§ 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VI Ausland: Zeiten einer schulischen Ausbildung
veröffentlicht am |
23.09.2023 |
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Änderung | Die GRA wurde redaktionell überarbeitet. In Abschnitt 5 wurden Hinweise zu Informationsquellen im Internet neu aufgenommen. |
Stand | 21.08.2023 |
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Rechtsgrundlage | |
Version | 004.00 |
Schlüsselwörter |
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- Inhalt der Regelung
- Allgemeine Grundsätze
- Beginn und Ende der schulischen Ausbildungszeiten im Ausland
- Schulische Ausbildung neben einer Beschäftigung oder Tätigkeit
- Beurteilung ausländischer Ausbildungszeiten
Inhalt der Regelung
§ 58 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 SGB VI regelt die Voraussetzungen für die Berücksichtigung einer nach Vollendung des 17. Lebensjahres liegenden Schul-, Fachschul- oder Hochschulausbildung sowie einer berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme als Anrechnungszeit (Zeit einer schulischen Ausbildung). Da diese Regelung nicht auf inländische Ausbildungen beschränkt ist, können auch Zeiten einer schulischen Ausbildung im Ausland als Anrechnungszeiten berücksichtigt werden.
Allgemeine Grundsätze
Die Beurteilung, ob der Besuch ausländischer Ausbildungsstätten Schulausbildung, Fachschulausbildung oder Hochschulausbildung im Sinne des § 58 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 SGB VI ist, richtet sich nach den allgemeinen Grundsätzen, die für inländische Ausbildungen gelten. Ausbildungen im Ausland sind danach Anrechnungszeiten, wenn sie unter Zugrundelegung dieser Grundsätze die Voraussetzungen der Begriffe „Schulausbildung", „Fachschulausbildung" oder „Hochschulausbildung" erfüllen (siehe hierzu auch die nachfolgenden Abschnitte 2.1 bis 2.4).
Status der Ausbildungsstätte
Ob im Einzelfall „Schulausbildung", „Fachschulausbildung" oder „Hochschulausbildung" vorliegt, beurteilt sich grundsätzlich nach dem Status der Ausbildungsstätte im Ausland (Urteile des BSG vom 26.06.1991, AZ: 8 RKn 15/89, SozR 3-2200 § 1259 Nr. 6, BSG vom 25.11.1986, AZ: 11a RA 66/85 , SozR 2200 § 1259 Nr. 96 und BSG vom 02.11.1983, AZ: 11 RA 82/82 SozR 2200 § 1259 Nr. 80). So ist zum Beispiel „Hochschulausbildung" im Sinne des § 58 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 SGB VI gegeben, wenn die Ausbildungsstätte im Ausland als Einrichtung des Hochschulausbildungswesens anerkannt ist und unter Berücksichtigung der allgemeinen Grundsätze alle sonstigen Voraussetzungen des Begriffs „Hochschulausbildung" erfüllt sind (siehe hierzu GRA zu § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VI, Abschnitt 3.3).
Überwiegend schulisch-theoretische Ausbildung
Zeiten einer Ausbildung können unter anderem nur dann als Anrechnungszeiten im Sinne des § 58 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 SGB VI berücksichtigt werden, wenn die Ausbildung überwiegend schulisch-theoretisch war.
Hinsichtlich ausländischer Ausbildungen im Rahmen der Krankenpflege sowie zur Hebamme und zur Kindergärtnerin ist festzustellen, dass es sich regelmäßig nicht um vorwiegend schulisch-theoretische Ausbildungen handelte. Bei solchen Ausbildungen ist deshalb stets die Gestaltung der Ausbildung zu prüfen. Es ist im Einzelfall konkret festzustellen, wie viele Stunden im Rahmen der Gesamtausbildung die schulisch-theoretische Ausbildung und wie viele Stunden die praktische Ausbildung umfasste. Stand die praktische Ausbildung im Vordergrund der Ausbildung, ist keine Anrechnungszeit im Sinne des § 58 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 SGB VI gegeben.
Entsprechende Ausbildungen sind zum Beispiel in Großbritannien, Österreich, Südkorea und auf den Philippinen regelmäßig vorwiegend praktischer Art und damit keine Anrechnungszeiten. In Zweifelsfällen ist die Gestaltung der Ausbildung - unterteilt in schulisch-theoretischen Unterricht und praktische Ausbildung - konkret festzustellen.
Überwiegende Inanspruchnahme
Bei ausländischen Ausbildungen ist zu beachten, dass Ausbildungsgänge sehr oft im Rahmen eines Teilzeitunterrichts absolviert werden können. Die Ausbildung ist nur dann Anrechnungszeittatsache, wenn hierdurch Zeit und Arbeitskraft des Auszubildenden überwiegend in Anspruch genommen werden. Diese überwiegende Inanspruchnahme liegt vor, wenn die Ausbildung einen Zeitaufwand von mehr als 20 Stunden wöchentlich erfordert.
Kurse an ausländischen Hochschulen
Die an ausländischen Hochschulen eingerichteten Kurse für Ausländer (zum Beispiel Sprachkurs für ausländische Studierende zur Verbesserung der Sprachkenntnisse beziehungsweise Einführung in der Landessprache, Intensiv-Sprachkurs beziehungsweise Crash-Kurs in einer Sprache) sind grundsätzlich keine berücksichtigungsfähige Anrechnungszeit im Sinne des § 58 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 SGB VI. Bei diesen Ausbildungen handelt es sich regelmäßig um keinen geregelten Hochschulausbildungsgang, der den Erwerb eines akademischen Hochschulabschlusses zum Ziel hat. Eine Berücksichtigung dieser Kursausbildungen als Fachschulausbildung im Sinne des § 58 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 SGB VI kommt wegen des Status der Ausbildungsstätte ebenfalls nicht in Betracht. Als Fachschulausbildung können nur Ausbildungen angesehen werden, die auch an einer Fachschule absolviert wurden.
Beginn und Ende der schulischen Ausbildungszeiten im Ausland
Die Frage, wann die im Ausland zurückgelegte Schulausbildung, Fachschulausbildung oder Hochschulausbildung begonnen hat oder beendet ist, beurteilt sich nach den allgemeinen Grundsätzen, die für inländische Ausbildungen gelten (siehe GRA zu § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VI, Abschnitte 3.1.1, 3.2.1 und 3.3.6). Die in der Bundesrepublik Deutschland allgemein geltenden Daten zum gewöhnlichen Beginn oder Ende von schulischen Ausbildungszeiten sind in der Regel nicht auf ausländische Ausbildungszeiten übertragbar. Maßgebend sind die ausländischen Verhältnisse zum Zeitpunkt der absolvierten Ausbildung.
Schulische Ausbildung neben einer Beschäftigung oder Tätigkeit
Haben Versicherte während ihrer schulischen Ausbildung im Ausland eine Beschäftigung oder Tätigkeit ausgeübt, ist zunächst zu prüfen, ob die Ausbildung die Zeit und Arbeitskraft der Auszubildenden überwiegend, das heißt mehr als 20 Stunden wöchentlich, in Anspruch genommen hat.
Liegt eine überwiegende Beanspruchung durch die Ausbildung vor, ist im zweiten Schritt zu prüfen, ob die Ausbildung im Rahmen eines Dienstverhältnisses oder Beschäftigungsverhältnisses zurückgelegt wurde (siehe GRA zu § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VI, Abschnitt 7).
Wurde die Ausbildung nicht im Rahmen eines Dienstverhältnisses oder Beschäftigungsverhältnisses zurückgelegt, ist in einem dritten Schritt zu prüfen, ob § 58 Abs. 4a SGB VI Anwendung findet. Danach können Zeiten einer schulischen Ausbildung neben einer versicherten Beschäftigung oder Tätigkeit nur dann als Anrechnungszeiten berücksichtigt werden, wenn der Zeitaufwand für die schulische Ausbildung im Vergleich mit dem Zeitaufwand für die Beschäftigung oder Tätigkeit überwogen hat (siehe GRA zu § 58 SGB VI, Abschnitt 6).
Die Regelung des § 58 Abs. 4a SGB VI erfasst jedoch nur Beschäftigungen und Tätigkeiten, die nach deutschen Rechtsvorschriften zu berücksichtigende Pflichtbeitragszeiten begründen. Wurden für die Beschäftigung oder Tätigkeit im Ausland keine Pflichtbeiträge nach deutschen Rechtsvorschriften gezahlt, findet § 58 Abs. 4a SGB VI keine Anwendung. In diesem Fall kann die schulische Ausbildung als Anrechnungszeit vorgemerkt werden, sofern die übrigen Voraussetzungen der Begriffsdefinition „Schulausbildung“, „Fachschulausbildung“ oder „Hochschulausbildung“ erfüllt sind.
Etwas anderes gilt für Beitrags- oder Beschäftigungszeiten nach dem Fremdrentengesetz (§§ 15, 16 FRG). Zeiten der schulischen Ausbildung neben einer im Ausland ausgeübten Beschäftigung oder Tätigkeit, die zur Anerkennung von Beitrags- oder Beschäftigungszeiten nach dem Fremdrentengesetz führt, sind nur dann als Anrechnungszeiten wegen schulischer Ausbildung zu berücksichtigen, wenn der wöchentliche Zeitaufwand für die Ausbildung höher ist als der wöchentliche Zeitaufwand für die daneben ausgeübte Beschäftigung oder Tätigkeit.
Beurteilung ausländischer Ausbildungszeiten
Ausländische Bildungssysteme können vom Bildungssystem in Deutschland abweichen. Anhand der vorgelegten Nachweise ist daher nicht immer sofort erkennbar, welcher Begriffsdefinition - "Schule", "Fachschule" oder "Hochschule" - die jeweilige Ausbildung zuzuordnen ist, beziehungsweise ob es sich überhaupt um eine schulische Ausbildung im Sinne des § 58 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 SGB VI handelt.
Im Internet finden sich jedoch Informationsportale, die bei der Beurteilung ausländischer Ausbildungszeiten hilfreich sein können.
Informationen über ausländische Schulsysteme - insbesondere zum Schulwesen sowie zu Hochschulen und deren Bildungsabschlüssen - können beispielsweise dem Infoportal der Kultusminister Konferenz Anabin (Abkürzung für Anerkennung und Bewertung ausländischer Bildungsnachweise) entnommen werden. Auch das Informationsportal für ausländische Berufsqualifikationen bq-portal informiert über ausländische Bildungssysteme und Berufsqualifikationen.
Hierbei ist jedoch zu beachten, dass diese Informationsportale ständig aktualisiert werden und somit nur die aktuelle Situation in dem jeweiligen Land wiedergeben. Bei der Beurteilung von zurückliegenden Ausbildungszeiten sind daher nur bedingt Rückschlüsse möglich.
Die nachstehend für einzelne Länder beispielhaft aufgeführten Ausbildungsstätten geben Anhaltspunkte dafür, wann dem Grunde nach „Schulausbildung“, „Fachschulausbildung“ oder „Hochschulausbildung“ vorliegen kann. Teilweise sind auch Hinweise zur Ausbildung und zum Ausbildungsabschluss aufgenommen.
Land | Bezeichnung der Schule | Art der Schulausbildung |
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Ägypten | Industrial Secondary School | allgemeinbildende weiterführende Schule |
Albanien |
| Fachschulausbildung |
Dänemark |
| allgemeinbildende weiterführende Schulen |
Frankreich |
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Großbritannien | In Großbritannien werden oftmals durch Besuch örtlicher Sprachenschulen Sprachprüfungszeugnisse erworben, die im Namen der Universität von Cambridge ausgestellt sind (zum Beispiel Lower Certificate in English). Diesen Ausbildungen liegt keine „Hochschulausbildung" zugrunde. Es ist jeweils zu prüfen, ob die an den Sprachenschulen besuchten Kurse von der zeitlichen Ausgestaltung her die Voraussetzungen des Begriffs „Fachschulausbildung" erfüllen. | Einzelfallklärung |
Indien | In Indien werden häufig bereits ab Vollendung des 16. Lebensjahres Hochschuleinrichtungen - zum Beispiel einzelnen Universitäten angegliederte Colleges - besucht. Die Ausbildung an diesen Ausbildungsstätten ist "Hochschulausbildung", sofern die sonstigen Voraussetzungen erfüllt sind. Dies gilt jedoch nicht für die Ausbildungszeiten, die bis zum "Intermediate Examination " beziehungsweise "Previous Examination" zurückgelegt worden sind. Diese Ausbildungszeiten sind "Schulausbildung". | Einzelfallklärung |
Israel |
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Italien | Instituto/Scuola Magistrale (Lehrerbildungsanstalt) Hinweis: Studiengänge in Italien enden grundsätzlich mit dem Erwerb der „Laurea“. In der Vergangenheit war auch der Abschluss „Diploma Universitario“ geläufig. | Fachschule |
Japan | High School (auch Senior High School) | allgemeinbildende weiterführende Schule |
Jugoslawien (gegliedert von 1946 bis 1991/1992 in die Teilrepubliken Serbien, Kroatien, Slowenien, Bosnien-Herzegowina, Mazedonien und Montenegro; nach dem Zerfall bildeten von 1992 bis 2003 Serbien und Montenegro die Bundesrepublik Jugoslawien) |
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Niederlande |
| Fachschule oder Hochschule |
Norwegen | Folkehögskole (Volkshochschule) | allgemeinbildende weiterführende Schule |
Österreich | Bundesgewerbeschule Hinweis: | Fachschule |
Polen |
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Rumänien | Universitatea (Universität) Institutul, Academia (Hochschulen in verschiedenen Fachrichtungen) | Hochschule |
Schweden | Folkhögskola (Volkshochschule) | allgemeinbildende weiterführende Schule |
Spanien | Der Besuch kirchlicher Seminare im Rahmen der Priesterausbildung (zum Beispiel Seminario Metropolitano, Seminario Concillar) ist für die Dauer der Teilnahme am „Curso de Humanidades“ dem Begriff „Schulausbildung“ und für die weitere Dauer der Ausbildung („Curso de Filosofia“ beziehungsweise „Curso de Teologia“) dem Begriff „Fachschulausbildung“ zuzuordnen. Erfolgte die Ausbildung an ordenseigenen Ausbildungsstätten, ist die GRA zu § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VI, Abschnitt 7.2, zu beachten. | Schulausbildung oder Fachschulausbildung |
Tschechoslowakei - CSSR (bis 28.12.1989, danach Tschechische und Slowakische Föderative Republik; ab 01.01.1993 Tschechische Republik und Slowakische Republik) |
| Fachschule |
Türkei |
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UdSSR - Sowjetunion (seit 1991: Russland, Rechtsnachfolger der Sowjetunion) | Zu den Hochschuleinrichtungen (vyssaja skola) gehören unter anderem Institutionen, in deren Namen eine der folgenden Bezeichnungen enthalten ist:
| Hochschule |
Ungarn |
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USA |
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