Art. 16 SVA-Tunesien: KVdR, PflegeV und Zuschuss zur Krankenversicherung
veröffentlicht am |
13.09.2021 |
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Änderung | Im Abschnitt 4.1 wurde ein Hinweis auf die geänderte Zuständigkeit der AOK bei Verlegung des gewöhnlichen Aufenthalts von Einfachrentnern nach Tunesien aufgenommen. |
Stand | 27.08.2021 |
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Rechtsgrundlage | |
Version | 003.00 |
- Inhalt der Regelung
- Allgemeines
- Pflichtversicherung in der deutschen KVdR/Pflegeversicherung bei gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland
- Pflichtversicherung in der deutschen KVdR/Pflegeversicherung bei gewöhnlichem Aufenthalt in Tunesien
- Wohnsitzverlegung innerhalb der Vertragsstaaten
- Zuschuss zur freiwilligen/privaten KV nach § 106 SGB VI
- Krankenversicherung in Tunesien
- Inhalt der Regelung
- Allgemeines
- Pflichtversicherung in der deutschen KVdR/Pflegeversicherung bei gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland
- Pflichtversicherung in der deutschen KVdR/Pflegeversicherung bei gewöhnlichem Aufenthalt in Tunesien
- Wohnsitzverlegung innerhalb der Vertragsstaaten
- Zuschuss zur freiwilligen/privaten KV nach § 106 SGB VI
- Krankenversicherung in Tunesien
Inhalt der Regelung
Bei Art. 16 SVA-Tunesien handelt es sich um eine kollisionsrechtliche Regelung zur Krankenversicherung der Rentner, die festlegt, die Rechtsvorschriften welchen Vertragsstaats auf Rentner anzuwenden sind.
Absatz 1 bestimmt, dass für Mehrfachrentner/Antragsteller die Rechtsvorschriften des Vertragsstaats gelten, in dem sich die betreffende Person gewöhnlich aufhält.
Absatz 2 und 3 enthalten besondere Regelungen für Mehrfachrentner/Antragsteller, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt von dem einen in den anderen Vertragsstaat verlegen.
Absatz 4 durchbricht für Einfachrentner/Antragsteller, die im anderen Vertragsstaat leben, das für die Krankenversicherung geltende Territorialitätsprinzip, sodass es zur Krankenversicherung in dem Vertragsstaat kommen kann, in dem die Rente beantragt wurde beziehungsweise der die Rente zahlt.
Ergänzende/korrespondierende Regelungen
- Art. 14 SVA-Tunesien
Der Art. 14 SVA-Tunesien enthält Regelungen für eine Wohnsitzverlegung nach Eintritt eines Leistungsfalles in der Krankenversicherung. - Art. 15 SVA-Tunesien
Durch Art. 15 SVA-Tunesien wird unter anderem bestimmt, welcher Träger für die Erbringung der Sachleistungen aus der Krankenversicherung zuständig ist (Absatz 1). Absatz 5 regelt die Erstattung der nach Absatz 1 aufgewendeten Beträge. - Art. 9 DV zum SVA-Tunesien
Der Art. 9 DV zum SVA-Tunesien bestimmt, dass für die Inanspruchnahme von Sachleistungen aus der Krankenversicherung nach Art. 14 und 15 des Abkommens die Übergabe einer Bescheinigung des zuständigen Trägers über das Bestehen des Anspruchs erforderlich ist. - Art. 11 DV zum SVA-Tunesien
Aus Art. 11 Abs. 1 DV zum SVA-Tunesien ergibt sich, dass für die Erfüllung der Vorversicherungszeit in der KVdR nach § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V deutsche und tunesische Krankenversicherungszeiten (die vergleichbar sind) zusammenzurechnen sind, soweit sie sich nicht überschneiden. Eine multilaterale Zusammenrechnung von deutschen und tunesischen Versicherungszeiten mit Versicherungszeiten anderer EU/EWR-Staaten bzw. der Schweiz oder anderer Vertragsstaaten ist dagegen ausgeschlossen.
Bei der Ermittlung der Vorversicherungszeit (§ 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V) werden nach § 5 Abs. 2 S. 1 SGB V bis zum 31.12.1988 Zeiten der Ehe mit einem Pflichtmitglied der gesetzlichen Krankenversicherung eigenen Mitgliedszeiten gleichgestellt, sofern der Rentenantragsteller während dieser Zeit nicht oder nur geringfügig beschäftigt beziehungsweise selbständig tätig war. Art. 11 Abs. 2 DV zum SVA-Tunesien stellt hierfür die Verheiratung mit einem Mitglied der tunesischen Krankenversicherung gleich. - Art. 13 DV zum SVA-Tunesien
Der Art. 13 DV zum SVA-Tunesien regelt den Beitragseinzug für die Krankenversicherung der Rentner. - Nr. 7 SP zum SVA-Tunesien
Die Nr. 7 SP zum SVA-Tunesien enthält Bestimmungen zur Ausführung der in Artikel 16 des Abkommens enthaltenen Regelungen.
Allgemeines
Art. 16 SVA-Tunesien regelt ausschließlich die Zuordnung der Rentner in die gesetzliche Krankenversicherung eines der beiden Vertragsstaaten.
Ein Rentenanspruch im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 11 bis 12 SGB V beziehungsweise ein Rentenbezug im Sinne des § 106 SGB VI ist nicht nur dann gegeben, wenn dieser rein innerstaatlich besteht, sondern auch dann, wenn er aufgrund der Zusammenrechnungsregelung des Art. 22 SVA-Tunesien besteht.
Art. 16 SVA-Tunesien gilt grundsätzlich nicht für die Pflegeversicherung, weil diese vom sachlichen Geltungsbereich des Abkommens (siehe GRA zu Art. 2 SVA-Tunesien, Abschnitt 4) nicht erfasst wird (Ausnahme siehe Abschnitt 5.2). Die Versicherungspflicht in der Pflegeversicherung beurteilt sich daher nach innerstaatlichem deutschen Recht. § 3 Nr. 2 SGB IV (Territorialitätsprinzip) bestimmt, dass die Vorschriften über die Versicherungspflicht in der Pflegeversicherung für alle Personen anwendbar sind, die den gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben.
Zu einer Pflichtversicherung in der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V oder Pflegeversicherung nach § 20 Abs. 1 Nr. 12 SGB XI kann es für Personen mit gewöhnlichem Aufenthalt in Tunesien nicht kommen (siehe GRA zu §§ 5 ff. SGB V, Abschnitt 12.2.1).
Art. 16 SVA-Tunesien bezieht sich nicht auf den Zuschuss nach § 106 SGB VI. Aufgrund von Art. 5 SVA-Tunesien kann es aber auch bei Aufenthalt in Tunesien zur Zahlung eines Zuschusses nach § 106 SGB VI kommen (siehe Abschnitt 6).
Pflichtversicherung in der deutschen KVdR/Pflegeversicherung bei gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland
Für Antragsteller oder Bezieher einer deutschen Rente mit gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland beurteilt sich die Pflichtversicherung in der deutschen KVdR im Rahmen des Art. 16 SVA-Tunesien allein nach den deutschen Rechtsvorschriften, und zwar unabhängig davon, ob auch eine tunesische Rente beantragt ist oder bezogen wird. Dies gilt nach Maßgabe des innerstaatlichen Rechts auch für die Pflegeversicherung.
Die Entscheidung über die Pflichtversicherung in der deutschen KVdR/PflegeV trifft die vom Antragsteller oder Rentner gewählte deutsche gesetzliche Kranken- und Pflegekasse (beispielsweise die Orts-, Betriebs-, Innungs- oder Ersatzkasse) nach Maßgabe des innerstaatlichen Rechts. Stellt die zuständige Kranken- und Pflegekasse Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung und Pflegeversicherung, bei der KVdR gegebenenfalls unter Berücksichtigung tunesischer Krankenversicherungszeiten (Art. 11 DV zum SVA-Tunesien) fest, so ist der Beitragsabzug für die Krankenversicherung/Pflegeversicherung nach §§ 249a, 255 SGB V vorzunehmen.
Bei Wohnsitzverlegung aus Tunesien nach Deutschland beachte Abschnitt 5.
Pflichtversicherung in der deutschen KVdR/Pflegeversicherung bei gewöhnlichem Aufenthalt in Tunesien
Eine Versicherungspflicht in der Pflegeversicherung nach dem SGB XI (soziale und private Pflegeversicherung) tritt bei gewöhnlichem Aufenthalt in Tunesien nicht ein.
In Bezug auf die Pflichtversicherung in der deutschen KVdR ist zwischen Personen zu unterscheiden, die allein deutsche Rente beantragt haben oder beziehen (siehe Abschnitt 4.1) und solchen, die auch eine tunesische Rente beantragt haben oder beziehen (siehe Abschnitt 4.2).
Einfachrentner/Antragsteller
Wird allein eine deutsche Rente bezogen (oder ist allein eine solche beantragt), kommt es bei gewöhnlichem Aufenthalt in Tunesien aufgrund des Art. 16 Abs. 4 SVA-Tunesien zur Pflichtversicherung in der deutschen KVdR, wenn
- die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Nr. 11 bis 12 SGB V erfüllt sind (gegebenenfalls unter Berücksichtigung der Zusammenrechnungsregelung des Art. 11 DV zum SVA-Tunesien) und
- keine Versicherungsfreiheit kraft Gesetzes (§ 6 SGB V) oder Befreiung von der KVdR auf Antrag (§ 8 Abs. 1 Nr. 4 SGB V) besteht.
Zuständiger deutscher Träger der Krankenversicherung ist der Träger, bei dem der Berechtigte versichert ist. Ist danach eine AOK oder die landwirtschaftliche Krankenkasse zuständig, gehört die Person unter Berücksichtigung der Nr. 7 SP zum SVA-Tunesien der AOK Rheinland/Hamburg, Regionaldirektion Bonn an. Abweichend hiervon haben die AOKen im Mai 2017 festgelegt, dass die AOK Rheinland/Hamburg nicht zuständig wird, wenn Einfachrentner ihren gewöhnlichen Aufenthalt von Deutschland nach Tunesien verlegen. In diesen Fällen bleibt die AOK zuständig, bei der der Einfachrentner vor der Verlegung des Aufenthalts zuletzt versichert war.
Ist der Einfachrentner in der deutschen KVdR pflichtversichert, sind nach Art. 13 Nr. 1 DV zum SVA-Tunesien von der deutschen Rente auch die Krankenversicherungsbeiträge nach § 255 SGB V einzubehalten. Es sind jedoch keine Beiträge für eine soziale Pflegeversicherung einzubehalten, weil eine solche nicht besteht.
Hierbei ist unbeachtlich, ob der Anspruch auf deutsche Rente bereits innerstaatlich, unter Anwendung des SVA-Tunesien oder eines anderen multi- oder bilateralen Abkommens besteht. Die Erfüllung der Voraussetzungen für die Beteiligung der Rentenversicherungsträger an der Beitragstragung nach § 249a SGB V ist getrennt von der Frage der Erfüllung der Voraussetzungen für den Rentenanspruch zu beurteilen. Die Anwendung abweichender über- oder zwischenstaatlicher Rechtsvorschriften zur Erfüllung des Rentenanspruchs einerseits und zur Beteiligung der Rentenversicherungsträger an der Beitragstragung nach § 249a SGB V andererseits stellt keinen Verstoß gegen das Verbot der multilateralen Vertragsanwendung des Art. 2 Abs. 2 SVA-Tunesien dar.
Für Rentenantragsteller ist die Vorschrift des Art. 13 Nr. 2 DV zum SVA-Tunesien maßgebend. Danach hat der Antragsteller keine Krankenversicherungsbeiträge zu zahlen. Darüber hinaus werden ihm während der zwischen dem Rentenantrag und der Erteilung des Rentenbescheides liegenden Zeit Leistungen nicht gewährt. Bei rückwirkender deutscher Rentengewährung werden dem Antragsteller jedoch die Kosten für Leistungen aus der Krankenversicherung, die er für die Zeit zwischen Rentenantragstellung und der Erteilung des Rentenbescheides getragen hat, zu Lasten der deutschen Krankenversicherung vom tunesischen Träger erstattet. Das heißt, bei Bewilligung der deutschen Rente kommt es auch zum „rückwirkenden“ Abzug der Krankenversicherungsbeiträge nach § 255 SGB V.
Siehe Beispiel 1
Kommt es bei gewöhnlichem Aufenthalt in Tunesien zur Pflichtversicherung in der deutschen KVdR, können die Sachleistungen im Fall der Krankheit (zum Beispiel ärztliche Behandlung, Krankenhausbehandlung) nur vom Träger der gesetzlichen Krankenversicherung des Wohnstaats erbracht werden (Art. 15 Abs. 1 SVA-Tunesien). Dies ist seit Gesetz Nr. 71/2004 vom 02.08.2004 die Caisse Nationale d’Assurance Maladie, abgekürzt CNAM (GRA zu Organisation der Sozialversicherung Tunesien, Abschnitt 1.3). Dabei richtet sich die Erbringung der Sachleistungen grundsätzlich nach den Rechtsvorschriften des Wohnstaats (Tunesien), siehe Art. 15 Abs. 1 bis 4 SVA-Tunesien. Der tunesische Krankenversicherungsträger tritt aushilfsweise für die deutsche gesetzliche Krankenversicherung ein. Die Kosten werden dem sogenannten aushelfenden (tunesischen) Träger vom zuständigen deutschen Krankenversicherungsträger erstattet (Art. 15 Abs. 5 SVA-Tunesien). Als Anspruchsausweis stellt die zuständige deutsche Krankenkasse dem Rentner eine Bescheinigung aus (Art. 9 DV zum SVA-Tunesien), das Formblatt TN/A 21, mit welchem sich dieser zur Inanspruchnahme der Sachleistungsaushilfe beim tunesischen Krankenversicherungsträger einschreiben lässt.
Mehrfachrentner/Antragsteller
Wird eine Rente nach den deutschen und tunesischen Rechtsvorschriften bezogen oder ist sowohl eine deutsche als auch eine tunesische Rente beantragt worden (gegebenenfalls unter Berücksichtigung der Gleichstellungsregelung von Anträgen des Art. 28 SVA-Tunesien), so sind bei gewöhnlichem Aufenthalt in Tunesien nach Art. 16 Abs. 1 SVA-Tunesien ausschließlich die tunesischen Rechtsvorschriften über die Krankenversicherung der Rentner anzuwenden. Es kommt nicht zur Pflichtversicherung in der deutschen KVdR (zur Versicherungspflicht in der Pflegeversicherung kommt es ebenfalls nicht) und somit auch nicht zu einem Beitragseinbehalt aus der deutschen Rente.
Hinsichtlich des Begriffs Mehrfachrentner/Antragsteller im Sinne des Art. 16 Abs. 1 SVA-Tunesien ist zu beachten, dass sich
- dieser unter anderem auch auf die Fallgestaltung bezieht, in der beispielsweise bereits eine deutsche Rente bezogen wird, aber der tunesische Versicherungsträger über den tunesischen Rentenantrag noch keine Entscheidung getroffen hat und
- der Status als solcher nach Auffassung der Deutschen Verbindungsstelle Krankenversicherung - Ausland - (DVKA) nicht rückwirkend, sondern nur für die Zukunft ändert. Wird beispielsweise eine deutsche Rente ab 01.04.2004 gewährt und ist aufgrund des tunesischen Rentenantrags das tunesische Rentenverfahren (hier: Ablehnung eines Rentenanspruchs) erst zum 01.06.2004 rechtswirksam beendet, so liegt die Eigenschaft als Einfachrentner grundsätzlich erst ab 01.06.2004 vor (also nicht rückwirkend ab 01.04.2004).
Wohnsitzverlegung innerhalb der Vertragsstaaten
Art. 16 Abs. 2 und 3 SVA-Tunesien enthalten für Mehrfachrentner/Antragsteller besondere Regelungen in Bezug auf den Beginn beziehungsweise das Ende der jeweils anzuwendenden KVdR-Vorschriften bei Verlegung des gewöhnlichen Aufenthalts vom Gebiet des einen in das Gebiet des anderen Vertragsstaates.
Für Einfachrentner/Antragsteller gilt Art. 16 Abs. 4 SVA-Tunesien.
Verzug eines Einfachrentners/Antragstellers
Verlegt eine Person, die allein nach den Rechtsvorschriften eines Vertragsstaates eine Rente bezieht oder beantragt hat, ihren gewöhnlichen Aufenthalt in das Gebiet des anderen Vertragsstaates, sind nach Art. 16 Abs. 4 SVA-Tunesien die Rechtsvorschriften über die KVdR des ersten Vertragsstaates auch weiterhin anzuwenden.
Bei Wohnsitzverlegung von:
Verzug eines Mehrfachrentners/Antragstellers
Verlegt ein Rentner, der eine deutsche und eine tunesischen Rente (Mehrfachrentner) erhält, seinen gewöhnlichen Aufenthalt in das Gebiet des anderen Vertragsstaates, sind nach Art. 16 Abs. 2 SVA-Tunesien (für Antragsteller nach Art. 16 Abs. 3 SVA-Tunesien) die KVdR-Rechtsvorschriften des bisherigen Wohnstaates bis zum Ende des Monats anzuwenden, der dem Monat der Verlegung des gewöhnlichen Aufenthalts in den anderen Vertragsstaat folgt. Erst mit dem Folgetag sind die Rechtsvorschriften über die Krankenversicherung des Vertragsstaats anzuwenden, in den der Rentner seinen gewöhnlichen Aufenthalt verlegt hat.
Bei Wohnsitzverlegung von
Zuschuss zur freiwilligen/privaten KV nach § 106 SGB VI
Das SVA-Tunesien enthält keine unmittelbare Regelung über die Gewährung eines Zuschusses nach § 106 SGB VI. Der Anspruch auf den jeweiligen Zuschuss beurteilt sich daher grundsätzlich nach den innerstaatlichen deutschen Rechtsvorschriften. Es gelten somit die Ausführungen in der GRA zu § 106 SGB VI.
Das SVA-Tunesien kann sich jedoch bei gewöhnlichem Aufenthalt in Tunesien auswirken und zwar durch die Gebietsgleichstellungsnorm des Art. 5 SVA-Tunesien.
Von der Gebietsgleichstellungsnorm erfasste Personen
Nach § 111 Abs. 2 SGB VI ist die Zahlung eines Zuschusses zur Krankenversicherung nach § 106 SGB VI bei gewöhnlichem Aufenthalt in Tunesien ausgeschlossen. Dies gilt nicht für Bezieher einer deutschen Rente, die von der Gebietsgleichstellungsnorm des Art. 5 SVA-Tunesien erfasst werden (siehe GRA zu Art. 5 SVA-Tunesien, Abschnitt 2 und 5 sowie GRA zu Art. 3 SVA-Tunesien, Abschnitt 2).
Bei den Hinterbliebenen der von der Gebietsgleichstellungsnorm erfassten Personen gilt die Gebietsgleichstellung nur im Hinblick auf die Zahlung eines Zuschusses zur Krankenversicherung nach § 106 SGB VI zu einer Hinterbliebenenrente. Beziehen die Hinterbliebenen auch eine eigene deutsche Versichertenrente, können sie hierzu einen Zuschuss zur Krankenversicherung nach § 106 SGB VI nur erhalten, wenn sie selbst deutsche oder tunesische Staatsangehörige, Staatsangehörige eines Mitgliedstaates der EU, des EWR oder der Schweiz oder Flüchtlinge beziehungsweise Staatenlose sind.
Den vorgenannten Rentnern kann somit bei gewöhnlichem Aufenthalt in Tunesien ein Zuschuss zur Krankenversicherung gezahlt werden, wenn die sonstigen Voraussetzungen des § 106 SGB VI erfüllt sind.
Hierbei ist im Verhältnis zu Tunesien Folgendes zu beachten:
- Es ist unbeachtlich, ob der Anspruch auf deutsche Rente bereits innerstaatlich, unter Anwendung des SVA-Tunesien oder eines anderen multi- oder bilateralen Abkommens besteht. Die Erfüllung der Voraussetzungen für die Zahlung des Zuschusses zur Krankenversicherung nach § 106 SGB VI ist getrennt von der Frage der Erfüllung der Voraussetzungen für den Rentenanspruch zu beurteilen. Die Anwendung abweichender über- oder zwischenstaatlicher Rechtsvorschriften zur Erfüllung des Rentenanspruchs einerseits und zur Zahlung des Zuschusses zur Krankenversicherung nach § 106 SGB VI andererseits stellt keinen Verstoß gegen das Verbot der multilateralen Vertragsanwendung des Art. 2 Abs. 2 SVA-Tunesien dar (siehe GRA zu § 106 SGB VI, Abschnitt 9.1).
- Eine Pflichtversicherung in der deutschen KVdR aufgrund des Art. 16 Abs. 4 SVA-Tunesien (für Einfachrentner) schließt den Anspruch auf den Zuschuss zu einer daneben bestehenden privaten oder freiwilligen zuschussfähigen Krankenversicherung aus.
- In Tunesien besteht eine gesetzliche Pflichtkrankenversicherung (siehe Abschnitt 7), die seit dem 01.05.2007 für „Neufälle“ eine den Zuschuss ausschließende ausländische gesetzliche Pflichtkrankenversicherung darstellt (siehe GRA zu § 106 SGB VI, Abschnitt 5.2), sofern nicht die Besitzstandsregelung des § 315 Abs. 4 SGB VI anzuwenden ist.
- Eine private oder eine freiwillige gesetzliche tunesische Krankenversicherung ist keine zuschussfähige Krankenversicherung im Sinne des § 106 SGB VI (siehe GRA zu § 106 SGB VI, Abschnitt 4.3).
- Eine freiwillige Versicherung in der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung dürfte bei gewöhnlichem Aufenthalt in Tunesien nicht anzutreffen sein, weil dies nach § 3 SGB IV nicht zulässig ist. Beachte hier darüber hinaus den oben angeführten Ausschlussgrund durch eine tunesische Pflichtkrankenversicherung.
- Eine private Krankenversicherung, die der deutschen Aufsicht oder der Aufsicht eines anderen Mitgliedstaates der EU, des EWR oder der Schweiz unterliegt, stellt grundsätzlich eine zuschussfähige Krankenversicherung im Sinne des § 106 SGB VI dar (vergleiche GRA zu § 106 SGB VI, Abschnitt 4.3.1). Beachte hier aber den oben angeführten Ausschlussgrund durch eine tunesische Pflichtkrankenversicherung.
Soweit erforderlich, sind weitere Einzelheiten zu den Voraussetzungen des § 106 SGB VI der GRA zu § 106 SGB VI zu entnehmen.
Nicht von der Gebietsgleichstellungsnorm erfasste Personen
Auf Rentenbezieher mit gewöhnlichem Aufenthalt in Tunesien, für die die Gebietsgleichstellung aus Art. 5 SVA-Tunesien nicht gilt, ist die Ausschlussnorm des § 111 Abs. 2 SGB VI anzuwenden. Diese Personen haben damit bei gewöhnlichem Aufenthalt in Tunesien keinen Anspruch auf einen Zuschuss zur Krankenversicherung. Eine andere Beurteilung kann sich für sie im Einzelfall ergeben, wenn auf sie ausnahmsweise die Übergangsbestimmung des § 319 Abs. 1 SGB VI anzuwenden ist (siehe GRA zu § 319 SGB VI, Abschnitt 2).
Krankenversicherung in Tunesien
In der gesetzlichen tunesischen Krankenversicherung besteht insbesondere Versicherungspflicht für Arbeitnehmer der Privatwirtschaft, Selbständige, Bezieher einer tunesischen Rente, Studenten, Hausangestellte und einige andere Kategorien von Geringverdienern. Für Beschäftigte des öffentlichen Dienstes, Parlamentarier, Beschäftigte der Streitkräfte, Landarbeiter, Landwirte und Fischer besteht ein gesondertes System.
- Beispiel 1: Antragsteller mit gewöhnlichem Aufenthalt in Tunesien, der nur eine deutsche Rente beantragt
- Beispiel 2: Wohnsitzverlegung eines Einfachrentners/Antragstellers nach Tunesien
- Beispiel 3: Wohnsitzverlegung eines Mehrfachrentners/Antragstellers nach Tunesien
- Beispiel 4: Wohnsitzverlegung eines Einfachrentners/Antragstellers nach Deutschland
- Beispiel 5: Wohnsitzverlegung eines Mehrfachrentners/Antragstellers nach Deutschland
Beispiel 1: Antragsteller mit gewöhnlichem Aufenthalt in Tunesien, der nur eine deutsche Rente beantragt
(Beispiel zu Abschnitt 4.1)
Ein in Tunesien lebender Versicherter beantragt am 15.08.2004 allein eine deutsche Rente. Mit Bescheid vom 20.01.2005 wird ihm die deutsche Rente für die Zeit ab 01.09.2004 bewilligt.
Lösung:
Entscheidet der deutsche Krankenversicherungsträger, dass eine Pflichtmitgliedschaft vom 15.08.2004 (Tag der Antragstellung) bis zum 19.01.2005 vorliegt, so sind aufgrund der Bewilligung der deutschen Rente auch für die Zeit ab 01.09.2004 (Rentenbeginn) die Krankenversicherungsbeiträge nach § 255 SGB V von der deutschen Rente einzubehalten.
Handelt es sich beim deutschen Krankenversicherungsträger um eine AOK oder LKK, ist die AOK Rheinland/Hamburg, Regionaldirektion Bonn, zuständig (Nr. 7 S. 2 SP).
Beispiel 2: Wohnsitzverlegung eines Einfachrentners/Antragstellers nach Tunesien
(Beispiel zu Abschnitt 5.1)
Ein in Deutschland lebender Bezieher allein einer deutschen Rente, der in der deutschen KVdR/Pflegeversicherung pflichtversichert ist, verlegt am 12.09.2017 seinen gewöhnlichen Aufenthalt nach Tunesien.
Lösung:
Die Pflichtversicherung in der deutschen KVdR endet nicht, da gemäß Art. 16 Abs. 4 SVA-Tunesien die deutschen Vorschriften über die KVdR auch bei gewöhnlichem Aufenthalt in Tunesien weiterhin anzuwenden sind. Wird die KVdR von einer AOK durchgeführt, bleibt diese weiterhin zuständig (die Zuständigkeit wechselt - abweichend von Nr. 7 S. 2 SP - nicht mehr auf die AOK Rheinland/Hamburg, Regionaldirektion Bonn, siehe Abschnitt 4.1).
Die Pflegeversicherung endet infolge der Anwendung des innerstaatlichen Rechts grundsätzlich am 11.09.2017.
Beispiel 3: Wohnsitzverlegung eines Mehrfachrentners/Antragstellers nach Tunesien
(Beispiel zu Abschnitt 5.2)
Ein in Deutschland lebender Bezieher einer deutschen Rente und einer tunesischen Rente verlegt am 30.9.2004 seinen gewöhnlichen Aufenthalt nach Tunesien.
Lösung:
Die Pflichtversicherung in der deutschen KVdR endet gemäß Art. 16 Abs. 2 SVA-Tunesien nach Ende des Monats, der auf die Verlegung des gewöhnlichen Aufenthalts folgt. Somit unterliegt er bis zum 31.10.2004 der Pflichtversicherung in der deutschen KVdR und ab 01.11.2004 der tunesischen KVdR mit der Folge, dass auch bis zum 31.10.2004 der Krankenversicherungsbeitrag nach § 255 SGB V in Verbindung mit § 249a SGB V einzubehalten ist.
Die Pflegeversicherung endet grundsätzlich am 29.09.2004. Ist das Ende der Pflegeversicherung von der deutschen Pflegekasse hingegen zum 31.10.2004 (zeitgleich mit der KVdR) bestätigt worden, ist diese Entscheidung der Pflegekasse hinzunehmen. Es ist - ohne gesonderte Rückfrage bei der Kasse - davon auszugehen, dass die Kasse (bis zum Zeitpunkt der im SVA-Tunesien festgelegten Beendigung der deutschen KVdR) in Bezug auf die Pflegeversicherung einen vorübergehenden Aufenthalt in Tunesien unterstellt.
Beispiel 4: Wohnsitzverlegung eines Einfachrentners/Antragstellers nach Deutschland
(Beispiel zu Abschnitt 5.1)
Ein in Tunesien lebender Bezieher allein einer deutschen Rente, der während des gewöhnlichen Aufenthalts in Tunesien gemäß Art. 16 Abs. 4 SVA-Tunesien zwar Mitglied der deutschen KVdR, nicht jedoch der Pflegeversicherung ist, verlegt am 12.09.2004 seinen gewöhnlichen Aufenthalt nach Deutschland.
Lösung:
Die Bestimmungen über die KVdR sind weiterhin anzuwenden.
Die Pflegeversicherung beginnt am 12.09.2004.
Beispiel 5: Wohnsitzverlegung eines Mehrfachrentners/Antragstellers nach Deutschland
(Beispiel zu Abschnitt 5.2)
Ein in Tunesien lebender Bezieher einer deutschen Rente und einer tunesischen Rente verlegt am 12.09.2004 seinen gewöhnlichen Aufenthalt nach Deutschland.
Lösung:
Die Pflichtversicherung in der deutschen KVdR beginnt nach Art. 16 Abs. 2 SVA-Tunesien am 01.11.2004.
Die Zugehörigkeit zur Pflegeversicherung orientiert sich am bestehenden deutschen Krankenversicherungsschutz (§ 49 Abs. 1 S. 1 SGB XI in Verbindung mit § 20 Abs. 1 Nr. 11 SGB XI), sodass die Pflegeversicherung ebenfalls erst am 01.11.2004 beginnt.
Gesetz vom 10.04.1986 zu dem Abkommen vom 16.04.1984 |
Inkrafttreten: 11.04.1986 (Gesetz), 01.08.1986 (Abkommen) Quelle: BGBl. II 1986, S. 582 ff |
Mit dem vorgenannten Gesetz wurde das Abkommen Bestandteil der deutschen Rechtsordnung. Das Abkommen und damit auch Art. 16 SVA-Tunesien sind nach Austausch der Ratifikationsurkunden zum 01.08.1986 in Kraft getreten.