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§ 75 SGB X: Übermittlung von Sozialdaten für die Forschung und Planung

Änderungsdienst
veröffentlicht am

18.01.2021

Änderung

Neu aufgenommen

Dokumentdaten
Stand11.01.2021
Erstellungsgrundlage in der Fassung des Gesetzes zur Regelung des Sozialen Entschädigungsrechts vom 12.12.2019 in Kraft getreten am 01.01.2020
Rechtsgrundlage

§ 75 SGB X

Version001.00

Inhalt der Regelung

§ 75 SGB X regelt die Übermittlung von Sozialdaten für die Forschung und Planung.

Absatz 1 bestimmt, für welche genau definierten Forschungsvorhaben und unter welchen Voraussetzungen die Übermittlung von Sozialdaten zulässig ist.

Absatz 2 ermöglicht, bereits übermittelte Sozialdaten für einen längeren Zeitraum zu verarbeiten bzw. zusätzliche Sozialdaten zu übermitteln.

Absatz 3 verweist auf erforderliche technische und organisatorische Maßnahmen, die bei der Verarbeitung besonderer personenbezogener Daten zu berücksichtigen sind.

Absatz 4 regelt das Genehmigungsverfahren für die Übermittlung von Sozialdaten nach Absatz 1 und 2.

Absatz 4a enthält Regelungen, die die Verarbeitung der bereits übermittelten Sozialdaten auch für inhaltlich zusammenhängende Forschungsvorhaben ermöglichen.

Absatz 5 verpflichtet die Genehmigungsbehörde, nicht-öffentlichen Stellen Auflagen für die Verarbeitung der übermittelten Sozialdaten zu erteilen.

Absatz 6 regelt die Zuständigkeit der datenschutzrechtlichen Aufsicht für nicht-öffentliche Stellen, an die Sozialdaten übermittelt werden.

Ergänzende/korrespondierende Regelungen

Nach § 67b Abs. 1 S. 3 SGB X ist die Übermittlung von biometrischen, genetischen oder Gesundheitsdaten abweichend von Art. 9 Abs. 2 Buchst. b, d bis j DSGVO nur zulässig, wenn die Voraussetzungen der §§ 68 bis 77 SGB X erfüllt sind.

§ 67c Abs. 2 Nr. 2 SGB X ermöglicht eine Abweichung vom Grundsatz der Zweckbindung bei Eigenforschung, wenn die Voraussetzungen des § 75 Abs. 1, 2 oder 4a S. 1 SGB X vorliegen.

§ 76 SGB X ist zu beachten bei besonders schutzwürdigen Daten, worunter medizinische Sozialdaten fallen.

§ 77 SGB X konkretisiert die Voraussetzungen einer Übermittlung ins Ausland beziehungsweise an über- und zwischenstaatliche Stellen.

§ 78 Abs. 4 SGB X regelt, wie mit Sozialdaten zum Zweck der Forschung umzugehen ist, die an Gerichte oder Staatsanwaltschaften für die Durchführung eines Straf- oder Bußgeldverfahrens übermittelt worden sind.

Darüber hinaus sind bei der Übermittlung der Sozialdaten die technisch organisatorischen Maßnahmen nach Art. 5 Abs. 1 Buchst. e DSGVO sowie Art. 32 DSGVO umzusetzen und Art. 5 Abs. 1 Buchst. c DSGVO zu beachten.

§ 282a SGB III enthält spezielle Befugnisse zur Übermittlung von Sozialdaten der Bundesagentur für Arbeit.

§ 287 SGB V regelt die Verarbeitung von Sozialdaten für zeitlich befristete und im Umfang begrenzte Forschungsvorhaben von Krankenkassen und Kassenärztlichen Vereinigungen.

Aus § 206 SGB VII ergibt sich die Befugnis zur Übermittlung von Daten für die Forschung zur Bekämpfung von Berufskrankheiten.

Die Träger der Sozialhilfe dürfen gemäß § 119 SGB XII für ein Forschungsvorhaben im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales Sozialdaten übermitteln. Dieses muss dem Zweck dienen, die Erreichung der Ziele von Gesetzen über soziale Leistungen zu überprüfen oder zu verbessern,

Allgemeines

§ 75 SGB X ist eine bereichsspezifische Regelung auf Grundlage von Art. 6 Abs. 1 Buchst. e in Verbindung mit Abs. 2 und 3 DSGVO sowie Art. 9 Abs. 2 Buchst. j in Verbindung mit Abs. 4 DSGVO.

In Anbetracht der besonderen Schutzwürdigkeit von Sozialdaten definiert § 75 SGB X besondere Anforderungen für die Übermittlung von Sozialdaten zu Zwecken wissenschaftlicher Forschung und Planung sowie wissenschaftlicher Arbeitsmarkt- und Berufsforschung.

Die für die Datenverarbeitung verantwortlichen Forscher und Forschungseinrichtungen haben zusätzlich zu den nach Art. 89 Abs. 1 S. 1 DSGVO geforderten Garantien für die individuellen Rechte und Freiheiten bei der Verarbeitung von Sozialdaten weitere Voraussetzungen zu beachten.

Der Umfang der Daten, die übermittelt werden dürfen, ist nicht beschränkt.

Wenn möglich, sollten Sozialdaten vor der Übermittlung anonymisiert werden. Anonymisierung liegt vor, wenn Sozialdaten derart verändert werden, dass die Einzelangaben nicht mehr oder nur mit einem unverhältnismäßig großen Aufwand an Zeit, Kosten und Arbeitskraft einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person zugeordnet werden können. Damit liegen schon begrifflich keine Sozialdaten mehr vor und § 75 SGB X wäre nicht mehr einschlägig. Die DSGVO findet auf solche Daten auch keine Anwendung (ErwG 26 DSGVO-ErwG).

Zulässigkeit der Übermittlung

§ 75 Abs. 1 SGB X konkretisiert die Voraussetzungen, unter denen die Übermittlung von Sozialdaten für Zwecke der wissenschaftlichen Forschung und Planung im Sozialleistungsbereich zulässig ist. Übermittlung ist dabei die Bekanntgabe von Sozialdaten durch ihre Weitergabe an einen Dritten oder durch die Einsichtnahme oder den Abruf eines Dritten von zur Einsicht oder zum Abruf bereitgehaltener Daten. Die Definition des „Dritten“ findet sich in Art. 4 Nr. 10 DSGVO.

Forscht ein Leistungsträger selbst im eigenen Haus, liegt kein Übermittlungstatbestand im Sinne des § 75 SGB X vor, da keine Weitergabe oder Bekanntgabe der Sozialdaten an einen Dritten erfolgt. In diesen Fällen ist jedoch § 67c Abs. 5 SGB X zu beachten. Wurden die Daten ursprünglich zu einem anderen Zweck erhoben, müssen nach § 67c Abs. 2 Nr. 2 SGB X auch die Voraussetzungen des § 75 Abs. 1, 2 oder 4a S. 1 SGB X vorliegen.

Wissenschaftliche Forschung im Sozialleistungsbereich oder wissenschaftliche Arbeitsmarkt- oder Berufsforschung

Wissenschaftliche Forschung liegt immer dann vor, wenn mit wissenschaftlichen Methoden neue Erkenntnisse gewonnen werden sollen. Diese Forschung muss nach § 75 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB X immer einen Bezug zum Sozialleistungsbereich erkennen lassen. Von einem Bezug zum Sozialleistungsbereich kann immer dann ausgegangen werden, wenn es im Forschungsvorhaben darum geht, die sozialen Rechte der §§ 3 bis 10 SGB I auszugestalten, aber auch wenn die Forschung einen erkennbareren thematischen Bezug zu den Inhalten, Trägern oder Strukturen des Systems der sozialen Sicherung hat. Der Sozialleistungsbereich muss zwar nicht im Kernbereich des Forschungsvorhabens liegen, allerdings ist es nicht ausreichend, wenn aus dem Forschungsvorhaben nur ein Reflex auf den Sozialleistungsbereich herstellbar ist.

Arbeitsmarkt- und Berufsforschung befasst sich unter anderem mit der Analyse und Entwicklung der Berufe und des Arbeitsmarktes einschließlich der Arbeitsbedingungen wie Arbeitszeit und Lohnentwicklung.

Öffentliche Planung im Sozialleistungsbereich

Planung gemäß § 75 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB X ist die gedankliche Vorwegnahme von Handlungsschritten, die zur Erreichung eines Zieles notwendig scheinen. Im Sozialleistungsbereich ist Planung erforderlich, um vorab Bedarfe zu erkennen und zielgerichtet Maßnahmen zur Verfügung zu stellen. Die Planung ist ausschließlich durch eine öffentliche Stelle im Rahmen ihrer Aufgaben vorzunehmen.

Öffentliche Stellen sind juristische Personen des öffentlichen Rechts, wie Körperschaften, Anstalten und Stiftungen, bundes- oder landesunmittelbare Behörden und staatliche Hochschulen (Universitäten und Fachhochschulen) sowie Universitätskliniken in öffentlicher Trägerschaft.

Erforderlichkeit

Die Übermittlung der Sozialdaten muss nach § 75 Abs. 1 S. 1 SGB X für ein bestimmtes Forschungsvorhaben erforderlich sein. Erforderlichkeit liegt vor, wenn das Vorhaben gar nicht oder nur mit unverhältnismäßig großen Umständen ohne Übermittlung von Sozialdaten durchgeführt werden könnte.

Außerdem bedeutet erforderlich, dass nur die unbedingt benötigten Sozialdaten übermittelt werden dürfen.

Kann das Forschungs- oder Planungsziel auch mit anonymen Daten erreicht werden, ist die Übermittlung von Sozialdaten nicht erforderlich.

Interessenabwägung

Werden schutzwürdige Interesse der betroffenen Personen beeinträchtigt, ist eine Übermittlung nach § 75 Abs. 1 S. 1 SGB X nur zulässig, soweit das öffentliche Interesse an der Forschung oder Planung das Geheimhaltungsinteresse der betroffenen Person erheblich überwiegt. In jedem Einzelfall ist also eine Interessenabwägung zwischen den Interessen des Einzelnen und dem Interesse der Allgemeinheit durchzuführen.

Schutzwürdiges Interesse liegt vor, wenn die betroffene Person ein berechtigtes Interesse an der Geheimhaltung der Informationen hat.

Einwilligung der betroffenen Person

Gemäß § 75 Abs. 1 S. 2 SGB X ist eine Übermittlung ohne Einwilligung der betroffenen Person unzulässig, soweit es zumutbar ist, die Einwilligung der betroffenen Person einzuholen. Unzumutbar könnte in diesem Zusammenhang bedeuten, dass eine sehr große Zahl von Versicherten an dem Projekt teilnehmen soll oder aber durch die Einholung der Einwilligung das Ziel der Forschung nicht erreicht werden könnte.

Eine Einwilligung ist nicht erforderlich, wenn nur Angaben über den Namen und Vornamen, die Anschrift, die Telefonnummer sowie die für die Einleitung eines Vorhabens nach Satz 1 zwingend erforderlichen Strukturmerkmale der betroffenen Person für Befragungen übermittelt werden (§ 75 Abs. 1 S. 3 SGB X). Zu den Strukturmerkmalen gehören beispielsweise allgemeine Daten wie Alter, Geschlecht und Herkunft. Voraussetzung ist auch hier, dass die Übermittlung erforderlich ist und schutzwürdige Interessen der betroffenen Person nicht beeinträchtigt werden oder das öffentliche Interesse an der Forschung oder Planung das Geheimhaltungsinteresse der betroffenen Person erheblich überwiegt.

Der Gesetzgeber möchte mit dieser Regelung frühzeitige Selektionen durch fehlende Einwilligungen ausschließen. Für die Einwilligung sind die Regelungen des Art. 7 DSGVO und des § 67b SGB X zu beachten.

Datenschutzkonzept

Der nach § 75 Abs. 4 S. 1 SGB X zuständigen Behörde ist gemäß § 75 Abs. 1 S. 4 SGB X ein Datenschutzkonzept vorzulegen. Der Antragsteller hat darin nachzuweisen, dass er die technischen und organisatorischen Anforderungen des Datenschutzes (Art. 24 DSGVO, Art. 25 DSGVO und Art. 32 DSGVO, § 22 BDSG) erfüllt sowie die Grundsätze des Art. 5 Abs. 1 DSGVO einhält.

Übermittlung von Sozialdaten für Folgeforschungsfragen

Grundsätzlich werden Sozialdaten nur für ein bestimmtes Forschungsvorhaben übermittelt. Es besteht aber nach § 75 Abs. 2 SGB X die Möglichkeit,

  • eine verlängerte Verwendung der übermittelten Sozialdaten oder
  • eine Übermittlung weiterer erforderlicher Sozialdaten

zu beantragen, wenn sich aus einem Forschungsvorhaben eine Folgeforschungsfrage ergibt. Diese muss in einem inhaltlichen Zusammenhang mit diesem ursprünglichen Vorhaben stehen.

Ein inhaltlicher Zusammenhang besteht insbesondere dann, wenn das Folgeforschungsvorhaben das ursprüngliche Vorhaben hinsichtlich einzelner Elemente abändert bzw. ergänzt, ohne den Charakter des ursprünglichen Vorhabens zu verändern. Das ist beispielsweise der Fall, wenn bei der Erforschung von bestimmten Arzneimittelrisiken oder Krankheitsbildern andere Arzneimittel, weitere Dispositionen und Erkrankungen oder zuvor noch nicht berücksichtigte Nebenwirkungen einbezogen werden sollen.

Dafür müssen die Forscher einen Folgeantrag stellen. Je nachdem, ob das ursprüngliche Vorhaben beendet ist oder nicht, kann entweder die Verlängerung der Frist nach § 75 Abs. 4 S. 5 Nr. 4 SGB X zur Verarbeitung oder die Festlegung einer neuen Frist beantragt werden, um die für das ursprüngliche Vorhaben übermittelten Sozialdaten weiter zu verwenden. Wenn dies erforderlich ist, kann auch die Übermittlung weiterer Sozialdaten beantragt werden. Die Voraussetzungen des § 75 Abs. 1 SGB X müssen auch hier erfüllt sein.

Übermittlung oder Verarbeitung durch Dritte von besonderen Kategorien personenbezogener Daten

Soweit nach § 75 Abs. 1 oder Abs. 2 SGB X besondere Kategorien personenbezogener Daten im Sinne von Art. 9 Abs. 1 DSGVO an Dritte übermittelt oder nach § 75 Abs. 4a von Dritten verarbeitet werden, bestimmt § 75 Abs. 3 SGB X, dass diese Stelle bei der Verarbeitung angemessene und spezifische Maßnahmen zur Wahrung der Interessen der betroffenen Person nach § 22 Abs. 2 S. 2 BDSG vorsehen muss.

Personenbezogene Daten, die ihrem Wesen nach hinsichtlich der Grundrechte und Grundfreiheiten besonders sensibel sind, verdienen einen besonderen Schutz, da im Zusammenhang mit ihrer Verarbeitung erhebliche Risiken für die Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person auftreten können (ErwG 51 DSGVO-ErwG). Die Grundrechte und Grundfreiheiten sind in der „Charta der Grundrechte der Europäischen Union“ (Grundrechtecharta) verankert.

Der Katalog der besonders zu schützenden Daten ist abschließend in Art. 9 Abs. 1 DSGVO aufgezählt. Dazu gehören personenbezogene Daten, aus denen die rassische und ethnische Herkunft, politische Meinungen, religiöse oder weltanschauliche Überzeugungen oder die Gewerkschaftszugehörigkeit hervorgehen, sowie die Verarbeitung von genetischen Daten, biometrischen Daten zur eindeutigen Identifizierung einer natürlichen Person, Gesundheitsdaten oder Daten zum Sexualleben oder der sexuellen Orientierung.

Angemessene und spezifische Maßnahmen nach § 22 Abs. 2 S. 2 BDSG sind

  • technisch organisatorische Maßnahmen, um sicherzustellen, dass die Verarbeitung gemäß der Verordnung (EU) 2016/679 (DSGVO) erfolgt,
  • Maßnahmen, die gewährleisten, dass nachträglich überprüft und festgestellt werden kann, ob und von wem personenbezogene Daten eingegeben, verändert oder entfernt worden sind,
  • Sensibilisierung der an Verarbeitungsvorgängen Beteiligten,
  • Benennung einer oder eines Datenschutzbeauftragten,
  • Beschränkung des Zugangs zu den personenbezogenen Daten innerhalb der verantwortlichen Stelle und von Auftragsverarbeitern,
  • Pseudonymisierung personenbezogener Daten,
  • Verschlüsselung personenbezogener Daten,
  • Sicherstellung der Fähigkeit, Vertraulichkeit, Integrität, Verfügbarkeit und Belastbarkeit der Systeme und Dienste im Zusammenhang mit der Verarbeitung personenbezogener Daten, einschließlich der Fähigkeit, die Verfügbarkeit und den Zugang bei einem physischen oder technischen Zwischenfall rasch wiederherzustellen,
  • zur Gewährleistung der Sicherheit der Verarbeitung die Einrichtung eines Verfahrens zur regelmäßigen Überprüfung, Bewertung und Evaluierung der Wirksamkeit der technischen und organisatorischen Maßnahmen oder
  • spezifische Verfahrensregelungen, die im Fall einer Übermittlung oder Verarbeitung für andere Zwecke die Einhaltung der Vorgaben dieses Gesetzes sowie der Verordnung (EU) 2016/679 (DSGVO) sicherstellen.

Ergänzend zu den Vorgaben des § 22 Abs. 2 S. 2 BDSG bestimmt § 75 Abs. 3 S. 2, dass die besonderen Kategorien personenbezogener Daten sofort zu anonymisieren sind, sobald dies nach dem Forschungszweck möglich ist.

Genehmigungsverfahren

Bevor Sozialdaten für ein Forschungs- oder Planungsvorhaben übermittelt werden dürfen, ist nach § 75 Abs. 4 SGB X eine Genehmigung erforderlich. Hierfür ist die oberste Bundes- oder Landesbehörde, die für den Bereich, aus dem die Daten herrühren, zuständig ist. Hierdurch soll sichergestellt werden, dass eine Übermittlung der Sozialdaten ein Ausnahmetatbestand bleibt.

Jeweils zuständig ist nach § 75 Abs. 4 S. 1 SGB X das für die übermittelnde Behörde zuständige Bundes- bzw. Landesministerium.

Die Genehmigung ist auch erforderlich, wenn das zuständige Ministerium selbst die forschende oder planende Stelle ist.

Sollen Sozialdaten von verschiedenen Sozialleistungsträgern übermittelt werden, ist die Genehmigung mehrerer Behörden erforderlich. Die Behörden haben dann eine federführende Behörde zu bestimmen. Die anderen Behörden sind am Entscheidungsprozess zu beteiligen.

Die Zuständigkeit kann nach § 75 Abs. 4 S. 2 SGB X übertragen werden.

Die Genehmigung muss durch den Empfänger der Sozialdaten beantragt werden. Die Datenempfänger sind Adressaten einer Auflage und müssen daher auch Antragsteller für die Genehmigung sein.

Wichtiger Bestandteil des Antrags ist eine umfangreiche Beschreibung des Forschungs- bzw. Planungsvorhabens und das Datenschutzkonzept, damit die zuständige Behörde die Voraussetzungen des § 75 SGB X prüfen kann. Hierbei ist insbesondere darzulegen, welche Arten von Sozialdaten für welche Tätigkeit benötigt werden. Es muss zum Ausdruck kommen, warum schutzwürdige Interessen der betroffenen Person nicht beeinträchtigt werden oder das öffentliche Interesse an der Forschung oder Planung das Geheimhaltungsinteresse des Betroffenen erheblich überwiegt. Sofern eine Einwilligung der betroffenen Person nicht eingeholt werden kann oder konnte oder eine Anonymisierung der Daten nicht in Frage kommt, ist darzulegen, aus welchem Grund dies unzumutbar ist.

Nach § 75 Abs. 4 S. 3 SGB X muss sich bei der Übermittlung von Sozialdaten an eine nicht-öffentliche Stelle und eine weitere Verarbeitung durch diese nach § 75 Abs. 2 SGB X die nicht-öffentliche Stelle der Genehmigungsbehörde gegenüber verpflichten, die Daten nur für den vorgesehenen Zweck zu verarbeiten.

Die Genehmigung darf nur versagt werden, wenn die Voraussetzungen des § 75 Abs. 1, 2 oder 4a SGB X nicht vorliegen (§ 75 Abs. 4 S. 4 SGB X).

Über die Genehmigung ergeht ein Bescheid, der als Verwaltungsakt auch dem Leistungsträger, der die Datenübermittlung vornimmt, bekannt gegeben werden muss und der Schriftform bedarf. Der Inhalt der Genehmigung ist in § 75 Abs. 4 S. 5 SGB X geregelt.

§ 75 Abs. 4 S. 6 SGB X enthält Angaben zur Speicherfrist der verarbeiteten Daten.

Genehmigung für inhaltlich zusammenhängende Forschungsvorhaben des gleichen Forschungsbereichs

Mit § 75 Abs. 4a SGB X wird eine weitere ergänzende Möglichkeit geschaffen, die es zulässt, ausgehend von der Beantragung eines bestimmten Vorhabens nach § 75 Abs. 1 S. 1 SGB X, die Verwendung der für dieses Vorhaben übermittelten Sozialdaten auch für inhaltlich zusammenhängende Forschungsvorhaben des gleichen Forschungsbereichs zu beantragen.

Im Bereich der Forschung und Planung können sich über einzelne bestimmte Forschungsvorhaben hinaus weitere, zum Zeitpunkt der Datenübermittlung noch nicht konkret bestimmbare Forschungsvorhaben aus dem gleichen Forschungsbereich ergeben.

§ 75 Abs. 4a S. 2 SGB X sieht zusätzlich zu den Voraussetzungen der Genehmigung nach § 75 Abs. 4 SGB X vor, dass der Datenempfänger sich gegenüber der genehmigenden Stelle zu verpflichten hat, auch bei künftigen Forschungsvorhaben die Genehmigungsvoraussetzungen einzuhalten.

Nach § 75 Abs. 4a S. 3 SGB X kann die genehmigende Behörde vom Antragsteller verlangen, das nach § 75 Abs. 1 S. 4 SGB X vorzulegende Datenschutzkonzept durch einen unabhängigen Dritten in Bezug auf die Angemessenheit der technischen und organisatorischen Maßnahmen zur Gewährleistung des Datenschutzes und der Datensicherheit sowie der Beachtung des Grundsatzes der Datenminimierung begutachten zu lassen. Dies erleichtert der zuständigen Behörde in schwierigen Fällen die Prüfung des Antrages und trägt zur Beschleunigung des Prüfverfahrens bei.

Um die Genehmigungs- oder Aufsichtsbehörde über die im Rahmen eines Forschungsbereiches tatsächlich erfolgenden Datenverarbeitungen für die diesem Bereich zugeordneten einzelnen Forschungsvorhaben zu informieren und ihr die Möglichkeit zu geben, ggf. einzugreifen, muss der Antragsteller nach § 75 Abs. 4a S. 4 SGB X der zuständigen Behörde jedes im Rahmen des genehmigten Forschungsbereiches vorgesehene Forschungsvorhaben rechtzeitig vor dessen Beginn anzeigen und dabei die Erfüllung der Genehmigungsvoraussetzungen darlegen. In der Anzeige ist auch die voraussichtliche Dauer der Verwendung von Sozialdaten sowie der Aufbewahrung zu begründen. Auch wenn es keiner weiteren Genehmigung bedarf, muss die Genehmigungsfähigkeit im Rahmen der Anzeige dargelegt werden.

Nach § 75 Abs. 4a S. 5 SGB X darf mit dem Forschungsvorhaben acht Wochen nach Eingang der vollständigen Anzeige bei der Genehmigungsbehörde begonnen werden, sofern nicht die Genehmigungsbehörde vor Ablauf der Frist mitteilt, dass für das angezeigte Vorhaben ein gesondertes Genehmigungsverfahren erforderlich ist.

Übermittlung an nicht-öffentliche Stellen

Nicht-öffentliche Stellen haben sich gegenüber der Genehmigungsbehörde gemäß § 75 Abs. 4 S. 3 SGB X zu verpflichten, die Daten nur für den vorgesehenen Zweck zu verarbeiten.

Die Genehmigung kann mit Auflagen verbunden sein. Diese sollen nach § 75 Abs. 5 SGB X die Einhaltung der Vorgaben aus § 75 Abs. 1, 2 und 4a SGB X sicherstellen. Die Auflagen dürfen sich aber nur auf die Einhaltung des Datenschutzes beziehen und müssen hierfür notwendig sein. Auf die Forschung und Planung an sich darf kein Einfluss genommen werden.

Die nicht-öffentliche Stelle unterliegt gemäß § 75 Abs. 6 SGB X in Verbindung mit § 40 Abs. 1 BDSG der Aufsicht der nach Landesrecht zuständigen Aufsichtsbehörde.

Gesetz zur Regelung des Sozialen Entschädigungsrechts vom 12.12.2019 (BGBl. I S. 2652)

Inkrafttreten: 01.01.2020

Quelle zum Entwurf: BT-Drucksache 19/13824

Durch Artikel 38 Nummer 4 wurde in Absatz 4 das Wort „Bundesversicherungsamt“ durch die Wörter „Bundesamt für Soziale Sicherung“ ersetzt. Die Änderung erfolgt in Auslegung des Willens des Gesetzgebers in Absatz 4, da die nach dem Wortlaut von Artikel 38 Nummer 4 vorgesehene Änderung in Absatz 2 sich auf eine frühere Gesetzesfassung bezieht und nicht durchführbar ist.

Zweites Gesetz zur Anpassung des Datenschutzrechts an die Verordnung (EU) 2016/679 und zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/680 (Zweites Datenschutz-Anpassungs- und Umsetzungsgesetz EU - 2. DSAnpUG-EU) vom 20.11.2019 (BGBl. I S. 1626)

Inkrafttreten: 26.11.2019

Quelle zum Entwurf: BT-Drucksache 19/4674

Durch Artikel 131 Nummer 6 wurden Formulierungen an die Begriffe in der DSGVO angepasst.

Gesetz zur Änderung des Bundesversorgungsgesetzes und anderer Vorschriften vom 17.07.2017 (BGBl. I S. 2541)

Inkrafttreten: 25.05.2018

Quelle zum Entwurf: BT-Drucksache 18/12611

Durch Artikel 24 Nummer 2 des Gesetzes zur Änderung des Bundesversorgungsgesetzes und anderer Vorschriften wurde die Vorschrift komplett neu gefasst.

Gesetz zur Stärkung der Tarifautonomie vom 11.08.2014 (BGBl. I S. 1348)

Inkrafttreten: 16.08.2014

Quellen zum Entwurf: BT-Drucksachen 18/1558 und 18/2010

Die Übermittlungsbefugnis für Sozialdaten wurde ausgeweitet auf bestimmte Vorhaben der Arbeitsmarkt- und Berufsforschung.

Zusätzlich wurde in Absatz 1 der Satz 3 eingefügt. Danach dürfen Namen, Kontaktdaten und die für die Einleitung eines Vorhabens nach Satz 1 zwingend erforderlichen Strukturmerkmale der betroffenen Personen für Befragungen auch ohne Einwilligung übermittelt werden.

GKV-Versorgungsstrukturgesetz vom 22.12.2011 (BGBl. I S. 2983)

Inkrafttreten: 01.01.2012

Quelle zum Entwurf: BT-Drucksache 17/6906

Durch Artikel 3 Nummer 2 GKV-VStG wurde in Absatz 2 der Satz 2 eingefügt, wonach das Genehmigungsverfahren durch die oberste Bundesbehörde auch auf das Bundesversicherungsamt übertragen werden kann.

Gesetz zur Änderung des BDSG und anderer Gesetze vom 18.05.2001 (BGBl. I S. 904)

Inkrafttreten: 23.05.2001

Quellen zum Entwurf: BT-Drucksachen 14/4329 und 14/5793

Die Regelungen des SGB wurden an die Vorschriften des BDSG angepasst.

2. SGBÄndG vom 13.06.1994 (BGBl. I S. 1229)

Inkrafttreten: 01.07.1994

Quellen zum Entwurf: BT-Drucksachen 12/5187 und 12/7324

Durch Artikel 6 Nummer 4 des 2. SGBÄndG ist das Zweite Kapitel des SGB X umfassend überarbeitet worden; insbesondere mussten die im SGB X enthaltenen Verweise auf das zwischenzeitlich novellierte BDSG angepasst werden.

SGB X vom 18.08.1980 (BGBl. I S. 1469, 2218)

Inkrafttreten: 01.01.1981

Quelle zum Entwurf: BT-Drucksache 8/4022

Zum 01.01.1981 wurde das Zweite Kapitel des SGB X (§§ 67 - 85a SGB X) mit den Vorschriften zum Sozialdatenschutz eingeführt.

Zusatzinformationen

Rechtsgrundlage

§ 75 SGB X