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11 RA 248/64

Gründe I.

Der Ehemann der Revisionsklägerin, … . (...), geboren am ... beantragte im April 1955 Ruhegeld wegen Berufsunfähigkeit. Die Beklagte lehnte diesen Antrag am 30. November 1955 ab, weil ... nicht berufsunfähig sei. Die Klage hatte keinen Erfolg (Urteil des Sozialgerichts - SG - Koblenz vom 23. Oktober 1956). Im Berufungsverfahren erkannte die Beklagte Berufsunfähigkeit des ... im Sinne des § 23 Abs. 2 AVG (in der seit 1. Januar 1957 geltenden Fassung - n.F. -) ab September 1958 an und bewilligte mit Bescheid vom 11. Februar 1959 Berufsunfähigkeitsrente neuen Rechts ab 1. September 1958. Soweit ... mit seiner Berufung Rente bereits für die Zeit ab 1. Mai 1955 begehrte, hatte er keinen Erfolg (Urteil des Landessozialgerichts - LSG - Rheinland-Pfalz vom 29. April 1959). Auf die Revision des ... wurde das Urteil des LSG vom Bundessozialgericht (BSG) wegen wesentlicher Verfahrensmängel aufgehoben und die Sache zu neuer Entscheidung an das LSG zurückverwiesen. Während des noch rechtshängigen Berufungsverfahrens vollendete ... das 65.°Lebensjahr. Die Beklagte wandelte deshalb mit Bescheid vom 11. Mai 1962 die Rente wegen Berufsunfähigkeit ab 1. März 1961 nach § 31 Abs. 2 AVG n.F. in das Altersruhegeld um, das sie auf monatlich 479,30 DM festsetzte. Am 29. August 1962 hob das LSG das Urteil des SG vom 23. Oktober 1956 und den Bescheid der Beklagten vom 30. November 1955 auf und verurteilte die Beklagte „unter Abänderung des Bescheides vom 11. Februar 1959“; an ... Angestelltenrente wegen Berufsunfähigkeit ab 1. Mai 1955 zu gewähren; es kam zu diesem Ergebnis, weil es die für die Beurteilung der Berufsunfähigkeit maßgebende versicherungspflichtige Beschäftigung des ... höher qualifizierte als das SG dies in dem Urteil vom 23. Oktober 1956 getan hatte; und weil es zu der Überzeugung gelangt war, für diesen Beruf sei die Erwerbsfähigkeit des ... schon seit Mai 1955 auf weniger als die Hälfte der Erwerbsfähigkeit eines gesunden Versicherten herabgesunken. Zu der Höhe der in dem Bescheid vom 11. Februar 1959 für die Zeit ab 1. September 1958 errechneten Rente und darüber, wie die Rente für die Zeit ab 1. Mai 1955 zu berechnen sei, äußerte sich das LSG nicht; es führte jedoch aus, der Bescheid vom 11. Mai 1962 sei nicht nach § 96 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) Gegenstand des Berufungsverfahrens, weil er die Bescheide vom 30. November 1955 und vom 11. Februar 1959 weder abgeändert noch ersetzt habe, sondern den Anspruch des ... auf Altersruhegeld betreffe. Das Urteil des LSG wurde rechtskräftig. Mit Bescheid vom 2. November 1962 hob die Beklagte „auf Grund des Urteils des LSG“ die Bescheide vom 11. Februar 1959 und vom 11. Mai 1962 auf, bewilligte ... ab 1. Mai 1955 Rente wegen Berufsunfähigkeit alten Rechts, stellte diese Rente mit Wirkung vom 1. Januar 1957 nach Art. 2 §§ 30 ff. des Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (AnVNG) um und erhöhte sie - unter Berücksichtigung der inzwischen erlassenen Rentenanpassungsgesetze - aus Anlaß der Vollendung des 65.°Lebensjahres des ... ab 1. März 1961 nach Art. 2 § 37 Abs. 3 AnVNG auf 15/13 der bisherigen Bezüge. Die so - nach altem Recht - berechnete Rente blieb für einen Teil der zurückliegenden Zeit unter den bisher - bei Berechnung der Rente nach neuem Recht - gezahlten Beträgen; die Rente war für die Zeit vom 1. September bis 31.°Dezember 1958 (was von den Beteiligten übersehen worden ist) um monatlich 0,30 DM, insgesamt also um 1,20 DM für die Zeit vom 1. März bis zum 31. Dezember 1961 um monatlich 115,40 DM, insgesamt um 1.154,00 DM und für das Jahr 1962 um monatlich 97,40 DM, insgesamt um 1.168,80 DM, zusammen demnach um 2.324,00 DM niedriger als die bisherigen Rentenbezüge. Für die Zeit ab 1. Januar 1963 setzte die Beklagte die Rente, die zuletzt 479,30 DM betragen hatte, auf den nunmehr nach altem Recht (unter Berücksichtigung der Umstellungsvorschriften) errechneten Betrag von 381,90 DM herab. Den Betrag von 2.324,00 DM, den ... nach der Neuberechnung in dem Bescheid vom 2. November 1962 „zuviel“ erhalten hatte, verrechnete die Beklagte bei der Feststellung der Nachzahlung, die sich aus der Bewilligung der Rente - des Ruhegeldes wegen Berufsunfähigkeit - schon ab 1. Mai 1955 und aus den - für die Zeit vom 1. Januar 1959 bis zum 28. Februar 1961 -höheren Beträgen der Neuberechnung ergab.

Mit der Klage wandte sich ... gegen den Bescheid vom 2. November 1962. Er war der Meinung, Gegenstand des Verfahrens sei nur der Anspruch auf Rente für die Zeit vom 1. Mai 1955 bis 31. August 1958; nur hierüber habe das LSG in dem Urteil vom 29. August 1962 entschieden, die Bescheide vom 11. Februar 1959 und vom 11. Mai 1962, die „rechtskräftig“ geworden seien, würden durch das Urteil des LSG nicht berührt, die Beklagte habe diese Bescheide in ihrem „Ausführungsbescheid“ vom 2. November 1962 nicht aufheben und nicht „auf stillem Wege“ - durch Verrechnung bei der Nachzahlung - die auf Grund dieser Bescheide gewährten Leistungen „wieder einziehen“ und auch nicht die laufende Rente herabsetzen dürfen. Das SG Koblenz verurteilte die Beklagte am 7. Mai 1963 unter Abänderung des Bescheids vom 2. November 1962, „dem Kläger (...) Angestelltenrente wegen Berufsunfähigkeit ab 1. Mai 1955 bis 31. August 1958 nach altem Recht, vom 1. September 1958 bis 28. Februar 1961 Berufsunfähigkeitsrente nach neuem Recht wie bisher und ab 1. März 1961 Altersruhegeld wegen Vollendung des 65. Lebensjahres wie bisher (479;50 DM) zu zahlen“. Auf die Berufung der Beklagten hob das LSG Rheinland-Pfalz am 24. Juni 1964 das Urteil des SG auf und wies die Klage ab: Die Beklagte sei an die Bescheide vom 11. Februar 1959 (Festsetzung der Berufsunfähigkeitsrente nach neuem Recht ab 1. September 1958) und vom 11. Mai 1962 (Umwandlung der Berufsunfähigkeitsrente in das Altersruhegeld ab 1. März 1961) nicht durch § 77 SGG gebunden; diesen Bescheiden sei dadurch, daß ... die Vorverlegung des Eintritts des Versicherungsfalles der Berufsunfähigkeit auf den 1. Mai 1955 begehrt und erreicht habe, die Grundlage entzogen; Ausgangspunkt für diese Bescheide sei gewesen, daß es sich um Versicherungsfälle neuen Rechts handele; der Versicherte; der einen früheren Beginn seiner Rente begehre, müsse, wenn diesem Begehren entsprochen werde, eine damit möglicherweise verbundene Herabsetzung seiner bisherigen Bezüge und der laufenden Rente in Kauf nehmen. Die Beklagte habe auch die Leistungen, die auf Grund der Bescheide vom 11. Februar 1959 und vom 11. Mai 1962 gewährt worden seien, mit den neu festgestellten Zahlbeträgen verrechnen dürfen. Das LSG ließ die Revision zu. Das Urteil wurde ... am 4. August 1964 zugestellt.

Am 20. August 1964 legte ... Revision ein, er beantragte, - in der Fassung seines Antrags vom 25. September 1964 -

  • das angefochtene Urteil abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, unter Abänderung des Bescheides vom 2. November 1962 Angestelltenrente wegen Erwerbsunfähigkeit ab 1. Mai 1955 bis zum 31. Dezember 1956 nach altem Recht und vom 1. Januar 1957 bis zum 28. Februar 1961 Erwerbsunfähigkeitsrente (Rentenart 20) und ab 1. März 1961 wegen Vollendung des 65.°Lebensjahres Altersrente wie bisher (479,30 DM) zu zahlen.

Er begründete die Revision am 30. September 1964: Das LSG habe sich in dem angefochtenen Urteil über die Bindungswirkung der Bescheide vom 11. Februar 1959 und vom 11. Mai 1962 nach § 77 SGG und über die Rechtskraftwirkung des Urteils des LSG vom 29. August1962 hinweggesetzt. Die Renten, die durch die genannten Bescheide gewährt worden seien, dürfe die Beklagte nicht herabsetzen. Entgegen der Ansicht des LSG seien auch die gesetzlichen Voraussetzungen für die von der Beklagten vorgenommene „Verrechnung“ nicht gegeben.

... starb am 1. Februar 1966; seine Ehefrau ... als Alleinerbin nahm das Verfahren auf.

Die Beklagte beantragte,

  • die Revision zurückzuweisen.

Die Beteiligten erklärten sich mit einem Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden (§§ 165, 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG).

Gründe II.

Die Revision ist nicht in vollem Umfange zulässig. Soweit sie nach §§ 162 Abs. 1 Nr. 1, 164 SGG zulässig ist, ist sie nur teilweise begründet.

1. Soweit die Revision die Rente für die Zeit vom 1. Mai 1955 bis 31. Dezember 1956 betrifft, ist sie nicht zulässig, weil ... insoweit durch das Urteil des LSG nicht beschwert gewesen ist. Das SG hat in dem Urteil vom 7. Mai 1963 ... ab 1. Mai 1955 „Angestelltenrente wegen Berufsunfähigkeit nach altem Recht“ (bis 31. August 1958) gewährt; dieses Urteil hat zwar das Klagebegehren, das auch für diese Zeit auf Gewährung von Rente wegen Berufsunfähigkeit nach neuem Recht - in der gleichen Höhe wie sie in dem Bescheid vom 11. Februar 1959 bewilligt war - gerichtet gewesen ist; nicht voll befriedigt, der (frühere) Kläger (...) hat aber das Urteil des SG nicht mit der Berufung angefochten. Die Berufung der Beklagten hat - nur - die Zeit vom 1. Januar 1957 an betroffen; das LSG hat, wie sich aus den Urteilsgründen ergibt, auch nur hinsichtlich dieser Zeit die Rechtmäßigkeit des Bescheids vom 2. November 1962 und das Urteil des SG nachgeprüft; es hat sich - entsprechend dem Berufungsbegehren der Beklagten - mit dem Bescheid vom 2. November 1962 nur insoweit befaßt, als darin die Bescheide vom 11. Februar 1959 und vom 11. Mai 1962 „aufgehoben“, die durch diese Bescheide gewährten Renten niedriger festgestellt und die „zuviel“ gezahlten Beträge bei der Nachzahlung „verrechnet“ worden sind; das LSG hat damit das Urteil des SG nur „abgeändert“, nicht aber, wie es im Tenor des Urteils heißt, in vollem Umfang aufgehoben. Für die Zeit vom 1. Mai 1955 bis 31. Dezember 1956 ist hiernach ... durch das Urteil des LSG nicht beschwert gewesen. Soweit er für diese Zeit Rente nach altem Recht „wegen Erwerbsunfähigkeit“ begehrt hat, hat er übersehen, daß das alte Recht nur den Begriff der Berufsunfähigkeit, nicht aber den Begriff der Erwerbsunfähigkeit gekannt hat.

2. Im Revisionsverfahren ist deshalb zunächst noch! streitig, ob die Beklagte in dem Bescheid vom 2. November 1962 ihren Bescheid vom 11. Februar 1959 zu Recht als „auf Grund des Urteils des LSG“ vom 29. August 1962 „aufgehoben“ bezeichnet hat. Das LSG hat dies in dem Urteil vom 24. Juni 1964 im Ergebnis zu Recht bejaht. Zwar hat das LSG- im Tenor des Urteils vom 29.°August 1962 die Beklagte - nur - „unter Abänderung“ des Bescheides vom 11. Februar 1959 zur Gewährung von Rente an den Kläger schon ab 1. Mai 1955 und damit auch für die streitige Zeit ab 1. Januar 1957 verurteilt. Aus. der Begründung des Urteils vom 29. August 1962 ergibt sich aber, daß das LSG den Bescheid vom 11. Februar 1959 dadurch „abgeändert“ hat, daß es den Eintritt des Versicherungsfalles der Berufsunfähigkeit, den die Beklagte in dem Bescheid vom 11. Februar 1959 auf September 1958 festgestellt hatte, auf April 1955 und damit auf einen Zeitpunkt festgestellt hat, in dem die Berufsunfähigkeit nach dem vor dem 1. Januar 1957 geltenden Recht zu beurteilen gewesen ist. Damit ist nicht nur der Eintritt des Versicherungsfalles „vorverlegt“ und der Inhalt des Bescheids im übrigen, insbesondere hinsichtlich der Höhe der Rente, nicht berührt worden. Das LSG ist vielmehr in dem Urteil vom 29. August 1962 von einem anderen Sachverhalt ausgegangen als von dem, auf dem der Bescheid vom 11. Februar 1959 beruht hat; der Bescheid vom 11. Februar 1959 ist damit in vollem Umfange hinfällig geworden, er hat keine „Bindungwirkung“ mehr haben können; es ist rechtlich unerheblich, wenn die Beklagte der Meinung gewesen ist, sie habe „auf Grund des Urteils des LSG“ diesen Bescheid noch selbst in dem angefochtenen „Ausführungsbescheid“ aufheben müssen. Das LSG hat mit der Aufhebung des Bescheids vom 11. Februar 1959 auch nicht gegen das Verbot der reformatio in peius verstoßen. ... hat auch nach dem Erlaß des - während des Berufungsverfahrens ergangenen - Bescheids vom 11. Februar 1959 an dem Begehren festgehalten, die Beklagte zu verurteilen, ihm die Rente schon ab 1. Mai 1955 zu gewähren: Auch der Bescheid vom 11. Februar 1959; der den ablehnenden Bescheid vom 30. November 1955 ersetzt hat, ist nach § 96 SGG Gegenstand des Verfahrens des LSG gewesen, auch dieser Bescheid ist mit der Klage (vgl. BSG 18, 231 ff., 234) angefochten gewesen. Das LSG hat über die Berufung gegen das Urteil des SG vom 23. Oktober 1956, mit dem der Anspruch auf Rente ab 1. Mai 1955 in vollem Umfang abgelehnt worden ist, und über die Klage, die den nur teilweise dem Antrag des ... entsprechenden Bescheid vom 11. Februar 1959 betroffen hat, entscheiden müssen; es hat ... durch die Aufhebung des Bescheids vom 11. Februar 1959 auch nicht schlechter gestellt, denn es hat ihm entsprechend seinem Klagebegehren Rente bereits ab 1. Mai 1955 gewährt.

3. Da die Beklagte auf Grund des Urteils des LSG Rheinland-Pfalz Ruhegeld wegen Berufsunfähigkeit nach altem Recht schon für die Zeit vom 1. Mai 1955 an gewährt hat, hat sie auch zu Recht vom 1. Januar 1957 an diese Rente nach Art. 2 §§ 30 ff. AnVNG umgestellt. Diese Rente hat, da ... nach dem 31. Dezember 18.. geboren ist, vom 1. Januar 1957 an als Rente wegen Erwerbsunfähigkeit im Sinne des Art. 2 § 30 Abs. 2 AnVNG gegolten (vgl. Art. 2 § 37 Abs. 3 AnVNG). Die Beklagte hat die Rente für die Zeit vom 1. September 1958 an auch niedriger feststellen dürfen als in dem Bescheid vom 11. Februar 1959; nachdem dieser Bescheid vom LSG zu Recht aufgehoben war, hat er der neuen und auch einer niedrigeren Feststellung der Rente durch die Beklagte nicht mehr entgegengestanden. Die Beklagte hat bei Ausführung des Urteils des LSG weder - wie in dem Bescheid vom 11. Februar 1959 für die Zeit vom 1. September 1958 an - Rente wegen Berufsunfähigkeit neuen Rechts noch - wie von ... für die Zeit vom 1. Januar 1957 bis zum 28. Februar 1961 begehrt - heute wegen Erwerbsunfähigkeit neuen Rechts (Rentenart 20) gewähren können, weil nach der Entscheidung des LSG, daß der Versicherungsfall der Berufsunfähigkeit bereits 1955 eingetreten ist, für die Zeit ab 1. Januar 1957 nur mehr die Gewährung des nach Art. 2 §§ 30 ff. AnVNG umgestellten Ruhegeldes wegen Berufsunfähigkeit alten Rechts in Betracht gekommen ist.

4. Aus der Aufhebung des Bescheids vom 11. Februar 1959 durch das LSG in dem Urteil vom 29.°August 1962 hat sich aber auch die Berechtigung der Beklagten ergeben, den Bescheid vom 11. Mai 1962 „aufzuheben“, d.h. zurückzunehmen. Da das LSG diesen Bescheid nicht in sein Verfahren einbezogen hat, erstreckt sich die Rechtskraft des Urteils des LSG nicht auf diesen Bescheid, die Beklagte ist jedenfalls durch dieses Urteil nicht gehindert gewesen, den Bescheid vom 11. Mai 1962 zurückzunehmen. Ob das LSG zu Recht der Meinung gewesen ist, dieser Bescheid sei nicht Gegenstand des anhängigen Verfahrens geworden und ob es zu Recht über diesen Bescheid nicht entschieden hat, kann dahingestellt bleiben. Grundlage des Bescheids vom 11. Mai 1962 ist der Bescheid vom 11. Februar 1959 gewesen; mit dem Bescheid vom 11. Mai 1962 ist die Rente wegen Berufsunfähigkeit neuen Rechts, die ... durch den Bescheid vom 11. Februar 1959 gewährt worden war, nach § 31 Abs. 2 AVG n.F. in das Altersruhegeld umgewandelt worden. Der Bescheid vom 11.  Februar 1959 ist nun aber durch das rechtskräftig gewordene Urteil des LSG in für die Beklagte bindender Weise nachträglich aufgehoben worden. Die Beklagte ist damit zur Neufeststellung der Rente auch für die Zeit vom 1. März 1961 an und insoweit, als es sich um die Höhe - nicht nur um die Art - der Rente gehandelt hat, „durch Gesetz“ (§ 77 SGG, 2. Halbsatz) ermächtigt gewesen. Rechtsgrundlage für die Aufhebung des Bescheids vom 11. Mai 1962 ist - obwohl das LSG diese Vorschrift nicht herangezogen hat - § 1744 Abs. 1 Nr. 5 der Reichsversicherungsordnung (RVO) in Verbindung mit § 204 AVG gewesen. Der Senat hat schon in dem Urteil vom 1. Oktober 1964 (BSG 22, 13 ff.) dargelegt, daß § 1744 Abs. 1 Nr. 5 RVO nach dem Sinn und Zweck dieser Vorschrift eine „neue Prüfung“ und damit den Erlaß eines „Zweitbescheids“ auch dann rechtfertigt; wenn die „Entscheidung“, welche die Grundlage eines Verwaltungsakts (des Erstbescheids) gewesen ist,, nicht ein strafgerichtliches Urteil; sondern ebenfalls ein Verwaltungsakt gewesen, dieser Verwaltungsakt aber später in bindender Weise aufgehoben worden ist. Die „neue Prüfung“ des Bescheids vom 11. Mai 1962, die nach der rechtswirksamen Aufhebung des Bescheids vom 11. Februar 1959 erforderlich gewesen und in dem Bescheid vom 2. November 1962 durchgeführt worden ist, hat sich ebenso wie der Bescheid vom 11. Mai 1962 auf die Zeit vom 1. März 1961 an erstreckt; die Beklagte hat die Rente auf Grund dieser Prüfung sowohl für die zurückliegende Zeit als auch für die Zukunft niedriger feststellen dürfen. Die Bindungswirkung des Bescheids vom 11. Mai 1962 (§ 77 SGG, 1. Halbsatz) ist nicht entgegengestanden, weil die Ausnahmeregelung des § 77 SGG, 2. Halbsatz vorgelegen hat.

Das LSG hat also den Bescheid vom 2. November 1962 im Ergebnis zu Recht als rechtmäßig angesehen, soweit dieser Bescheid die Rente des ... für die Zeit ab 1. Januar 1957 neu und teilweise niedriger festgestellt hat als in den Bescheiden vom 11. Februar 1959 und vom 11. Mai 1962. Die Revision ist insoweit (oben Nr. 2 - 4) unbegründet.

5. Im Ergebnis hat das LSG zu Recht den Bescheid vom 2.  November 1962 auch insoweit als rechtmäßig angesehen, als in diesem Bescheid - für die Zeiten vom 1. September 1958 bis zum 31. Dezember 1958 und vom 1. März 1961 bis zum 31. Dezember 1962 - eine „Überzahlung“ von 2.324,00 DM festgestellt worden ist. „Überzahlt“ ist ein Betrag, der gewährt worden ist, obwohl eine Rechtsgrundlage für die Leistung entweder schon in dem Zeitpunkt, in dem sie gewährt worden ist, nicht bestanden hat oder wenn - wie dies hier der Fall ist - die Rechtsgrundlage für die Zahlung später rechtswirksam entfallen ist. Im vorliegenden Falle sind Rechtsgrundlage aller Leistungen, die ... bis zum 31. Dezember 1962 erhalten hat, die Bescheide vom 11. Februar 1959 und vom 11. Mai 1962 gewesen; diese Bescheide sind rückwirkend und zu Recht „aufgehoben“, die Rentenbezüge des ... sind in dem Bescheid vom 2. November 1962 für die oben genannten Zeiten um insgesamt 2.324,00 DM niedriger festgestellt worden. Der Betrag von 2.324,00 DM ist damit „überzahlt“. Die Revision ist auch insoweit unbegründet, als sie sich gegen die Feststellung dieser „Überzahlung“ wendet.

6. Begründet ist die Revision jedoch, soweit das LSG auch über die Rückforderung des Betrags von 2.324,00 DM entschieden und den Bescheid vom 2. November 1962 auch hinsichtlich der Rückforderung für rechtmäßig gehalten hat. Nach der z.Z. der letzten Verwaltungsentscheidung maßgebenden Fassung des § 80 AVG „brauchte“ die Beklagte u.a. solche Leistungen nicht zurückzufordern, die sie „zu Unrecht“ gezahlt hatte, es war also in vollem Umfang dem pflichtgemäßen Ermessen der Beklagten überlassen, ob sie den Rückforderungsanspruch geltend machen wollte. Das LSG hat verkannt, daß es eine Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Rückforderung nicht hat treffen dürfen, weil noch kein Widerspruchsbescheid vorgelegen hat. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG fällt unter § 79 Nr. 1 SGG auch die Entscheidung des Versicherungsträgers darüber, daß er von der Rückforderung überzahlter Rentenleistungen absehen will (vgl. Urteile des BSG vom 28. August 1964 und vom 27. September 1964 - SozR-Nr. 12 und Nr. 13 zu § 79 SGG mit weiteren Nachweisen). Der erkennende Senat schließt sich dieser Auffassung an. Die Durchführung des Vorverfahrens ist auch nach der Neufassung des § 80 AVG durch Art. 1 § 2 Nr. 32 RVÄndG weiterhin Voraussetzung für die Zulässigkeit der Klage. § 80 Satz 1 AVG entspricht der bisherigen Regelung; neu hinzugefügt ist § 80 Satz 2 AVG, der das Ermessen der Verwaltung (Satz 1) weitgehend einschränkt. Die Beklagte „darf“ nach dieser Vorschrift eine Leistung nur zurückfordern, wenn sie a) für die Überzahlung kein Verschulden trifft und b) nur soweit der Leistungsempfänger bei Empfang wußte oder wissen mußte, daß ihm die Leistung nicht oder nicht in der gewährten Höhe zustand und c) soweit die Rückforderung wegen der wirtschaftlichen Verhältnisse des Empfängers vertretbar ist. Die Neufassung ist mit dem 1. Juli 1965 in Kraft getreten (vgl. Art. 5 § 10 Abs. 1 Buchst. e RVÄndG), sie ist jedoch auch auf Rückforderungsbescheide anzuwenden, die bereits vor dem 1. Juli 1965 ergangen; aber bis zum 30. Juni 1965 noch nicht bindend geworden sind. Der Senat stimmt insoweit überein mit der Rechtsauffassung; die der 5.°Senat des BSG zu der ebenfalls und gleichlautend geänderten Vorschrift des § 93 Abs. 2 des Reichsknappschaftsgesetzes (RKG) vertreten hat (vgl. die Urteile vom 25. August 1965 und vom 29.°September 1965, SozR Nr. 2 und Nr. 3 zu § 93 RKG). Auch nach der Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung des erkennenden Senats darf aber ein Urteil über die Rechtmäßigkeit der Rückforderung erst nach Abschluß des Widerspruchsverfahrens ergehen; ist das Widerspruchsverfahren noch nicht abgeschlossen, so ist die Klage unzulässig. Zwar ist die Entscheidung des Versicherungsträgers darüber, ob die drei nach § 80 Satz 2 AVG für den Rückforderungsanspruch notwendigen Voraussetzungen vorliegen, nicht eine „Ermessensentscheidung“; im Ermessen des Versicherungsträgers liegt es aber, ob er dann, wenn er das Vorliegen der Voraussetzungen des § 80 Satz 2 AVG bejaht, also nach seiner Meinung zurückfordern „darf“, den Rückforderungsanspruch auch geltend machen will. Den „Zugang“ zu diesem - eingeschränkten - Gebrauch seines Ermessens dürfen ihm die Gerichte nicht dadurch abschneiden, daß sie selbst - ohne vorherige Durchführung eines Vorverfahrens - den Rückforderungsanspruch verneinen. Dies entspricht auch dem Grundgedanken, auf dem die Einführung des Vorverfahrens beruht, nämlich dem Grundsatz der Vorschaltung einer Selbstkontrolle der Verwaltung und damit einer Entlastung der Gerichte. Im vorliegenden Falle hat das LSG die Tatsachen, die nach § 80 Satz 1 und Satz 2 AVG für die Rechtmäßigkeit des Rückforderungsanspruchs erheblich sind, bisher nicht festgestellt. Da es zu Unrecht über den Bescheid vom 2. November 1962, soweit dieser Bescheid die Rückforderung betrifft, sachlich entschieden hat, ist das Urteil des LSG insoweit aufzuheben. Im vorliegenden Fall ist davon auszugehen, daß der Kläger das Vorverfahren bereits eingeleitet hat, weil er sich schon in dem Schreiben an die Beklagte vom 11. November 1962 u.a. dagegen gewandt hat, „daß man … stillschweigend die bereits gezahlte Rente wieder einzieht; dieses Schreiben ist als Widerspruch gegen die Rückforderung anzusehen. Es erscheint deshalb aus Gründen der Prozeßökonomie geboten, hinsichtlich der Rückforderung die Sache an das LSG zurückzuverweisen. Das LSG hat damit die Möglichkeit, vor seiner neuen Entscheidung den Beteiligten Gelegenheit zu geben, das Vorverfahren abzuschließen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens bleibt dem abschließenden Urteil vorbehalten.

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