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Sowjetunion (bis 1991) - 1. Allgemeines: Recht der Herkunftsgebiete

Änderungsdienst
veröffentlicht am

05.06.2021

Änderung

Es wurden kleinere redaktionelle Änderungen vorgenommen, die noch im Zusammenhang mit der Abstimmung der GRA stehen.

Dokumentdaten
Stand22.12.2016
Rechtsgrundlage

Recht der Herkunftsgebiete

Version003.00

Staatliche Entwicklung

Die Sowjetunion entstand aus dem Zarenreich Russland, das unter dem inneren und äußeren Druck während des 1. Weltkrieges zerbrach.

Im Januar 1918 wurde die Russische Sozialistische Föderative Sowjetrepublik (RSFSR) ausgerufen.

Nach Beendigung des 1. Weltkrieges und des anschließenden mehrjährigen Bürgerkrieges wurde am 30.12.1922 die Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken (UdSSR) - in der GRA kurz als „Sowjetunion“ bezeichnet - gegründet. Ihr gehörten die Russische, Ukrainische, Transkaukasische und Weißrussische Sowjetrepublik an.

Gebietsveränderungen im 2. Weltkrieg

Entsprechend der im deutsch-sowjetischen Nichtangriffspakt („Hitler-Stalin-Pakt“) vom 23.08.1939 abgesteckten Interessensphären besetzte die Sowjetunion 1939 Ostpolen. 1940 besetzte sie die rumänischen Gebiete Bessarabien und Nord-Bukowina sowie das finnische Karelien. Außerdem wurden 1940 die baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen in die Sowjetunion eingegliedert.

Am 22.06.1941 begann der Russlandfeldzug Deutschlands. Die deutschen Truppen eroberten große Gebiete des europäischen Teils der Sowjetunion. Teile der besetzten Gebiete (die als „befriedet“ angesehen wurden), wurden unter deutsche Zivilverwaltung gestellt. Das waren das Reichskommissariat Ostland (mit den Generalkommissariaten Estland, Lettland, Litauen und Weißruthenien) und das Reichskommissariat Ukraine.

Anfang 1943 begann die Rückeroberung der besetzten Gebiete.

Als Folge des 2. Weltkrieges (in der Sowjetunion als der „Große Vaterländische Krieg“ bezeichnet) dehnte die Sowjetunion ihr Staatsgebiet weiter nach Westen aus. Im Wesentlichen wurden ihr die Gebiete zugesprochen, die sie 1939/40 besetzt hatte.

In den folgenden Abschnitten ist beschrieben, wie sich der sowjetische Machtbereich im Zusammenhang mit dem 2. Weltkrieg in den einzelnen Gebieten veränderte.

Im Abschnitt 1.1.5 ist der zeitweilige deutsche Machtbereich beschrieben.

Die Auswirkungen der Gebietsveränderungen auf das geltende Recht im Bereich der Sozialversicherung sind in der GRA zu Sowjetunion (bis 1991) - 2. Systeme der sozialen Sicherheit (Überblick): Recht der Herkunftsgebiete, Abschnitt 3 erläutert.

Baltische Gebiete (Estland, Lettland, Litauen)

Als Folge des 1. Weltkrieges waren die souveränen Staaten Estland, Lettland und Litauen entstanden.

Unter litauischer Staatshoheit stand auch das mit weitgehenden Autonomierechten ausgestattete Memelgebiet, das durch den Versailler Vertrag mit Wirkung vom 10.01.1920 vom Deutschen Reich abgetrennt worden war. Durch den deutsch-litauischen Vertrag vom 22.03.1939 wurde das Memelgebiet wieder in das Deutsche Reich eingegliedert.

Durch den Beistandspakt zwischen der Sowjetunion und Litauen vom 10.10.1939 wurde das ehemals polnische und kurz zuvor von der Sowjetunion besetzte Gebiet um Wilna an Litauen abgetreten.

Nach Beginn des 2. Weltkrieges kamen alle drei baltischen Staaten immer stärker unter den Einfluss der Sowjetunion, was schließlich Anfang August 1940 zum Beitritt von Estland, Lettland und Litauen als Unionsrepubliken zur Sowjetunion führte.

Nach dem deutschen Angriff auf die Sowjetunion (22.06.1941) wurden die baltischen Gebiete relativ schnell besetzt und kurze Zeit später unter deutsche Zivilverwaltung gestellt:

01.08.1941GeneralkommissariatLitauen,
01.09.1941GeneralkommissariatLettland,
05.12.1941GeneralkommissariatEstland,

die zusammen mit dem Generalkommissariat Weißruthenien das Reichskommissariat Ostland bildeten (siehe Abschnitt 1.1.5).

Im Laufe des Jahres 1944 wurden die meisten baltischen Gebiete von der Sowjetunion zurückerobert; lediglich ein Teil Lettlands blieb noch bis zum Kriegsende unter deutscher Besatzung.

Ehemals polnische Gebiete

Entsprechend der im deutsch-sowjetischen Nichtangriffspakt („Hitler-Stalin-Pakt“) vom 23.08.1939 abgesteckten Interessensphären besetzte die Sowjetunion im September 1939 Ostpolen. Die südlichen Gebietsteile (Galizien, Wolhynien) wurden der Ukrainischen SSR angegliedert, die nördlichen Gebietsteile der Weißrussischen SSR. Eine Ausnahme bildete lediglich das Gebiet um Wilna, das an Litauen abgetreten wurde (siehe Abschnitt 1.1.1).

Nach dem deutschen Angriff auf die Sowjetunion (22.06.1941) wurden die ostpolnischen Gebiete schnell besetzt und schon kurze Zeit später unter deutsche Zivilverwaltung gestellt.

Zum 01.08.1941 wurde Galizien als weiterer Distrikt dem Generalgouvernement eingegliedert und der Bezirk Bialystok wurde unter Zivilverwaltung der Provinz Ostpreußen gestellt, blieb aber ein Gebiet besonderer Art.

Zum 01.09.1941 wurden die neben Galizien noch verbleibenden südlichen Gebietsteile ein Teil des Reichskommissariats Ukraine. Aus den neben Bialystok noch verbleibenden nördlichen Gebietsteilen wurde das Generalkommissariat Weißruthenien (Teil des Reichskommissariats Ostland) gebildet.

Im Laufe des Jahres 1944 wurden die ehemals ostpolnischen Gebiete von der Sowjetunion zurückerobert und wieder in die Ukrainische und Weißrussische SSR eingegliedert.

Ehemals rumänische Gebiete

Ende Juni 1940 besetzte die Sowjetunion Teile Rumäniens und dehnte ihr Staatsgebiet entsprechend aus. Es handelte sich zum einen um Bessarabien, ein Gebiet zwischen den Flüssen Dnjestr und Pruth, das Russland nach dem 1. Weltkrieg an Rumänien hatte abtreten müssen, und zum anderen um die sich westlich anschließende Nord-Bukowina (um Czernowitz). Aus dem größten Teil Bessarabiens wurde (zusammen mit anderen Gebieten) die Moldauische SSR gebildet; die restlichen Teile Bessarabiens sowie die Nord-Bukowina wurden in die Ukrainische SSR eingegliedert.

Ende Juni 1941 eroberte das an der Seite Deutschlands kämpfende Rumänien diese Gebiete zunächst wieder zurück.

Mit der erneuten Rückeroberung bis zum August 1944 kamen Bessarabien und die Nord-Bukowina endgültig in das Staatsgebiet der Sowjetunion.

Ehemals tschechoslowakische/ungarische Gebiete

Nach dem 2. Weltkrieg wurde die (ehemals tschechoslowakische, während des Krieges von Ungarn besetzte) Karpatho-Ukraine - dazu gehören die Stadt Uzhorod sowie die sich östlich davon anschließenden Gebiete der früheren Tschechoslowakei - durch Vertrag vom 29.06.1945 in das Staatsgebiet der Sowjetunion (in die Ukrainische SSR) eingegliedert.

Deutsche Besetzung

Während des 2. Weltkrieges waren große Gebiete des europäischen Teils der Sowjetunion von Deutschland (und dem verbündeten Rumänien) besetzt. Für die von der Sowjetunion selbst erst kurz zuvor erworbenen Gebiete sind die Entwicklungen bereits in den vorhergehenden Abschnitten beschrieben. Die deutsche (rumänische) Besetzung umfasste darüber hinaus aber noch weitere, seit der Staatsgründung zur Sowjetunion gehörende Gebiete.

Die deutschen Truppen eroberten noch bis zum Ende des Jahres 1941 die Gebiete bis nahe an Moskau heran. Im Frühjahr 1942 befand sich der Frontverlauf etwa auf einer Linie von Leningrad bis zur Mündung des Don. Im Laufe des Jahres 1942 erfolgte ein weiterer Vormarsch bis vor Stalingrad (an der Wolga) und bis an den Kaukasus.

Zum Ausmaß der Besetzung durch deutsche (rumänische) Truppen wird auf die Kartenskizze 1 in der Anlage 1 Landkarten zu dieser GRA verwiesen; zur Orientierung soll ferner die folgende Zusammenstellung des zeitlichen Ablaufs der Besetzung dienen:

Zeitpunkt

Ort, Gebiet

Juni 1941Kowno (Litauen); Libau, Riga, Dünaburg (Lettland); Wilna, Brest-Litowsk, Kowel, Luzk, Dubno, Lemberg (Ostpolen); Bobruisk (Weißrussland)
Juli 1941Pleskau, Witebsk, Gorki, Mogilew, Propojsk (Weißrussland); Shitomir (Ukraine); Smolensk, Jelnja (westliches Russland)
August 1941Narwa (Estland); Nikolajew, Cherson, Saporoshje, Dnjepropetrowsk (Ukraine)
September 1941Kiew, Tschernigow, Konotop, Mirgorod, Poltawa, Krementschug, Krasnograd (Ukraine)
Oktober 1941Kalinin (im Dezember 1941 zurückerobert), Wjasma, Kaluga, Brjansk, Orel, Belgorod (westliches Russland); Charkow, Stalino, Berdjansk, Mariupol (Ukraine); Taganrog (südliches Russland); Odessa (Ukraine; von rumänischen Truppen besetzt)
November 1941Stalinogorsk, Kursk (westliches Russland); Simferopol, Feodosia (Krim)
Juli 1942Woronesh (westliches Russland); Rostow (südliches Russland); Sewastopol (Krim)
August 1942Jejsk, Krasnodar (südliches Russland); Elista (Kalmückengebiet); Berg Elbrus (Kaukasus)
September 1942Noworossisk (südliches Russland)
November 1942Ordshonikidse (Kaukasus)

Ein großer Teil der besetzten Gebiete blieb unter Militärverwaltung, nur die als „befriedet“ angesehenen Gebiete wurden unter Zivilverwaltung gestellt.

Zum Generalkommissariat Weißruthenien, das zusammen mit den Generalkommissariaten Estland, Lettland und Litauen (siehe Abschnitt 1.1.1) das Reichskommissariat Ostland bildete, gehörte neben den ehemals polnischen Gebieten (siehe Abschnitt 1.1.2) nur noch ein schmaler Gebietsstreifen der ursprünglichen Sowjetunion um die weißrussische Hauptstadt Minsk. Es wurde zum 01.09.1941 errichtet.

Zum Reichskommissariat Ukraine gehörten neben den ehemals polnischen Gebieten (siehe Abschnitt 1.1.2) wesentliche Teile der Ukrainischen SSR. Nach seiner Errichtungsphase (01.09.1941 bis 15.11.1941) umfasste es das Gebiet bis zum Fluss Dnjepr; zum 01.09.1942 wurde es in östlicher und südlicher Richtung erweitert.

Transnistrien, ein an Bessarabien (siehe Abschnitt 1.1.3) anschließendes Gebiet zwischen den Flüssen Djnestr und Bug, stand unter rumänischer Zivilverwaltung.

Mit den 1943 beginnenden Rückeroberungen durch die sowjetische Armee kamen die besetzten Gebiete in den Jahren 1943/1944 schrittweise wieder in den Herrschaftsbereich der Sowjetunion. Bis zum Herbst 1943 wurden die deutschen Truppen etwa bis zum Fluss Dnjepr zurückgedrängt, bis zum Frühjahr 1944 war das Gebiet der Ukraine befreit und bis zum Jahresende folgten schließlich die restlichen weißrussischen und baltischen Gebiete (mit Ausnahme eines Teiles von Lettland).

Zur Orientierung soll die folgende Zusammenstellung des zeitlichen Ablaufs der Rückeroberungen dienen.

Zeitpunkt

Ort, Gebiet

Januar 1943Welikije-Luki (westliches Russland); Elista (Kalmückengebiet)
Februar 1943Demjansk, Kursk (westliches Russland); Krasnodar, Rostow (südliches Russland)
März 1943Wjasma (westliches Russland)
August 1943Dorogobusch, Jelnja, Orel, Belgorod (westliches Russland); Charkow (Ukraine); Taganrog (südliches Russland)
September 1943Brjansk (westliches Russland); Poltawa, Dnjepropetrowsk (Ukraine); Noworossisk (südliches Russland)
Oktober 1943Melitopol (Ukraine)
November 1943Gomel, Retschitza (Weißrussland); Kiew, Krementschug, Kirowograd (Ukraine); Kertsch (Krim)
Januar 1944Nowgorod (westliches Russland)
Februar 1944Staraja Russa (westliches Russland); Nikopol, Kriwoj Rog (Ukraine); Luzk, Rowno (Ostpolen)
März 1944Cherson, Nikolajew, Uman, Winniza, Kamenez-Podolsk (Ukraine); Dubno (Ostpolen)
April 1944Odessa (Ukraine); Tarnopol (Ostpolen)
Mai 1944Sewastopol (Krim)
Juni 1944Orscha (Weißrussland)
Juli 1944Narwa (Estland); Mitau, Dünaburg (Lettland); Minsk, Polozk (Weißrussland); Baranowitschi, Grudno, Bialystok, Brest-Litowsk, Lemberg, Stanislaw (Ostpolen); Lublin (Generalgouvernement)
August 1944Kowno (Litauen)
September 1944Reval (Estland)

Die Gliederung der Sowjetunion

Durch Teilung der Ursprungsrepubliken in den 1920er und 1930er Jahren sowie durch spätere Gebietsgewinne während des 2. Weltkrieges entstanden schließlich 15 Unionsrepubliken („Sozialistische Sowjetrepublik“ - abgekürzt: SSR - oder auch „Sozialistische Föderative Sowjetrepublik“ - SFSR -):

Armenische SSR,

Aserbaidschanische SSR,

Belarussische (Weißrussische) SSR,

Estnische SSR,

Georgische (Grusinische) SSR,

Kasachische SSR,

Kirgisische SSR,

Lettische SSR,

Litauische SSR,

Moldauische SSR,

Russische SFSR,

Tadschikische SSR,

Turkmenische SSR,

Ukrainische SSR,

Usbekische SSR.

Die 15 formal gleichberechtigten Unionsrepubliken wurden verwaltungsmäßig je nach Größe gegebenenfalls in Gebiete (Oblast) beziehungsweise Regionen (Kraj) unterteilt, die auf unterer Stufe in Bezirke (Rayon) und Gemeinden gegliedert waren.

Ferner gab es innerhalb der Unionsrepubliken verschiedene Autonome Republiken (ASSR); kleinere Autonome Gebiete oder Bezirke waren den Gebieten beziehungsweise Gauen untergeordnet. Diese Gliederung galt im Grunde während der gesamten, fast 70-jährigen Geschichte der Sowjetunion; allerdings hat es sowohl zwischen den Unionsrepubliken als auch innerhalb der Unionsrepubliken Gebietsverschiebungen gegeben. So kam beispielsweise die Krim 1954 von der Russischen SFSR zur Ukrainischen SSR.

Eine Übersicht über die Unionsrepubliken enthält die Kartenskizze 2 in der Anlage 1 Landkarten zu dieser GRA.

Die Auflösung der Sowjetunion und ihre Nachfolgestaaten

Ende der 1980er Jahre begannen in den meisten Unionsrepubliken nationale Bestrebungen nach Unabhängigkeit. Die ersten Unabhängigkeitserklärungen (der baltischen Staaten) wurden 1990 noch zurückgewiesen, im folgenden Jahr 1991 aber akzeptiert. Alle anderen Unionsrepubliken folgten diesem Beispiel noch im gleichen Jahr. Durch Vertrag vom 21.12.1991 wurde die formale Auflösung der Sowjetunion zum 31.12.1991 beschlossen.

Seitdem existieren die aus den 15 Unionsrepubliken hervorgegangenen souveränen Staaten

Armenien, Aserbaidschan, Belarus (Weißrussland), Estland, Georgien, Kasachstan, Kirgisistan, Lettland, Litauen, Moldau, Russische Föderation, Tadschikistan, Turkmenistan, Ukraine, Usbekistan.

Elf dieser souveränen Staaten schlossen sich sofort (mit Auflösung der Sowjetunion) in der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) zusammen. Nicht hierzu gehören die drei baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen. Georgien trat der GUS erst später (1993) als 12. Mitglied bei und ist mittlerweile wieder ausgetreten.

Die Deutschen in der Sowjetunion

Nach einer Volkszählung im Jahr 1979 bekannten sich knapp 2 Millionen Einwohner der Sowjetunion zur Volksgruppe der Deutschen.

Der Ursprung dieses Personenkreises reicht mehr als 200 Jahre zurück. Einem Aufruf der damaligen Zarin Katharina II. folgten zahlreiche Menschen aus dem süddeutschen Raum. Sie siedelten in verschiedenen Gebieten Russlands, wie in Wolhynien, im Schwarzmeergebiet (einschließlich der Krim) sowie an den Flüssen Dnjestr, Dnjepr, Don und Wolga.

Trotz einiger Bestrebungen zur Russifizierung konnten die Deutschen ihre kulturelle Autonomie weitgehend bewahren. 1923/24 wurde an der Wolga (südlich von Saratow) sogar eine „Autonome Sozialistische Sowjetrepublik (ASSR) der Wolgadeutschen“ gegründet. Damit waren verschiedene Rechte verbunden; es gab deutsche Bildungseinrichtungen (von der Grundschule bis zur Hochschule) und diverse Kultureinrichtungen. Ferner gehörte hierzu der Gebrauch der deutschen Sprache. So waren beispielsweise amtliche Unterlagen (wie Geburtsurkunden, Zeugnisse, Arbeitsbücher) in der Regel zweisprachig (deutsch und russisch) abgefasst. Außer diesem großen zusammenhängenden Siedlungsgebiet, in dem zwei Drittel der Bewohner Deutsche waren, gab es in anderen Regionen kleinere autonome Bezirke.

Eine einschneidende Veränderung hatte 1941 der Angriff Deutschlands auf die Sowjetunion zur Folge. Die Deutschen wurden der Unterstützung Hitlers beschuldigt und in entfernte Regionen der Sowjetunion deportiert, vornehmlich in den asiatischen Teil Russlands, nach Kasachstan, Kirgisien und Tadschikistan. Sie mussten dort Arbeitsdienst in der sogenannten „Trud-Armee“ (Einzelheiten hierzu siehe GRA zu Sowjetunion (bis 1991) - 2.3 Besondere Arbeitsverhältnisse und Berufsgruppen: Recht der Herkunftsgebiete, Abschnitt 3.1) leisten und wurden unter Kommandanturaufsicht gestellt.

Die Deutschen, die in Gebieten lebten, die sehr schnell von den deutschen Truppen besetzt wurden (zum Beispiel die westlichen Teile der Ukraine), entgingen zunächst der Deportation. Sie wurden beim Einsetzen des deutschen Rückzuges in das deutsche Reich umgesiedelt. Gleiches war bereits 1939/40 mit den deutschstämmigen Personen geschehen, die in Ostpolen gelebt hatten. Ein Großteil der Umsiedler war im Warthegau angesiedelt worden. Von dort wurden sie bei Kriegsende von der Sowjetarmee wieder in die Sowjetunion verschleppt, wo sie als „Verräter“ noch härter behandelt wurden als die 1941 innerhalb der Sowjetunion deportierten Deutschen.

Die Zeiten der Deportation, Verschleppung, Internierung stellen in der Regel Ersatzzeittatbestände im Sinne des § 250 Abs. 1 Nr. 2 und 3 SGB VI dar. Auf die dortige GRA wird hingewiesen.

Die Situation der Deutschen verbesserte sich, nachdem 1955 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Sowjetunion diplomatische Beziehungen aufgenommen wurden. So wurde durch Erlass vom 13.12.1955 die Kommandanturaufsicht aufgehoben. Eine Rückkehrmöglichkeit in die alten Siedlungsgebiete war damit nicht verbunden; allerdings kam es von 1958 bis 1960 zu einem kurzzeitigen Anstieg der Aussiedlerzahlen. Die formale Rehabilitierung der Wolgadeutschen vom pauschalen Vorwurf der Kollaboration erfolgte durch einen weiteren Erlass im Jahr 1964, der aber keine praktischen Verbesserungen mit sich brachte.

Die Entspannungspolitik, wie sie im Moskauer Vertrag von 1970 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Sowjetunion zum Ausdruck kam, führte zu einer leichten Verbesserung der Ausreisemöglichkeiten für die Deutschen. Deutlich steigende Aussiedlerzahlen brachte Ende der 1980er Jahre aber erst die Reformpolitik Gorbatschows samt genereller Lockerung der Reisebestimmungen und die im Zusammenhang mit der Auflösung der Sowjetunion stehenden Ereignisse. Eine Aufstellung der Aussiedlerzahlen seit 1950 ist in der Anlage 2 Aussiedlerstatistik zu dieser GRA enthalten.

Bildungswesen

Im zaristischen Russland befand sich das Bildungswesen (einschließlich der beruflichen Bildung) noch in der Aufbauphase, wobei es in den einzelnen Landesteilen erhebliche Unterschiede gab. Nach der Gründung der Sowjetunion (1922) wurden daher Anstrengungen unternommen, ein umfassendes Bildungswesen zu errichten. Als wichtigstes Prinzip wurde dabei die Verbindung von Schule und produktiver Arbeit angesehen, also die Kombination von allgemeiner und beruflicher Bildung. Dieses Ziel wurde stets beibehalten, wenn auch in unterschiedlicher Ausgestaltung. So wechselten in gewisser Regelmäßigkeit Perioden, in denen an allgemeinbildenden Schulen der polytechnische (berufliche) Unterricht verstärkt wurde, mit Perioden, in denen der Besuch von Berufsschulen gefördert wurde und dort zusätzlich eine bis zur Hochschulreife (Abitur) führende Allgemeinbildung vermittelt wurde.

Trotz dieser gelegentlichen Schwerpunktverlagerungen sind die berufliche Bildung und ihre Einrichtungen seit Mitte der 1920er Jahre in ihren Grundzügen weitgehend unverändert geblieben.

Grundlage des sowjetischen Bildungssystems war eine allgemeinbildende Schule. Sie wurde zeitweise als Einheits-Arbeitsschule bezeichnet, meist aber als Mittelschule. Gegliedert war sie in eine

  • Grundstufe (anfangs Klassen 1 bis 4, ab 1958 Klassen 1 bis 3),
  • Mittelstufe (anfangs bis Klasse 7, ab 1958 bis Klasse 8, ab 1984 bis Klasse 9),
  • Oberstufe (anfangs bis Klasse 10, ab 1984 bis Klasse 11).

Die jeweiligen Schulstufen konnten auch eigenständige Schulen sein (Grundstufe gleich Grundschule, Mittelstufe gleich 7/8-Jahres-Schule gleich „unvollständige“ Mittelschule, Oberstufe gleich „vollständige“ Mittelschule).

Die Mittelschule vermittelte in erster Linie eine Allgemeinbildung, die bei Abschluss der „vollständigen“ Mittelschule die Hochschulreife beinhaltete. Daneben vermittelte sie aber (zumindest zeitweise) auch eine berufliche Grundausbildung auf niedrigem Niveau.

Das Schuljahr begann regelmäßig am 1. September und endet im Mai/Juni.

Die Einschulung erfolgte üblicherweise im Alter von sieben Jahren.

Eine Schulpflicht gab es zunächst (zumindest seit Beginn der 1930er Jahre) für vier Jahre. Beginnend in den Industriegebieten wurde sie dann auf sieben Jahre ausgedehnt, was Mitte der 1950er Jahre weitgehend erreicht war. Schließlich wurde die Schulpflicht Anfang der 1960er Jahre auf acht Jahre verlängert.

Aufbauend auf der „unvollständigen“ Mittelschule gab es Beruflich-Technische Schulen (Berufsschulen), an denen eine berufliche Grundausbildung vermittelt wurde (teilweise auch zusätzlich die Hochschulreife).

Eine mittlere berufliche Bildung sowie die Hochschulreife vermittelt die (Mittlere) Fachschule, teilweise auch als Mittlere Fachlehreinrichtung beziehungsweise Technikum bezeichnet. Beide Schultypen bauen grundsätzlich auf der „unvollständigen“ Mittelschule auf, können aber auch von Absolventen der „vollständigen“ Mittelschule besucht werden.

Außer an schulischen Einrichtungen erfolgte eine berufliche Bildung in größerem Umfang durch betriebliche Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen.

Oberhalb der allgemeinbildenden und der berufsbildenden Schulen folgten die Universitäten und Hochschulen.

Weitere Einzelheiten zur rentenrechtlichen Behandlung der Ausbildungszeiten siehe GRA zu § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VI Ausland zur Einstufung in Qualifikationsgruppen wird auf die GRA zu § 22 FRG, Anlage 4 - Sowjetunion verwiesen.

Sonstiges (Kalender/Zeitrechnung)

Im zaristischen Russland erfolgte die Zeitrechnung noch nach dem julianischen Kalender. Die Umstellung auf die (heute gebräuchliche) gregorianische Zeitrechnung erfolgte zum Februar 1918; mitunter ist der alte Kalender aber noch bis 1923 angewandt worden.

Soweit Daten noch von Bedeutung sind (zum Beispiel für die Feststellung des Geburtsdatums), müssen diese vom alten in den neuen Kalender umgerechnet werden. Bei der Umrechnung eines Datums vom alten (julianischen) in den neuen (gregorianischen) Kalender sind bei einem Datum bis zum 16.02.1900 (julianischer Kalender) 12 Tage, bei einem Datum ab 17.02.1900 (julianischer Kalender) 13 Tage hinzuzuzählen.

Anlage 1: Landkarten
Anlage 2: Aussiedlerstatistik

Zusatzinformationen

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