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11a RA 9/85

Tatbestand

Im Prozeß geht es um die Nachversicherung einer Beamtin, die eine ihr beim ersten Ausscheiden aus dem Beamtenverhältnis gewährte Abfindung gemäß § 88 Abs. 2 Beamtenversorgungsgesetz (BeamtVG) zurückgezahlt hat.

Die im Jahr 1926 geborene Klägerin war von 1947 bis 1957 mit Unterbrechungen und von 1967 bis 1980 als beamtete Lehrerin im Schuldienst des beigeladenen Landes bzw. dessen Rechtsvorgängers beschäftigt. Bei ihrem ersten Ausscheiden erhielt sie eine im Mai 1958 festgesetzte Abfindung. Im Februar 1979 zahlte sie die Abfindung dem Land zurück; das Landesamt für Besoldung und Versorgung bestätigte im Bescheid vom 14. Februar 1979 die Rückzahlung mit dem Zusatz, daß die früheren Dienstzeiten gemäß § 88 Abs. 2 Satz 5 BeamtVG daher besoldungs- und versorgungsrechtlich so behandelt würden, als wäre die Abfindung nicht gewährt worden. Im September 1980 wurde die Klägerin auf ihren Antrag hin aus dem erneuten Beamtenverhältnis unversorgt entlassen. Das Land entrichtete an die Beklagte Nachversicherungsbeiträge für beide Dienstperioden. Die Beklagte lehnte aber mit Bescheid vom 4. Dezember 1981 die Nachversicherung für den Zeitraum von 1947 bis 1957 ab. Der Widerspruch der Klägerin blieb erfolglos.

Mit der Klage hat die Klägerin beantragt, Bescheid und Widerspruchsbescheid aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, sie für die Zeiten vom 9. Juli 1947 bis 31. Januar 1956, vom 2. Juli bis 31. Oktober 1956 und vom 28. Januar bis 10. Mai 1957 nachzuversichern. Das Sozialgericht (SG) hat mit Urteil vom 14. Dezember 1984 dem Antrag entsprochen, zusätzlich - einem Antrag des Landes entsprechend - die Beklagte verurteilt, die diesbezüglichen Nachentrichtungsbeiträge anzunehmen, und die Sprungrevision zugelassen. In den Entscheidungsgründen geht das SG davon aus, daß das beigeladene Land mit dem Bescheid vom 14. Februar 1979 die Abfindung rückwirkend auf den Zeitpunkt des ersten Ausscheidens zurückgenommen habe. Infolgedessen seien beim Ausscheiden im Jahr 1957 alle Voraussetzungen für die Nachversicherung als erfüllt anzusehen. Dem Grundsatz, daß rückwirkende Änderungen der beamtenrechtlichen Stellung versicherungsrechtlich keine Auswirkungen haben dürften, stehe das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) in SozR 2200 § 1232 Nr. 16 entgegen; nach diesem Urteil könne ein solcher Grundsatz dann nicht durchgreifen, wenn er zu erheblichen Nachteilen für den ausgeschiedenen Beamten führe.

Mit der Revision trägt die Beklagte vor: Die Rückzahlung der Abfindung habe keine Rechtswirkungen im Rentenversicherungsrecht; sie führe nicht dazu, daß die Klägerin damals unversorgt ausgeschieden sei. Die Gründe des BSG-Urteils reichten nicht aus, um von dem Grundsatz der zur Zeit des Ausscheidens maßgebenden Verhältnisse abweichen zu können. Es werde willkürlich in das Versicherungsrisiko eingegriffen, wenn Beamtinnen beim Ausscheiden in jungen Jahren die Abfindung wählten, um dann beim Erreichen des Rentenalters die Abfindungssumme zurückzuzahlen und die Nachversicherung in Anspruch zu nehmen. Bei anderer Auffassung müsse die Nachversicherung auch des früheren Beamtenverhältnisses zumindestens mit dem Beitragssatz geschehen, der beim Ausscheiden aus dem letzten Beamtenverhältnis gültig gewesen sei.

Die Beklagte beantragt,

  • das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin und das Land beantragen,

  • die Revision zurückzuweisen.

Die Beteiligten haben sich damit einverstanden erklärt, daß der Senat ohne mündliche Verhandlung entscheidet.

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten ist nicht begründet.

Das SG hat die Beklagte im Ergebnis zu Recht dazu verurteilt, die Klägerin für die Dienstzeiten in den Jahren 1947 bis 1957 nachzuversichern.

Nach § 9 Abs. 1 Angestelltenversicherungsgesetz (AVG) sind Personen, die aus einer (u.a.) nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 AVG versicherungsfreien Beschäftigung ausscheiden, ohne daß ihnen eine lebenslängliche Versorgung oder an deren Stelle eine Abfindung gewährt wird, für die Zeit nachzuversichern, in der sie sonst in der Rentenversicherung der Angestellten versicherungspflichtig gewesen wären.

Von diesen Voraussetzungen ist hier nur fraglich, ob die Klägerin aus der bis Mai 1957 dauernden ersten Beschäftigung ohne Gewährung einer Abfindung ausgeschieden ist. Hierfür kommt es grundsätzlich auf die beim Ausscheiden aus der Beschäftigung gegebenen Verhältnisse an. Nach dem damaligen Sachverhalt konnte aber kein Nachversicherungsanspruch entstehen, weil der Klägerin beim ersten Ausscheiden eine Abfindung gewährt worden ist. Durch die Rückzahlung der Abfindung ist dieser Sachverhalt nicht rückwirkend verändert worden; das SG nimmt zu Unrecht an, das beigeladene Land habe mit seinem Bescheid die Abfindung rückwirkend auf den Zeitpunkt des ersten Ausscheidens zurückgenommen. In diesem Bescheid hat das Land nur die sich aus § 88 Abs. 2 Satz 5 BeamtVG nach der Rückzahlung ergebende Rechtslage wiedergegeben. Gemäß dieser Vorschrift werden nach der Rückzahlung die Zeiten vor der Entlassung aus dem höheren Dienstverhältnis besoldungs- und versorgungsrechtlich so behandelt, als wäre eine Abfindung nicht gewährt worden. Diese Fiktion wirkt nur von der Rückzahlung an „ex nunc“ und nicht auch „ec tunc“ auf Zeiten vor der Rückzahlung zurück (Schütz, Beamtenversorgungsgesetz, Erl. Nr. 4 zu § 88; Stegmüller/Schmalhofer/Bauer, BeamtVG, Erl. Nr. 3e, RdNr. 7). Die Gewährung der Abfindung wird daher durch ihre „Rückzahlung“ nicht rückwirkend beseitigt. Dem entspricht es im übrigen, daß die Abfindung nicht an den früheren, sondern an den neuen Dienstherrn und daß nicht der erhaltene Abfindungsbetrag, sondern ein nach dem Zeitpunkt der erneuten Berufung in das Beamtenverhältnis errechneter - höherer - Betrag „zurückzuzahlen“ ist (§ 88 Abs. 2 Sätze 1 und 2).

Durch die fehlende Rückwirkung auf den Zeitpunkt des ersten Ausscheidens unterscheidet sich der vorliegende Fall von dem, der dem Urteil des Senats vom 2. November 1983 (SozR § 1232 Nr. 16) zugrunde lag. Dort war beim Ausscheiden eine Abfindung durch Zusicherung einer Abfindungsrente gewährt worden; diese Zusicherung hatte das Land später in einem Vergleich rechtswirksam zurückgenommen, und zwar „rückwirkend auf den Zeitpunkt des Ausscheidens“. Damit war der Sachverhalt rückwirkend dahin verändert, daß beim Ausscheiden keine Abfindungsrente als zugesichert und somit zu diesem Zeitpunkt alle Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 AVG für die Nachversicherung als erfüllt anzusehen waren.

Auch wenn die Klägerin somit nicht als Folge ihres ersten Ausscheidens für die Dienstzeiten von 1947 bis 1957 nachzuversichern ist, so muß dies doch als Folge ihres zweiten Ausscheidens geschehen; der bei diesem Ausscheiden 1980 ohne Zweifel entstandene Nachversicherungsanspruch muß sich auch auf die streitigen Dienstzeiten vor dem ersten Ausscheiden erstrecken. Dem kann nicht entgegengehalten werden, daß die Nachversicherungspflicht sich nur auf die Zeiten der mit dem Ausscheiden beendeten Beschäftigung und nicht auch auf Zeiten vor einem früheren Ausscheiden beziehen könne. Das ist zwar im Grundsatz richtig; von diesem Grundsatz muß jedoch im vorliegenden Falle abgewichen werden.

Dafür sprechen zunächst schon die Erwägungen, die den Gesetzgeber zur Schaffung des § 88 Abs. 2 BeamtVG veranlaßt haben. Mit dem BeamtVG ist das „Institut der Abfindung für ausscheidende verheiratete Beamtinnen beseitigt worden, weil eine Abfindung erworbener Versorgungsanwartschaften unter Ausschluß der Nachversicherung nicht mehr zeitgemäß“ erschien „und im Widerspruch zu den Zielen“ stand, „eine eigenständige Alterssicherung der Frau zu schaffen“ (BT-Drucks 7/2505, Begründung S. 56). Der Gesetzgeber hat sich dabei nicht auf die Abschaffung für die Zukunft beschränkt, vielmehr auch eine Korrektur der durch frühere Abfindungen bereits eingetretenen Wirkungen im Wege des § 88 Abs. 2 BeamtVG zugelassen. Mit dieser Vorschrift erlaubte er die Rückzahlung einer früher gewährten Abfindung, „um der wieder in ein öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis zurückgekehrten oder zurückkehrenden Frau eine volle Alterssicherung für ihr gesamtes Berufsleben zu ermöglichen“ (BT-Drucks a.a.O.); bei voller Rückzahlung der Abfindung sollte sie - von da an - besoldungs- und versorgungsrechtlich so behandelt werden, als wäre eine Abfindung nicht gewährt worden. Das bedeutete, daß der neue Dienstherr, dem die Rückzahlung zugeflossen war, bei der künftigen Versorgung auch die früheren Dienstzeiten als wieder ruhegehaltfähig zu berücksichtigen hatte. Damit war die gewollte „volle Alterssicherung für das gesamte Berufsleben“ der Beamtin für den Regelfall der Versorgung aus dem Beamtenverhältnis gesichert. Nichts näheres war jedoch darüber gesagt, wie es mit der Alterssicherung im Falle des unversorgten Ausscheidens aus dem zweiten Beamtenverhältnis stand. Wollte man hier jedoch die früheren Dienstzeiten von der Nachversicherung wegen der früher gewährten Abfindung ausnehmen, so wäre das ein unverständlicher Widerspruch zu den mit § 88 Abs. 2 BeamtVG verfolgten Zielen; die im Falle der Rückzahlung gewollte volle Alterssicherung für das gesamte Berufsleben würde dann auf einen Teil des Berufslebens ohne einsichtigen Grund verkürzt.

Das würde außerdem dem Grundgedanken der Nachversicherung und den mit ihr verfolgten Zielen widersprechen. Hierzu hat der Senat schon in seinem Urteil vom 24. November 1965 (BSGE 22, 106) darauf hingewiesen, daß die Nachversicherung von Anfang an die soziale Sicherung der Personen bezweckt hat, bei denen im Hinblick auf eine anderweitige (beamtenrechtliche) Versorgung Versicherungsfreiheit bestanden hat, denen dann aber später doch keine Versorgung aus ihrer versicherungsfreien Beschäftigung gewährt wird; sie sollten nicht jedes Schutzes beraubt sein (a.a.O. S. 108). Die Nachversicherungsregelung, wie sie jetzt gestaltet sei, sehe erkennbar das Schutzbedürfnis, das durch den Ausfall der beamtenrechtlichen Versorgung entstanden ist, als entscheidend für die Notwendigkeit der Nachversicherung an; dieses Schutzbedürfnis bestehe allein wegen des Umstandes, daß keine beamtenrechtliche Versorgung gewährt wird (a.a.O. S. 110). Hiernach muß aber die durch das Ausbleiben der Versorgung für die streitigen Dienstzeiten beim Ausscheiden aus der zweiten Beschäftigung entstandene Sicherungslücke durch die Nachversicherung dieser Zeiten geschlossen werden.

Zu Unrecht befürchtet die Beklagte hierbei Manipulationen. Sie übersieht, daß eine erhaltene Abfindung nicht beliebig beim Erreichen des Rentenalters zurückgezahlt werden kann. Erforderlich ist vielmehr zum einen eine erneute Berufung in das Beamtenverhältnis (§ 88 Abs. 2 Satz 1 BeamtVG), welche die Beamtin allein nicht bewirken kann und die wohl kaum mehr in der Nähe des Rentenalters stattfinden wird; außerdem muß der Antrag auf Rückzahlung innerhalb einer Ausschlußfrist von zwei Jahren nach der erneuten Berufung gestellt (Satz 3) und dann eine meist wesentlich höhere Summe als die ursprüngliche Abfindung gezahlt werden (Satz 2).

Das SG hat schließlich zu Recht noch auf den Antrag des beigeladenen Landes die Beklagte verurteilt, die „diesbezüglichen Nachentrichtungsbeiträge anzunehmen“, woran das beigeladene Land im besonderen interessiert war. Da das Land als notwendig Beigeladener gemäß § 75 Abs. 4 Satz 2 SGG selbst abweichende Sachanträge stellen durfte, war es zu dieser Antragstellung ohne Zweifel befugt. Insoweit bedarf jedoch der Tenor der Konkretisierung. Da erst das zweite Ausscheiden aus dem Beamtenverhältnis die Nachversicherungspflicht für die streitigen Zeiten vor dem ersten Ausscheiden entstehen ließ, hat das Land auch für die erste Dienstperiode gemäß § 124 Abs. 1 Satz 1 AVG die Beiträge nach den Vorschriften zu entrichten, die im Zeitpunkt des 1980 erfolgten zweiten Ausscheidens für die Berechnung der Beiträge für versicherungspflichtig Beschäftigte maßgebend sind. Nur diese Beiträge können die von der Beklagten anzunehmenden „diesbezüglichen Nachentrichtungsbeiträge“ sein. Das SG hat nicht festgestellt, ob die von dem Land schon entrichteten Beiträge dem entsprechen. Sollten sie die vorgeschriebene Höhe nicht erreichen, muß das Land noch den Differenzbetrag nachzahlen.

Die Revision der Beklagten war somit zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

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