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Marokkanisches Eherecht Marokko

Änderungsdienst
veröffentlicht am

20.08.2019

Änderung

Neu aufgenommen

Dokumentdaten
Stand17.02.2016
Version001.00

Allgemeines

Das marokkanische Eherecht ist im Code du Statut Personnel et des Successions (CSPS) kodifiziert. Dieses Gesetz ist im gesamten Königreich Marokko am 01.01.1958 in Kraft getreten und gilt seit 1959 auch für Ausländer islamischen Glaubens. Der CSPS wurde umfassend durch Dahir Nr. 1.93.347 vom 10.09.1993 geändert. Eine weitreichende Reform erfolgte im Jahr 2004 (Dahir Nr. 1.04.22 vom 03.02.2004). Mit diesem neuen Recht wurden wesentliche Teile des Familienrechts verändert und die Rechte von Mann und Frau deutlich angeglichen.

Diese Gemeinsame Rechtliche Anweisung gibt einen Überblick über die Regelungen des Eherechts in Marokko. Sie dient wegen der Besonderheiten im marokkanischen Eherecht der allgemeinen Orientierung und beschränkt sich auf die Beschreibung der Rechtsfolgen im marokkanischen Recht, die für die gesetzliche Rentenversicherung von Bedeutung sein können. Hierzu zählen insbesondere die Zulässigkeit polygamer Ehen (vergleiche Abschnitt 2) sowie die unterschiedlichen Formen über die Auflösung einer Ehe (vergleiche Abschnitt 3) sowie die jeweiligen Formen der Beurkundung (vergleiche Abschnitt 4).

Eheschließung

Eine in Marokko geschlossene Ehe ist wirksam, wenn sie nach den Vorschriften des Code du Statut Personnel et des Successions (CSPS) geschlossen wurde.

Die Ehe ist ein Vertrag in wechselseitiger Einigung zwischen einem Mann und einer Frau über eine gesetzmäßige und dauerhafte Verbindung (Art. 4 CSPS). Partnerschaftsverträge für außereheliche Lebensgemeinschaften oder eine Lebensgemeinschaft zwischen Homosexuellen sind rechtlich nicht anerkannt.

Die Ehe wird durch beiderseitige Zustimmung der beiden Parteien geschlossen (Art. 10 und 11 CSPS). Die für die Eheschließung erforderlichen Erklärungen werden in Gegenwart beider Ehepartner vor zwei Zivilstandsnotaren (Adoulen) abgegeben und bei diesen hinterlegt (Art. 13 CSPS). Der Ehevertrag muss einen Pflichtkatalog von Mindestangaben enthalten (Art. 13 und 67 CSPS).

Die Frau hat das Recht, sich von einem Ehevormund vertreten zu lassen. Nach neuem Recht kann eine volljährige Frau den Ehevertrag aber auch selbst abschließen (Art. 24, 25 CSPS).

Seit der Reform des Eherechts im Jahr 2004 erwerben Mann und Frau einheitlich die Ehefähigkeit mit der Vollendung des 18. Lebensjahres (Art. 19 CSPS). Nach dem alten Recht war der Mann mit der Vollendung des 18. Lebensjahres, die Frau mit Vollendung des 15. Lebensjahres ehemündig. Die Eheschließung Minderjähriger ist mit richterlicher Genehmigung und mit Zustimmung des gesetzlichen Vertreters möglich (Art. 20, 21 CSPS).

Die Mehrehe (Polygamie) ist in Marokko nach wie vor zulässig (Art. 40 ff. CSPS). Sie wird aber immer weniger praktiziert, auch, weil sie durch die Familienrechtsreform 2004 erheblich erschwert wurde. Sie ist auf höchstens vier Frauen beschränkt.

Der Ehemann kann nach dem neuen Eherecht im Ehevertrag zum Verzicht auf die Mehrehe verpflichtet werden (Art. 40 CSPS), was ein Verbot der Mehrehe zur Folge hat.

Ist die Monogamie im Ehevertrag nicht vereinbart worden, ist die Mehrehe untersagt, wenn eine Ungerechtigkeit zwischen den Ehefrauen zu befürchten ist (Art. 40 CSPS). Eine weitere Eheschließung des Ehemannes setzt darüber hinaus voraus, dass außerordentliche Gründe und ausreichende finanzielle Mittel nachgewiesen werden. Die notwendigen gerichtlichen Prüfungen werden durch einen Gerichtsbeschluss abgeschlossen (Art. 41, 42 CSPS). Wird die weitere Eheschließung gerichtlich genehmigt, hat die (erste) Ehefrau einen Anspruch auf Scheidung (Art. 45 CSPS).

Auch nach dem alten Eherecht konnte der Ehemann in dem Ehevertrag auf Verlangen seiner Ehefrau zu einem Verzicht auf die Mehrehe verpflichtet werden, ohne dass dies ein formellrechtliches Verbot für eine weitere Ehe zu Folge hatte. Die Ehefrau konnte nur die Scheidung beantragen, sofern der Ehemann eine weitere Ehe eingehen wollte.

Mehrehen nach marokkanischem Recht sind auch in Deutschland wirksam und mit den üblichen Rechtsfolgen verbunden. Daher ist es auch geboten, bei Personen, die eine Ehe nach marokkanischem Eherecht eingegangen sind, nach dem Bestehen weiterer Ehen zu fragen (vergleiche auch GRA zu § 34 SGB I, Abschnitt 5). Existieren beim Tod eines Versicherten mehrere Witwen, können entsprechend mehrere Ansprüche auf Witwenrente entstehen, die nach Art. 25 SVA-Marokko allerdings unter den berechtigten Personen zu gleichen Anteilen und endgültig aufzuteilen sind (vergleiche GRA zu Art. 25 SVA-Marokko, Abschnitt 7, sowie GRA zu § 34 SGB I, Abschnitt 5.1).

Bei Vorliegen von Wirksamkeitsmängeln ist die Ehe entweder nichtig oder fehlerhaft (Art. 56 CSPS):

Nichtig ist eine Ehe, wenn bei Eheschließung keine entsprechenden Willenserklärungen der Ehepartner vor den Adoulen abgegeben wurden, bei fehlender Übereinstimmung von Angebot und Einwilligung (Art. 57 CSPS) oder wenn ein Ehehindernis vorliegt. Das marokkanische Recht unterscheidet dabei zwischen dauerhaften Ehehindernissen wie Verwandtschaft, Schwägerschaft oder Stillverwandtschaft (Art. 36 bis 38 CSPS) und vorübergehenden Ehehindernissen wie der Überschreitung der Höchstzahl von Ehefrauen, einer Eheschließung mit einer verheirateten Frau oder der Religionsverschiedenheit (Art. 39 CSPS). In diesen Fällen erfolgt eine gerichtliche Nichtigkeitserklärung (Art. 58 CSPS).

Eine fehlerhafte Ehe liegt beispielsweise vor, wenn eine unzulässige Brautgabe (Art. 28 CSPS) vereinbart wurde, wenn die Eheschließung während des Zustandes einer lebensbedrohenden Krankheit erfolgte oder wenn ein zur Eheschließung erforderlicher Vormund nicht anwesend war (Art. 59 bis 61 CSPS). Je nach Fallgestaltung kann eine solche Ehe vor Vollzug aufhebbar sein, sie kann durch den Vollzug geheilt werden oder sie kann sowohl vor als auch nach Vollzug aufhebbar sein (Art. 59 CSPS).

Die nichtige und die für ungültig erklärte fehlerhafte Ehe entfalten vor ihrem Vollzug keinerlei Wirkungen. Der fehlerhaften Ehe kommen jedoch nach ihrem Vollzug bis zum Aufhebungsurteil die Wirkungen einer gültigen Ehe zu (Art. 64 CSPS).

Auflösung einer Ehe

Nach marokkanischem Recht wird eine Ehe durch Tod eines Ehegatten, durch Aufhebung, Scheidungserklärung unter gerichtlicher Aufsicht (Verstoßung), gerichtliche Scheidung oder Scheidung gegen Ausgleich (Loskauf) aufgelöst (Art. 71 CSPS).

Die Aufhebung einer Ehe wird durch ein gerichtliches Urteil ausgesprochen. Alle Formen der Scheidung sind immer mit einem Versöhnungsverfahren und Genehmigungsverfahren vor Gericht verbunden, in allen Fällen ist eine Entscheidung eines Gerichts unabdingbare Voraussetzung für die Wirksamkeit der Scheidung.

Eine Scheidungserklärung unter gerichtlicher Aufsicht (Verstoßung) kann sowohl durch den Ehemann als auch durch die Ehefrau erfolgen, wobei die Befugnisse der Ehefrau durch das neue Eherecht erheblich erweitert wurden. Die Verstoßung durch den Ehemann (Art. 78 ff. CSPS) ist nicht von materiellen Voraussetzungen abhängig. Die Verstoßung durch die Ehefrau setzt dagegen voraus, dass der Ehemann seiner Ehefrau das Verstoßungsrecht im Ehevertrag zugebilligt hat (Art. 89 CSPS). Bei beabsichtigter Verstoßung muss das Gericht angerufen und eine Ermächtigung zur Verstoßung beantragt werden (Art. 79 CSPS). Nach einem erfolglosen Versöhnungsverfahren des Gerichts und möglicherweise der Hinterlegung von finanziellen Ausgleichsbeträgen für die Ehefrau und die Kinder erteilt das Gericht die Ermächtigung, die Scheidung durch Verstoßung bei den beiden zuständigen Adoulen registrieren zu lassen. Die Scheidung durch Verstoßung wird von den Adoulen urkundlich bestätigt, im Register des Gerichts vermerkt und hat die gleichen Rechtsfolgen wie eine gerichtliche Scheidung.

Die Ehefrau ist ferner berechtigt, bei polygamer Eheschließung des Mannes oder bei Eintreten der in Art. 98 CSPS genannten Gründe (zum Beispiel Verstoß des Ehemannes gegen eine Bestimmung des Ehevertrages, Misshandlungen, Abwesenheit des Ehemannes wegen Strafverbüßung) die Scheidung zu verlangen.

Neu in das Gesetz aufgenommen wurde die Möglichkeit einer einvernehmlichen gerichtlichen Scheidung (Art. 114 CSPS), die auch erst nach einem erfolglosen Versöhnungsversuch vom Gericht ausgesprochen und registriert wird.

Auch besteht die Möglichkeit einer Scheidung gegen Ausgleich (Loskauf). Dabei kann sich die Frau durch Rückgabe der Brautgabe aus der Ehe lösen (Art. 114 ff. CSPS).

Das CSPS unterscheidet zwischen einer widerruflichen (revokablen) Scheidung und einer unwiderruflichen (irrevokablen) Scheidung.

Jede von einem Gericht ausgesprochene Scheidung ist unwiderruflich, es sei denn, es handelt sich um eine Auflösung wegen Enthaltsamkeit oder Verletzung der Unterhaltspflicht (Art. 122 CSPS). Eine durch die Ehefrau ausgesprochene Verstoßung ist unwiderruflich (Art. 123, 124 CSPS). Die vom Ehemann ausgesprochene Verstoßung kann grundsätzlich innerhalb einer Frist von 4 Monaten und 10 Tagen widerrufen werden, außer die Verstoßung erfolgt bereits zum dritten Mal oder wird vor dem Vollzug der Ehe ausgesprochen. Stirbt der Versicherte innerhalb dieser Widerrufsfrist, ist die Verstoßung unwirksam mit der Folge, dass die Ehe zum Zeitpunkt des Todes rechtmäßig bestanden hat.

Zur Anerkennung von Scheidungsurteilen marokkanischer Gerichte vergleiche GRA zu § 46 SGB VI, Abschnitt 11.2.

Namensführung und Beurkundungen

Nach marokkanischem Recht behält die Ehefrau bei der Eheschließung ihren Geburtsnamen. Sie kann den Zusatz ”verheiratete XY” anfügen.

Das neue Familiengesetzbuch ist um eine nachhaltige Verbesserung der Dokumentation von Familienverhältnissen bemüht. Bereits vor einer Eheschließung wird beim Familiengericht ein Ehevorgang angelegt, in dem die für die Eheschließung notwendigen Dokumente aufbewahrt werden (Art. 65 CSPS). Die Eheschließung wird durch die Eheurkunde nachgewiesen (Art. 16 CSPS). Diese wird von den Adoulen errichtet und nach richterlicher Bestätigung der Ehefrau im Original ausgehändigt. Der Ehemann erhält eine Abschrift (Art. 69 CSPS). Der Wortlaut der Eheurkunde wird in ein gesondertes, bei der Familienkammer geführtes Verzeichnis übertragen. Ein Auszug der Eheurkunde wird an die Adoulen der Geburtsorte der Ehegatten gesandt, welche alle Angaben des Auszuges auf dem Rand der Geburtsurkunden vermerken (Art. 68 CSPS).

Die Heiratsurkunde begründet den Beweis für eine gültige Eheschließung. Konnte eine derartige Urkunde nicht vorgelegt werden, war es nach früherem Recht möglich, durch die Aussagen der bei der Abgabe der Einwilligungserklärung anwesenden Zivilstandsnotare und durch Hinzuziehung von zwölf männlichen Zeugen (Lafif) ein Ehebestätigungsverfahren durchzuführen, das zu einer Rückdatierung der Eheschließung führte. In der marokkanischen Praxis bediente man sich dieses Verfahrens, wenn ein Kind erwartet wurde und durch die Rückdatierung der Ehe legitimiert werden konnte oder der Mann zwischenzeitlich verstorben war. In besonderen - von der Rechtsprechung entwickelten Ausnahmefällen - konnte die Eheschließung auch durch die Erklärung der Eheleute nachgewiesen werden.

Eine Urkunde über die Zeugenbestätigung steht einer Heiratsurkunde nach Zivilrecht gleich. Dieses Zeugnis konnte mit Rechtswirkung selbst nach dem Tod eines der Ehegatten ausgegeben werden. Der Tag der Eheschließung ist in der Regel in diesen Zeugenbestätigungen benannt. Ist dies ausnahmsweise nicht der Fall, wird die CNSS um Amtshilfe gebeten (vergleiche auch GRA zu Art. 27 SVA-Marokko, Abschnitt 2).

Bei fehlender Registrierung der Eheschließung war nach neuem Recht in einem Übergangszeitraum bis zum 05.02.2014 eine Klage auf Anerkennung der Eheschließung möglich. Das Gericht stellte dabei rückwirkend den Zeitpunkt der Eheschließung fest.

Marokkanische Personenstandsurkunden (Heiratsurkunden) können bei den marokkanischen Konsulaten in Deutschland, den Gemeindeverwaltungen in Marokko oder in Amtshilfe über die CNSS angefordert werden.

Amtliche Urkunden oder Nachweise, aus denen im Falle einer Mehrehe alle Ehefrauen zu ersehen sind, mit denen ein Versicherter gleichzeitig verheiratet ist oder war, gibt es nicht. Bei gewöhnlichem Aufenthalt in Marokko kann eine monogame Ehe allerdings durch ein entsprechendes Zeugnis, das Certificat de Monogamie, ausgestellt von der Gemeindeverwaltung, nachgewiesen werden.

Sind keine Nachweise über das Vorliegen einer monogamen oder polygamen Ehe vorhanden, wird zunächst die Witwe, die eine Hinterbliebenenrente aus der Versicherung eines marokkanischen Staatsangehörigen beantragt, danach befragt, ob der verstorbene Versicherte eine Mehrehe geführt hat.

Weitere bekannte anspruchsberechtigte Witwen werden auf einen möglichen Witwenrentenanspruch hingewiesen.

Die Auflösung der Ehe wird durch eine Scheidungsurkunde nachgewiesen. Die Urkunde über die Scheidungserklärung unter gerichtlicher Aufsicht (Verstoßung) wird von zwei gesetzmäßig befugten Zivilstandsnotaren (Adoulen) nach gerichtlicher Genehmigung ausgestellt (Art. 138 CSPS). Das Original der Scheidungsurkunde erhält die Frau, der Mann hat Anspruch auf eine Abschrift der Urkunde (Art. 140 CSPS). Ein Auszug der Scheidungsurkunde wird an die Zivilstandsbeamten der Geburtsorte der Ehegatten gesandt, welche alle Angaben des Auszuges auf dem Rand der Geburtsurkunden vermerken (Art. 141 CSPS).

Eine endgültige Verstoßung wird mit dem in der Urkunde eingetragenen Datum wirksam, eine widerrufliche Verstoßung erst nach Ablauf der Frist von 4 Monaten und 10 Tagen nach der Verstoßung. Es ist daher darauf zu achten, dass die Urkunde erst nach Ablauf dieser Frist ausgestellt wurde.

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