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§ 172 SGG: Statthaftigkeit der Beschwerde

Änderungsdienst
veröffentlicht am

15.05.2021

Änderung

Dokumentdaten
Stand06.05.2021
Erstellungsgrundlage in der Fassung des Siebten Gesetzes zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 12.06.2020 in Kraft getreten am 01.07.2020
Rechtsgrundlage

§ 172 SGG

Version002.00
Schlüsselwörter
  • 0601

  • 0603

  • 0610

  • 0615

  • 0616

  • 0620

  • 0624

  • 0739

Inhalt der Regelung

Absatz 1 enthält den Grundsatz, dass Entscheidungen der Sozialgerichte mit einer Beschwerde angefochten werden können. Ausgenommen von diesem Grundsatz sind Urteile. Nach Absatz 2 sind die dort aufgezählten prozessleitenden Verfügungen generell nicht selbstständig anfechtbar. Eine abschließende Aufzählung von Entscheidungen, bei denen eine Beschwerde ausgeschlossen ist, enthält Absatz 3.

Ergänzende/korrespondierende Regelungen

Die §§ 172 ff SGG enthalten nur vereinzelte Regelungen über das Beschwerdeverfahren. Insbesondere sind die Voraussetzungen der Zulässigkeit einer Beschwerde nicht vollständig in den §§ 172 ff SGG benannt. Auch hier gilt § 202 SGG, über den Vorschriften aus dem Bereich der ZPO anwendbar sind:

  • § 571 Abs. 2 S. 1 ZPO (Zulässigkeit neuer Angriffs- und Verteidigungsmittel),
  • § 572 Abs. 2 ZPO (Prüfen der Statthaftigkeit durch das Beschwerdegericht und Verwerfung unzulässiger Beschwerden),
  • § 567 Abs. 3 ZPO (Anschlussbeschwerde).

Allgemeines

Die Beschwerde ist ein Rechtsmittel, das die formelle Rechtskraft und die materielle Rechtskraft der angefochtenen Gerichtsentscheidung hemmt. Sie ist binnen eines Monats nach der Bekanntgabe der Entscheidung schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle beim Sozialgericht einzulegen (§ 173 SGG). Die Einlegung einer Beschwerde hat grundsätzlich keine aufschiebende Wirkung, die Ausnahmen hiervon sind in § 175 SGG abschließend geregelt.

Das Landessozialgericht entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss (§ 176 SGG). Ist sie begründet, kann das Gericht in der Sache entscheiden oder zurückverweisen.

Statthaftigkeit der Beschwerde (Absatz 1)

Beschwerden sind nur statthaft gegen Entscheidungen der Sozialgerichte und deren Vorsitzenden, bei denen es sich nicht um Urteile handelt. Gegen Urteile sind die Rechtsmittel der Berufung (§ 143 SGG) oder der Nichtzulassungsbeschwerde (§ 145 SGG) statthaft. Gerichtsbescheide sind Urteilen gleichgestellt (§ 105 Abs. 3 SGG).

Entscheidungen der Landessozialgerichte sind – mit Ausnahme der in § 177 SGG erwähnten Fälle der Rechtswegbeschwerde und der Nichtzulassungsbeschwerde - grundsätzlich nicht beschwerdefähig.

Mit einer Beschwerde angefochten werden können unter anderem Entscheidungen

  • in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes (§ 86b SGG) unter Beachtung der Ausschlussgründe des § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG,
  • über die Ablehnung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 67 SGG),
  • über Ablehnung oder Aufhebung einer Beiladung (§ 75 SGG),
  • im Rahmen einer Untätigkeitsklage (§ 88 Abs. 1 S. 2 SGG) zur Aussetzung, Fristsetzung oder Fristverlängerung,
  • über Ablehnung, Anordnung sowie Aufhebung der Aussetzung des Verfahrens (§ 114 SGG),
  • über das Ruhen des Verfahrens (§ 202 S. 1 SGG in Verbindung mit § 251 ZPO). Es besteht aber kein Rechtsschutzbedürfnis für eine Beschwerde, wenn das Ruhen angeordnet wird, denn die Beteiligten können jederzeit die Wiederaufnahme und die Fortführung des Verfahrens beantragen, vergleiche GRA zu § 202 SGG, Abschnitt 2.2.
  • über die Festsetzung von Ordnungsmitteln (§ 175 SGG), zum Beispiel bei unentschuldigtem Ausbleiben eines Beteiligten trotz Anordnung des persönlichen Erscheinens (siehe GRA zu § 111 SGG). In diesen Fällen hat die Beschwerde aufschiebende Wirkung (§ 175 SGG).
  • zu einer Urteilsberichtigung (§ 138 SGG),
  • zur Auferlegung von Verschuldenskosten (§ 192 Abs. 1 SGG), vergleiche GRA zu § 192 SGG, Abschnitt 4,
  • über die Festsetzung des Streitwertes (§ 197a SGG), wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 EUR übersteigt oder das Sozialgericht die Beschwerde zugelassen hat, vergleiche GRA zu § 197a SGG, Abschnitt 2.2.2.

Ausschluss der Beschwerde bei prozessleitenden Verfügungen (Absatz 2)

§ 172 Abs. 2 SGG regelt verfahrensbedingte Ausschlussgründe abschließend. Die das Verfahren betreffenden prozessleitenden Verfügungen (dazu gehören alle in Absatz 2 genannten Anordnungen) sollen (ergänzend zu § 56a SGG) generell nicht selbstständig anfechtbar sein, um missbräuchliche Verfahrensverzögerungen zu verhindern. Diese prozessleitenden Verfügungen können allenfalls als Verfahrensfehler im Rahmen von Rechtsmitteln gegen die Sachentscheidung angefochten werden.

Ausschluss der Beschwerde bei bestimmten Entscheidungen (Absatz 3)

§ 172 Abs. 3 SGG enthält eine abschließende Aufzählung von Ausschlussgründen, von denen die folgenden für die DRV von Bedeutung sind.

Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes (Absatz 3 Nummer 1)

Eine Beschwerde ist in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ausgeschlossen, wenn in der Hauptsache die Berufung zugelassen werden müsste. Die Beschwerde ist demnach nur statthaft, wenn es sich in der Hauptsache um eine zulassungsfreie Berufung nach § 144 Abs. 1 SGG handelt, sie also entweder

Kostengrundentscheidungen (Absatz 3 Nummer 3)

Wird ein gem. § 183 SGG gerichtskostenfreies Verfahren anders als durch eine Entscheidung in der Hauptsache beendet (z. B. durch eine Erledigungserkärung), entscheidet das Gericht über die Kosten auf Antrag durch Beschluss (§ 193 Abs. 1 S. 3 SGG). Gegen derartige Beschlüsse ist die Beschwerde gem. § 172 Abs. 3 Nr. 3 SGG ausgeschlossen.

Auferlegung von Ermittlungskosten (Absatz 3 Nummer 4)

Hat eine Behörde von ihr erkennbare und notwendige Ermittlungen im Verwaltungsverfahren unterlassen, kann das Gericht – unabhängig von einer Zurückverweisung an die Behörde gemäß § 131 Abs. 5 SGG - der Behörde die dadurch entstandenen Kosten auferlegen (§ 192 Abs. 4 SGG), so zum Beispiel: Beschluss des Thüringer Landessozialgerichts vom 17.01.2017, AZ: L 5 SB 1136/15 B. Eine Beschwerde gegen diesen Beschluss ist ausgeschlossen, wenn

  • in der Hauptsache kein Rechtsmittel gegeben ist und
  • der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 EUR nicht übersteigt.

Ausschluss nach weiteren Vorschriften (Absatz 1 Halbsatz 2)

Die Beschwerde ist neben den in den Absätzen 2 und 3 genannten Gründen auch durch diverse Sonderregelungen im SGG ausgeschlossen, unter anderem gegen

Gesetz zur Neuorganisation der bundesunmittelbaren Unfallkassen, zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und zur Änderung anderer Gesetze (BUK-Neuorganisationsgesetz - BUK-NOG) vom 19.10.2013 (BGBl. I S. 3836)

Inkrafttreten: 25.10.2013

Quelle zum Entwurf: BT-Drucksache 17/12297

Erweiterung von Absatz 2 um die Ablehnung von Sachverständigen und Änderung beziehungsweise Neufassung von Absatz 3 Nummer 1 und 2.

Drittes Gesetz zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze (3. SGBIVuaÄndG) vom 05.08.2010 (BGBl. I S. 1127)

Inkrafttreten: 11.08.2010

Quelle zum Entwurf: BT-Drucksache 17/2169

Ergänzung von § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG um zweiten Halbsatz, der den Ausschluss der Beschwerde auf Entscheidungen über Prozesskostenhilfeanträge im Rahmen dieser Verfahren erstreckt.

Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Unfallversicherung (Unfallversicherungsmodernisierungsgesetz UVMG) vom 30.10.2008, (BGBI. I S. 2130)

Inkrafttreten 05.11.2008

Quelle zum Entwurf: BT-Drucksache 16/9154

Die unzutreffende Verweisung in § 172 Abs. 3 Nr. 4 SGG auf § 192 Abs. 2 SGG wurde in die zutreffende Verweisung auf § 192 Abs. 4 SGG korrigiert.

Gesetz zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes (SGGuaÄndG) vom 26.03.2008 (BGBl. I S. 444)

Inkrafttreten: 01.04.2008

Quelle zum Entwurf: BT-Drucksache 16/7716

Erweiterung der Ausschlussgründe in § 172 Abs. 2 SGG um die Ablehnung von Gerichtspersonen und Anfügung des Absatzes 3: Ausschluss der Beschwerde in bestimmten Verfahren.

Gesetz zur Entlastung der Rechtspflege (RPflEntlG) vom 11.01.1993 (BGBl. I S. 50)

Inkrafttreten: 01.03.1993

Quelle zum Entwurf: BT-Drucksache 12/1217

Streichung der Worte „mit Ausnahme der Vorbescheide“ in Absatz 1. Statt des Vorbescheides wurde der Gerichtsbescheid eingeführt (§ 105 SGG), dem nach § 105 Abs. 3 SGG die Wirkung eines Urteils zukommt. Insoweit war eine gesonderte Erwähnung in Absatz 1 nicht erforderlich.

Zusatzinformationen

Rechtsgrundlage

§ 172 SGG