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§ 16 SGB I: Antragstellung

Änderungsdienst
veröffentlicht am

11.11.2019

Änderung

Im Abschnitt 3.1 erfolgte eine Aktualisierung der Träger der Kranken- und Pflegeversicherung. Im Abschnitt 5 erfolgte eine Klarstellung zur Auslegung eines Antrages.

Dokumentdaten
Stand03.03.2017
Erstellungsgrundlage in der Fassung des SGB I vom 11.12.1975 in Kraft getreten am 01.01.1976
Rechtsgrundlage

§ 16 SGB I

Version001.01

Inhalt der Regelung

Nach § 19 SGB IV werden Leistungen der Rentenversicherung grundsätzlich nur auf Antrag erbracht. § 16 SGB I bestimmt, bei welcher Stelle solche Anträge auf Leistungen (das heißt, hier alle Anträge mit sozialrechtlichem Bezug - vergleiche BSG vom 26.11.1985, AZ: 12 RK 41/84) wirksam gestellt werden können. Er regelt nicht, ob ein Antrag formelle oder materielle Voraussetzung für einen Leistungsanspruch ist und in welcher Form und mit welchem Inhalt er zu stellen ist.

Wird eine Leistung bei einer Stelle beantragt, die befugt ist, Leistungsanträge aus der Sozialversicherung entgegenzunehmen, gilt dieser Antrag als zu dem Zeitpunkt gestellt, in dem er bei dieser Stelle eingegangen ist. Dabei kommt es nicht darauf an, ob dieser Antrag mündlich (zur Niederschrift - vergleiche § 84 Abs. 1 SGG), schriftlich oder elektronisch erfolgt. Für eine wirksame Antragstellung ist daher der Zeitpunkt der Antragstellung maßgebend und nicht erst der Antragseingang beim zuständigen Versicherungsträger.

Hinsichtlich der Wirksamkeit eines elektronischen Antrags wird auf die GRA zu § 36a SGB I verwiesen.

Die Beratungspflicht (§ 16 Abs. 3 SGB I) und die Ermittlungspflicht (§ 20 SGB X) entstehen für den zuständigen Träger erst, wenn er von dem Antrag Kenntnis erlangt hat.

Bei Anträgen auf Leistungen zur Rehabilitation kann die rechtswirksame Antragstellung im Sinne des § 16 SGB I im Einzelfall von der wirksamen Antragstellung für den Fristbeginn nach § 14 SGB IX abweichen, vergleiche auch GRA zu § 14 SGB IX, Abschnitt 2.1.

Ergänzende/korrespondierende Regelungen

Die in § 16 SGB I aufgeführte Verpflichtung ist im Zusammenhang zu sehen mit der Pflicht zur Beratung (§ 14 SGB I) und Auskunft (§ 15 SGB I). Diese Vorschriften regeln die Kontaktaufnahme zwischen Verwaltung und Bürgern, die in der Regel die Leistungserbringung durch den Leistungsträger vorbereiten soll. In § 16 SGB I ist die Realisierung der Leistung selbst durch die Antragstellung geregelt.

Zuständige Stellen

Eine wirksame Antragstellung beziehungsweise -entgegennahme ist bei folgenden Stellen möglich:

  • Zuständiger Leistungsträger
    Der Antrag auf eine Sozialleistung ist nach § 16 Abs. 1 S. 1 SGB I grundsätzlich beim zuständigen Leistungsträger zu stellen. Dies ist der Sozialleistungsträger, der über die beantragte Leistung zu entscheiden hat; in der gesetzlichen Rentenversicherung also der nach § 23 SGB I in Verbindung mit §§ 125 ff. SGB VI zuständige Versicherungsträger. Wegen der Funktionseinheit der gesetzlichen Rentenversicherung gilt jedoch auch ein sachlich unzuständiger deutscher Rentenversicherungsträger (Regionalträger, Deutsche Rentenversicherung Bund und Knappschaft-Bahn-See) für Anträge auf Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung als zuständig im Sinne von § 16 Abs. 1 S. 1 SGB I.
  • Außenstellen des zuständigen Leistungsträgers
    Anträge, die bei einer Auskunfts- und Beratungsstelle, beim Prüfbeauftragten oder einer/einem Versichertenältesten/Versichertenberater(in) des zuständigen Rentenversicherungsträgers gestellt werden, sind damit beim zuständigen Leistungsträger gestellt.

Andere Stellen

Anträge werden auch von allen anderen unzuständigen Leistungsträgern, von allen Gemeinden und bei Personen, die sich ständig oder vorübergehend im Ausland aufhalten, auch von den amtlichen Vertretungen der Bundesrepublik Deutschland im Ausland entgegengenommen und sind damit nach § 16 Abs. 1 S. 1 SGB I wirksam gestellt.

Unzuständige Leistungsträger

Dazu gehören insbesondere die Träger der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung (Allgemeine Ortskrankenkassen, Betriebskrankenkassen und Innungskrankenkassen, Ersatzkassen, die Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau als Träger der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung - Landwirtschaftliche Krankenkasse - und Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See als Träger der Kranken- und Pflegeversicherung).

Darüber hinaus sind es auch die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung (Berufsgenossenschaften, Gemeindeunfallversicherungsverbände, Feuerwehr-Unfallkassen sowie die Unfallkasse des Bundes, der Länder und der zu Versicherungsträgern bestimmten Gemeinden) und die Agenturen für Arbeit und sonstigen Dienststellen der Bundesagentur für Arbeit.

Gemeinden

Einzubeziehen sind die kreisangehörigen Gemeinden und kreisfreien Städte, nicht dagegen zum Beispiel Kreisverwaltungen sowie Landes- und Bundesbehörden (vergleiche Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 25.06.1999, AZ: L 3 RJ 39/99). Die bei den Kreisverwaltungen errichteten Versicherungsämter sind ebenfalls für die Entgegennahme von Anträgen zuständig (§ 93 Abs. 2 S. 1 SGB IV). Es ist unerheblich, bei welchem Amt der Gemeinde der Antrag gestellt wird (zum Beispiel Friedhofsamt, Zusatzversorgungskasse einer Stadt). Auch Anträge, die bei den von Gemeinden betriebenen Krankenhäusern gestellt werden, gelten als bei der Gemeinde gestellt (vergleiche BT-Drucksache 7/868). Der Sozialdienst eines Städtischen Krankenhauses, eines Bezirkskrankenhauses beziehungsweise eines Krankenhauses eines anderen Sozialleistungsträgers ist befugt, rechtswirksam Anträge auf Sozialleistungen entgegenzunehmen. Krankenhäuser, die in kirchlicher oder privater Trägerschaft - zum Beispiel als GmbH oder in der Trägerschaft eines Landes - geführt werden, sind nicht berechtigt, Anträge entgegenzunehmen. Besonderheiten liegen hier im Rahmen von Anschlussheilbehandlungen vor (vergleiche GRA zu § 116 SGB VI).

Erstattungsberechtigte Sozialhilfeträger, die von ihrem eigenständigen Antragsrecht nach § 95 SGB XII (bis 31.12.2004: § 91a BSHG) Gebrauch machen, können nach dem Urteil des BSG vom 26.01.2000, AZ: B 13 RJ 37/98 R, SozR 3-5910 § 91a Nr. 7, wirksam einen Antrag bei derselben Körperschaft (Versicherungsamt/Gemeinde) stellen, der sie angehören. Demnach ist ein Rentenantrag schon dann wirksam gestellt worden, wenn ihn das Versicherungsamt einer Gebietskörperschaft vom Sozialamt derselben Gebietskörperschaft entgegengenommen hat.

Für den zuständigen Versicherungsträger muss dabei aber erkennbar sein, wann, mit welchem Ziel und von wem beziehungsweise für wen ein Antrag auf Leistungen aus der Sozialversicherung beim Versicherungsamt gestellt worden ist.

Deshalb ist es im Hinblick auf die „Außenwirkung“ des Antrags erforderlich, dass der Antragseingang beim Versicherungsamt ordnungsgemäß dokumentiert worden ist. Eine zum Beispiel bloße Verschiebung von Akten innerhalb der Gemeindeverwaltung oder gar nur ein Aktenvermerk in der Sozialamtsakte kann diesen Anforderungen nicht genügen.

Amtliche Vertretungen der Bundesrepublik Deutschland im Ausland

Zu den amtlichen Vertretungen der Bundesrepublik Deutschland im Ausland gehören Botschaften, Gesandtschaften, Konsulate, aber auch amtliche deutsche Vertretungen bei Internationalen Gemeinschaften und Handelsvertretungen (BSG vom 02.02.1972, AZ: 12/11 RA 62/70).

Zuständige ausländische Stellen

Innerhalb der EU/EWR-Staaten oder in Staaten, mit denen die Bundesrepublik Deutschland ein Sozialversicherungsabkommen geschlossen hat, kann ein Leistungsantrag regelmäßig auch bei den Stellen des anderen Staates gestellt werden, die dort für die Entgegennahme der Anträge auf Leistungen der eigenen Rentenversicherung zuständig sind.

Wird ein im Ausland lebender Antragsteller vom persönlichen Geltungsbereich der EWG-VOen beziehungsweise einem Sozialversicherungsabkommen erfasst, hat er Rente grundsätzlich beim zuständigen Rentenversicherungsträger des Wohnstaates zu beantragen (§ 127 SGB VI). Dabei sind aber mögliche Sonderregelungen in den EWG-VOen oder in den einzelnen Sozialversicherungsabkommen zu beachten.

Servicestellen nach § 23 SGB IX

Mit der Einführung des SGB IX sind für Angelegenheiten der Leistungen zur Teilhabe Servicestellen eingerichtet worden (siehe §§ 22, 23 SGB IX). Diese können Anträge auf Leistungen zur Teilhabe aufnehmen. Derartige Anträge können aber weiterhin auch von den in § 16 Abs. 1 SGB I genannten Stellen aufgenommen werden.

Für die in § 6 SGB IX genannten Rehabilitationsträger gilt das Verfahren nach § 14 SGB IX.

Antragstellung beim unzuständigen Rentenversicherungsträger

Der Rentenversicherungsträger hat gegebenenfalls auch Sozialleistungsanträge entgegenzunehmen, für die Leistungsträger anderer Sozialleistungsbereiche zuständig sind. Solche Anträge sind von ihm - gegebenenfalls nachdem er den zuständigen Leistungsträger ermittelt hat - unverzüglich an diesen abzugeben, wovon der Antragsteller zu unterrichten ist (§ 16 Abs. 2 S. 1 SGB I). Wegen der Anträge auf Leistungen zur Teilhabe bei Servicestellen und dem besonderen Verfahren siehe Abschnitt 3.5.

Unverzüglich weiterzuleiten sind auch Anträge auf Leistungen, für die der Rentenversicherungsträger eines anderen EU/EWR-Staates beziehungsweise eines Staates, mit dem die Bundesrepublik Deutschland ein Sozialversicherungsabkommen geschlossen hat, zuständig ist. Hierfür ist der Antrag an die zuständige innerdeutsche Verbindungsstelle zur weiteren Bearbeitung und Weiterleitung an die zuständige Stelle des Vertragsstaates abzugeben.

Bei ungeklärter Zuständigkeit im Bereich der gesetzlichen deutschen Rentenversicherung ist der Antrag nicht abzugeben, sondern es ist zunächst über den Leistungsantrag zu entscheiden und gegebenenfalls Rente unter Hinweis auf die ungeklärte Zuständigkeit zu zahlen.

Beratungspflicht bei der Antragstellung

§ 16 Abs. 3 SGB I konkretisiert die den Leistungsträgern nach § 14 SGB I obliegende allgemeine Beratungspflicht im Zusammenhang mit der Antragstellung.

Die Leistungsträger sind hiernach verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass unverzüglich nach ihrer Erkenntnis klare und sachdienliche Anträge gestellt werden.

So ist zum Beispiel die Berechtigte, deren Witwenrente wegen Heirat weggefallen ist, darauf hinzuweisen, dass eine Abfindung nur auf Antrag (mit der Einsendung einer Heiratsurkunde durch eine rentenbeziehende Witwe liegt ein Antrag auf Abfindung vor) gezahlt werden kann, oder dem Empfänger einer Rente wegen Berufsunfähigkeit/teilweiser Erwerbsminderung ist gegebenenfalls ein Antrag auf Leistung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung zu empfehlen, wenn bei einer Nachuntersuchung festgestellt wird, dass volle Erwerbsminderung vorliegt (mit der Einsendung eines ärztlichen Befundberichtes durch den behandelnden Arzt eines Versicherten kann ein formloser Rentenantrag angenommen werden, wobei der Versicherte regelmäßig dazu gehört werden muss).

Im Hinblick auf diese Auslegung beziehungsweise Umdeutung eines Rentenantrages ist in Anlehnung an § 133 BGB bei der Auslegung der Willenserklärung „Rentenantrag“ der wirkliche Wille zu erforschen und nicht am buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften. Danach soll, sofern die ausdrücklich beantragte Rente nicht geleistet werden kann, jede andere Rente, deren Voraussetzung erfüllt ist, geleistet werden, soweit dies nicht im Einzelfall mit sonstigen Nachteilen für den Versicherten verbunden ist (BSG vom 18.11.1960, AZ: 4 RJ 305/59, Breith. 1961, 345).

Der Rentenversicherungsträger darf hinsichtlich eines Leistungsbegehrens des Versicherten nicht am Wortlaut seiner Erklärung haften, sondern muss stets davon ausgehen, dass der Versicherte die ihm günstigste Art der Leistungsgewährung in Anspruch nehmen will (vergleiche BSG vom 29.11.2007, AZ: B 13 R 44/07 R).

Bei nicht eindeutigen Anträgen ist vom mutmaßlichen Willen des Versicherten auf eine Leistung auszugehen.

Bei der Umdeutung eines Antrags auf Leistungen zur Teilhabe in einen Rentenantrag wird verwiesen auf die GRA zu § 116 SGB VI. Zum Vorrang von Leistungen zur Teilhabe vor Rentenleistungen bei Anträgen auf Rentenleistungen vergleiche § 9 SGB VI sowie § 8 SGB IX.

Ein Antrag auf Rente aus eigener Versicherung kann regelmäßig nicht ohne Weiteres auch als Antrag auf Hinterbliebenenrente aus der Rentenversicherung angesehen werden und umgekehrt, da es sich um Ansprüche aus unterschiedlichen Versicherungsstämmen mit unterschiedlichen Sicherungszielen handelt. Etwas anderes gilt nur, wenn sich im Rahmen der Antragstellung im Einzelfall konkretere Anhaltspunkte ergeben, dass entsprechende Ansprüche bestehen könnten, diese aber noch nicht beantragt wurden. Es besteht dann für den Rentenversicherungsträger gegebenenfalls eine Aufklärungs- und Beratungspflicht (§§ 14, 15 und 16 Abs. 3 SGB I).

Der von einer Witwe beziehungsweise einem Witwer (auch bei einem anderen Rentenversicherungsträger oder in einem anderen Rentenversicherungszweig) gestellte Antrag auf Rente wegen Erwerbsminderung ist allerdings auch als Antrag auf die sog. „große“ Witwenrente/Witwerrente anzusehen, wenn der Berechtigte die sog. „kleine“ Witwenrente/Witwerrente bezieht. Entsprechendes gilt, wenn der Bezieher einer solchen „kleinen“ Witwenrente/Witwerrente als gesetzlicher Vertreter Waisenrente für eine nachgeborene Waise beantragt.

Zur Behandlung von Vorschussanträgen auf Hinterbliebenenrente bei der Deutschen Post AG als Anträge auf Hinterbliebenenrente wird auf die GRA zu § 115 SGB VI, Abschnitt 3 verwiesen.

Zum besonderen Verfahren im Rahmen von Leistungen zur Teilhabe vergleiche GRA zu § 22 SGB IX.

Unvollständige Angaben müssen ergänzt werden. So ist zum Beispiel beim Antragsteller rückzufragen, wenn erhebliche Fragen in den Antragsvordrucken nicht beantwortet worden sind.

Soweit sich der Leistungsträger erforderliche Angaben durch einen geringeren Aufwand selbst beschaffen kann, besteht allerdings keine Mitwirkungspflicht des Antragstellers (§ 65 SGB I). Dann hat der zuständige Versicherungsträger von Amts wegen Ermittlungen durchzuführen (§ 20 SGB X).

Die Beratungspflicht sowie die sonstigen Ermittlungs- und Handlungspflichten des zuständigen Trägers entstehen erst nach dessen Kenntnisnahme von dem Gewollten des Antragstellers. Maßgebend ist zum Beispiel der Zeitpunkt, an dem bei ihm die Antragsvordrucke, ein formloser Rentenantrag oder ein sonstiger Hinweis auf einen (auch bei einem unzuständigen Leistungsträger) gestellten Antrag eingehen.

Beratungspflichten des zuständigen Versicherungsträgers bestehen nicht nur bei einer Antragstellung durch den Berechtigten, sondern auch bei Verfahren, die von Amts wegen durchgeführt werden (BT-Drucksache 7/3786), zum Beispiel bei Überprüfung nach § 44 SGB X.

Kommt der zuständige Versicherungsträger seinen Pflichten nach § 16 Abs. 3 SGB I nicht nach, kann dies zu Herstellungs- oder Schadensersatzansprüchen führen.

SGB I vom 11.12.1975 (BGBl. I S. 3015)

Inkrafttreten: 01.01.1976

Quelle zum Entwurf: BR-Drucksache 305/72

Die Vorschrift ist am 01.01.1976 mit dem SGB I selbst in Kraft getreten und seither nicht verändert worden. Nach der Gesetzesbegründung zieht die Vorschrift die notwendigen Folgerungen aus dem Grundsatz, dass der Einzelne mit seinem Begehren nach Sozialleistungen nicht an Zuständigkeitsabgrenzungen innerhalb der gegliederten Sozialverwaltung scheitern darf.

Zusatzinformationen

Rechtsgrundlage

§ 16 SGB I