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§ 116 SGB VI: Besonderheiten bei Leistungen zur Teilhabe

Änderungsdienst
veröffentlicht am

09.04.2022

Änderung

Im Abschnitt 4.2 wurde eine Regelung zu Eingliederungszuschüssen sowei im Abschnitt 4.8 zur Antragstellung bei elektronischer Bearbeitung (Scannen) aufgenommen. Weiterhin erfolgten kleine redaktionelle Änderungen.

Dokumentdaten
Stand18.03.2022
Erstellungsgrundlage in der Fassung des Job-AQTIV-Gesetzes vom 10.12.2001 in Kraft getreten am 01.01.2002
Rechtsgrundlage

§ 116 SGB VI

Version005.00
Schlüsselwörter
  • 0601

  • 0603

  • 0610

  • 0810

  • 6379

Inhalt der Regelung

§ 116 SGB VI enthält folgende Regelungen:

  • Absatz 1 wurde zum 01.07.2001 durch das SGB IX gestrichen. Näheres hierzu ist dem Abschnitt 3 zu entnehmen.
  • Nach Absatz 2 gilt der Antrag auf Leistungen zur Teilhabe als Antrag auf Rente, wenn der Versicherte vermindert erwerbsfähig ist und
    • eine erfolgreiche Leistung zur Teilhabe nicht zu erwarten ist oder
    • Leistungen zur Teilhabe nicht erfolgreich gewesen sind, weil sie die verminderte Erwerbsfähigkeit nicht verhindert haben.
  • Absatz 3 beinhaltet eine Erfüllungsfiktion für die Fälle, in denen zunächst Übergangsgeld gezahlt wurde und nachträglich ein Anspruch auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit für denselben Zeitraum festzustellen ist.

Ergänzende/korrespondierende Regelungen

§ 116 SGB VI wird ergänzt durch § 301 Abs. 1 SGB VI, der regelt, in welchen Übergangsfällen der Rentenausschluss auch nach dem 31.12.2000 weiter zu beachten ist. Näheres ist der GRA zu § 301 SGB VI zu entnehmen. In diesen Fällen findet die Erfüllungsfiktion nach § 116 Abs. 3 SGB VI (vergleiche Abschnitt 6) keine Anwendung.

Begriff 'Teilhabe' im Sinne des § 116 SGB VI

Die Vorschrift des § 116 Abs. 2 SGB VI wurde zum 01.07.2001 begrifflich an das SGB IX angepasst. Mit dessen Inkrafttreten wurden die ‘medizinischen Leistungen zur Rehabilitation’ in ‘Leistungen zur medizinischen Rehabilitation’ und die ‘berufsfördernden Leistungen zur Rehabilitation’ in ‘Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben’ umbenannt. Zugleich wurde ‘Leistungen zur Teilhabe’ der zusammenfassende Begriff für alle Rehabilitationsleistungen im gegliederten Sozialleistungssystem.

Im Leistungsrecht der gesetzlichen Rentenversicherung wird der Begriff in § 9 SGB VI eingeführt. Dieser wurde zum 14.12.2016 mit dem FlexiG erweitert. Unter die Leistungen zur Teilhabe fallen danach neben den

  • Leistungen zur medizinischen Rehabilitation,
  • Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben und den
  • ergänzenden Leistungen

nunmehr auch

  • Leistungen zur Prävention und
  • Leistungen zur Nachsorge.

Grundsatz ‘Reha vor Rente’

Der Grundsatz ‘Reha vor Rente’ (die bisherige Formulierung wird aus Gründen der Kontinuität beibehalten) verpflichtet den Rentenversicherungsträger stets bei der Entscheidung über einen Antrag auf Rente oder erhöhte Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit zu prüfen, ob die Durchführung von Leistungen zur Teilhabe zweckmäßig ist. Zur Verstärkung dieses Grundsatzes war nach der Fassung des § 116 Abs. 1 S. 2 und 3 SGB VI in der Fassung bis 31.12.2000 der Anspruch auf die noch nicht bewilligte oder erhöhte Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit durch den Bezug von Übergangsgeld, Verletztengeld oder Versorgungskrankengeld verdrängt. Es kam also bis zum Ende der entsprechenden Leistungen zu einem Rentenausschluss (in Übergangsfällen vergleiche GRA zu § 301 SGB VI).

Die Bewilligung einer Rente wegen Erwerbsminderung oder großen Witwen- oder Witwerrente wegen Erwerbsminderung vor Durchführung der Rehabilitation kommt nur in Betracht, wenn

  • Versicherte bis zum Beginn und/oder während der Leistung zur Teilhabe sozial nicht abgesichert sind (zum Beispiel nach Auslaufen eines Arbeitslosengeldes) und der Rentenbeginn vor dem voraussichtlichen Beginn der Rehabilitation liegt. In diesem Fall wird die Rente aber nach § 102 Abs. 2a SGB VI regelmäßig auf das Ende der Rehabilitation zu befristen sein.
  • der sozialmedizinischen Entscheidung über die Notwendigkeit einer Rehabilitation zu entnehmen ist, dass die Leistungsminderung auch über das Ende der Rehabilitation hinaus bestehen wird. Dies kann zum Beispiel der Fall sein bei Leistungen im Sinne der § 31 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI, § 56 SGB IX (§ 39 SGB IX in der Fassung bis 31.12.2017) oder bei Leistungen, die zwar eine volle Erwerbsminderung, nicht aber die teilweise Erwerbsminderung verhindern können. Im letzteren Fall wäre eine beantragte Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bereits während der Rehabilitationsleistung zu zahlen.
  • nach sozialmedizinischer Feststellung zwar Rehabilitationsleistungen notwendig sind, diese aber die Leistungsminderung nicht beseitigen können. Insoweit wäre ein trägerübergreifender Rehabilitationsbedarf (zum Beispiel bei der Krankenkasse) gegeben, der die Rentenzahlung nicht beeinflusst.

Erweist sich die Rehabilitation als erfolgreich und liegt volle oder teilweise Erwerbsminderung beziehungsweise Berufsunfähigkeit nicht mehr vor, wurde eine Rente wegen Erwerbsminderung oder große Witwen- oder Witwerrente wegen Erwerbsminderung aber aus den oben angeführten Gründen nicht gezahlt, ist die Bewilligung der entsprechenden Rente für den zurückliegenden Zeitraum bis zum Ende des Monats der Rehabilitation gegebenenfalls unter Beachtung des § 116 Abs. 3 SGB VI (vergleiche Abschnitt 6) zu prüfen.

Der Grundsatz ‘Rehabilitation vor Rente’ wird seit dem 01.07.2001 - entsprechend der geänderten Begriffe - als Grundsatz ‘Leistungen zur Teilhabe vor Rente’ für alle Rehabilitationsträger einheitlich im § 9 SGB IX (§ 8 SGB IX in der Fassung bis 31.12.2017) fortgeschrieben.

Rentenantragsfiktion (Absatz 2)

Die Rentenantragsfiktion bewahrt erwerbsgeminderte Versicherte vor den Folgen einer verspäteten Rentenantragstellung (§ 99 Abs. 1 SGB VI) in den Fällen, in denen Versicherte zunächst eine Leistung zur Teilhabe und nicht zugleich auch Rente beantragt haben. Die Regelung steht im Einklang mit dem in § 9 SGB IX in Verbindung mit § 9 Abs. 1 S. 2 SGB VI zum Ausdruck gebrachten Grundsatz ‘Leistungen zur Teilhabe vor Rente’.

Eine Rentenantragsfiktion setzt voraus, dass Versicherte

  • zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben teilweise beziehungsweise voll erwerbsgemindert oder berufsunfähig sind und die Erwerbsfähigkeit voraussichtlich nicht wesentlich gebessert oder wiederhergestellt werden kann (§ 116 Abs. 2 Nr. 1 SGB VI) oder
  • bei Abschluss durchgeführter Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben teilweise beziehungsweise voll erwerbsgemindert oder berufsunfähig sind (§ 116 Abs. 2 Nr. 2 SGB VI).

Die Antragsfiktion des Absatzes 2 Nummer 1 ist nicht davon abhängig, ob die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Leistung zur Teilhabe oder für die Rente wegen Erwerbsminderung erfüllt sind. Maßgebend ist allein, dass es nicht zur Durchführung von Maßnahmen kommt. Demzufolge kann die Rentenantragsfiktion auch bei Antragstellern eintreten, die zum Beispiel

  • nach § 12 Abs. 1 Nr. 3 SGB VI von Leistungen ausgeschlossen sind oder
  • nach der Antragstellung auf Teilhabe Altersrente beantragen oder beziehen oder Bezieher einer Leistung geworden sind, die regelmäßig bis zum Beginn einer Rente wegen Alters gezahlt wird (Vorruhestands- beziehungsweise Altersübergangsleistung), und nach § 12 Abs. 1 Nr. 2 beziehungsweise Nr. 4a SGB VI erst dann von Leistungen ausgeschlossen sind oder
  • bewilligte Leistungen zur Teilhabe nicht antreten konnten.

Wird der Antrag auf Leistungen zur Teilhabe zurückgenommen, kommt eine Rentenantragsfiktion nicht in Betracht. Entsprechendes gilt, wenn der Berechtigte auf die Durchführung der Maßnahme verzichtet. Sofern der Versicherte aber in seinem Gestaltungsrecht eingeschränkt ist, sind die Ausführungen im Abschnitt 4.4 zu beachten.

Ausnahme:

Die Rentenantragsfiktion gilt nicht, wenn der Antrag auf Leistungen zur Teilhabe deshalb weitergeleitet beziehungsweise abgelehnt wurde, weil Versicherte bereits eine Altersrente von wenigstens 2/3 der Vollrente beziehen oder eine solche Altersrente beantragt haben (§ 12 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI) beziehungsweise weil sie eine Leistung erhalten, die regelmäßig bis zum Beginn einer Rente wegen Alters gezahlt wird (§ 12 Abs. 1 Nr. 4a SGB VI - vergleiche hierzu GRA zu § 12 SGB VI). Die Frage, ob Teilhabeleistungen eine verminderte Erwerbsfähigkeit verhindern, verbessern oder beseitigen können, stellt sich in diesen Fällen durch das altersbedingte Ausscheiden aus dem Erwerbsleben nicht mehr. Eine Rentenantragsfiktion auf Wunsch der Krankenkasse ist in diesen Fällen trotz einer Aufforderung zur Antragstellung durch die Krankenkasse nach § 51 Abs. 1 SGB V ausgeschlossen (vergleiche hierzu auch Abschnitt 4.4).

Die Anwendung des § 116 Abs. 2 Nr. 2 SGB VI setzt voraus, dass der Rentenversicherungsträger entweder die Leistung zur Teilhabe als zuständiger oder zweitangegangener Träger selber durchgeführt oder die Kosten dieser Maßnahme zu erstatten hat und sich am Ende dieser Maßnahme herausstellt, dass der Versicherte vermindert erwerbsfähig ist.

Antrag auf Leistungen zur Teilhabe

Eine Rentenantragsfiktion setzt grundsätzlich voraus, dass ein gegen den Rentenversicherungsträger gerichteter Antrag auf Leistungen zur Teilhabe vorliegt.

Es ist dabei unbeachtlich, ob der Rentenversicherungsträger tatsächlich Rehabilitationsleistungen erbracht hat (zuständig oder unzuständig) oder ob der Antrag auf Leistungen zur Teilhabe nach § 14 SGB IX an einen anderen beziehungsweise von einem anderen Rehabilitationsträger weitergeleitet und/oder letztlich abgelehnt wurde. Maßgebend für die Möglichkeit einer Rentenantragsfiktion ist, dass ein Rentenversicherungsträger, der die Feststellungen zur Leistungsfähigkeit zu treffen hat, in das Rehabilitationsverfahren involviert war (vergleiche aber Abschnitt 4 „Ausnahme“).

Hiervon wäre beispielsweise nicht auszugehen, wenn ein Antrag zwar beim Rentenversicherungsträger eingeht, sein Handeln jedoch lediglich darin besteht, den Antrag an die zuständige Stelle weiterzureichen.

Beachte:

"Weiterreichen" meint nicht die qualifizierte Weiterleitung im Sinne von § 14 SGB IX nach erfolgter Zuständigkeitsklärung, sondern die bloße Weitergabe von Antragsunterlagen, weil die begehrten beziehungsweise in Betracht kommenden Leistungen keinerlei Leistungen zur Teilhabe im Sinne des SGB IX sind (zum Beispiel Krankenhausbehandlung oder isoliert erbrachte Physiotherapie).

Siehe Beispiel 1

Erfasst sind demnach alle Anträge auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, zur Prävention, zur Teilhabe am Arbeitsleben, zur Nachsorge sowie sonstige Leistungen nach § 31 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI (vergleiche Abschnitt 4.2), nicht jedoch Leistungen außerhalb des SGB IX, beispielsweise der Krankenversorgung und Heilbehandlung nach dem SGB V beziehungsweise dem SGB VII oder der Arbeitsvermittlung nach dem SGB III.

Anträge, die bei einem anderen Leistungsträger gestellt werden und dort verbleiben und gegebenenfalls in Leistungen münden, führen in der Regel nicht zur Rentenantragsfiktion. Eine Ausnahme bilden Leistungen, für die nach ihrer Charakteristik und Zielsetzung die originäre, sachliche Zuständigkeit des Rentenversicherungsträgers besteht und die nach den Grundsätzen der Rentenversicherung erbracht wurden (vergleiche Abschnitt 4.2). Dies gilt unabhängig davon, ob letztlich eine Kostenerstattung durch den Rentenversicherungsträger erfolgt oder ob eine solche im Einzelfall nicht mehr begehrt wird (zum Beispiel wegen Verfristung nach § 111 SGB X).

Leistungen zur Teilhabe

Leistungen zur Teilhabe, die üblicherweise für eine Rentenantragsfiktion in Betracht kommen, sind Leistungen zur medizinischen Rehabilitation (§ 15 SGB VI in Verbindung mit § 42 SGB IX) und sonstige Leistungen nach § 31 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI sowie Präventionsleistungen (§ 14 SGB VI), Nachsorgeleistungen (§ 17 SGB VI) und Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (§ 16 SGB VI in Verbindung mit § 49 Abs. 3 Nr. 2 bis 5 und Abs. 5 SGB IX), die dem Grunde nach von einer gewissen zeitlichen Dauer sind - unabhängig davon, ob sie ambulant oder stationär erbracht werden.

Hierzu zählen auch Leistungen der Arbeitsgemeinschaft zur Krebsbekämpfung im Land Nordrhein-Westfalen (ARGE), die dort die Leistungen zur onkologischen Rehabilitation im Auftrag der Deutschen Rentenversicherung Bund, der Deutschen Rentenversicherung Rheinland, der Deutschen Rentenversicherung Westfalen und der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See sowie Leistungen zur onkologischen Rehabilitationsnachsorge im Auftrag der in Nordrhein-Westfalen ansässigen gesetzlichen Krankenkassen erbringt.

Auch Prävention und Nachsorge können grundsätzlich Anlass für Erwägungen zur Umdeutung sein, und zwar sowohl nach § 116 Abs. 2 Nr. 1 SGB VI als auch nach § 116 Abs. 2 Nr. 2 SGB VI. Bei den Nachsorgeleistungen ergibt sich jedoch nur dann eine praktische Bedeutung, wenn sie eigenständig durch die Versicherten beantragt werden. Im Regelfall kommen Nachsorgeleistungen im unmittelbaren Anschluss an Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben auf Empfehlung beziehungsweise Einleitung der Rehabilitationseinrichtung nur dann in Betracht, wenn mit ihnen ein eingetretener Rehabilitationserfolg gefestigt oder gesichert werden kann. Aufgrund des geforderten unmittelbaren sachlichen und zeitlichen Zusammenhangs mit der vorhergehenden Teilhabeleistung würde sich eine Prüfung der Umdeutung bereits auf die vorhergehende Teilhabeleistung beziehen müssen.

Aber auch Leistungen, die ausschließlich in einer laufenden oder einmaligen Geldleistung bestehen, können im Einzelfall als Leistungen zur Teilhabe für eine Rentenantragsfiktion in Betracht kommen, zum Beispiel Hilfsmittel wie Hörhilfen sowie Kfz-Hilfen oder Beförderungskosten zum Erreichen des Arbeitsplatzes. Weiterhin gehören hierzu auch Eingliederungszuschüsse (§ 50 SGB IX) dazu, obgleich die Zahlungen hier an den Arbeitgeber erfolgen. Allerdings setzen solche Leistungen eine Berufsausübung voraus, sodass Anträge auf derartige Leistungen nicht den üblichen Fall darstellen, der zu einer Rentenantragsfiktion führt.

Keine Leistungen im Zusammenhang mit einer Rentenantragsfiktion nach § 116 SGB VI sind insbesondere

  • Leistungen der Krankenversorgung, die die Krankenversicherung im Sinne des SGB V erbringt (zum Beispiel Akutbehandlung im Krankenhaus, Frührehabilitation der Phase B bei Patienten mit schweren und schwersten Hirnschädigungen),
  • Leistungen der Arbeitsvermittlung, die die Arbeitsverwaltung nach dem SGB III - losgelöst von den rehabilitativen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben - erbringt,
  • Leistungen zur sozialen Teilhabe und
  • Leistungen zur Teilhabe an Bildung.

Vorliegen von teilweiser beziehungsweise voller Erwerbsminderung oder Berufsunfähigkeit

Die Rentenantragsfiktion ist nicht davon abhängig, ob teilweise beziehungsweise volle Erwerbsminderung oder Berufsunfähigkeit auf Dauer oder nur zeitlich begrenzt vorliegt. Die Fiktion gilt auch für Empfänger einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn eine Leistung zur Teilhabe nicht durchzuführen beziehungsweise erfolglos war und volle Erwerbsminderung vorliegt.

Die teilweise beziehungsweise volle Erwerbsminderung oder Berufsunfähigkeit muss in den Fällen des § 116 Abs. 2 Nr. 1 SGB VI regelmäßig im Zeitpunkt der Entscheidung über die Leistung zur Teilhabe vorliegen. § 116 Abs. 2 Nr. 1 SGB VI findet aber auch dann Anwendung, wenn zunächst eine Leistung zur Teilhabe bewilligt wird und die Durchführung der Leistung aufgrund einer zwischenzeitlich eingetretenen teilweisen beziehungsweise vollen Erwerbsminderung oder Berufsunfähigkeit nicht mehr möglich ist. Maßgebend ist, dass es nicht zur Durchführung der Leistung kommt.

In den Fällen des § 116 Abs. 2 Nr. 2 SGB VI muss die teilweise beziehungsweise volle Erwerbsminderung oder Berufsunfähigkeit spätestens bei Abschluss der Leistung zur Teilhabe vorliegen. Als Abschluss der Leistung ist regelmäßig der Tag der Entlassung (gegebenenfalls auch der Tag der vorzeitigen Entlassung bei Abbruch der Maßnahme) aus der Behandlungsstätte anzusehen.

Unerheblich ist, ob dem Rentenversicherungsträger während des Verfahrens zur Teilhabe oder bei Abschluss der Leistung schon bekannt ist, dass eine teilweise beziehungsweise volle Erwerbsminderung oder Berufsunfähigkeit vorliegt oder ob die Feststellung erst nachträglich getroffen wird. Auch in Fällen, in denen der formularmäßige Rentenantrag und der Antrag auf Leistungen zur Teilhabe zeitlich weit auseinander (mehr als vier Jahre) liegen, spricht, sofern noch nicht über eine Antragsfiktion nach § 116 Abs. 2 SGB VI bescheidmäßig entschieden wurde, nichts gegen eine nachträgliche Rentenantragsfiktion nach § 116 Abs. 2 SGB VI. Es kann hier weder die Einrede der Verjährung (§ 45 SGB I) geltend gemacht werden noch schränkt § 44 Abs. 4 SGB X die Zahlungsdauer der Rentennachzahlung ein. Liegt jedoch eine bindende Entscheidung über eine Rente wegen Erwerbsminderung vor, sind die Korrekturvorschriften des SGB X zu beachten. Die Antragsfiktion kommt jedoch nicht zum Tragen, wenn die teilweise beziehungsweise volle Erwerbsminderung oder Berufsunfähigkeit erst nach Abschluss der Leistung eingetreten ist.

Siehe Beispiel 2

Gestaltungsrechte der Versicherten

Grundsätzlich steht Versicherten das Recht zu, der Rentenantragsfiktion zu widersprechen. Diese Möglichkeit steht den Versicherten bis zur bestandskräftigen Bewilligung der Rente zu. Versicherte können damit bis zu diesem Zeitpunkt ihren als Rentenantrag geltenden Antrag auf Leistungen zur Teilhabe zurücknehmen oder auf die Gewährung von Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung beschränken, obwohl volle Erwerbsminderung vorliegt. Zudem sind Versicherte nicht in ihrer Wahlmöglichkeit eingeschränkt, nach § 42 SGB VI Rente wegen Alters als Vollrente oder als Teilrente in Anspruch zu nehmen.

Das Gestaltungsrecht ist jedoch eingeschränkt, wenn Versicherte aufgefordert worden sind, den Antrag auf Leistungen zur Teilhabe zu stellen. Entsprechendes gilt, wenn Versicherte im Nachhinein bezüglich eines bereits gestellten Antrags auf Leistungen zur Teilhabe oder eines bereits gestellten Rentenantrages in ihren Gestaltungsrechten eingeschränkt wurden. In derartigen Fällen können Versicherte das Gestaltungsrecht nur mit Zustimmung des jeweiligen Leistungsträgers ausüben (entsprechend Urteile des BSG vom 04.06.1981, AZ: 3 RK 50/80, SozR 2200 § 1248 Nr. 33, AZ: 3 RK 32/80, BKK 1982, Seite 117, BSG vom 09.09.1981, AZ: 3 RK 42/80, BKK 1982, Satz 159, und BSG vom 26.06.2008, AZ: B 13 R 141/07 R und BSG vom 26.06.2008, AZ: B 13 R 37/07 R, SozR 4-2500 § 51 Nr. 2). Die Möglichkeit, Versicherte in diesem Zusammenhang in den Gestaltungsrechten wirksam einzuschränken, haben die Krankenkassen (§ 51 SGB V) und die Agenturen für Arbeit gemäß § 145 SGB III (§ 125 SGB III in der Fassung bis 31.03.2012).

Kommen Versicherte der Aufforderung der Krankenkasse nach und stellen einen Antrag auf Leistungen zur Teilhabe bei einem Träger der gesetzlichen Rentenversicherung oder werden sie nach erfolgter Antragstellung von der Krankenkasse bezüglich des bereits gestellten Antrags in ihren Gestaltungsrechten eingeschränkt,

  • ist die Rücknahme des Antrags auf Leistungen zur Teilhabe nur mit Zustimmung der Krankenkasse möglich.
  • können Versicherte einer Antragsfiktion des Antrags auf Leistungen zur Teilhabe in einen Rentenantrag nach § 116 Abs. 2 SGB VI nur mit Zustimmung der Krankenkasse widersprechen.
  • können Versicherte den in einen Rentenantrag umgedeuteten Antrag auf Leistungen zur Teilhabe ohne Zustimmung der Krankenkasse weder vor noch nach der Bescheiderteilung zurücknehmen.
  • können Versicherte ihren Leistungsantrag ohne Zustimmung der Krankenkasse nicht beschränken (Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, obwohl volle Erwerbsminderung vorliegt).

Die Einschränkung des Gestaltungsrechts ist auch dann wirksam, wenn die Versicherten im Zeitpunkt der Aufforderung (noch) nicht arbeitsunfähig waren und/oder (noch) kein Krankengeld bezogen haben.

Stellen Versicherte mit Einverständnis des Leistungsträgers keinen Antrag auf Leistungen zur Teilhabe, sondern einen Antrag auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, sind sie auch hinsichtlich des Rentenantrags in ihren Gestaltungsrechten eingeschränkt. Es gelten dann die obigen Ausführungen entsprechend. Gleiches gilt, wenn Versicherte mit Einverständnis des Leistungsträgers anstelle von Leistungen zur Teilhabe eine Altersrente begehren.

Im Falle eines Altersrentenantrages anstelle eines Antrags auf Leistungen zur Teilhabe sind folgende Besonderheiten zu beachten:

  • Die Versicherten können ohne Zustimmung der Krankenkasse anstelle der Vollrente eine Teilrente wählen (§ 42 SGB VI).
  • Die Versicherten können den mit der Krankenkasse vereinbarten Beginn der Altersrente nur mit Zustimmung der Krankenkasse hinausschieben.
  • Das Verschieben des Zeitpunktes der Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen (vergleiche GRA zu § 99 SGB VI, Abschnitt 2.6), um gegebenenfalls auf Wunsch der Krankenkasse einen früheren Altersrentenbeginn zu erreichen, ist nur mit Zustimmung der Versicherten möglich.

Ist die Krankenkasse bei eingeschränktem Dispositionsrecht mit dem Antrag auf Altersrente oder dem für die Altersrente gewählten Rentenbeginn nicht einverstanden und wünscht unter Umständen einen früheren Rentenbeginn, kann der Rentenversicherungsträger nur die antragsgemäße (wie von den Versicherten gewünschte) Altersrente bewilligen. Die Bewilligung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit kommt nicht in Betracht, da weder ein umdeutungsfähiger Antrag auf Leistungen zur Teilhabe noch ein Antrag auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vorliegt.

Bezüglich der Qualität der Aufforderung beziehungsweise Einschränkung kann der Rentenversicherungsträger nach den Urteilen des BSG vom 26.06.2008, AZ: B 13 R 141/07 R und BSG vom 26.06.2008, AZ: B 13 R 37/07 R, SozR 4-2500 § 51 Nr. 2 nur verlangen, dass die Krankenkasse der materiell-rechtlichen Abgrenzung der Leistungszuständigkeiten Rechnung trägt. Hiervon kann in der Regel ausgegangen werden. Der Rentenversicherungsträger kann nicht fordern, dass die Krankenkasse gegenüber dem Versicherten die Regelungen des Verwaltungsverfahrens einhält, insbesondere das Ermessen zutreffend ausübt. Dies hat zur Folge, dass der Rentenversicherungsträger an die Form und den Inhalt des Verwaltungsaktes keine Anforderungen stellen kann. Er ist an den Bescheid der Krankenkasse gebunden. Allenfalls kann er die Versicherten über die Bedeutung der Einschränkung und die Pflichten der Krankenkasse beraten, auf ihre Möglichkeiten hinweisen und das Verfahren bis zu einer Klärung zwischen den Versicherten und den Krankenkassen ruhen lassen. Die Entscheidung darüber, ob die Versicherten die Möglichkeit zur Disposition haben, trifft ausschließlich die Krankenkasse.

Im Fall einer nachträglichen Einschränkung ist zu beachten, dass

  • die Einschränkung auf den Zeitpunkt des Antrags auf Leistungen zur Teilhabe zurückwirkt. Das heißt die Rente ist, sofern die Krankenkasse darauf besteht, ausgehend vom Antrag auf Leistungen zur Teilhabe zu leisten.
  • die Einschränkung nur für die Anträge gilt, die dem Einschränkungsschreiben konkret zu entnehmen sind.

Siehe Beispiele 3, 4, 5, 6

Beachte:

Haben Versicherte gegenüber dem Rentenversicherungsträger bezüglich der Antragsfiktion bereits disponiert (die Umdeutung abgelehnt oder den späteren Rentenbeginn bestimmt) und schränkt die Krankenkasse erst danach das Gestaltungsrecht rückwirkend ein, sind sie in ihrem Gestaltungsrecht weiterhin nicht eingeschränkt. Dies gilt selbst dann, wenn zum Beispiel noch kein Rentenbescheid erteilt wurde. Auch eine vor der Bescheiderteilung erlangte Kenntnis des Rentenversicherungsträgers von der Aufforderung ist in diesem Fall unbeachtlich. Für die Frage, ob die Versicherten vor der Einschränkung der Krankenkasse disponiert haben, ist auf den Zugang der Dispositionserklärung beim Rentenversicherungsträger abzustellen. Hier reicht zum Beispiel der Eingang der Erklärung in der Poststelle oder der Anruf der Versicherten.

Siehe Beispiel 7

Das Gestaltungsrecht ist ferner eingeschränkt, wenn Versicherte von der Agentur für Arbeit nach § 145 SGB III (§ 125 SGB III in der Fassung bis 31.03.2012) aufgefordert worden sind, den Antrag auf Leistungen zur Teilhabe zu stellen. Insoweit ergeben sich die gleichen Rechtsfolgen wie im Rahmen des § 51 SGB V.

Diese Rechtsfolgen sind in entsprechender Anwendung auch bei § 5 SGB II zu beachten (vergleiche auch GRA zu § 99 SGB VI, Abschnitt 2.7).

Beachte:

Entscheidend für die oben angeführten Rechtsfolgen ist jedoch, dass der Rentenversicherungsträger spätestens am Tag vor der Bescheiderteilung (Datum des Rentenbescheides oder Rücknahmebestätigung) Kenntnis von der Einschränkung hat. Entscheidend ist der Eingang der Information beim zuständigen Rentenversicherungsträger. Hier reicht zum Beispiel der Eingang des Schreibens der Krankenkasse in der Poststelle oder der Anruf der Krankenkasse. Hat der Rentenversicherungsträger am Tag vor der Bescheiderteilung von einer Einschränkung des Gestaltungsrechts keine Kenntnis, kann er davon ausgehen, dass die Versicherten in ihrer Dispositionsbefugnis frei sind. Eine Korrektur des Bescheides (auch der Rücknahmebestätigung) gegen den Willen der Versicherten kommt in diesen Fällen nicht in Betracht. ‘Kenntnis’ von der Einschränkung ist gegeben, wenn dem Akteninhalt entsprechende Hinweise (zum Beispiel über die Angabe im Antrag auf Leistungen zur Teilhabe beziehungsweise im Rentenantrag oder auf der Erstattungsmeldung der Krankenkasse) zu entnehmen sind. Das Vorliegen des Aufforderungs- beziehungsweise Einschränkungsschreibens ist nur in Zweifelsfällen (zum Beispiel bei Vorliegen mehrerer Anträge, um festzustellen, ob für alle Anträge eine Einschränkung durch die Krankenkassen ausgesprochen wurde) erforderlich. Ist aus dem Akteninhalt eine Einschränkung des Dispositionsrechts der Versicherten nicht ersichtlich, ist diesbezüglich keine gezielte Rückfrage bei der Krankenkasse zu halten. Nach der ausdrücklichen Bestätigung des BSG ist die Benachrichtigung des Rentenversicherungsträgers über die Einschränkung des Gestaltungsrechts Aufgabe der Krankenkassen (so Urteil des BSG vom 26.06.2008, AZ: B 13 R 37/07 R, Randnummer 32, SozR 4-2500 § 51 Nr. 2).

Siehe Beispiel 8

Die Einschränkung des Gestaltungsrechts ist jedoch nicht allumfassend. In keinem Falle kann eine Einschränkung des Gestaltungsrechts der Versicherten dahingehend angenommen werden, dass es ihnen verwehrt sein sollte, von ihrem Recht Gebrauch zu machen, die Rechtmäßigkeit einer Verwaltungsentscheidung (zum Beispiel Widerspruch gegen eine Ablehnung des Antrages auf Leistungen zur Teilhabe) außergerichtlich und gerichtlich überprüfen zu lassen. Dies stellt weder eine Rücknahme des vorangegangenen Antrags noch einen Verzicht auf das Recht der Rentenantragsfiktion dar (vergleiche LSG Nordrhein-Westfalen vom 11.11.1999, AZ: L 16 KR 18/99, Rz 32).

Nach Maßgabe der Rechtssprechung des BSG haben die Rentenversicherungsträger zu den Dispositionsrechten der Versicherten Grundsätze entwickelt. Diese finden sinngemäß auch auf § 145 SGB III Anwendung. Die Grundsätze wurden und werden unter Berücksichtigung der aktuellen rechtlichen Vorschriften und der weiteren Rechtsprechung kontinuierlich angepasst. Die aktuellen „Grundsätze der Rentenversicherungsträger zum Dispositionsrecht des Versicherten“ sind der Anlage 1 der GRA zu entnehmen.

Antragsfiktion bei Tod der Versicherten

Die Rentenantragsfiktion tritt auch dann ein, wenn teilweise beziehungsweise voll erwerbsgeminderte oder berufsunfähige Versicherte im Laufe des Verwaltungsverfahrens (vor der Entscheidung beziehungsweise vor Antritt der bewilligten Leistung) oder während der Leistung verstorben sind. Es kommt nicht darauf an, ob die Erwerbsminderung erst aufgrund einer Verschlimmerung des Einweisungsleidens oder hinzugetretener Leiden vorgelegen hat oder aber aufgrund rückschauender Betrachtungsweise festgestellt wird. Ist die Todesursache auf einen Unfall oder Freitod zurückzuführen, tritt eine Antragsfiktion regelmäßig nur ein, wenn der Unfall oder Freitod mit dem Einweisungsleiden (zum Beispiel psychische Erkrankung) zusammenhängt.

In den Fällen des Ablebens der Versicherten wird unterstellt, dass diese, wären sie nicht verstorben, einer Antragsfiktion nicht widersprochen hätten (vergleiche Abschnitt 4.4).

Widersprechen die Rechtsnachfolger jedoch der Rentenantragsfiktion, sind sie hierzu - sofern die Versicherten nicht in ihren Gestaltungsrechten eingeschränkt waren (vergleiche Abschnitt 4.4) - berechtigt. Ein bereits erteilter Bescheid wäre danach wegen des fehlenden - für das Verfahren aber erforderlichen - Rentenantrages (§ 115 Abs. 1 SGB VI) aufzuheben.

Antragsfiktion bei Altersrente

Obwohl die Antragsfiktion des § 116 Abs. 2 SGB VI direkt nur zu einem Verfahren auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit führen kann, kommt bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen auch die Bewilligung einer Altersrente in Betracht. Denn der sich über die Antragsfiktion ergebende Antrag auf Rente wegen Erwerbsminderung ist wie jeder ‘normale’ Antrag auf Rente wegen Erwerbsminderung zu behandeln und kann insoweit im Rahmen des möglichen Gestaltungsrechts vom Versicherten in einen Antrag auf Altersrente umgewandelt werden. Versicherte sind damit über die für sie günstigste Gestaltungsmöglichkeit zu informieren.

Haben Versicherte Übergangsgeld erhalten und ist rückwirkend eine Altersrente zu leisten, ist § 116 Abs. 3 SGB VI entsprechend auch für die Altersrente anzuwenden. Die bisherige Auffassung, nach der das Übergangsgeld im Hinblick auf § 72 SGB IX (§ 52 SGB IX in der Fassung bis 31.12.2017) rückwirkend neu festzustellen ist, wurde zwischenzeitlich aufgegeben.

Zuständigkeit

Die Zuständigkeit für die Rentenantragsfiktion richtet sich nach § 126 SGB VI.

Der hiernach für den Rentenanspruch zuständige Rentenversicherungsträger muss auch entscheiden, ob die Voraussetzungen für die Antragsfiktion vorliegen. Maßgebend sind die Verhältnisse zum Zeitpunkt des Antrags auf Leistungen zur Teilhabe. Dies gilt auch dann, wenn ein anderer Rentenversicherungsträger die Leistung zur Teilhabe durchgeführt hat.

Der für das Rentenverfahren zuständige Rentenversicherungsträger (zum Beispiel Zuständigkeit nach über- und zwischenstaatlichem Recht) ist jedoch an die Feststellung über die Leistungsfähigkeit des Versicherten gebunden, wenn der für Leistungen zur Teilhabe zuständige Träger der Rentenversicherung entschieden hat, dass der Versicherte vermindert erwerbsfähig ist und ein Erfolg von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben nicht zu erwarten ist (§ 116 Abs. 2 Nr. 1 SGB VI), vergleiche AGEM 1/2007, TOP 6.

Ist hingegen im Sinne des § 116 Abs. 2 Nr. 2 SGB VI eine Leistung zur Teilhabe erfolglos durchgeführt worden, hat der für das Rehabilitationsverfahren zuständige Rentenversicherungsträger von einer Entscheidung über das Vorliegen von Erwerbsminderung und über die Rentenantragsfiktion nach § 116 Abs. 2 Nr. 2 SGB VI abzusehen. Diese Entscheidungen hat stets der für die Rentenbewilligung zuständige Rentenversicherungsträger zu treffen, vergleiche AGEM 1/2007, TOP 6.

Datum der rechtswirksamen Antragstellung

Maßgebend ist die erstmalige Entgegennahme der Willenserklärung der Versicherten zur Durchführung von Leistungen zur Teilhabe durch eine in § 16 SGB I bezeichnete Stelle (vergleiche GRA zu § 16 SGB I). Der Antrag kann formlos, auch mündlich, gestellt werden.

  • Wird der Antrag auf Rehabilitation über die gesetzliche Krankenkasse eingereicht, liegt eine wirksame Rentenantragstellung im Sinne des § 16 SGB I immer dann vor, wenn der Antrag einen Eingangsstempel der Krankenkasse enthält. Verwendet die Krankenkasse im Rahmen der elektronischen Bearbeitung keinen Eingangsstempel, ist das Scandatum (in der Fußzeile) auf dem Antragsformular maßgeblich. Enthält der Antrag auf Rehabilitation weder einen Eingangsstempel noch ein Scandatum der gesetzlichen Krankenkasse, liegt ein rechtswirksamer Antrag mit der Bestätigung der Angaben durch die gesetzliche Krankenkasse nur dann vor, wenn das vom Versicherten angegebene Datum vor dem Datum der Bestätigung der gesetzlichen Krankenkasse liegt oder es mit ihm zeitgleich ist. Etwas anderes kann nur gelten, wenn die gesetzliche Krankenkasse im Einzelfall von sich aus darlegt und nachweist, dass bereits zu einem früheren Zeitpunkt eine (insbesondere mündliche) Antragstellung erfolgte. Als Nachweis kann zum Beispiel ein entsprechender Gesprächsvermerk aus den Akten der gesetzlichen Krankenversicherung dienen.
  • Wird auf Veranlassung der Agentur für Arbeit beim Rentenversicherungsträger ein Antrag auf Leistungen zur Teilhabe gestellt, gilt Kraft der gesetzlichen Fiktion des § 145 Abs. 2 S. 2 SGB III (§ 125 Abs. 2 S. 2 SGB III in der Fassung bis 31.03.2012) der Zeitpunkt des Antrages auf Arbeitslosengeld als Datum des Antrags auf Leistungen zur Teilhabe, wenn der Antrag auf Leistungen zur Teilhabe innerhalb eines Monats nach der Aufforderung gestellt wird und die Versicherten bei Beantragung des Arbeitslosengeldes bereits vermindert erwerbsfähig (Leistungsvermögen von unter drei Stunden täglich) waren.
  • Die Umdeutung in einen Rentenantrag ist nach § 116 Abs. 2 SGB VI auch dann vorzunehmen, wenn aufgrund eines bei der Agentur für Arbeit gestellten Antrages auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben dieser zunächst an den Rentenversicherungsträger zur Prüfung nach § 11 Abs. 2a Nr. 1 SGB VI abgegeben wird, der Rentenversicherungsträger aber eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation gewährt und sich nachträglich herausstellt, dass bereits seit der ersten Antragstellung die Erwerbsminderung vorgelegen hat.
  • Wird in Fällen der Anschlussrehabilitation (AHB) die Willenserklärung durch das mit der vorherigen Krankenbehandlung befasste Krankenhaus entgegengenommen (vergleiche GRA zu § 15 SGB VI), gilt als maßgeblicher Zeitpunkt für den Antrag auf Leistungen zur Teilhabe das Datum der Bestätigung des Krankenhauses auf dem Antragsformular (G0250). Gemeindeeigene Krankenhäuser gelten hierbei als Stellen, die nach § 16 SGB I zur Entgegennahme von Anträgen auf Sozialleistungen berechtigt sind. Krankenhäuser anderer Träger (beispielsweise Uni-Kliniken, Kreiskrankenhäuser, Krankenhäuser privater Träger) sind durch die Einbeziehung in das AHB-Verfahren zur Entgegennahme des Antrages auf Leistungen zur Teilhabe durch den Rentenversicherungsträger ermächtigt worden.
    Wird die Willenserklärung nicht durch das mit der vorherigen Krankenbehandlung befasste Krankenhaus entgegengenommen oder enthält der Antrag auf AHB keine Bestätigung des Krankenhauses, ist für die Rentenantragsfiktion der Eingang des Antrags auf AHB beim Rentenversicherungsträger maßgebend.
  • Hat die Arbeitsgemeinschaft zur Krebsbekämpfung im Lande Nordrhein-Westfalen (ARGE) den Antrag entgegengenommen, ist dieser Zeitpunkt das Datum des Antrags auf Leistungen zur Teilhabe. Die ARGE führt die Leistungen zur Teilhabe im Auftrage der Rentenversicherung durch, sodass ein dort gestellter Antrag auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation bei Zuständigkeit der Deutschen Rentenversicherung auf Leistungen aus der allgemeinen Rentenversicherung gerichtet ist.
  • Nach dem ersten maßgebenden Antrag auf Leistungen zur Teilhabe gestellte (weitere) Anträge auf Leistungen zur Teilhabe oder Rentenanträge haben grundsätzlich keine Bedeutung mehr für den Rentenbeginn. Dies gilt insbesondere für das Eingangsdatum des Rentenantragsvordrucks oder für einen nach Beginn des Teilhabeverfahrens gestellten Rentenantrag. Die später gestellten Anträge sind nur dann bedeutsam, wenn der Versicherte aufgrund eines ihm zustehenden Gestaltungsrechts (vergleiche Abschnitt 4.4) einer Fiktion des ersten Antrags auf Leistungen zur Teilhabe als Rentenantrag widerspricht.

Beanstandung durch die Krankenkasse

Im Hinblick auf die Regelungen des § 116 Abs. 2 SGB VI sowie den daraus resultierenden Erstattungsansprüchen nach § 103 SGB X beanstanden Krankenkassen in Einzelfällen die Feststellungen der Rentenversicherungsträger, zum Beispiel den Zeitpunkt des Eintritts der Erwerbsminderung.

Hinsichtlich der Überprüfung von Entscheidungen durch die Rentenversicherungsträger bei Einwänden der Krankenkassen wird auf die Aussagen entsprechend der GRA zu § 107 SGB X, Abschnitt 2.3 verwiesen.

Bezüglich der Beteiligung von Krankenkassen und deren Anträge auf Hinzuziehung vergleiche GRA zu § 12 SGB X, Abschnitt 3.

Erscheinen der Krankenkasse die Bewilligung einer Zeitrente und/oder der Zeitpunkt des Rentenbeginns nicht plausibel, muss sie schriftlich im Einzelfall schlüssig darlegen, für welche ihrer gesetzlichen Aufgaben die Angaben erforderlich sind. Dazu reicht es aus, wenn die Krankenkasse darauf hinweist, dass sie in dem fraglichen Zeitraum Krankengeld gezahlt hat und die Auskunft des Rentenversicherungsträgers zur Prüfung des Umfangs des Erstattungsanspruchs benötigt wird.

Erfüllungsfiktion (Absatz 3)

Nach Absatz 3 gilt der Anspruch auf eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit bis zur Höhe eines während einer Leistung zur Teilhabe gezahlten Übergangsgeldes als erfüllt, wenn nachträglich (rückwirkend) für denselben Zeitraum der Rentenanspruch anerkannt wird.

Die Erfüllungsfiktion findet danach Anwendung, wenn

  • im Rahmen des Grundsatzes ‘Reha vor Rente’ eine befristete Rente vor Durchführung der Leistung zur Teilhabe zunächst nicht bewilligt wurde (vergleiche Abschnitt 3) oder
  • der Antrag auf Leistungen zur Teilhabe nach einer erfolglos durchgeführten Leistung gemäß § 116 Abs. 2 Nr. 2 SGB VI in einen Rentenantrag umgedeutet wird (vergleiche Abschnitt 4).

Ausgeschlossen ist die Erfüllungsfiktion in jedem Falle im Rahmen einer laufenden Rentenzahlung. Sie kann allenfalls für den Nachzahlungszeitraum in Betracht kommen. Eine laufende Berücksichtigung des Übergangsgeldes kann nur über § 96a SGB VI erfolgen. Ist eine Anrechnung nach § 96a SGB VI nicht möglich, ist die Rente auf das Übergangsgeld nach § 72 SGB IX (§ 52 SGB IX in der Fassung bis 31.12.2017) anzurechnen.

Ein Erstattungsanspruch des Trägers der Leistung zur Teilhabe besteht in Fällen des § 116 Abs. 3 SGB VI nicht.

Die Erfüllungsfiktion gilt auch, wenn das Übergangsgeld von einem anderen Leistungsträger (zum Beispiel der Agentur für Arbeit) gezahlt wurde.

Maßgeblich für den Vergleich von Rente und Übergangsgeld sind die jeweiligen Leistungen vor Abzug der Kranken-/Pflegeversicherung beziehungsweise der KVdR sowie vor Abzug des Beitragszuschlags für Kinderlose nach § 55 Abs. 3 SGB XI, aber nach einem möglichen Ruhen (§§ 93, 96a SGB VI).

Enthält die Rente Steigerungsbeträge aus der Höherversicherung, einen Auffüllbetrag, einen Rentenzuschlag oder statische Anpassungsbeträge nach §§ 33, 35 VersAusglG, gelten diese Ansprüche durch ein gezahltes Übergangsgeld gleichfalls als erfüllt.

Von der Erfüllungsfiktion wird auch das Übergangsgeld in Höhe des Arbeitslosengeldes II erfasst. Maßgebend ist das erstattete Arbeitslosengeld II ohne die Beiträge zur Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung.

Die Berechnung der entsprechenden Beitragsanteile zur KVdR und Pflegeversicherung sowie dem Beitragszuschlag für Kinderlose nach § 55 Abs. 3 SGB XI ist von einem gegebenenfalls vorhandenen Restbetrag der Rente vorzunehmen, da anlässlich der Zahlung von Übergangsgeld (mit Ausnahme beim Arbeitslosengeld II - diesbezüglich ergeben sich aber keine Besonderheiten) bereits Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung beziehungsweise ein Beitragszuschlag für Kinderlose nach § 55 Abs. 3 SGB XI abgeführt wurden.

§ 116 Abs. 3 SGB VI ist im Verhältnis zu § 96a SGB VI die Spezialnorm und aus diesem Grund vorrangig anzuwenden. Gilt ein Rentenanspruch im Wege der Erfüllungsfiktion als erfüllt, gibt es keinen Anspruch, auf den ein Hinzuverdienst angerechnet werden kann. Führte das gezahlte Übergangsgeld folglich bereits zu einer Erfüllungsfiktion, ist eine (zusätzliche) Anwendung der §§ 96a Abs. 3, 313 SGB VI hinsichtlich des Übergangsgeldes auf einen verbliebenen Rentenbetrag nicht mehr vorzunehmen.

Nach § 116 Abs. 3 S. 2 SGB VI kann der den Rentenanspruch übersteigende Teil des Übergangsgeldes nicht zurückgefordert werden. Es ist mithin keine Neufeststellung des Übergangsgeldes vorzunehmen.

Zur Erfüllungsfiktion im Rahmen der Altersrente vergleiche Abschnitt 4.6.

Ist die Höhe des nach § 116 Abs. 3 SGB VI bei der Rentenberechnung berücksichtigten Übergangsgeldes neu festzustellen, ist der Rentenbescheid zu korrigieren, wenn sich die Änderung auf die Rentenhöhe auswirkt.

Es ist nicht zulässig, zum Beispiel einen überzahlten Rentenbetrag gegen nachzuzahlendes Übergangsgeld aufzurechnen, ohne dass zuvor ein entsprechender Rentenbescheid erteilt wurde.

Die Bescheide zum Übergangsgeld und zur Rentenbewilligung sind nach den Vorschriften der §§ 44 SGB X ff.zu korrigieren.

Feststellung der Erwerbsminderung nach § 145 SGB III bei Personen ohne Anspruch auf Erwerbsminderungsrente

Die Rentenversicherungsträger haben die Erwerbsminderung nach § 145 SGB III auch dann zu prüfen, wenn die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Erwerbsminderungsrente nicht erfüllt sind oder die arbeitslose Person nicht in der gesetzlichen Rentenversicherung versichert ist (AGEM 3/2017, TOP 3.1).

Beispiel 1: Antragsfiktion bei Weitergabe an den zuständigen Träger

(Beispiel zu Abschnitt 4.1)

Beim Rentenversicherungsträger geht eine Verordnung des niedergelassenen Haus- beziehungsweise Facharztes für therapeutische medizinische Leistungen ein. Verordnungen haben regelmäßig eine Leistung der Krankenversorgung im Sinne des SGB V (zum Beispiel Krankengymnastik, ambulante Psychotherapie) zum Ziel, die für sich allein keine Leistungen zur Teilhabe im Sinne des SGB IX darstellen. Die Verordnung war daher an die zuständige gesetzliche Krankenkasse weiter- beziehungsweise zurückzugeben (keine qualifizierte Weiterleitung nach § 14 SGB IX).

Lösung:

Eine Antragsfiktion kommt nicht in Betracht, da es sich lediglich um ein Weiterreichen beziehungsweise eine Weitergabe von Unterlagen ohne konkrete Verfahrensbeteiligung des Rentenversicherungsträgers (Prüfung der Leistungsvoraussetzungen) handelt.

Beispiel 2: Antrag auf Leistungen zur Teilhabe und formularmäßiger Rentenantrag liegen zeitlich weit auseinander

(Beispiel zu Abschnitt 4.3)

Rentenantrag vom 12.12.2012

Antrag auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation am 28.05.2004

Leistungen zur medizinischen Rehabilitation vom 01.09.2004 bis 13.10.2004

Der Entlassungsbericht der Leistung zur medizinischen Rehabilitation wurde zeitnah ausgewertet. Die Prüfung des § 116 Abs. 2 Nr. 2 SGB VI ergab, dass eine weitere (ambulante) Behandlungen der psychischen Erkrankung notwendig, aber auch ausreichend sei. Nach Einschätzung des sozialmedizinischen Dienstes war eine vollschichtige Erwerbstätigkeit möglich.

Aufgrund des Rentenantrages vom 12.12.2012 rückwirkende Feststellung, dass volle Erwerbsminderung auf Dauer seit 28.05.2004 vorliegt.

Lösung:

Bei Abschluss der Leistung lag volle Erwerbsminderung vor, sodass die Voraussetzungen des § 116 Abs. 2 Nr. 2 SGB VI erfüllt sind. Der Antrag auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation vom 28.05.2004 gilt damit als Rentenantrag.

Beispiel 3: Einschränkung des Gestaltungsrechts

(Beispiel zu Abschnitt 4.4)

Der Antrag auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation wurde am 30.06.2009 gestellt.

Leistungen zur medizinischen Rehabilitation wurden durchgeführt vom 14.07.2009 bis 01.08.2009.

Aufgrund des nach der Rehabilitation festgestellten Leistungsvermögens erfolgte keine Umdeutung in einen Rentenantrag.

Ein erneuter Antrag auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation wurde gestellt am 09.02.2010.

Leistungen zur medizinischen Rehabilitation wurden durchgeführt vom 16.02.2010 bis 06.03.2010.

Die Einschränkung des Gestaltungsrechts durch die Krankenkasse bezüglich des am 09.02.2010 gestellten Antrags erfolgte am 09.03.2010.

Das Schreiben zur Umdeutung und Übersendung von Antragsvordrucken wurde dem Versicherten am 24.03.2010 übersandt.

Die Übersendung der Formanträge durch den Versicherten erfolgte am 03.04.2010.

Die Erstattungsmeldung der Krankenkasse mit dem Hinweis auf § 51 SGB V geht ein am 06.04.2010.

Rückwirkende Feststellung, dass volle Erwerbsminderung auf Dauer seit 20.02.2009 vorliegt

Lösung:

Der Versicherte kann hinsichtlich des Antrags auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation vom 30.06.2009 frei disponieren. Bezüglich des Antrags vom 09.02.2010 ist der Versicherte in seinen Gestaltungsrechten eingeschränkt. Lehnt er eine Umdeutung des Antrags vom 09.02.2010 ab, ist die Zustimmung der Krankenkasse notwendig. Stimmt diese der Disposition des Versicherten nicht zu, ist die Rente wegen voller Erwerbsminderung bereits ab dem 01.02.2010 zu leisten. Die Umdeutung des Antrags vom 30.06.2009 gegen den Willen des Versicherten kann nicht erfolgen, da die Krankenkasse ihn nur hinsichtlich seines Antrags vom 09.02.2010 in seinem Gestaltungsrecht eingeschränkt hat.

Beispiel 4: Einschränkung des Gestaltungsrechts

(Beispiel zu Abschnitt 4.4)

Antrag auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation am 30.06.2009

Leistungen zur medizinischen Rehabilitation vom 14.07.2009 bis 01.08.2009

Aufgrund des nach der Rehabilitation festgestellten Leistungsvermögens erfolgte keine Umdeutung in einen Rentenantrag.

Erneuter Antrag auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation am 09.02.2010

Leistungen zur medizinischen Rehabilitation vom 16.02.2010 bis 06.03.2010

(Pauschale) Einschränkung des Gestaltungsrechts durch die Krankenkasse (ohne konkrete Nennung eines Antrags oder beider Anträge auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation) am 09.03.2010

Schreiben zur Umdeutung und Übersendung von Antragsvordrucken an den Versicherten am 24.03.2010

Übersendung der Formanträge durch den Versicherten am 03.04.2010

Erstattungsmeldung der Krankenkasse mit dem Hinweis auf § 51 SGB V geht ein am 06.04.2010

Rückwirkende Feststellung, dass volle Erwerbsminderung auf Dauer seit 20.02.2009 vorliegt.

Lösung:

Der Versicherte kann hinsichtlich des Antrags auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation vom 30.06.2009 frei disponieren. Bezüglich des Antrags vom 09.02.2010 ist der Versicherte in seinen Gestaltungsrechten eingeschränkt. Lehnt der Versicherte eine Umdeutung des Antrags vom 09.02.2010 ab, ist die Zustimmung der Krankenkasse notwendig. Stimmt diese der Disposition des Versicherten nicht zu, ist die Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 01.02.2010 zu leisten. Die Umdeutung des Antrags vom 30.06.2009 gegen den Willen des Versicherten kann nicht erfolgen, weil die Krankenkasse ihn hinsichtlich dieses Antrags nicht konkret in seinem Gestaltungsrecht eingeschränkt hat. Da dem Einschränkungsschreiben kein spezieller Rehabilitationsantrag zu entnehmen ist, gilt die Einschränkung nur für den Antrag, der mit der Einschränkung im zeitlichen Zusammenhang steht.

Beispiel 5: Einschränkung des Gestaltungsrechts

(Beispiel zu Abschnitt 4.4)

Antrag auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation am 30.06.2009

Leistungen zur medizinischen Rehabilitation vom 14.07.2009 bis 01.08.2009

Aufgrund des nach der Rehabilitation festgestellten Leistungsvermögens erfolgte keine Umdeutung in einen Rentenantrag.

Erneuter Antrag auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation am 09.02.2010

Leistungen zur medizinischen Rehabilitation werden durchgeführt vom 16.02.2010 bis 06.03.2010

Schreiben zur Umdeutung und Übersendung von Antragsvordrucken an den Versicherten am 24.03.2010

Übersendung der Formanträge durch den Versicherten (ohne weitere Disposition) am 03.04.2010

Einschränkung des Gestaltungsrechts durch die Krankenkasse bezüglich beider Anträge auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation am 06.04.2010

Rückwirkende Feststellung, dass volle Erwerbsminderung auf Dauer seit 20.02.2009 vorliegt.

Lösung:

Der Versicherte ist hinsichtlich beider Anträge im Gestaltungsrecht eingeschränkt. Lehnt er eine Umdeutung der Anträge in einen Rentenantrag ab, ist die Zustimmung der Krankenkasse notwendig. Stimmt die Krankenkasse einer solchen Disposition des Versicherten nicht zu, ist die Rente wegen voller Erwerbsminderung bereits ab dem 01.06.2009 zu leisten.

Beispiel 6: Einschränkung des Gestaltungsrechts

(Beispiel zu Abschnitt 4.4)

Antrag auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation am 30.06.2009

Leistungen zur medizinischen Rehabilitation vom 14.07.2009 bis 01.08.2009

Aufgrund des nach der Rehabilitation festgestellten Leistungsvermögens erfolgte keine Umdeutung in einen Rentenantrag.

Rentenantrag 09.02.2010

Einschränkung des Gestaltungsrechts durch die Krankenkasse bezüglich des Rentenantrags am 11.03.2010

Erstattungsmeldung der Krankenkasse mit dem Hinweis auf § 51 SGB V geht ein am 06.04.2010

Rückwirkende Feststellung, dass volle Erwerbsminderung auf Dauer seit 20.02.2009 vorliegt.

Lösung:

Der Versicherte kann hinsichtlich des Antrags auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation vom 30.06.2009 frei disponieren. Bezüglich des Rentenantrags von 09.02.2010 ist er in seinen Gestaltungsrechten eingeschränkt.

Beispiel 7: Einschränkung des Gestaltungsrechts bei bereits erfolgter Disposition

(Beispiel zu Abschnitt 4.4)

Antrag auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation am 30.06.2009

Leistungen zur medizinischen Rehabilitation vom 14.07.2009 bis 01.08.2009

Die Umdeutung des Antrags vom 30.06.2009 in einen Rentenantrag ist erfolgt. Der Versicherte hat mit Schreiben vom 20.10.2009 die Bewilligung einer Rente abgelehnt.

Erneuter Antrag auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation am 09.02.2010

Leistungen zur medizinischen Rehabilitation werden durchgeführt vom 16.02.2010 bis 06.03.2010

Schreiben zur Umdeutung und Übersendung von Antragsvordrucken an den Versicherten am 24.03.2010

Übersendung der Formanträge durch den Versicherten (ohne weitere Disposition) am 03.04.2010

Einschränkung des Gestaltungsrechts durch die Krankenkasse bezüglich beider Anträge auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation am 06.04.2010

Rückwirkende Feststellung, dass volle Erwerbsminderung auf Dauer seit 20.01.2009 vorliegt.

Lösung:

Die Einschränkung der Krankenkasse entfaltet Wirkung nur für den zweiten Antrag auf Leistung zur medizinischen Rehabilitation vom 09.02.2010. Lehnt der Versicherte eine Umdeutung dieses Antrags in einen Rentenantrag ab, ist die Zustimmung der Krankenkasse notwendig. Stimmt die Krankenkasse einer solchen Disposition des Versicherten nicht zu, ist die Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 01.02.2010 zu leisten. Die Umdeutung des ersten Antrags auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation vom 30.06.2009 gegen den Willen des Versicherten kann nicht erfolgen, da er mit Schreiben vom 20.10.2009 sein Gestaltungsrecht hinsichtlich seines ersten Antrags bereits wirksam, das heißt noch vor der Einschränkung durch die Krankenkasse am 06.04.2010, ausgeübt hat.

Beispiel 8: Einschränkung des Gestaltungsrechts - Rentenversicherungsträger hat von der Einschränkung vor Bescheiderteilung keine Kenntnis

(Beispiel zu Abschnitt 4.4)

Der Antrag auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation wurde gestellt am 23.06.2009.

Eine Einschränkung des Gestaltungsrechts durch die Krankenkasse bezüglich des am 23.06.2009 gestellten Antrags erfolgte am 29.06.2009.

Weder die Versicherte noch die Krankenkasse setzen den Rentenversicherungsträger von der Einschränkung des Gestaltungsrechts in Kenntnis.

Das Schreiben zur Umdeutung und Übersendung von Antragsvordrucken wurde der Versicherten am 06.07.2009 übersandt.

Die Erstattungsmeldung der Krankenkasse ohne Hinweis auf § 51 SGB V geht ein am 13.07.2009.

Die Versicherte teilt mit Schreiben vom 20.07.2009 mit, dass sie keine Rentenzahlung wünscht.

Die Bestätigung der Antragsrücknahme an die Versicherte sowie Information der Krankenkasse erfolgt mit Schreiben vom 30.07.2009.

Die Krankenkasse fordert mit Schreiben vom 12.10.2009 die Bewilligung einer Rente wegen Erwerbsminderung, da die Versicherte mit Schreiben vom 29.06.2009 in den Gestaltungsrechten eingeschränkt wurde.

Fall a)

Die Versicherte bittet im Nachhinein um die Umdeutung und Bewilligung der Rente wegen Erwerbsminderung.

Fall b)

Die Versicherte lehnt die Bewilligung der Rente weiterhin ab.

Lösung:

Fall a)

Der Bescheid über die Bestätigung der Antragsrücknahme ist rechtmäßig. Eine Aufhebung kommt infolgedessen nicht in Betracht. Für die Zahlung einer Rente wegen Erwerbsminderung bedarf es eines neuen Antrags der Versicherten. Ausgehend von diesem (neuen) Antrag ist dann die Rente zu bewilligen.

Fall b)

Die Feststellung einer Rente wegen Erwerbsminderung gegen den Willen der Versicherten ist nicht vorzunehmen, da dem Rentenversicherungsträger bei Bestätigung der Antragsrücknahme eine Einschränkung nicht bekannt war.

Job-AQTIV-Gesetz vom 10.12.2001 (BGBl. I S. 3443)

Inkrafttreten: 01.01.2002

Quelle zum Entwurf: BT-Drucksache 14/6944

Mit dem Job-AQTIV-Gesetz wurde die Überschrift von ‘Besonderheiten bei Rehabilitation’ in ‘Besonderheiten bei Leistungen zur Teilhabe’ geändert. Insoweit trat jedoch keine Rechtsänderung ein; es wurde lediglich ein redaktionelles Versehen im Rahmen des SGB IX beseitigt.

SGB IX vom 19.06.2001 (BGBl. I S. 1046)

Inkrafttreten: 01.07.2001

Quelle zum Entwurf: BT-Drucksachen 14/5074, 14/5800

Mit dem SGB IX vom 19.06.2001 (BGBl. I S. 1046) wurde der Absatz 1 gestrichen. Hintergrund ist, dass der Grundsatz ‘Rehabilitation vor Rente’ ab 01.07.2001 für alle Rehabilitationsträger einheitlich im § 9 SGB IX (§ 8 SGB IX in der Fassung bis 31.12.2017) geregelt ist. Weiterhin wurde der Absatz 2 redaktionell an die neuen Begriffe des SGB IX angepasst.

EM-ReformG vom 20.12.2000 (BGBl. I S. 1827)

Inkrafttreten: 01.01.2001

Quelle zum Entwurf: BT-Drucksache 14/4230

Die Vorschrift in der Fassung des EM-ReformG vom 20.12.2000 (BGBl. I S. 1827) entspricht weitgehend der des RRG 1999. Allerdings wurde § 116 SGB VI um den Absatz 3 ergänzt.

Korrekturgesetz vom 19.12.1998 (BGBl. I S. 3843)
Quelle zum Entwurf: BT-Drucksache 14/45

Durch Artikel 1 § 1 des Korrekturgesetzes vom 19.12.1998 (BGBl. I S. 3843) ist das zum 01.01.2000 vorgesehene Inkrafttreten des § 116 SGB VI in der Fassung des RRG 1999 auf den 01.01.2001 hinausgeschoben worden; § 116 SGB VI in der Fassung des RRG 1999 wäre allerdings nur zum 01.01.2001 in Kraft getreten, wenn bis zu diesem Zeitpunkt durch Gesetz nicht - wie mit dem EM-ReformG geschehen - etwas anderes geregelt worden wäre.

RRG 1999 vom 16.12.1997 (BGBl. I S. 2998)
Quelle zum Entwurf: BT-Drucksache 13/8011

Durch Artikel 1 des Rentenreformgesetzes 1999 (RRG 1999) vom 16.12.1997 (BGBl. I S. 2998) sollten bereits zum 01.01.2000 im Absatz 1 die Sätze 2 und 3 gestrichen werden. Danach würde bei einer Durchführung von Leistungen zur Rehabilitation, die mit einem Anspruch auf Übergangsgeld, Verletztengeld oder Versorgungskrankengeld verbunden sind, sowie bei sonstigen Zeiträumen, in denen eine der oben angeführten Leistungen zu zahlen ist, nicht mehr der Rentenausschluss gelten. Weiterhin wurde Absatz 2 redaktionell an die neuen Erwerbsminderungsrenten angepasst.

RRG 1992 vom 18.12.1989 (BGBl. I S. 2261)

Inkrafttreten: 01.01.1992

Quelle zum Entwurf: BT-Drucksachen 11/4124, 11/4452

Mit § 116 SGB VI wurden die bisherigen Regelungen des § 18d Abs. 2 bis 4 AVG und § 1241d Abs. 2 bis 4 RVO übernommen. Rechtliche Änderungen ergaben sich nur insoweit, als seit dem 01.01.1992 auch sonstige Leistungen zur Rehabilitation (§ 31 Abs. 1 Nr. 2 und 3 SGB VI) zum Rentenausschluss führten, wenn sie einen Anspruch auf Übergangsgeld/Ersatz-Übergangsgeld auslösten.

Anlage 1Grundsätze der Rentenversicherungsträger zum Dispositionsrecht des Versicherten

Zusatzinformationen

Rechtsgrundlage

§ 116 SGB VI