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§ 95 SGB XII: Feststellung der Sozialleistungen

Änderungsdienst
veröffentlicht am

10.07.2021

Änderung

redaktionelle Änderung (Schreibfehler berichtigt)

Dokumentdaten
Stand26.10.2018
Erstellungsgrundlage in der Fassung des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 27.12.2003 in Kraft getreten am 01.01.2005
Rechtsgrundlage

§ 95 SGB XII

Version002.00

Inhalt der Regelung

§ 95 SGB XII bestimmt, dass ein erstattungsberechtigter Träger der Sozialhilfe für einen Dritten die Feststellung einer Sozialleistung beantragen und im Rechtsweg verfolgen kann.

Ergänzende und korrespondierende Regelungen

  • Neben dem Sozialhilfeträger haben auch die Träger der Kriegsopferfürsorge (§ 27i Bundesversorgungsgesetz – BVG -) und der öffentlichen Jugendhilfe (§ 97 SGB VIII) ein eigenes Antragsrecht. Bis zum 31.12.2004 hatten die Grundsicherungsämter kein eigenes Antragsrecht, da für sie die Vorgängervorschrift § 91a BSHG nicht analog angewendet werden konnte (RBRTB 2/2003, TOP 28). Mit Inkrafttreten des SGB XII zum 01.01.2005 sind jedoch das BSHG und das Grundsicherungsgesetz (GSiG) aufgehoben und das Sozialhilferecht in das Sozialgesetzbuch eingeordnet worden. Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung ist nunmehr eine Leistung der Sozialhilfe (§ 8 Nr. 2 SGB XII) und wird vom Träger der Sozialhilfe erbracht, sodass auch in diesen Fällen § 95 SGB XII einschlägig ist. Bereits abgelehnte Fälle können ab 01.01.2005 nach § 95 SGB XII neu beantragt werden.
  • Nach § 5 Abs. 3 SGB II ist der Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende ebenfalls antragsberechtigt, sofern der Hilfebedürftige zur Antragstellung aufgefordert wurde und er der Aufforderung nicht in der gesetzten Frist nachgekommen ist (siehe hierzu RBRTB 1/2005, TOP 5).

Voraussetzung

Das Recht, eine Leistung vom Rentenversicherungsträger verlangen zu können, ist höchstpersönlich und steht daher nur dem Berechtigten selbst, seinem gesetzlichen Vertreter oder Bevollmächtigten zu. Einige Sozialleistungsträger haben aber ein eigenes Antragsrecht. Dieses unterstreicht die Nachrangigkeit dieser Leistung. Der Sozialhilfeträger braucht nicht zuzuwarten, bis der Leistungsberechtigte, gegebenenfalls unter dem Druck von Mitwirkungspflichten (§§ 60 ff. SGB I), bei den vorrangig verpflichteten Leistungsträgern entsprechende Anträge stellt. So kann ein erstattungsberechtigter Träger der Sozialhilfe die Leistung für einen Dritten beantragen und im Rechtsweg verfolgen.

Der Begriff „erstattungsberechtigt“ ist in diesem Zusammenhang nicht restriktiv auszulegen. Denn zum Zeitpunkt der Beantragung einer anderen vorrangigen Sozialleistung durch den Sozialhilfeträger, also mit Beginn des Verwaltungsverfahrens über die Feststellung der Sozialleistung durch den anderen Träger, steht noch nicht fest, ob der geltend gemachte Leistungsanspruch auch tatsächlich besteht. Eine der Grundvoraussetzungen für das Entstehen eines Erstattungsanspruchs nach den Regelungen der §§ 102 ff. SGB X und damit der Erstattungsberechtigung eines Leistungsträgers ist aber, dass die Leistungspflicht des erstattungspflichtigen Leistungsträgers nicht (mehr) in Frage steht, die beantragte Leistung also bindend festgestellt wurde. Demzufolge kann der im Gesetzestext verankerte Bergriff „erstattungsberechtigt“ nur so ausgelegt werden, dass die Erstattungsberechtigung „lediglich“ dem Grunde nach bestehen muss. Ebenfalls nicht erforderlich ist, dass der Sozialhilfeträger bereits Leistungen erbracht hat. Ausreichend ist vielmehr, dass er die Pflicht zur Bewilligung von Sozialhilfeleistungen festgestellt hat, er also einen Erstattungsanspruch haben kann (BSG vom 06.02.1997, AZ: 3 RK 12/96, und BSG vom 22.04.1998, AZ: B 9 VG 6/96 R).

Besteht ein Erstattungsanspruch, kann der Sozialhilfeträger ein Verwaltungsverfahren für den Hilfebedürftigen umfassend betreiben, das heißt es ist nicht nur auf den Rentenanspruch für den Unterstützungszeitraum beschränkt.

Der Sozialhilfeträger ist auch berechtigt, einen Antrag auf den Zuschuss zur Krankenversicherung nach § 106 SGB VI zu stellen, wenn er Krankenversicherungsbeiträge für einen freiwillig oder privat Krankenversicherten übernommen hat. In diesem Fall beinhaltet der im Rahmen des § 95 SGB XII gestellte Antrag auch den Antrag auf den Zuschuss zur Krankenversicherung (RBRTB 1/2014, TOP 11).

Die Vorschrift des § 95 SGB XII ist auf die Beitragserstattung nach § 210 SGB VI nicht anwendbar (siehe GRA zu § 210 SGB VI, Abschnitt 3).

Wirkungen

Ist der Sozialhilfeträger erstattungsberechtigt, kann er die Feststellung einer Sozialleistung betreiben und Rechtsmittel einlegen, das heißt er ist befugt, ein fremdes, ihm materiell-rechtlich nicht zustehendes Recht im eigenen Namen geltend zu machen.

Damit kann der Sozialhilfeträger nicht nur den Leistungsanspruch eines Dritten gegenüber dem Rentenversicherungsträger im Verwaltungsverfahren feststellen lassen, sondern ihn auch im sozialgerichtlichen Verfahren verfolgen. Hierzu muss, ebenso wie bei der Geltendmachung eines Erstattungsanspruchs seitens eines Sozialhilfeträgers, der mögliche Anspruchsberechtigte nicht zustimmen. Das Verfahren nach § 95 SGB XII ist gegebenenfalls sogar gegen dessen ausdrücklichen Willen durchzuführen. Das gilt auch dann, wenn der Rentenberechtigte wegen der ”verfrühten” Antragstellung durch den Sozialhilfeträger einen Abschlag nach § 77 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a SGB VI hinnehmen muss, wobei der Sozialhilfeträger bei seinem Antrag aber ermessensfehlerfrei zu entscheiden hat.

Ist der Rentenantrag ausgehend vom Leistungsfall und gemessen an den Regelungen des § 99 Abs. 1 SGB VI verspätet gestellt worden, wird das maßgebende Lebensalter nicht verschoben, es sei denn, der betroffene Versicherte hat sich damit ausdrücklich einverstanden erklärt. Ermittlungen zu der Frage, ob der Versicherte mit einer Verschiebung des maßgebenden Lebensalters einverstanden ist, sind in diesen Fällen grundsätzlich nicht durchzuführen. Insbesondere von einer Befragung des Versicherten kann grundsätzlich abgesehen werden (RBRTN 1/2014, TOP 11).

In besonders gelagerten Fällen hat der Rentenversicherungsträger den Rentenversicherten zu beraten (RBRTB 1/99, TOP 20).

Solange der Sozialhilfeträger lediglich seinen Erstattungsanspruch angemeldet, aber keinen Antrag nach § 95 SGB XII gestellt hat, ist der Rentenantragsteller insoweit in seiner Dispositionsfreiheit nicht eingeschränkt.

Im Rahmen des Antragsrechts nach § 95 SGB XII kann der Sozialhilfeträger alle Anträge so stellen und verfolgen, wie es der Hilfebedürftige kann. Er darf also zum Beispiel auch Witwenrente nach § 46 Abs. 3 SGB VI beantragen oder einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch des rentenberechtigten Sozialhilfeempfängers gegen den Rentenversicherungsträger geltend machen (Urteil des BSG vom 26.01.2000, AZ: B 13 RJ 37/98 R). Ebenso kann er Leistungen zur Teilhabe beantragen.

Weil der Sozialhilfeträger auf Grund des § 95 SGB XII nur ein fremdes Recht, wenn auch im eigenen Namen, also nicht etwa als Vertreter des Berechtigten, geltend machen kann, hat er grundsätzlich nicht mehr Rechte als der Inhaber des Rentenanspruchs selbst. So wirkt der Ablauf von Antragsfristen, zum Beispiel der Fristen des § 99 SGB VI, auch gegen den Sozialhilfeträger.

Die in § 95 S. 2 SGB XII enthaltene Regelung, dass der Ablauf von Fristen, die ohne Verschulden des Sozialhilfeträgers verstrichen sind, nicht gegen diesen wirkt, bezieht sich nur auf prozessuale Fristen, zum Beispiel auf eine Klagefrist oder eine Rechtsmittelfrist. Ist ein Bescheid gegenüber dem Berechtigten bereits bindend geworden, kann der Sozialhilfeträger trotz des Ablaufs der Klagefrist noch Klage erheben, wenn ihn am Fristablauf kein Verschulden trifft, zum Beispiel, wenn der Sozialhilfeträger von dem vom Berechtigten selbst betriebenen Feststellungsverfahren und von dem diesem allein bekannt gegebenen Bescheid erst nach Ablauf der Klagefrist Kenntnis erhalten hat.

Da der Sozialhilfeträger nicht mehr Rechte hat als der Inhaber des Rentenanspruchs selbst, kann er mit Aussicht auf Erfolg nach dem Tode des Berechtigten auch keinen Antrag nach § 95 SGB XII mehr stellen (RBRTN 2/2001, TOP 24), weil Ansprüche auf Geldleistungen allgemein mit dem Tode des Antragsberechtigten erlöschen. Der Sozialhilfeträger kann jedoch ein im Zeitpunkt des Todes bereits anhängiges Verfahren fortsetzen.

Antrag des Sozialhilfeträgers

Der Sozialhilfeträger und nicht der Berechtigte tritt als Antragsteller auf, weil der Sozialhilfeträger das fremde Recht "im eigenen Namen” geltend machen darf. Daher wird der Antrag auch regelmäßig von einem vertretungsberechtigten Bediensteten des Sozialhilfeträgers unterschrieben.

Erstattungsberechtigte Sozialhilfeträger, die von ihrem eigenständigen Antragsrecht nach § 95 SGB XII Gebrauch machen, können wirksam einen Antrag bei derselben Körperschaft (zum Beispiel Versicherungsamt oder Gemeinde) stellen, der sie angehören (Urteil des BSG vom 26.01.2000, AZ: B 13 RJ 37/98 R). Demnach ist ein Rentenantrag schon dann wirksam gestellt worden, wenn ihn das Versicherungsamt einer Gebietskörperschaft vom Sozialamt derselben Gebietskörperschaft entgegengenommen hat. Für den zuständigen Versicherungsträger muss dabei aber erkennbar sein, wann, mit welchem Ziel, von wem und für wen ein Antrag auf Leistungen aus der Sozialversicherung beim Versicherungsamt gestellt worden ist.

Deshalb ist es im Hinblick auf die ”Außenwirkung” des Antrags erforderlich, dass der Antragseingang beim Versicherungsamt ordnungsgemäß dokumentiert worden ist. Eine zum Beispiel bloße Verschiebung von Akten innerhalb der Gemeindeverwaltung oder gar nur ein Aktenvermerk in der Sozialamtsakte kann diesen Anforderungen nicht genügen.

Zusammentreffen von Anträgen des Berechtigten und des Sozialhilfeträgers

Sofern nicht nur der Versicherte eine Rentenleistung beantragt, sondern später auch der Sozialhilfeträger oder umgekehrt, wird durch beide Anträge nur ein Verfahren ausgelöst, sofern sie sich auf ein und dieselbe Rentenleistung beziehen. Der zeitlich erste Antrag ist maßgebend, zum Beispiel für den Rentenbeginn oder für die Krankenversicherung der Rentner-Mitgliedschaft. Wird einer der Anträge zurückgenommen, ist der verbleibende Antrag maßgebend.

Beide Beteiligten können unabhängig voneinander gegen den Verwaltungsakt Widerspruch erheben, der Sozialhilfeträger sogar gegen den ausdrücklichen Willen des möglichen Anspruchsberechtigten.

Antragsrecht des Sozialhilfeträgers nach § 38 Abs. 1 S. 2 VersAusglG

Zur Antragstellung auf Anpassung wegen Tod siehe GRA zu § 38 VersAusglG, Abschnitt 3.2.

Antragsrecht des Sozialhilfeträgers nach § 44 SGB X

Zum Antragsrecht des Sozialhilfeträgers nach § 44 SGB X siehe GRA zu § 44 SGB X, Abschnitt 8.

Gerichtliches Verfahren

Der erstattungsberechtigte Sozialhilfeträger darf nach § 95 SGB XII sowohl das Rentenverfahren für den Unterstützten betreiben und den geltend gemachten Anspruch im Rechtsweg verfolgen als auch den vom Berechtigten selbst geltend gemachten Anspruch im sozialgerichtlichen Verfahren weiter verfolgen (zu Letzterem siehe Urteil des BSG vom 11.02.1960, AZ: 4 RJ 201/58).

Gesetz zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 27.12.2003 (BGBl. I S. 3022)

Inkrafttreten: 01.01.2005

Quelle zum Entwurf: BT-Drucksache 15/1514

Mit Inkrafttreten des SGB XII zum 01.01.2005 ist § 95 SGB XII eingeführt worden. Die Vorschrift entspricht wortgleich der Regelung des § 91a Bundessozialhilfegesetz (BSHG). Das BSHG wurde zum 01.01.2005 aufgehoben.

Zusatzinformationen

Rechtsgrundlage

§ 95 SGB XII