Navigation und Service

Logo der Deutschen Rentenversicherung (Link zur Startseite rvRecht)

rvRecht® - Rechtsportal der Deutschen Rentenversicherung

Organisation der Sozialversicherung Tunesien

Änderungsdienst
veröffentlicht am

12.11.2019

Änderung

In den Abschnitten 2.1 und 2.1.6 wurde der Name des Systems für Geringverdiener angepasst und die Abkürzung (RTFR) ergänzt. In Abschnitt 2.1.4 wurden die Namen der Systeme für Selbständige in und außerhalb der Landwirtschaft und deren Abkürzungen (RINA, RIA) ergänzt.

Dokumentdaten
Stand20.12.2017
Version001.01

Organisation der gesetzlichen Sozialversicherung

Die Anfänge der gesetzlichen Sozialversicherung reichen bis in das Jahr 1898 zurück, in dem noch unter dem französischen Protektorat für Staatsbeamte eine Vorsorgekasse zur Absicherung der Risiken der Invalidität, des Alters und des Todes gegründet wurde. In der Industrie und im Handel beschäftigte Arbeitnehmer konnten Ansprüche auf Leistungen aus der gesetzlichen Sozialversicherung erstmals mit dem Inkrafttreten des Dekrets vom 15.03.1921, das die Gewährung von Leistungen bei Arbeitsunfällen vorsah, geltend machen.

Konnten anfänglich nur Beamte und bestimmte Arbeitnehmer des privaten Sektors einige Sozialleistungen in Anspruch nehmen, erweiterten sich in der Folgezeit sowohl der Umfang der Sozialleistungen als auch der anspruchsberechtigte Personenkreis. Die Entwicklung der Sozialversicherung verlief und verläuft auch heute noch stets parallel für die Beamten und Beschäftigten des öffentlichen Sektors sowie für die Arbeitnehmer und selbständig Tätigen des privaten Sektors.

Die gesetzliche Sozialversicherung umfasst heute sowohl für den privaten Sektor als auch für den öffentlichen Sektor

  • die Krankenversicherung (inklusive Leistungen bei Mutterschaft),
  • die Rentenversicherung (vergleiche Abschnitt 2),
  • die Unfallversicherung,
  • Familienleistungen und
  • ergänzende Leistungen (zum Beispiel Sterbegelder).

Familienleistungen und ergänzende Leistungen stehen jedoch nur bestimmten Personengruppen zu.

Eine gesetzliche Arbeitslosenversicherung ist nicht vorgesehen. Im Fall der Arbeitslosigkeit hat der Betroffene bei Erfüllung der Voraussetzungen Anspruch auf eine Art Arbeitslosenhilfe. Diese hat sozialhilfeähnlichen Charakter.

Die Verwaltung des gesetzlichen Sozialversicherungssystems obliegt - mit Ausnahme der Krankenversicherung und der Unfallversicherung -

  • der Caisse Nationale de Sécurité Sociale (CNSS) für die im privaten Sektor Beschäftigten oder selbständig Tätigen (vergleiche Abschnitt 1.1),
  • der Caisse Nationale de Retraite et de Prévoyance Sociale (CNRPS) für die Beamten und Beschäftigten des öffentlichen Sektors (vergleiche Abschnitt 1.2).

Für die Durchführung der Krankenversicherung und der Unfallversicherung ist seit dem 01.07.2007 die Caisse Nationale d’Assurance Maladie (CNAM) zuständig (vergleiche Abschnitt 1.3).

Caisse Nationale de Sécurité Sociale (CNSS)

Die Caisse Nationale de Sécurité Sociale wurde mit dem Gesetz „Loi N°60-30“ vom 14.12.1960 gegründet. Sie ersetzte die

  • Caisse centrale des prestationes sociales,

die 1958 aus der Fusion der

  • Caisse des allocations familiales dans les mines (MINALO),
  • Caisse sociale et de compensation du bâtiment, travaux publics, ports et docks (CAISSOCBATO) und
  • Caisse interprofessionelle de compensation des allocations familiales en Tunisie (CICAFTU)

hervorgegangen war. Die MINALO, CAISSOCBATO und CICAFTU waren von den Arbeitgebern auf der Grundlage des Dekrets vom 08.06.1944 gegründete Kassen, die im Wesentlichen für die Gewährung von Familienleistungen zuständig waren.

Mit ihrer Gründung und der Übernahme der Aufgaben der Caisse centrale des prestationes sociales war die CNSS für die Gewährung der Familienleistungen sowie für die Gewährung von Leistungen bei Krankheit, Mutterschaft und Tod (Sterbegelder) zuständig.

Nach der Einführung der gesetzlichen Rentenversicherung für die in der Industrie und im Handel Beschäftigten durch das Dekret N°74-499 vom 27.04.1974 (vergleiche Abschnitt 2.1) war die CNSS auch für den Beitragseinzug und die Zahlung von Renten zuständig. Die Durchführung des Rentenverfahrens oblag jedoch bis zu ihrer Auflösung im Jahr 1994 der mit Dekret N°76-981 vom 19.11.1976 gegründeten Rentenversicherungskasse Caisse d’Assurance Vieillesse Invalidité et Survie (CAVIS). Seit der Auflösung der CAVIS ist die CNSS alleiniger Träger der Rentenversicherung im privaten Sektor.

Durch das Gesetz „Loi N°94-28“ vom 21.02.1994 wurde die CNSS Träger der früher von privaten Versicherungsgesellschaften durchgeführten gesetzlichen Unfallversicherung. Sie hat diese Aufgabe und die Durchführung der Krankenversicherung zum 01.07.2007 an die CNAM (vergleiche Abschnitt 1.3) abgegeben.

Heute ist die CNSS im Bereich der sozialen Sicherheit zuständig für die Gewährung von

  • Familienleistungen,
  • Renten wegen Invalidität, Alter oder Tod und
  • sonstigen Leistungen (zum Beispiel Sterbegelder),

die sie auf der Grundlage der für die einzelnen Versicherungssysteme geltenden Rechtsvorschriften erbringt.

Zur Durchführung ihrer Aufgaben hat die CNSS neben ihrem Hauptsitz in Tunis landesweit regionale und örtliche Büros eingerichtet.

Caisse Nationale de Retraite et de Prévoyance Sociale (CNRPS)

Die Caisse Nationale de Retraite et de Prévoyance Sociale ist für die Verwaltung des Sozialversicherungssystems des öffentlichen Sektors zuständig. Mit ihrer Gründung durch das Gesetz „Loi N°75-83“ vom 30.12.1975 übernahm sie die Aufgaben der 1959 eingerichteten Caisse Nationale de Retraites (CNR) und Caisse de Prévoyance Sociale (CPS). Ebenso wurden ihr 1998 die Aufgaben der für die Arbeitnehmer der Elektrizitätswerke, Gaswerke und der Transportunternehmen eingerichteten Alterskasse Caisse de Retraite du Personnel de l’Électricité, Gaz et Transport (CREGT) übertragen.

Die CNRPS gewährt heute auf der Grundlage der für die einzelnen Versicherungssysteme geltenden Rechtsvorschriften

  • Familienleistungen,
  • Leistungen wegen Invalidität, Alter oder Tod und
  • ergänzende Leistungen (zum Beispiel Sterbegelder).

Die Durchführung der Krankenversicherung hat sie zum 01.07.2007 an die CNAM (vergleiche Abschnitt 1.3) abgegeben.

Zur Durchführung ihrer Aufgaben hat die CNRPS landesweit 3 Zentraldirektionen, 24 Direktionen, 24 Regionalzentren und 7 örtliche Zentren eingerichtet.

Caisse Nationale d’Assurance Maladie (CNAM)

Die Caisse Nationale d’Assurance Maladie wurde mit dem Gesetz „Loi N°2004-71“ vom 02.08.2004 gegründet. Sie verwaltet die gesetzliche Krankenversicherung und Unfallversicherung. Bis zur Gründung der CNAM waren die CNSS (vergleiche Abschnitt 1.1) und die CNPRS (vergleiche Abschnitt 1.2) für die Durchführung der gesetzlichen Krankenversicherung für die im privaten Sektor und die im öffentlichen Sektor versicherten Personen zuständig. Gleichzeitig oblag der CNSS die Durchführung der gesetzlichen Unfallversicherung (vergleiche Abschnitt 1.1). Die CNAM hat die bisherigen Aufgaben der CNSS und der CNPRS übernommen. Sie ist sowohl für die im privaten Sektor Beschäftigten und selbständig Tätigen als auch für Beamte und Beschäftigte des öffentlichen Sektors zuständiger Träger der Krankenversicherung und mit der Verwaltung der gesetzlichen Unfallversicherung beauftragt.

Organisation der gesetzlichen Rentenversicherung

Die gesetzliche Rentenversicherung der Republik Tunesien ist kein eigenständiger Versicherungszweig deutscher Prägung. Sie ist innerhalb des gesamten Systems der sozialen Sicherheit in den einzelnen, meist berufsgruppenorientierten,

  • Versicherungssystemen des privaten Sektors (vergleiche Abschnitt 2.1) und
  • Versicherungssystemen des öffentlichen Sektors (vergleiche Abschnitt 2.2)

als ein Teil eingebunden.

Es werden Renten für die Leistungsfälle der Invalidität, des Alters und des Todes gewährt. Die Anspruchsvoraussetzungen und die Berechnung der Leistung können sowohl im privaten als auch im öffentlichen Sektor je nach Versicherungssystem variieren.

Träger der gesetzlichen Rentenversicherung sind

  • die Caisse Nationale de Sécurité Sociale - CNSS (vergleiche Abschnitt 1.1) für die im privaten Sektor Beschäftigten und selbständig Tätigen sowie
  • die Caisse Nationale de Retraite et de Prévoyance Sociale - CNRPS (vergleiche Abschnitt 1.2) für Beamte und Beschäftigte des öffentlichen Sektors.

Die Versicherungssysteme des privaten Sektors

Der Grundstein für die gesetzliche Rentenversicherung im privaten Sektor wurde mit dem Gesetz „Loi N°60-30“ vom 14.12.1960 und dem Dekret N°74-499 vom 27.04.1974 gelegt, durch welche rückwirkend zum 01.04.1961 das „Allgemeine System der Alters-, Invaliditäts- und Hinterbliebenenversicherung für die lohnabhängigen Arbeitnehmer im nicht-landwirtschaftlichen Sektor“ geschaffen wurde. Durch dieses System waren die in der Industrie und die im Handel Beschäftigten gegen die Risiken der Invalidität, des Alters und des Todes umfassend abgesichert. In der Folgezeit wurden im Rahmen staatspolitischer Maßnahmen zur sozialen Absicherung anderer Personengruppen weitere Versicherungssysteme in das gesetzliche Rentenversicherungssystem des privaten Sektors aufgenommen.

Die einzelnen Versicherungssysteme sehen die Gewährung von Invaliditätsrenten, Altersrenten und Hinterbliebenenrenten vor. Die Anspruchsvoraussetzungen und die Berechnung der Leistung variieren jedoch von System zu System.

Folgende Versicherungssysteme sehen Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung vor:

  • das System für Arbeitnehmer außerhalb der Landwirtschaft
    Le régime des salariés non agricoles - RSNA (vergleiche Abschnitt 2.1.1)
  • das System für Arbeitnehmer in der Landwirtschaft
    Le régime des salariés agricoles - RSA (vergleiche Abschnitt 2.1.2)
  • das verbesserte System für Arbeitnehmer in der Landwirtschaft
    Le régime des salariés agricoles amélioré - RSAA (vergleiche Abschnitt 2.1.3)
  • das System für Selbständige in und außerhalb der Landwirtschaft
    Le régime des travailleurs non salariés dans les secteurs agricole et non agricole - RTNS (vergleiche Abschnitt 2.1.4)
  • das System für tunesische Erwerbstätige im Ausland
    Le régime des travailleurs tunisiens à l'étranger - RTTE (vergleiche Abschnitt 2.1.5)
  • das System für Geringverdiener
    Le régime des travailleurs à faibles revenus – RTFR (vergleiche Abschnitt 2.1.6)
  • das System für Künstler, Kunstschaffende und Intellektuelle
    Le régime des artistes, intellectuels et créateurs (vergleiche Abschnitt 2.1.7).

Träger des Rentenversicherungssystems und Verwalter der einzelnen Versicherungssysteme ist die Caisse Nationale de Sécurité Sociale - CNSS (vergleiche Abschnitt 1.1). In den Jahren 1976 bis 1994 war die Caisse d’Assurance Vieillesse Invalidité et Survie (CAVIS) für die Durchführung des Rentenverfahrens zuständig. Mit Auflösung der CAVIS im Jahre 1994 (vergleiche Abschnitt 1.1) obliegt heute allein der CNSS sowohl die Durchführung des Rentenverfahrens als auch die Zahlung von Renten. Besonderheiten können sich für Versicherte ergeben, die in verschiedenen Versicherungssystemen des privaten und/oder des öffentlichen Sektors Versicherungszeiten zurückgelegt haben. In diesen Fällen sieht das tunesische Recht eine Koordinierung der Ansprüche und eine besondere Zuständigkeit der Träger vor (vergleiche Abschnitt 4).

Das System für Arbeitnehmer außerhalb der Landwirtschaft (RSNA)

Das System für Arbeitnehmer außerhalb der Landwirtschaft (régime des salariés non agricoles) wurde durch das Gesetz „Loi N°60-30“ vom 14.12.1960 und das Dekret N°74-499 vom 27.04.1974 rückwirkend zum 01.04.1961 eingeführt. Es erfasst folgende Personengruppen:

  • in der Industrie, im Handel oder im Dienstleistungssektor abhängig beschäftigte Arbeitnehmer,
  • Bergarbeiter,
  • Seeleute sowie
  • Fischer, die auf Schiffen mit mehr als 30 Bruttoregistertonnen beschäftigt sind (ab 1977, aufgenommen durch Dekret N°77-546 vom 15.06.1977).

Arbeitnehmer, deren Einkommen das sechsfache des gesetzlichen Mindestlohns (SMIG) überschreitet, haben die Möglichkeit, sich ergänzend gegen die Risiken der Invalidität, des Alters und des Todes in einem Zusatzsystem zu versichern (vergleiche Abschnitt 3).

Das System für Arbeitnehmer in der Landwirtschaft (RSA)

Das System für Arbeiter in der Landwirtschaft (régime des salariés agricoles) wurde bereits 1970 geschaffen. Es sah zu diesem Zeitpunkt jedoch lediglich die Gewährung von Leistungen bei Krankheit, Mutterschaft und Tod (Sterbegelder) vor. Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung wurden erst zum 01.01.1981 durch das Gesetz „Loi N°81-6“ vom 12.02.1981 eingeführt. Das System für Arbeitnehmer in der Landwirtschaft erfasst alle Arbeitnehmer und Mitarbeiter, die 45 Tage pro Trimester bei demselben Arbeitgeber landwirtschaftliche Tätigkeiten ausüben.

Das verbesserte System für Arbeitnehmer in der Landwirtschaft (RSAA)

Das verbesserte System für Arbeiter in der Landwirtschaft (régime des salariés agricoles amélioré) wurde zum 01.10.1989 durch das Gesetz „Loi N°89-73“ vom 02.09.1989 geschaffen. Es erweiterte den Versichertenkreis der in der Landwirtschaft Beschäftigten oder selbständig Tätigen um

  • abhängig Beschäftigte in Landwirtschaftsbetrieben, die die Form einer Gesellschaft haben,
  • Arbeitnehmer von sonstigen Landwirtschaftsbetrieben, in denen mindestens 30 Arbeitnehmer ständig beschäftigt sind,
  • Fischer, die auf Schiffen mit mehr als 5 und weniger als 30 Bruttoregistertonnen beschäftigt sind,
  • selbständige Fischer und
  • Kleinreeder.

Das System für Selbständige in und außerhalb der Landwirtschaft (RTNS)

Mit den Dekreten N°1359 und N°1360 vom 21.10.1982 wurden

  • das System für Selbständige außerhalb der Landwirtschaft (régime des indépendants non agricoles – RINA) und
  • das System für Selbständige in der Landwirtschaft (régime des indépendants agricoles – RIA)

geschaffen. Damit waren ab 01.07.1982 nahezu alle selbständig Tätigen gegen die Risiken der Invalidität, des Alters und des Todes versichert. Das System für Selbständige in und außerhalb der Landwirtschaft (régime des travailleurs non salariés dans les secteurs agricole et non agricole) entstand 1995 aus der Fusion der mit den Dekreten N°1359 und N°1360 geschaffenen Systeme. Es erfasst alle Personen, die hauptberuflich eine Tätigkeit auf eigene Rechnung ausüben. Dazu zählen insbesondere selbständige Landwirte, Pächter, Handwerker, Geschäftsleute, Unternehmer und Angehörige der freien Berufe.

Das System für tunesische Erwerbstätige im Ausland (RTTE)

Das System für tunesische Erwerbstätige im Ausland (régime des travailleurs tunisiens à l'étranger) wurde durch das Dekret N°89-107 vom 10.01.1989 eingeführt. Alle im Ausland beschäftigten oder selbständig tätigen Tunesier, für die weder ein Sozialversicherungsabkommen noch eine innerstaatliche Regelung zur Versicherung in der tunesischen Sozialversicherung Anwendung findet, können diesem System auf Antrag freiwillig beitreten.

Das System für Geringverdiener (RTFR)

Das System für Geringverdiener (régime des travailleurs à faibles revenus) wurde durch das Gesetz „Loi N°2002-32“ vom 12.03.2002 und das Dekret N°2002-916 vom 22.04.2002 geschaffen. Es gilt für

  • Hausangestellte,
  • Bauarbeiter,
  • Arbeitnehmer des Staates und der Verwaltungsbehörden, die in keinem anderen System versichert sind und deren monatliches Einkommen bezogen auf eine Beschäftigungsdauer von 25 Tagen im Monat mindestens dem garantierten Mindestlohn in der Landwirtschaft entspricht,
  • selbständige Landwirte, die unbewässerte Flächen bis zu 5 Hektar oder bewässerte Flächen bis zu einem Hektar bewirtschaften,
  • abhängig beschäftigte Fischer, die auf Schiffen mit nicht mehr als 5 Bruttoregistertonnen arbeiten,
  • am Stück arbeitende Handwerker,
  • selbständige Fischer und Kleinreeder, die in keinem anderen System versichert sind.

Das System für Künstler, Kunstschaffende und Intellektuelle

Das System für Künstler, Kunstschaffende und Intellektuelle (régime des artistes, intellectuels et créateurs) wurde zum 01.04.2003 durch das Gesetz „Loi N 2002-104“ vom 30.12.2002 und Dekret Nr. 2003-894 vom 21.04.2003 geschaffen. Es gilt für Künstler, Kunstschaffende und Intellektuelle, die in keinem anderen System versichert sind und keine Zuwendungen vom Staat oder sonstiges Einkommen beziehen.

Die Versicherungssysteme des öffentlichen Sektors

Die gesetzliche Rentenversicherung wurde im öffentlichen Sektor mit dem Gesetz „Loi N° 59-18“ vom 05.02.1959 eingeführt. Nach diesem Gesetz hatten im Wesentlichen nur

  • Beamte des Staates, der Kommunen sowie der Anstalten und Körperschaften des öffentlichen Rechts,
  • Richter,
  • Berufssoldaten,
  • das Personal der Polizei sowie
  • die Mitglieder der Nationalgarde

Anspruch auf Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung. In der Folgezeit wurde das Rentensystem des öffentlichen Sektors schrittweise auf weitere Personengruppen ausgedehnt. Mit dem Gesetz „Loi N°85-12“ vom 05.03.1985 wurden schließlich alle Beschäftigten des öffentlichen Dienstes rentenversicherungspflichtig.

Träger des Rentenversicherungssystems ist die Caisse Nationale de Retraite et de Prévoyance Sociale (vergleiche Abschnitt 1.2). Sie verwaltet das

  • Allgemeine System für die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes sowie
  • die Beamtensondersysteme für Regierungsmitglieder, Gouverneure und Abgeordnete.

Die einzelnen Versicherungssysteme sehen die Gewährung von Leistungen bei Invalidität, Alter oder Tod vor. Die Anspruchsvoraussetzungen und die Berechnung der Leistung können jedoch von System zu System variieren.

Arbeitnehmer der Elektrizitätswerke, Gaswerke und der Transportunternehmen waren bis 1998 bei der Caisse de Retraite du Personnel d'Électricité, Gaz et Transport (CREGT) versichert. Diese Kasse wurde mit dem Gesetz „Loi N°98-37“ vom 25.05.1998 aufgelöst. Gleichzeitig wurden ihre bisherigen Aufgaben der CNRPS übertragen. Die CNRPS ist seitdem alleiniger Träger der Rentenversicherung für die Versicherten des öffentlichen Sektors. Sie ist für die Durchführung der Rentenverfahren und die Zahlung der Renten zuständig. Besonderheiten können sich für Versicherte ergeben, die in verschiedenen Versicherungssystemen des privaten und/oder des öffentlichen Sektors Versicherungszeiten zurückgelegt haben. In diesen Fällen sieht das tunesische Recht eine Koordinierung der Ansprüche und eine besondere Zuständigkeit der Träger vor (vergleiche Abschnitt 4).

Zusatzsystem für Arbeitnehmer außerhalb der Landwirtschaft

Das Zusatzsystem für Arbeitnehmer außerhalb der Landwirtschaft erfasst seit seiner Einführung im Jahr 1978 alle Arbeitnehmer des nicht-landwirtschaftlichen Sektors, deren Einkommen sechsmal höher als der gesetzliche Mindestlohn (SMIG) ist. Aus dem Zusatzsystem können Renten wegen Invalidität, Alters oder Todes gezahlt werden, die die Leistungen des Systems für die Arbeitnehmer außerhalb der Landwirtschaft ergänzen (vergleiche Abschnitt 2.1.1).

Innerstaatliche Koordinierung der Systeme

Für Personen, die in verschiedenen Versicherungssystemen des privaten und/oder des öffentlichen Sektors Versicherungszeiten zurückgelegt haben, sieht das tunesische Recht besondere Regelungen zur Koordinierung von Ansprüchen vor. Danach können - soweit erforderlich - die in den Versicherungssystemen zurückgelegten Versicherungszeiten für den Anspruchserwerb zusammengerechnet werden.

Für die Zahlung der Rente ist stets der Träger zuständig, an den der letzte Beitrag gezahlt wurde. Dieser Träger ermittelt eine Gesamtrente, deren Höhe sich aus den von den einzelnen Versicherungssystemen nach ihren Rechtsvorschriften berechneten (Teil)Renten ergibt. Die Gesamtrente wird dem Berechtigten in einer Summe ausgezahlt.

Auf Antrag ist für einzelne Personen die Übertragung der bei der CNSS erworbenen Anwartschaften auf die CNRPS und umgekehrt möglich (GRA zu Art. 1 Nr. 10 SVA-Tunesien, Abschnitt 3.3).

Vom sachlichen Geltungsbereich erfasste Systeme

Für die Tunesische Republik fallen nach Art. 2 SVA-Tunesien unter anderem

  • die Rechtsvorschriften über die Organisation der Systeme der sozialen Sicherheit (mit Ausnahme der Familienleistungen) sowie
  • das System der Renten bei Invalidität, Alter und zugunsten der Hinterbliebenen (privater Sektor),
  • das System der Sozialen Sicherheit der landwirtschaftlichen Arbeitnehmer und der Fischer (privater Sektor) sowie
  • die Systeme über den sozialen Schutz im öffentlichen Bereich (öffentlicher Sektor)

unter den sachlichen Geltungsbereich des Abkommens (vergleiche GRA zu Art. 2 SVA-Tunesien). Diese Aufzählung wurde seit den Abkommensverhandlungen nicht angepasst. Sie ist nicht dynamisch und berücksichtigt daher insbesondere nicht die Einführung neuer Versicherungssysteme im privaten Sektor. Nach Ansicht der tunesischen Träger wird der sachliche Geltungsbereich des Abkommens mit der Einführung neuer Versicherungssysteme nicht erweitert. Vielmehr werden lediglich weitere Personen in das Sozialversicherungssystem einbezogen.

Ohne dass eine ausdrückliche Benennung der Systeme in Art. 2 SVA-Tunesien erfolgt, werden daher vom sachlichen Geltungsbereich alle Versicherungssysteme des privaten Sektors (vergleiche Abschnitt 2.1) sowie das Allgemeine System für die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes (vergleiche Abschnitt 2.2) erfasst.

Die Sondersysteme für Beamte (fonctionnaires) des öffentlichen Sektors fallen hingegen nicht unter den sachlichen Geltungsbereich des Abkommens.

Zuständigkeit im zwischenstaatlichen Verfahren

Für die Durchführung des zwischenstaatlichen Verfahrens ist auf tunesischer Seite der Versicherungsträger zuständig, an den der letzte Beitrag gezahlt wurde (vergleiche Abschnitt 4). Bei Wohnsitz des Berechtigten in Deutschland leiten die deutschen Träger das zwischenstaatliche Rentenverfahren daher bei

  • der Caisse Nationale de Sécurité Sociale (CNSS), Tunis, sofern der Versicherte zuletzt im privaten Sektor versichert war, oder,
  • der Caisse Nationale de Retraite et de Prévoyance Sociale (CNRPS), Tunis, sofern der Versicherte zuletzt im öffentlichen Sektor beschäftigt war,

ein.

Zusatzinformationen