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12 RK 39/78

Gründe I.

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger berechtigt ist, bereits nach Art. 2 § 49a Abs. 1 Buchst. b des Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (AnVNG) entrichtete freiwillige Beiträge zu verschieben und zugleich Beiträge in höheren Beitragsklassen für Zeiten nachzuentrichten, für die er bereits freiwillige Beiträge entrichtet hat.

Der Kläger ist selbständiger Wirtschaftsprüfer. Auf seinen Antrag vom 2. Dezember 1974 hat die Beklagte ihn mit Bescheid vom 19. März 1975 ab 1. Dezember 1974 in die Pflichtversicherung für Selbständige (§ 2 Abs. 1 Nr. 11 des Angestelltenversicherungsgesetzes -AVG-) aufgenommen.

Am 2. Dezember 1974 hat der Kläger außerdem die Nachentrichtung von Beiträgen gemäß Art. 2 § 49a Abs. 1 Buchst. b AnVNG der Klasse 100 für die Zeit vom 1. Januar 1956 bis zum 31. Januar 1959 und der Klasse 1200 für die Jahre 1965 bis 1973 beantragt. Die Beiträge für die erstgenannte Nachentrichtungszeit hatte er am 4. Dezember 1974 bei der Beklagten eingezahlt; die Beiträge für den letztgenannten Zeitraum sind am 18. April 1975 bei der Beklagten eingegangen.

Am 22. Dezember 1975 beantragte der Kläger, statt der entrichteten 37 Beiträge der Klasse 100 für die Zeit von 1956 bis Januar 1959 die Nachentrichtung von 9 Beiträgen der Klasse 600 für 1956 und von 12 Beiträgen der Klasse 800 für 1959 zuzulassen.

Mit Bescheid vom 19. Mai 1976 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. September 1976 lehnte die Beklagte diesen Antrag mit der Begründung ab, die Verschiebung und Aufstockung wirksam entrichteter Beiträge sei auch im Falle der Nachentrichtungen nach Art. 2 § 49a AnVNG ausgeschlossen. Mit gleicher Begründung hat das Sozialgericht (SG) die Klage abgewiesen (Urteil vom 29. Juni 1977). Demgegenüber hat das Landessozialgericht (LSG) auf die Berufung des Klägers die Beklagte mit Urteil vom 2. März 1978 antragsgemäß verurteilt. Es hat zur Begründung ausgeführt, der Kläger habe bis zum Ablauf der Frist für die Stellung des Nachentrichtungsantrages - 31. Dezember 1975 - frei über die Beitragshöhe und die Belegungszeit der nachzuentrichtenden Beiträge disponieren und insbesondere auch bereits wirksam entrichtete Beiträge ändern dürfen. Die Beitragsnachentrichtung nach Art. 2 § 49a AnVNG weiche vom gewöhnlichen Beitragsnachentrichtungsrecht ab, weil sie nur für bestimmte Zeit und bis zum Ablauf einer Ausschlußfrist bis zum 31. Dezember 1975 möglich gewesen sei. Diese abweichende Fristregelung habe ein besonderes Gewicht, so daß die allgemeine Regelung des § 129 Abs. 2 AVG für die Fälle der Nachentrichtung nach Art. 2 § 49a AnVNG nicht gelte. Vielmehr dürfe der zur Beitragsnachentrichtung nach Art. 2 § 49a AnVNG Berechtigte sein Recht bis zum letzten Tage der Ausschlußfrist auch dann voll ausschöpfen, wenn er zuvor bereits teilweise von der Nachentrichtungsmöglichkeit nach Art. 2 § 49a AnVNG Gebrauch gemacht habe.

Mit ihrer - vom LSG zugelassenen - Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des Art. 2 § 49a Abs. 1 Buchst. b und Abs. 3 AnVNG sowie des § 129 Abs. 2 AVG. Sie meint, durch Art. 2 § 49a AnVNG seien die für die Nachentrichtung allgemein gültigen Grundnormen - §§ 129 Abs. 2, 140 AVG - weder außer Kraft gesetzt noch in ihrer Wirkung beschränkt, sondern allein in zeitlicher Hinsicht modifiziert worden.

Die Beklagte beantragt,

  • das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 2. März 1978 aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 29. Juni 1977 zurückzuweisen.

Der Kläger beantragt,

  • die Revision zurückzuweisen.

Beide Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -).

Gründe II.

Die Revision der Beklagten ist begründet. Das Urteil des LSG ist aufzuheben. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG ist zurückzuweisen.

Das Bundessozialgericht (BSG) hat in ständiger Rechtsprechung entschieden, daß nach den allgemeinen beitragsrechtlichen Vorschriften (§ 129 Abs. 2 Satz 1 AVG = § 1407 Abs. 2 Satz 1 Reichsversicherungsordnung - RVO -) die Verschiebung und Aufstockung bereits entrichteter Beiträge ausgeschlossen ist (vgl. BSG SozR Nr. 3 zu § 1407 RVO; BSGE 35, 178 = SozR Nr. 4 zu § 1407 RVO; BSG SozR Nr. 8 zu § 1418 RVO m.w.N.). Dieses Änderungsverbot entspricht einem der gesetzlichen Rentenversicherung eigenen Wesenszug, wonach das Versicherungsverhältnis grundsätzlich nachträglich nicht mehr geändert werden darf (erkennender Senat, Urteil vom 8. März 1979 - 12 RK 5/78 -). Ferner hat das BSG in ebenfalls ständiger Rechtsprechung herausgestellt, daß der Gesetzgeber diese Grundsätze auch für die Fälle der durch die Rentenversicherungs-Neuregelungsgesetze (Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetz - ArVNG -; AnVNG) geschaffenen Nachentrichtungsmöglichkeiten nicht durchbrochen hat (vgl. im einzelnen BSG SozR Nr. 38 zu Art. 2 § 42 ArVNG; BSG SozR Nr. 10 zu Art. 2 § 52 ArVNG; BSG DAngVers 1968, 67, ebenfalls zu Art. 2 § 52 ArVNG). Schließlich hat der erkennende Senat dies bereits wiederholt für die Fälle der Nachentrichtung von Beiträgen nach Art. 2 § 49a AnVNG (= Art. 2 § 51a ArVNG) entschieden (Urteil vom 30. November 1978 - 12 RK 43/76 - SozR 5750 Art. 2 § 51a Nr. 24; Urteil vom 8. März 1979 - 12 RK 5/78 -; Urteil vom 4. April 1979 - 12 RK 36/78 -). Wie der erkennende Senat hierzu herausgestellt hat, liegt die Bedeutung der in Art. 2 § 49a AnVNG getroffenen Regelung allein darin, daß die in § 140 Abs. 1 AVG (= § 1418 Abs. 1 SVO) allgemein bestimmten zeitlichen Schranken der Nachentrichtung in beschränktem Umfange beseitigt und die Nachentrichtungsmöglichkeiten zeitlich anderweitig abgegrenzt wurden. Hingegen ist das Verbot der Doppelbelegung nach § 129 Abs. 2 Satz 1 AVG (= § 1407 Abs. 2 Satz 1 RVO) unberührt geblieben. Das folgt, wie der Senat in dem Urteil vom 8. März 1979 - 12 RK 5/78 - im einzelnen dargelegt hat, nicht nur aus der Systematik des Gesetzes, sondern hat auch in dem Wortlaut des Art. 2 § 49a Abs. 2 AnVNG seinen Niederschlag dahin gefunden, daß sich die Nachentrichtung nur auf noch nicht mit Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung belegte Zeiten erstrecken kann. Gleiches gilt für das allgemeine Aufstockungsverbot, das letztlich ebenfalls § 129 Abs. 2 Satz 1 AVG (= § 1407 Abs. 2 Satz 1 RVO) zu entnehmen ist; denn mit der Aufstockung würde - ebenso wie mit einer Doppelbelegung - der bereits für den Kalendermonat entrichtete Beitrag verändert und damit das mit der Entrichtung ausgeübte (und zugleich verbrauchte) Gestaltungsrecht der Wahl der Beitragsklasse unzulässig nochmals ausgeübt.

Der erkennende Senat hat in seinem Urteil vom 8. März 1979 - 12 RK 5/78 - weiter schon im einzelnen dargelegt, daß entgegen der vom LSG vertretenen Ansicht das Doppelbelegungs- und Aufstockungsverbot für die Fälle des Art. 2 § 49a AnVNG auch nicht deshalb aufgehoben worden ist, weil es sich bei dieser Vorschrift um eine Sonderregelung handelt, die im Gegensatz zu anderen außerordentlichen Nachentrichtungsmöglichkeiten die Nachentrichtung nur auf Antrag und innerhalb einer Ausschlußfrist gestattet. Diese Modalitäten der Nachentrichtung berühren den Grundsatz des Verbots der nachträglichen Änderung bereits entrichteter Beiträge nicht. Darüber hinaus sind auch diese Merkmale nicht auf den Fall der Nachentrichtung nach Art. 2 § 49a AnVNG beschränkt (vgl. Art. 2 §§ 5a, 27, 44a AnVNG; §§ 8, 10, 10a des Gesetzes zur Regelung der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Sozialversicherung - WGSVG -). Schließlich hat der erkennende Senat bereits in dem vorerwähnten Urteil vom 8. März 1979 - 12 RK 5/78 - mit ausführlicher Begründung dargelegt, daß auch die in Art. 2 § 49a AnVNG enthaltene Ausschlußfrist nicht die vom LSG für richtig gehaltene Abgrenzung des Antragsrechtes rechtfertigt.

Der Kläger kann entgegen seiner Ansicht die von ihm entrichteten Beiträge auch nicht deswegen nachträglich verschieben oder aufstocken, weil ihm die Beklagte auf seinen Nachentrichtungsantrag keinen Bescheid erteilt hat. Wie schon der 11. Senat des BSG (Urteil vom 15. Dezember 1977, BSGE 45, 247 = SozR 5750 Art. 2 § 51a Nr. 17) ausgeführt hat, entsteht das Recht zur Nachentrichtung von Beiträgen nach Art. 2 § 49a Abs. 2 AnVNG bereits mit der fristgemäßen Stellung eines entsprechenden Antrages durch den Berechtigten, nicht erst mit der Erteilung eines die Nachentrichtung zulassenden Bescheides. Dieser Bescheid hat keine rechtsbegründende (konstitutive) Wirkung, sondern stellt die Berechtigung zur Beitragsnachentrichtung fest (BSGE a.a.O. S. 249). Auch wenn ein Bescheid, wie hier, (noch) nicht ergangen ist, sind deshalb die antragsgemäß entrichteten Beiträge nicht unwirksam. Mit ihrer Entrichtung hat der Berechtigte sein Recht, den Belegungszeitraum und die Höhe der Beiträge frei zu bestimmen, verbraucht. Nachträgliche Änderungen durch Verschiebung der entrichteten Beiträge auf andere Zeiträume oder ihre Aufstockung sind dann nicht mehr zulässig (vgl. BSGE 35, 178, 180).

Schließlich entsprechen Art und Umfang der in Art. 2 § 49a AnVNG getroffenen Regelung über die Nachentrichtung von Beiträgen auch dem Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes -GG- (Bundesverfassungsgericht, Beschluß vom 27. September 1978 - 1 BvL 31/76 und 1 BvL 4/77 - SozR 5750 Art. 2 § 51a ArVNG Nr. 19).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

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