeignete Kommunikationsform anzusehen, wenn sie im konkreten Fall eine für die Wahrnehmung eigener Rechte im Verwaltungsverfahren erforderliche Verständigung sicherstellt. Die Berechtigten haben ein Wahlrecht hinsichtlich der zu benutzenden Kommunikationshilfe. Dies umfasst auch das Recht, eine(n) Gebärdensprachdolmetscher/-in oder eine andere Kommunikationshilfe selbst bereitzustellen.
Da die Vielfalt der Kommunikationshilfen nicht leicht zu überblicken ist, haben der Deutsche Gehörlosen-Bund e. V. und der Deutsche Schwerhörigenbund e. V. eine schematische Übersicht entwickelt (siehe „Personale Kommunikationshilfen für Hörbehinderte“); sie zeigt, welche Hilfen für die unterschiedlichen Gruppen von Menschen mit Hörbehinderungen - mit ihren jeweiligen Besonderheiten und Kompetenzen - in Frage kommen können. Der Übersichtlichkeit halber wurden Menschen mit Hörbehinderungen dabei in
- Personen mit vorwiegend gebärdensprachlicher Kommunikation und
- Personen mit vorwiegend lautsprachlicher Kommunikation
unterteilt (vergleiche Anlage 3).
Die Anlage 4 „Gebärdensprachdolmetscher und Kommunikationshelfer“ enthält eine Übersicht über die Aufgaben, Standards und notwendige Qualifikation der unterschiedlichen Kommunikationshilfen.
Nicht alle Menschen mit Hörbehinderungen lassen sich allerdings eindeutig einer der genannten Zielgruppen zuordnen. Ein und dieselbe Person kann sich je nach Situation für unterschiedliche Kommunikationshilfen entscheiden. Außerdem bringen Personen mit gleichem Hörstatus nicht automatisch die gleichen Voraussetzungen für die Kommunikation mit und können daher jeweils andere Hilfen benötigen.
Gebärdensprachdolmetscher/-innen
Die Inanspruchnahme eines (freiberuflich tätigen) Gebärdensprachdolmetschers wird vorrangig dann gegeben sein, wenn dem Betroffenen zur Verständigung eine Person seines Vertrauens (zum Beispiel Familienangehöriger) nicht zur Verfügung steht. Sofern Angehörige oder sonst Nahestehende zur Verständigung tätig werden, sind unter anderem auch die Ausführungen im Abschnitt 3.2.2 zu beachten.
Der Betroffene kann grundsätzlich nicht darauf verwiesen werden, sich schriftlich zu artikulieren. Soweit dem Sozialleistungsträger (zum Beispiel Rentenversicherungsträger) ein eigenes der Deutschen Gebärdensprache mächtiges Personal nicht zur Verfügung steht, besteht ein Anspruch auf Bereitstellung eines Gebärdensprachdolmetschers. Der Berechtigte hat auch das Recht, einen Gebärdensprachdolmetscher selbst bereitzustellen. Ein Gebärdensprachdolmetscher wird ausschließlich zur mündlichen Kommunikation zur Verfügung gestellt.
Erlangt der Sozialleistungsträger (zum Beispiel Rentenversicherungsträger) im Verwaltungsverfahren Kenntnis von der Hör- oder Sprachbehinderung des Berechtigten, hat er ihn auf sein Recht auf barrierefreie Kommunikation und auf die Möglichkeit der Inanspruchnahme eines Gebärdensprachdolmetschers hinzuweisen.
Eine Verwendung der Gebärdensprache unter Zuhilfenahme eines Gebärdensprachdolmetschers setzt voraus, dass dieser - beispielsweise im Zusammenhang mit einem Verwaltungsverfahren - notwendig ist; hierbei kann es sich beispielsweise um ein(en)
- Antrag auf Kontenklärung,
- Antrag auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und Teilhabe am Arbeitsleben,
- Antrag auf Rente,
- Auskunfts- oder Beratungsersuchen in einer Auskunfts- und Beratungsstelle,
- Widerspruchsverfahren
handeln.
Die Notwendigkeit des Hinzuziehens/Einsatzes eines Gebärdensprachdolmetschers ist gegeben, wenn
- der Sozialleistungsträger (zum Beispiel Rentenversicherungsträger) vom Berechtigten nur so die benötigten Informationen erhält oder
- dem Berechtigten vom Sozialleistungsträger die erforderlichen Hinweise nur so vermittelt werden können und
- hierdurch im Einzelfall die Wahrnehmung der Rechte des Berechtigten sichergestellt werden kann.
Der notwendige Umfang bestimmt sich insbesondere nach dem individuellen Bedarf des Berechtigten.
Kostenübernahme für Gebärdensprachdolmetscher/-innen
Menschen mit Hör- und Sprachbehinderungen haben das Recht, in Verwaltungsverfahren der Sozialleistungsträger, insbesondere auch bei ärztlichen Untersuchungen und Behandlungen, in Deutscher Gebärdensprache, mit Lautsprachbegleitenden Gebärden oder über andere geeignete Kommunikationshilfen zu kommunizieren. Die Aufwendungen für Dolmetscher und andere Kommunikationshilfen sind von der Behörde oder dem für die Sozialleistung zuständigen Leistungsträger (zum Beispiel Rentenversicherungsträger) zu tragen (§ 17 Abs. 2 SGB I).
Der Rentenversicherungsträger hat die die durch die Verwendung der Gebärdensprache und anderer Kommunikationshilfen entstehenden Kosten (beispielsweise in Folge des Einsatzes eines Gebärdensprachdolmetschers) in entsprechender Anwendung des Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG) zu tragen.
Der Anspruch auf Übernahme der durch Verwendung der Gebärdensprache beziehungsweise lautsprachbegleitender Gebärden entstehenden Kosten beschränkt sich auf die Deutsche (Gebärden-)Sprache (gleich Amtssprache). Die durch (eventuell zusätzliche) Hinzuziehung einer Fremdsprachendolmetschers beziehungsweise Verwendung einer ausländischen Gebärdensprache entstehenden (zusätzlichen) Kosten sind nicht erstattungsfähig.
Bei einem notwendigen Einsatz (siehe Abschnitt 3.1) des Gebärdensprachdolmetschers erhält dieser als Vergütung ein Honorar für seine Leistung, einen Fahrtkostenersatz, eine Entschädigung für seinen Aufwand sowie einen Ersatz für sonstige und für besondere Aufwendungen (§ 8 Abs. 1 JVEG).
Angemessene Vergütung (§§ 9 bis 11 JVEG in Verbindung mit § 5 KHV)
Das Honorar der Gebärdensprachdolmetscher/-innen und Kommunikationshelfern/-innen richtet sich nach § 9 Abs. 5 JVEG. Der Stundensatz für das Dolmetschen beträgt 85,00 EUR (bis 31.12.2020 gleich 75,00 EUR). Für die Bestimmung der Höhe des Stundensatzes - in Folge einer gesetzlichen Änderung des JVEG - ist grundsätzlich der Tag der Leistungserbringung durch die Gebärdensprachdolmetscher und Kommunikationshelfer maßgebend (nicht das Datum der Rechnungserstellung).
Die tatsächlich zu leistende Höhe des Honorars orientiert sich nach den Grundsätzen für eine angemessene Vergütung im Sinne des § 5 KHV. Nach den Absätzen 2 bis 4 staffelt sich die Höhe der Vergütung nach dem berufsqualifizierenden Abschluss des Gebärdensprachdolmetschers. Liegt eine abgeschlossene Berufsausbildung oder eine staatliche Anerkennung für das ausgeübte Tätigkeitsfeld vor, erhalten Gebärdensprachdolmetscher/-innen 100 % der Vergütung, und damit ab dem 01.01.2021 85,00 EUR. Bei einer berufsbegleitenden Ausbildung mit Zertifizierung (abgeschlossene Qualifizierung) beträgt das Honorar 75 % (63,75 EUR). Eine pauschale Abgeltung in Höhe von 25 % (21,25 EUR) des Honorars, mindestens aber eine Abgeltung für die entstandenen Aufwendungen, erhalten Gebärdensprachdolmetscher ohne nachgewiesene abgeschlossene Berufsausbildung oder Qualifizierung für das ausgeübte Tätigkeitsfeld.
Der/Die Gebärdensprachdolmetscher/-in und Kommunikationshelfer/-in hat einen Nachweis über den Abschluss der Ausbildung als Gebärdensprachdolmetscher/-in zu erbringen. Welche Abschlüsse zu einer angemessenen Vergütung führen, sind in der Anlage 6 aufgeführt.
Das Honorar bemisst sich nach der erforderlichen Zeit; dies ist die Zeit, die der Gebärdensprachdolmetscher aufgrund seiner Heranziehung insgesamt aufwenden musste. Hierzu gehören - neben der eigentlichen Dolmetschertätigkeit - insbesondere auch die Reisezeit (zum Beispiel Hin- und Rückfahrt zum Einsatzort - zum Beispiel Auskunfts- und Beratungsstelle des Rentenversicherungsträgers), die Wartezeiten sowie gegebenenfalls Ruhepausen. Die letzte bereits begonnene Stunde wird voll gerechnet, wenn sie zu mehr als 30 Minuten für die Erbringung der Leistung erforderlich war; anderenfalls beträgt das Honorar die Hälfte des sich für eine volle Stunde ergebenden Betrags (§ 8 Abs. 2 JVEG). Auch die auf die Vergütung entfallende Umsatzsteuer (Mehrwertsteuer) ist als besondere Aufwendung im Sinne von § 12 JVEG erstattungsfähig (siehe Abschnitt 3.1.1.4).
Siehe Beispiel 1
Fahrtkostenersatz (§ 5 JVEG)
Bei Benutzung von öffentlichen, regelmäßig verkehrenden Beförderungsmitteln werden die tatsächlich entstandenen Auslagen bis zur Höhe der entsprechenden Kosten für die Benutzung der ersten Wagenklasse der Bahn einschließlich der Auslagen für Platzreservierung und Beförderung des notwendigen Gepäcks ersetzt (§ 5 Abs. 1 JVEG).
Bei Benutzung eines eigenen oder unentgeltlich (von einem Dritten) zur Verfügung gestellten Kraftfahrzeugs erhalten Gebärdensprachdolmetscher zur Abgeltung der Anschaffungs-, Unterhaltungs- und Betriebskosten sowie zur Abgeltung der Abnutzung des Kraftfahrzeugs 0,42 EUR (bis 31.12.2020 gleich 0,30 EUR) für jeden gefahrenen Kilometer ersetzt zuzüglich der durch die Benutzung des Kraftfahrzeugs aus Anlass der Reise regelmäßig anfallenden baren Auslagen, insbesondere der Parkentgelte (§ 5 Abs. 2 S. 1 JVEG).
Bei Benutzung eines gegen Entgelt von einem Dritten zur Verfügung gestellten Kraftfahrzeugs - zum Beispiel eines Mietwagens oder eines Taxis - sind die tatsächlich entstandenen Auslagen zu ersetzen. Der Ersatz ist jedoch grundsätzlich auf maximal 0,42 EUR (bis 31.12.2020 gleich 0,30 EUR) für jeden gefahrenen Kilometer zuzüglich der von dem Berechtigten regelmäßigen baren Auslagen, die aus Anlass der Reise angefallen sind, zu begrenzen.
Höhere als die zuvor bezeichneten Fahrtkosten sind ausnahmsweise zu ersetzen, soweit hierdurch Mehrbeträge an Vergütung oder Entschädigung erspart werden oder höhere Fahrtkosten wegen besonderer Umstände notwendig sind (§ 5 Abs. 3 JVEG). Hinsichtlich der Vergleichsgröße ist hierbei nicht auf die Kosten, die bei Benutzung des preisgünstigsten öffentlichen Beförderungsmittels entstanden wären, abzustellen. Entscheidend ist vielmehr, ob durch die höheren Fahrtkosten die Vergütung oder Entschädigung insgesamt höher wird. So kann je nach den örtlichen Verhältnissen zum Beispiel mit der Benutzung eines Taxis eine erhebliche Einsparung an sonst zu vergütender oder zu entschädigender Zeit (siehe hierzu Ausführungen zu „Angemessene Vergütung“) verbunden sein; die Benutzung des Taxis führt also in diesen Fällen dazu, dass sich die ansonsten insgesamt zu gewährende Vergütung oder Entschädigung verringert.
Entschädigung für Aufwand (§ 6 JVEG)
Wer innerhalb der Gemeinde, in der der Termin stattfindet, weder wohnt noch berufstätig ist, erhält für die Zeit, während der er aus Anlass der Wahrnehmung des Termins von seiner Wohnung und seinem Tätigkeitsmittelpunkt abwesend sein muss, ein Tagegeld, dessen Höhe sich nach § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 5 S. 2 EStG bestimmt. Eine Aufwandsentschädigung (Tagegeld) dürfte danach im Regelfall nicht zu zahlen sein, da dies eine Abwesenheitsdauer des Dolmetschers von seinem Aufenthaltsort von mindestens acht Stunden voraussetzt.
Ersatz für sonstige und für besondere Aufwendungen (§§ 7 und 12 JVEG)
Ein Ersatz für sonstige Aufwendungen im Sinne von § 7 JVEG umfasst die in den §§ 5, 6 und 12 JVEG nicht besonders genannten baren Auslagen. Im Zusammenhang mit dem Einsatz von Gebärdensprachdolmetschern dürften derartige Aufwendungen im Regelfall nicht anfallen.
Zu den besonderen Aufwendungen im Sinne von § 12 JVEG zählt unter anderem die auf die Vergütung entfallende Umsatzsteuer (Mehrwertsteuer), sofern diese nicht nach § 19 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes unerhoben bleibt.
Verträge mit Gebärdensprachdolmetschern/-innen
Erfahrungen in der Praxis haben gezeigt, dass Gebärdensprachdolmetscher/-innen, bevor sie tätig werden, üblicherweise einen (Honorar-)Vertrag mit dem Rentenversicherungsträger abschließen wollen. In der Regel werden die Verträge vom Gebärdensprachdolmetscher aufgesetzt. Gegen die Schließung derartiger Verträge bestehen grundsätzlich keine Bedenken, jedoch sollten die in den Abschnitten 3.1.1, 3.1.3 sowie 3.1.4 beschriebenen Gesichtspunkte beachtet werden, damit Fälle des Tätigwerdens von Gebärdensprachdolmetschern/-innen und deren Honorierung in der Praxis möglichst reibungslos ablaufen. In diesem Zusammenhang ist auch der Nachweis der beruflichen Qualifizierung wegen der Höhe des Honorars zu verlangen (siehe Abschnitt 3.1.1.1). Liegt bei Vertragsabschluss ein Nachweis noch nicht vor, ist die Formulierung aus § 2 des Mustervertrages (siehe Anlage 5) ohne weitere Anpassungen vollständig zu übernehmen.
In seltenen Fällen kann es vorkommen, dass der/die Gebärdensprachdolmetscher/-in keinen Vertrag anbietet. In diesen Fällen kann der vom Bundesverwaltungsamt erarbeitete und mit dem Bundesverband der Gebärdensprachdolmetscher abgestimmte Mustervertrag verwendet werden (siehe Anlage 5). Das in der Anlage 5 genannte Honorar ist abhängig von der Qualifizierung entsprechend den Ausführungen im Abschnitt 3.1.1.1 anzupassen. Liegt bei Vertragsabschluss ein Nachweis der beruflichen Qualifizierung noch nicht vor, ist die Formulierung aus § 2 des Mustervertrages (siehe Anlage 5) ohne weitere Anpassungen vollständig zu übernehmen.
Entschädigung bei Ausfall des Termins (Ausfallentschädigung)
Ein Gebärdensprachdolmetscher erhält nach § 9 Abs. 5 S. 2 JVEG eine Ausfallentschädigung, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind:
- Die Aufhebung eines Termins, zu dem der/die Gebärdensprachdolmetscher/-in geladen war, ist nicht durch einen in seiner Person liegenden Grund veranlasst worden,
- der/die Gebärdensprachdolmetscher/-in versichert, durch die Terminsaufhebung einen Einkommensverlust erlitten zu haben und
- die Aufhebung des Termins ist dem/der Gebärdensprachdolmetscher/-in erst am gleichen Tag oder an einem der beiden vorhergehenden Tage mitgeteilt worden oder
- der Berechtigte ist zum abgesprochenen (Beratungs-)Termin ohne vorherige Absage nicht erschienen.
Von einem Einkommensverlust ist regelmäßig dann auszugehen, wenn der/die Gebärdensprachdolmetscher/-in nicht (mehr) in der Lage gewesen ist, den terminlichen Ausfall umzuplanen und den drohenden finanziellen Ausfall durch Annahme von Alternativaufträgen abzuwenden.
Nimmt der Berechtigte den vereinbarten Beratungstermin nicht wahr, so kann die unnütze Aufwendung von Zeit und Fahrtkosten nicht zu Lasten des Gebärdensprachdolmetschers gehen. Der Entschädigungsanspruch des Gebärdensprachdolmetschers, der bereit war, die vertraglich mit dem Rentenversicherungsträger vereinbarte Leistung termingerecht zu erbringen, ist deshalb zu erfüllen.
Jedoch kann der Rentenversicherungsträger den Berechtigten, wenn er die Wahrnehmung des Termins schuldhaft unterlassen hat, zur Kostentragung verpflichten. Dies setzt allerdings voraus, dass der Berechtigte auf das Bestehen einer Erstattungspflicht vorab hingewiesen wurde. Der Berechtigte sollte deshalb bei Terminvereinbarung beziehungsweise Beauftragung des Gebärdensprachdolmetschers darauf hingewiesen werden, welche Fristen für eine rechtzeitige Absage (spätestens 3 Tage vor dem Termin) seinerseits zulässig und welche Hinderungsumstände von ihm zu vertreten sind. Keine Kosten könnten beispielsweise bei plötzlicher Erkrankung, einem Unfall oder dem Eintritt einer Verhinderung aufgrund eines Umstandes höherer Gewalt gefordert werden. Der Berechtigte hat jedoch die behaupteten Umstände in geeigneter Weise, beispielsweise durch Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung, nachzuweisen.
Eine Ausfallentschädigung kann bis zu einem Betrag, der dem Honorar für zwei Stunden entspricht, gewährt werden (§ 9 Abs. 5 S. 3 JVEG). Fällt der Termin ohne das Verschulden des Dolmetschers aus, besteht somit ein Honoraranspruch in Höhe von maximal 170,00 EUR (bis 31.12.2020 gleich 150,00 EUR).
Keine Haftung bei Wegeunfall
Erleidet der/die Gebärdensprachdolmetscher/-in auf dem Weg zum Einsatzort beziehungsweise von dem Ort der Tätigkeit (zum Beispiel Auskunfts- und Beratungsstelle) einen sogenannten Wegeunfall im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung, so besteht keine Wegeversicherung für die Erreichung des Erfüllungsortes über den Rentenversicherungsträger, mit der Folge, dass seitens des Rentenversicherungsträgers bei einem Wegeunfall des Gebärdensprachdolmetschers eine Verantwortlichkeit ihm gegenüber nicht besteht. Der/Die Gebärdensprachdolmetscher/-in nimmt den Auftrag im Rahmen seiner Dienstleistungstätigkeit nicht als Mitarbeiter des Rentenversicherungsträgers wahr.
Andere Kommunikationshilfen
Alternativ zur Bereitstellung eines Dolmetschers/-in für die Deutsche Gebärdensprache oder für lautsprachbegleitende Gebärden (Gebärdensprachdolmetscher/-innen - siehe Abschnitt 3.1) kommt eine Verwendung anderer Kommunikationshilfen in Betracht, weil der Einsatz eines Gebärdensprachdolmetschers nicht automatisch für alle Menschen mit Hörbehinderungen sinnvoll ist. So wünschen sich Spätertaubte und Schwerhörige ohne für das Sprachverständnis verwertbare Hörreste meist die Unterstützung durch Schrift- oder Oraldolmetscher. Für auditiv orientierte Hörgeschädigte werden bei Veranstaltungen zudem technische Kommunikationsassistenten benötigt, die für Aufbau und einwandfreie Funktion der hörbehindertenspezifischen Übertragungstechnik sorgen. Taubblinde/Hörsehbehinderte und Hörgeschädigte mit zusätzlichen Einschränkungen brauchen zur Kommunikation mit Außenstehenden meist nochmals andere - zum Teil auch sehr individuelle - Hilfen. Die Kommunikation mit anderen Kommunikationshilfen ist danach als geeignete Kommunikationsform anzusehen, wenn sie im konkreten Fall eine für die Wahrnehmung eigener Rechte im Verwaltungsverfahren erforderliche Verständigung sicherstellt.
Als andere Kommunikationshilfen kommen Kommunikationshelfer, Kommunikationsmethoden und Kommunikationsmittel in Betracht. Bei Kommunikationshelfern handelt es sich insbesondere um
- Schriftdolmetscher/-innen,
- Simultanschriftdolmetscher/-innen,
- Oraldolmetscher/-innen und
- Kommunikationsassistenten/-innen.
Kommunikationshelfer können auch Familienangehörige oder Verwandte des Berechtigten sein.
Kommunikationsmethoden sind insbesondere Lormen (Kommunikationsform für Taubblinde) und taktil wahrnehmbare Gebärden oder gestützte Kommunikation für Menschen mit autistischer Störung. Bei Kommunikationsmitteln handelt es sich insbesondere um akustisch-technische Hilfen oder grafische Symbol-Systeme.
Kommunikationshelfer/-innen
Alternativ zur Gebärdensprache beziehungsweise zu lautsprachbegleitenden Gebärden (Einsatz eines Gebärdensprachdolmetschers) können auch Kommunikationshelfer/-innen zur Verständigung eingesetzt werden. Bei Kommunikationshelfern/-innen handelt es sich insbesondere um Personen, die als Schriftdolmetscher, Simultanschriftdolmetscher, Oraldolmetscher oder Kommunikationsassistent tätig sind. Kommunikationshelfer/-innen können aber auch Familienangehörige, Verwandte des Berechtigten oder sonst nahe stehende Personen sein; in diesen Fällen sind die Ausführungen im Abschnitt 3.2.2 zu beachten.
Nach § 17 Abs. 2 SGB I in Verbindung mit § 19 Abs. 2 S. 4 SGB X hat der zuständige Sozialleistungsträger (zum Beispiel Rentenversicherungsträger) die anlässlich des Einsatzes eines Kommunikationshelfers entstandenen Kosten zu tragen.
Bei einem notwendigen Einsatz (vergleiche hierzu Ausführungen im Abschnitt 3.1) eines Kommunikationshelfers (zum Beispiel Kommunikationsassistent/-in) erhält dieser als Vergütung ein Honorar für seine Leistung, einen Fahrtkostenersatz, eine Entschädigung für seinen Aufwand sowie einen Ersatz für sonstige und für besondere Aufwendungen (§ 8 Abs. 1 JVEG). Im Einzelnen gelten die gleichen Regelungen, die für die Kostenübernahme bei Einsätzen von Gebärdensprachdolmetschern/-innen Anwendung finden (siehe Abschnitt 3.1.1).
Familienangehörige
Der Berechtigte kann zur Verständigung auch eine Person seines Vertrauens aus dem Kreis seiner Familienangehörigen, Verwandten oder ihm sonst nahe stehenden Personen wählen. Der Vergütungsanspruch besteht ungeachtet eines Familien- oder Verwandtschaftsverhältnisses zwischen dem Berechtigten und dem/der Kommunikationshelfer/-in. Dies ist jedoch bei der Festlegung der Entschädigung im Rahmen der vom JVEG vorgesehenen Bemessungsspanne entsprechend zu berücksichtigen.
Sofern Familienangehörige oder sonst nahe stehende Personen zur Verständigung tätig geworden sind, erhalten diese anstelle eines Honorars für ihre Leistung eine Verdienstausfallentschädigung gezahlt. Bei dem Verdienstausfall kann es sich entweder um entgangenes Arbeitsentgelt oder um entgangenes Arbeitseinkommen handeln. In beiden Fällen soll eine Entschädigung "in angemessenem Umfang" erfolgen. Als Höchstgrenze für die Erstattung von Verdienstausfall gilt ein einheitlicher Betrag in Höhe von 25,00 EUR (bis 31.12.2020 gleich 21,00 EUR) pro Stunde (§ 22 JVEG). Ein Ersatz der Fahrtkosten erfolgt bis zur Höhe der für den Einsatz eines Gebärdensprachdolmetschers entstehenden Kosten (siehe hierzu im Einzelnen Abschnitt 3.1.1.2 „Fahrtkostenersatz“). Eine Übernahme von Kosten zur Ausbildung von Angehörigen in der Gebärdensprache scheidet aus.
Fremdsprachige Eingaben und Dokumente
Für Berechtigte, die von den Regelungen des überstaatlichen beziehungsweise zwischenstaatlichen Rechts betroffen sind, gibt es Ausnahmen von dem Grundsatz, dass Dokumente und sonstige Eingaben für die Behörde in deutscher Sprache abgefasst sein müssen. Nach § 30 Abs. 2 SGB I gilt das Territorialitätsprinzip dann nicht, wenn die Regelungen des über- und zwischenstaatlichen Rechts etwas anderes vorsehen.
- Überstaatliches Recht (VO (EG) Nr. 883/2004 beziehungsweise VO (EWG) Nr. 1408/71)
Nach Art. 76 Abs. 7 VO (EG) Nr. 883/2004 (beziehungsweise Art. 84 Abs. 4 VO (EWG) Nr. 1408/71) dürfen Behörden, Träger und Gerichte eines Mitgliedstaates für alle von den Verordnungen erfassten Personen, die bei ihnen eingereichten Anträge und sonstigen Dokumente nicht deshalb zurückweisen, weil sie nicht in der Amtssprache des betreffenden Landes, sondern in der Amtssprache eines anderen Mitgliedstaates abgefasst sind.
Amtssprachen der Staaten, für die die VO (EG) Nr. 883/2004 (beziehungsweise VO EWG) Nr. 1408/71) gilt, sind zurzeit:
Bulgarisch, Dänisch, Deutsch, Englisch, Estnisch, Finnisch, Französisch, Griechisch, Irisch, Isländisch, Italienisch, Kroatisch, Lettisch, Litauisch, Maltesisch, Niederländisch, Norwegisch, Polnisch, Portugiesisch, Rumänisch, Schwedisch, Slowakisch, Slowenisch, Spanisch, Tschechisch und Ungarisch.
Aus Art. 76 Abs. 7 VO (EG) Nr. 883/2004 (beziehungsweise Art. 84 Abs. 4 VO (EWG) Nr. 1408/71) lässt sich herleiten, dass die Amtssprachen der Staaten, für die die VO (EG) Nr. 883/2004 (beziehungsweise VO (EWG) Nr. 1408/71) gilt, der deutschen Sprache gleichgestellt sind. Eingaben und Urkunden von den Verordnungen erfassten Personen, die in diesen Sprachen abgefasst wurden, dürfen nicht zurückgewiesen werden. Erforderliche Übersetzungen muss der Leistungsträger selbst und auf eigene Kosten veranlassen.
Die Antwort darf der Versicherungsträger jedoch in seiner Amtssprache abfassen. - Zwischenstaatliches Recht
Alle Sozialversicherungsabkommen, die die Bundesrepublik Deutschland mit Staaten abgeschlossen hat, die nicht die VO (EG) Nr. 883/2004 (beziehungsweise VO (EWG) Nr. 1408/71) anwenden, enthalten Regelungen über die Verkehrssprachen, einige davon Bestimmungen, die dem Art. 76 Abs. 7 der VO (EG) Nr. 883/2004 (beziehungsweise Art. 84 Abs. 4 der VO (EWG) Nr. 1408/71) vergleichbar sind.
Abkommensstaaten sind:
Albanien, Australien, Bosnien-Herzegowina, Brasilien, Chile, Indien, Israel, Japan, Kanada (einschl. Quebec), Kosovo, Marokko, Montenegro, Nordmazedonien, Philippinen, Republik Korea, Republik Moldau, Serbien, Türkei, Tunesien, Uruguay und die USA.
Grundsätzlich können Träger, Verbände von Trägern, Behörden und Gerichte der Vertragsstaaten bei der Durchführung der Abkommen und der von seinem sachlichen Geltungsbereich erfassten Rechtsvorschriften unmittelbar miteinander und mit den beteiligten Personen und deren Vertretern in ihren Amtssprachen verkehren. Soweit in ihren Abkommen geregelt ist, dass Eingaben und Urkunden auch in der Amtssprache des anderen Vertragsstaates abgefasst werden können, dürfen sie nicht zurückgewiesen werden.
Erforderliche Übersetzungen muss der Leistungsträger selbst und auf eigene Kosten veranlassen. Die Antwort darf der Versicherungsträger in seiner Amtssprache abfassen. - Vertragsloses Ausland
Eingaben von Staatsangehörigen solcher Staaten, mit denen die Bundesrepublik Deutschland noch kein Sozialversicherungsabkommen abgeschlossen hat und die auch nicht von der Regelung eines anderen Sozialversicherungsabkommens begünstigt werden (sogenannte Drittstaatsangehörige), sind im Prinzip nach § 19 Abs. 2 SGB X zu behandeln.
Die Behörde hat zu prüfen, ob sie in der Lage ist, das fremdsprachige Dokument „zu verstehen” oder ob sie die Vorlage einer Übersetzung innerhalb einer angemessenen Frist fordern muss. Vor dem Hintergrund, dass die Behörde die Sprachen „versteht“, die sie auch schon im direktem Zusammenhang aus der Anwendung des über- und zwischenstaatlichen Rechts umsetzt, ist für diese Sprachen immer von einem „Verstehen der Sprache“ auszugehen. Das gilt unabhängig davon, ob der Berechtigte von dem jeweiligen über- und zwischenstaatlichen Recht tatsächlich erfasst wird. Damit entfällt generell die Anforderung oder Vorlage einer Übersetzung im Verhältnis zu den Sprachen der Länder für das über- und zwischenstaatliche Recht. Diese Übersetzungen werden daher auf eigene Kosten angefertigt.
Übersetzung des fremdsprachigen Dokuments
Der Rentenversicherungsträger kann vom Berechtigten, soweit über- und zwischenstaatliches Recht nichts anderes regeln (siehe Abschnitt 4), die Übersetzung der in fremder Sprache abgefassten Anträge, Eingaben, Belege, Urkunden oder sonstiger Schriftstücke innerhalb einer bestimmten Frist verlangen, wenn der Sachbearbeiter aufgrund seiner Sprachkenntnisse nicht in der Lage ist, den Inhalt der eingereichten Unterlagen zu verstehen. Das gilt nicht für die Sprachen, die im über- und zwischenstaatlichen Recht verwendet werden, da diese insoweit immer „verstanden“ werden.
In begründeten Fällen, beispielsweise bei der Übersetzung von ärztlichen Gutachten, die für den Rentenanspruch entscheidend sein können, kann vom Berechtigten verlangt werden, innerhalb einer bestimmten Frist eine beglaubigte oder von einem öffentlich bestellten oder beeidigten Dolmetscher/-in oder Übersetzer/-in angefertigten Übersetzung vorzulegen. Kommt der Berechtigte dem Verlangen nicht nach, kann sich der Rentenversicherungsträger auf Kosten des Berechtigten eine Übersetzung beschaffen. Es handelt sich hierbei um eine Ermessensentscheidung der Behörde, die gerichtlich voll nachprüfbar ist.
Beachte:
Die Rentenversicherungsträger machen in der Regel jedoch von dieser Möglichkeit aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität und im Interesse der Gleichbehandlung aller Versicherten keinen Gebrauch, sie lassen Übersetzungen auf eigene Kosten anfertigen.
Übersetzungsfehler
Die eingereichten Übersetzungen werden nur anerkannt, wenn sie von öffentlich bestellten Urkundenübersetzern/-innen angefertigt wurden. Dies wird normalerweise durch einen auf der Übersetzung angebrachten Stempelaufdruck nachgewiesen.
Übersetzungsfehler gehen grundsätzlich zu Lasten desjenigen, der die Übersetzung veranlasst hat. Legt ein Beteiligter ein Dokument in fremder Sprache und gleichzeitig eine Übersetzung oder nur eine Übersetzung vor und ist diese fehlerhaft, hat er das Risiko des Übersetzungsfehlers zu tragen, da die Behörde grundsätzlich an den fehlerhaft übersetzten Text gebunden ist. Im Zweifelsfall kann es notwendig sein, die durch den Antragsteller eingereichten Übersetzungen nochmals durch einen eigenen Übersetzer überprüfen zu lassen.
Hat die Behörde die Übersetzung veranlasst, liegt das Risiko bei ihr, da der Beteiligte keine Möglichkeit der Einflussnahme auf die Übersetzung hat. Bei Fehlern in einer von der Behörde veranlassten Übersetzung ist der fremdsprachige Urtext maßgebend.
Beruhen die Fehler oder Missverständnisse auf einem Verschulden der Behörde und ist eine Berichtigung (zum Beispiel §§ 44 ff. SGB X) nicht (mehr) möglich, kann unter Umständen ein Herstellungs- oder Amtshaftungsanspruch in Betracht kommen.
Fristwahrung durch fremdsprachige Dokumente
Grundsätzlich können Fristen und Termine nur durch Dokumente gewahrt oder in Lauf gesetzt werden, wenn diese in der Amtssprache, das heißt in der deutschen Sprache abgefasst sind, soweit nicht über- und zwischenstaatliches Recht etwas anderes regeln. § 19 Abs. 3 und 4 SGB X lassen hiervon aber Ausnahmen zu.
Fristwahrung zugunsten des Rentenversicherungsträgers
Bei Anträgen, Anzeigen oder Willenserklärungen, die in einer fremden Sprache abgefasst sind und die eine Frist für ein bestimmtes behördliches Tätigwerden in Lauf setzen sollen, beginnt der Lauf der Frist erst mit dem Zeitpunkt, in dem der Behörde die Übersetzung vorliegt.
Infrage kommen vor allem Meldefristen, bei denen die Behörde innerhalb eines gewissen Zeitraumes nach der Kenntnisnahme tätig werden muss, zum Beispiel die Jahresfrist nach § 45 Abs. 4 S. 2 SGB X. Auch die Vorschusszahlung nach § 42 Abs. 1 S. 2 SGB I und die Pflicht zur Erbringung vorläufiger Leistungen nach § 43 SGB I fallen hierunter.
Ausnahmen ergeben sich im über- und zwischenstaatlichen Recht, weil hier die entsprechenden Amtssprachen gleichgestellt sind. Die Frist beginnt unabhängig von § 19 Abs. 3 SGB X mit Eingang des in der jeweiligen Amtssprache abgefassten Dokumentes.
Fristwahrung zugunsten des Berechtigten
§ 19 Abs. 4 SGB X regelt, dass eine fremdsprachige Anzeige, ein Antrag oder eine Willenserklärung, die für einen Beteiligten
- eine Frist gegenüber der Behörde wahren,
- einen öffentlich-rechtlichen Anspruch geltend machen oder
- eine Sozialleistung begehren sollen,
erst dann bei der Behörde „eingegangen ist“, wenn diese die fremdsprachige Eingabe „versteht“ (siehe Abschnitt 5) beziehungsweise wenn der Beteiligte innerhalb einer gesetzten Frist eine Übersetzung einreicht.
„Versteht“ eine Behörde das fremdsprachige Dokument, entfaltet es eine frist- und rechtswahrende Wirkung.
„Versteht“ die Behörde das fremdsprachige Dokument nicht, kann sie zwar die Vorlage einer Übersetzung einfordern, hiervon wird jedoch kein Gebrauch gemacht. Die Rentenversicherungsträger haben sich darauf geeinigt, die erforderlichen Übersetzungen auf eigene Kosten anzufertigen (vergleiche auch Abschnitt 5). Dementsprechend entfaltet bereits das fremdsprachige Dokument eine frist- und rechtswahrende Wirkung.
Die Sonderregelungen für Berechtigte, für die die VO (EG) Nr. 883/2004 oder VO (EWG) Nr. 1408/71 gilt, beziehungsweise aus Vertragsstaaten bleiben hiervon unberührt. Insofern wird die Frist unabhängig von § 19 Abs. 4 SGB X durch Eingang des in der jeweiligen Amtssprache erstellten Dokumentes gewahrt.
Fristversäumnis und Hinweispflicht
Die Bestimmungen über die Möglichkeit eines Fristversäumnisses bei Nichtvorlage einer Übersetzung und die Hinweispflicht hierauf haben bei den Trägern der gesetzlichen Rentenversicherung keine unmittelbare Bedeutung. Übersetzungen fremdsprachiger Dokumente von Ausländern aus Nichtvertragsstaaten werden auf Kosten der Träger veranlasst.
Beispiel 1: Honorar für die Leistung
(Beispiel zu Abschnitt 3.1.1.1) | |
Der Versicherte/Berechtigte hat in Begleitung eines Gebärdensprachdolmetschers an einem Beratungstermin in einer Auskunfts- und Beratungsstelle teilgenommen. | |
Fall a) | Die Einsatzzeit (Beratungszeit) einschließlich An- und Abfahrtzeit beträgt 75 Minuten. |
Fall b) | Die Einsatzzeit (Beratungszeit) einschließlich An- und Abfahrtzeit beträgt 100 Minuten. |
Das Honorar des Dolmetschers (Diplomgebärdensprachdolmetscher FH) beträgt für jede Stunde 85,00 EUR. | |
Lösung: | |
Fall a) | Die gesamte Einsatzzeit beträgt 75 Minuten, die zweite angebrochene Stunde ist mit der Hälfte des sich für eine volle Stunde ergebenden Betrags zu honorieren. Das Honorar beträgt 127,50 EUR. |
Fall b) | Die gesamte Einsatzzeit beträgt 100 Minuten, die zweite angebrochene Stunde ist in vollem Umfang zu honorieren, da sie zu mehr als 30 Minuten für die Erbringung der Leistung erforderlich war. Das Honorar beträgt 170,00 EUR. |
Gesetz zur Weiterentwicklung des Behindertengleichstellungsrechts vom 19.07.2016 (BGBl. I S. 1757) |
Inkrafttreten: 27.07.2016, (01.01.2017) Quelle zum Entwurf: BT-Drucksache 18/7824 |
Durch Artikel 4 des Gesetzes zur Weiterentwicklung des Behindertengleichstellungsrechts vom 19.07.2016 wurde Absatz 1 neu gefasst und Absatz 1a eingefügt. Die Änderungen betreffen die Anpassung des Begriffs der Behinderung. So wird jetzt von Menschen mit Hörbehinderungen und Sprachbehinderungen gesprochen. Die Vergütung von Kommunikationshilfen richtet sich jeweils nach § 5 der KHV. Absatz 1a stellt den Bezug zu § 11 des BGG her, wonach eine Kommunikation in einfacher Sprache erfolgen soll. In Absatz 2 Satz 4 werden die Wörter „die nicht Kommunikationshilfe im Sinne von Absatz 1 Satz 2 sind“, eingefügt.
KostRMoG vom 05.05.2004 (BGBl. I S. 718) |
Inkrafttreten: 01.07.2004 Quelle zum Entwurf: BT-Drucksache 15/1971, S. 177 |
Durch Artikel 4 Absatz 72 des KostRMoG wurden in Absatz 2 Satz 4 in Halbsatz 1 die Wörter „werden sie auf Antrag in entsprechender Anwendung des Gesetzes über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen entschädigt“ durch die Wörter „erhalten sie auf Antrag in entsprechender Anwendung des Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetzes eine Vergütung“ und in Halbsatz 2 das Wort „Entschädigung“ durch das Wort „Vergütung“ ersetzt. Es handelt sich hierbei um Folgeänderungen, die der Anpassung vom Verweis auf das bisherige Gesetz über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen (ZSEG) an die neue Rechtslage dienen sollen.
Durch Artikel 2 des KostRMoG ist das Gesetz über die Vergütung von Sachverständigen, Dolmetscherinnen, Dolmetschern, Übersetzerinnen, Übersetzern sowie die Entschädigung von ehrenamtlichen Richterinnen, ehrenamtlichen Richtern, Zeuginnen, Zeugen und Dritten (Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz - JVEG; BGBl. I S. 776) in Kraft getreten. Das JVEG löst das ZSEG ab.
3. VwVfÄndG vom 21.08.2002 (BGBl. I S. 3322) |
Inkrafttreten: 01.02.2003 Quelle zum Entwurf: BT-Drucksache 14/9000, S. 35 |
Durch das Dritte Gesetz zur Änderung verwaltungsverfahrensrechtlicher Vorschriften (3. VwVfÄndG) vom 21.08.2002 (BGBl. I S. 3322) ist in Absatz 2 Satz 1 das Wort „Schriftstücke“ durch das Wort „Dokument“ ersetzt worden. Damit wird klargestellt, dass eine Behörde auch bei fremdsprachigen elektronischen Dokumenten die Vorlage einer Übersetzung verlangen darf.
SGB IX vom 19.06.2001 (BGBl. I S. 1046) |
Inkrafttreten: 01.07.2001 Quelle zum Entwurf: BT-Drucksache 14/5074, S. 122 |
Durch Artikel 9 Nummer 1 Sozialgesetzbuch - Neuntes Buch - (SGB IX) Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen vom 19.06.2001 (BGBl. I S. 1046) ist mit Wirkung ab 01.07.2001 der Absatz 1 um einen Satz 2 ergänzt worden. Die Änderung soll gewährleisten, dass sich hörbehinderte Menschen im Verwaltungsverfahren durch Verwendung der Gebärdensprache verständigen können. Dies beinhaltet den Einsatz von Gebärdensprachdolmetschern oder entsprechend ausgebildeten Mitarbeitern. Die Kosten sind von der Behörde oder dem für die Sozialleistung zuständigen Leistungsträger zu tragen.
SGB X vom 18.08.1980 (BGBl. I S. 1469, 2218) |
Inkrafttreten: 01.01.1981 Quelle zum Entwurf: BT-Drucksache 7/910, S. 48 |
Mit der ersten Fassung des SGB X vom 18.08.1980 (BGBl. I S. 1496) ist die Vorschrift am 01.01.1981 in Kraft getreten. Für das Verwaltungsverfahren existierte eine Vorschrift bislang nicht.
Anlage 1 | Anschreiben Kommunikation mit Hörgeschädigten |
Anlage 2 | Gemeinsame Erläuterungen des Deutschen Gehörlosen- Bundes und des Deutschen Schwerhörigenbundes |
Anlage 3 | Personale Kommunikationshilfen für Hörbehinderte:
|
Anlage 4 | Gebärdensprachdolmetscher und Kommunikationshelfer |
Anlage 5 | Mustervertrag |
Anlage 6 | Angemessene Vergütung von Gebärdensprachdolmetschern und Gebärdensprachdolmetscherinnen |
Anlage 7 | Merkblatt (P 1137) zu § 4 des Mustervertrages |