§ 320 SGB VI: Bußgeld
veröffentlicht am |
20.08.2019 |
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Änderung | Die Verletzung der zum 01.04.2018 neu eingeführten Meldeverpflichtung (§ 190a SGB VI) für bestimmte von § 2 Satz 1 Nr. 8 SGB VI erfasste selbständig tätige Handwerker kann einen Bußgeldtatbestand erfüllen. Außerdem Aufnahme eines Hinweises zum Umgang mit 'Dauerordnungswidrigkeiten' (Abschn. 3.2). |
Stand | 14.05.2018 |
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Erstellungsgrundlage | in der Fassung des Gesetzes zur Verbesserung der Leistungen bei Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit und zur Änderung anderer Gesetze (EM-Leistungsverbesserungsgesetz) vom 17.07.2017 in Kraft getreten am 01.04.2018 |
Rechtsgrundlage | |
Version | 001.00 |
- Inhalt der Regelung
- Tatbestandsvoraussetzungen
- Rechtsfolge
- Verfolgungsverjährung
- Vollstreckungsverjährung
- Zuständigkeit und Verfahren
- Einspruch
- Kosten
Inhalt der Regelung
Bei § 320 SGB VI handelt es sich um eine Bußgeldregelung, die es den Trägern der gesetzlichen Rentenversicherung ermöglicht, Verstöße gegen bestimmte gesetzlich festgelegte Pflichten als Ordnungswidrigkeit mit der Erhebung einer Geldbuße von bis zu 2.500,00 EUR zu ahnden. Die Vorschrift konkretisiert in dieser Form das Gesetz über Ordnungswidrigkeiten (OWiG, BGBl. I 1968 S. 481), das als zentrale gesetzliche Grundlage für die Verhängung und Durchsetzung von Bußgeldern für alle Ordnungswidrigkeiten nach Bundes- und Landesrecht anzusehen ist und in seinem § 1 eine allgemeine Bestimmung des Begriffes „Ordnungswidrigkeit“ enthält (siehe Abschnitt 2).
§ 320 SGB VI betrifft ausschließlich die Melde-, Auskunfts-, Mitteilungs- und Vorlagepflichten des § 190a Abs. 1 S. 1 oder S. 2 sowie des § 196 Abs. 1 S. 1 oder S. 2 SGB VI. Die Vorschrift zielt damit auf die Pflichterfüllung des Personenkreises der versicherungspflichtigen Selbständigen bei der Durchführung der Versicherung. Die vergleichbaren Pflichten anderer Personenkreise sind an anderen Stellen gesetzlich geregelt (zum Beispiel § 111 SGB IV, § 98 Abs. 5 SGB X, § 18 AAÜG).
Ergänzende/korrespondierende Regelungen
§ 320 SGB VI regelt die Bußgeldbewehrung von Verstößen gegen die in §§ 190a Abs. 1 S. 1 oder S. 2 sowie 196 Abs. 1 S. 1 oder 2 SGB VI enthaltenen Melde-, Auskunfts-, Mitteilungs- und Vorlagepflichten.
Ähnliche Bußgeldregelungen enthalten zum Beispiel § 111 SGB IV (Ordnungswidrigkeiten von Arbeitgebern und Beschäftigten im Zusammenhang mit der Durchführung der Versicherung), § 98 Abs. 5 SGB X (Ordnungswidrigkeiten von Arbeitgebern im Zusammenhang mit der Durchführung von Leistungsverfahren), § 36 KSVG (Ordnungswidrigkeiten von versicherten Künstlern/Publizisten und von Abgabeverpflichteten) und § 18 AAÜG (Ordnungswidrigkeiten im Zusammenhang mit der Ermittlung der Überführungsdaten).
Tatbestandsvoraussetzungen
Grundlegende Voraussetzung für die Verhängung eines Bußgeldes nach § 320 SGB VI ist das Vorliegen einer Ordnungswidrigkeit, die definiert ist als eine rechtswidrige und vorwerfbare Handlung, die den Tatbestand eines Gesetzes verwirklicht, das die Ahndung mit einer Geldbuße zulässt (§ 1 Abs. 1 OWiG).
Bußgeldbewehrt sind also nur die detailliert gesetzlich beschriebenen Pflichtverletzungen. Dabei handelt es sich um einen abschließenden Katalog. Eine ergänzende Auslegung ist ausgeschlossen.
Die Handlung kann in einem Tun oder Unterlassen bestehen. Sie ist regelmäßig rechtswidrig, wenn sie dem Tatbestand des Gesetzes entspricht (indizierte Rechtswidrigkeit). Nur ausnahmsweise beim Vorliegen eines Rechtfertigungsgrundes ist die Rechtswidrigkeit ausgeschlossen.
Vorwerfbar beziehungsweise schuldhaft ist die Handlung, wenn der Betroffene den Tatbestand vorsätzlich (siehe Abschnitt 2.2.1) oder fahrlässig (siehe Abschnitt 2.2.2) verwirklicht hat.
Pflichtwidriges Handeln
§ 320 SGB VI führt in seinem Absatz 1 die einzelnen Verstöße gegen bestimmte Pflichten auf. Hierbei handelt es sich um die
- Meldepflicht nach § 190a Abs. 1 S. 1 oder S. 2 SGB VI (siehe Abschnitt 2.1.1)
- Auskunfts- und Vorlagepflichten nach § 196 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 und § 196 Abs. 1 S. 2 SGB VI (siehe Abschnitt 2.1.2)
- Mitteilungspflichten nach § 196 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB VI (siehe Abschnitt 2.1.3).
§ 320 SGB VI findet hingegen keine Anwendung, wenn Versicherte in Kontenklärungsverfahren nicht oder nur mangelhaft mitwirken oder wenn Beiträge nicht, in unzutreffender Höhe oder verspätet gezahlt werden.
Verstoß gegen Meldepflichten
Alle von § 2 S. 1 Nr. 1 bis 3 und 9 SGB VI erfassten selbständig Tätigen sind nach § 190a Abs. 1 S. 1 SGB VI verpflichtet, sich innerhalb von 3 Monaten nach der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit bei ihrem zuständigen Rentenversicherungsträger zu melden (siehe GRA zu § 190a SGB VI). § 190a Abs. 1 S. 2 SGB VI verpflichtet ab 01.04.2018 selbständig Tätige nach § 2 S. 1 Nr. 8 SGB VI beim Vorliegen bestimmter Konstellationen dazu, sich bei dem zuständigen Rentenversicherungsträger zu melden. Die Meldung hat innerhalb von drei Monaten ab Vorliegen der in § 190a Abs. 1 S. 2 SGB VI genannten Tatbestände zu erfolgen. Pflichtwidrig handelt, wer die erforderliche Meldung nicht, nicht richtig oder nicht rechtzeitig erstattet.
Verstoß gegen Auskunfts- und Vorlagepflichten
Nach § 196 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI sind Versicherte verpflichtet, über alle Tatsachen, die für die Feststellung der Versicherungs- und Beitragspflicht und für die Durchführung der den Rentenversicherungsträgern übertragenen Aufgaben, auf Verlangen unverzüglich Auskunft zu erteilen (siehe GRA zu § 196 SGB VI). Pflichtwidrig handelt, wer die erforderlichen Auskünfte nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig erteilt.
Nach § 196 Abs. 1 S. 2 SGB VI sind Versicherte verpflichtet, dem Rentenversicherungsträger auf dessen Verlangen unverzüglich die Unterlagen vorzulegen, aus denen die Tatsachen oder die Änderungen in den Verhältnissen hervorgehen (siehe GRA zu § 196 SGB VI). Pflichtwidrig handelt, wer die erforderlichen Unterlagen nicht, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig vorlegt.
Verstoß gegen Mitteilungspflichten
Nach § 196 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB VI sind Versicherte verpflichtet, Änderungen in den Verhältnissen, die für die Feststellung der Versicherungs- und Beitragspflicht erheblich sind und nicht durch Dritte gemeldet werden, unverzüglich mitzuteilen (siehe GRA zu § 196 SGB VI). Pflichtwidrig handelt, wer die erforderlichen Mitteilungen nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig vornimmt.
Schuldhaftes Handeln
Der Verstoß gegen die Melde-, Auskunfts-, Mitteilungs- und Vorlagepflichten stellt nur dann eine Ordnungswidrigkeit dar, wenn er vorsätzlich oder leichtfertig begangen wurde.
Vorsatz
Vorsatz liegt vor, wenn der Betroffene die Tatbestandsmerkmale kennt oder deren Eintritt voraussieht und wenn er die Tatbestandsverwirklichung will (Kurzformel: Wissen und Wollen der Tatbestandsverwirklichung). Drei Vorsatzformen werden unterschieden: Absicht, direkter Vorsatz und bedingter Vorsatz. Sie unterscheiden sich danach, wie stark die Vorsatzelemente ausgeprägt sind. § 320 SGB VI erfasst jede der genannten Vorsatzformen.
Ein vorsätzlicher Verstoß ist bereits dann zu bejahen, wenn der Betroffene die Existenz der Melde-, Auskunfts-, Mitteilungs- beziehungsweise Vorlagepflichten mindestens für möglich gehalten hat und einen möglichen Verstoß gegen die ihm obliegenden Pflichten billigend in Kauf genommen hat (sogenannter bedingter Vorsatz).
Ebenso liegt Vorsatz vor, wenn der Betroffene seine Pflichten kannte und ihnen gleichwohl nicht nachgekommen ist oder wenn es dem Betroffenen sogar darum ging, die ihm obliegenden Pflichten nicht zu erfüllen (direkter Vorsatz beziehungsweise Absicht).
Von einem vorsätzlichen Verstoß ist daher insbesondere in folgenden Fällen auszugehen:
- nachweisliche individuelle Beratung oder Auskunft,
- Aufforderung des Rentenversicherungsträgers, im Zusammenhang mit der selbständigen Tätigkeit bestimmte Auskünfte zu erteilen oder Unterlagen einzusenden, weil eventuell Versicherungspflicht vorliegen könnte,
- Ausübung einer versicherungspflichtigen selbständigen Tätigkeit bereits in der Vergangenheit,
- unterbliebene Mitwirkung trotz einer sozialgerichtlichen Feststellung, dass eine versicherungspflichtige selbständige Tätigkeit vorliegt, die Ermittlung der zu zahlenden Beiträge aber noch von entsprechenden Angaben und Nachweisen des Betroffenen abhängt.
Leichtfertigkeit als Unterfall der Fahrlässigkeit
Leichtfertigkeit ist ein Unterfall der Fahrlässigkeit. Sie entspricht in etwa der groben Fahrlässigkeit. Leichtfertigkeit liegt vor, wenn die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt wurde. Dabei kommt es auf die persönliche Urteils- und Kritikfähigkeit, das Einsichtvermögen und Verhalten des Betroffenen sowie auf die besonderen Umstände des Einzelfalles an. Es wird also eine Sorgfaltspflichtverletzung ungewöhnlich hohen Ausmaßes vorausgesetzt, das heißt eine besonders grobe und schlechthin unentschuldbare Pflichtverletzung. Diese liegt vor, wenn schon einfachste, ganz nahe liegende Überlegungen nicht angestellt werden oder wenn nicht beachtet wird, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen.
Beachte:
Einfache Fahrlässigkeit reicht bei Anwendung von § 320 SGB VI nicht aus. Daher muss stets geprüft werden, ob eine Pflichtverletzung auf vorsätzlichem oder leichtfertigem Handeln beruht oder ob „lediglich“ einfache Fahrlässigkeit vorliegt.
Es kommt hierbei immer auf die individuellen Gegebenheiten an. Leichtfertigkeit kann beispielsweise in folgenden Fällen vorliegen:
- Der Versicherte hat zwar keine individuelle Beratung oder Auskunft erhalten; ihm sind jedoch in sonstiger Weise Informationen zur Rechtslage zugänglich gemacht worden (zum Beispiel Bescheidtext, Info-Blatt).
- Der Versicherte hatte aufgrund seiner persönlichen Umstände besondere Kenntnisse oder er hätte diese haben müssen (zum Beispiel als Funktionär eines Berufsverbandes).
- Der Versicherte erteilt bestimmte Auskünfte nicht, weil er diese nicht für erforderlich hält.
Dabei ist Folgendes zu beachten:
- Verletzung der Meldepflichten nach § 190a SGB VI
Nach dem Grundsatz der formellen Publizität bei der Verkündung von Gesetzen gelten diese zwar mit ihrer Verkündigung im Bundesgesetzblatt allen Normadressaten als bekannt, ohne Rücksicht darauf, ob und wann diese individuell und tatsächlich Kenntnis erlangt haben. Versicherungspflichtige Selbständige können sich daher nicht darauf berufen, sie hätten von ihrer Meldepflicht unverschuldet nicht gewusst. Wer seiner gesetzlichen Meldepflicht nach § 190a SGB VI nicht nachkommt, handelt regelmäßig schuldhaft. In aller Regel wird jedoch lediglich einfache Fahrlässigkeit vorliegen und somit keine Ordnungswidrigkeit. Regelmäßig wird keine leichtfertige Verletzung der Meldepflicht nach § 190a Abs. 1 S. 2 SGB VI vorliegen, wenn der Versicherte davon ausgehen durfte, dass eine Eintragung der entsprechenden Tatbestände in die Handwerksrolle bereits erfolgt ist. - Verletzung der Auskunfts- und Vorlagepflichten nach § 196 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 und S. 2 SGB VI
Hat der Rentenversicherungsträger nicht klar und genau genug zum Ausdruck gebracht, welche Auskünfte oder Unterlagen er benötigt und zu welchem Zweck, so liegt in der Regel weder Vorsatz noch Leichtfertigkeit vor und somit keine Ordnungswidrigkeit. - Verletzung der Mitteilungspflichten nach § 196 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB VI
Ist die rechtzeitige und vollständige Mitteilung von Änderungen unterblieben, auf deren Relevanz der Rentenversicherungsträger nicht hingewiesen hat, so liegen in der Regel weder Vorsatz noch Leichtfertigkeit vor. Um eine Ordnungswidrigkeit handelt es sich in diesen Fällen nicht.
Rechtsfolge
Liegen alle Tatbestandsvoraussetzungen vor, kann nach § 320 Abs. 2 SGB VI eine Geldbuße (Bußgeld) verhängt werden. Die Geldbuße ist eine Rechtsfolge für eine tatbestandsmäßige, rechtswidrige und vorwerfbare Handlung (siehe Abschnitt 2). Ihr Zweck ist es, eine bestimmte Ordnung durchzusetzen. Sie soll zum einen ein bestimmtes Fehlverhalten „sanktionieren“, zum anderen soll sie den Adressaten zukünftig zu einem rechtskonformen Verhalten bewegen.
Ob eine Geldbuße verhängt wird oder nicht, ist vom Rentenversicherungsträger durch Ermessensausübung zu entscheiden. Eine Ermessensentscheidung ist auch dann zu treffen und aktenkundig zu machen, wenn im Ergebnis keine Geldbuße verhängt wird.
Ermessensausübung
Nach § 47 Abs. 1 S. 1 OWiG liegt die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten im pflichtgemäßen Ermessen der Verfolgungsbehörde (hier: dem zuständigen Träger der Rentenversicherung). Diese kann eine Ordnungswidrigkeit mit einer Geldbuße ahnden.
Der Ermessensentscheidung geht stets die Prüfung voraus, ob eine Ordnungswidrigkeit vorliegt (siehe Abschnitt 2). Liegt eine Ordnungswidrigkeit vor, ist im Rahmen des Ermessens zu entscheiden:
- ob die Ordnungswidrigkeit geahndet werden soll (das heißt ob eine Geldbuße verhängt wird) - siehe Abschnitt 3.1.1
und
- wie hoch die Geldbuße ist - siehe Abschnitt 3.1.2.
Im Rahmen des Ermessens kann die Behörde, egal zu welchem Zeitpunkt des Verfahrens, über die Verfolgung der Ordnungswidrigkeit bestimmen. Sie kann von vornherein von der Einleitung eines Verfahrens absehen; sie kann aber auch ein bereits eingeleitetes Verfahren einstellen; dies sogar noch nach Erteilung des Bußgeldbescheides.
Verhängung eines Bußgeldes
Für die Frage, ob eine Ordnungswidrigkeit verfolgt wird, sind allein sachliche Gründe maßgebend. Insbesondere gilt Folgendes:
1. | Der Rentenversicherungsträger darf nicht willkürlich handeln, also zum Beispiel nicht mit Rücksicht auf die Stellung oder das Ansehen eines Betroffenen von der Verfolgung absehen. Ebenso wenig darf er bei Vorliegen gleicher Umstände nicht in einem Fall von der Verfolgung absehen und in anderen Fällen das Bußgeldverfahren durchführen. |
2. | Es sind sämtliche Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen, so die Bedeutung und die Auswirkungen des Pflichtverstoßes, der Grad der Vorwerfbarkeit, die Gefahr der Wiederholung durch andere, die Häufigkeit gleichartiger Verstöße, die Einstellung des Betroffenen zur Rechtsordnung und sein Verhalten nach dem Pflichtverstoß. |
3. | Nach Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten ist abzuwägen, ob die mit der gesetzlichen Regelung vorwiegend erstrebte Zielrichtung (für eine Einhaltung der Pflichten zu sorgen) im Einzelfall auf andere Weise ebenso oder besser erreicht werden kann. |
Als Ermessenserwägungen kommen in Betracht:
Bei Verstößen gegen die Meldepflicht nach § 190a SGB VI (siehe Abschnitt 2.1.1) ist insbesondere zu berücksichtigen, wie lange der Versicherte die Tätigkeit bereits ausübt. Ferner fällt das Verhalten des Versicherten im weiteren Verfahren ins Gewicht und ob dieser bereits zuvor seinen Meldepflichten nicht oder nicht vollständig nachgekommen ist, etwa bei mehrfacher Aufnahme einer versicherungspflichtigen selbständigen Tätigkeit. Ist dagegen nach dem Sachverhalt nicht zu erwarten, dass sich der Regelverstoß wiederholt, kann auf die Einleitung eines Bußgeldverfahrens verzichtet werden.
Bei Verstößen gegen die Auskunfts- und Vorlagepflichten nach § 196 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 und S. 2 SGB VI (siehe Abschnitt 2.1.2) ist insbesondere zu berücksichtigen, ob es sich um hartnäckige und wiederholte Pflichtverstöße oder um ein einmaliges Vergehen handelt und ob die erforderlichen Auskünfte zwischenzeitlich erteilt beziehungsweise die Unterlagen vorgelegt wurden. Bei verspäteter Mitwirkung sind die Gründe zu berücksichtigen, zum Beispiel ob der Betroffene ernstlich erkrankt war. Wirkt sich der Pflichtverstoß zu Ungunsten des Versicherten aus (zum Beispiel kann ein Befreiungsantrag nicht bearbeitet werden), sollte regelmäßig von der Erhebung eines Bußgeldes abgesehen werden.
Bei Verstößen gegen die Mitteilungspflichten nach § 196 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB VI (siehe Abschnitt 2.1.3) ist insbesondere zu berücksichtigen, ob es sich um hartnäckige und wiederholte Pflichtverstöße oder um ein einmaliges Vergehen handelt. Wirkt sich der Pflichtverstoß zu Ungunsten des Versicherten aus (zum Beispiel kann nicht geprüft werden, ob Versicherungsfreiheit wegen Geringfügigkeit besteht), sollte regelmäßig von der Erhebung eines Bußgeldes abgesehen werden. Dies gilt auch, wenn schwerwiegende persönliche Umstände zum Pflichtverstoß wesentlich beigetragen haben.
Höhe des Bußgeldes
Das Bußgeld kann nach § 320 Abs. 2 SGB VI bis zu 2.500,00 EUR betragen, mindestens jedoch 5,00 EUR (§ 17 Abs. 1 OWiG). Liegt nicht vorsätzliches, sondern lediglich leichtfertiges Handeln vor, beträgt das Bußgeld höchstens 1.250,00 EUR (§ 17 Abs. 2 OWiG).
Der Bußgeldrahmen bildet einen wesentlichen Anhaltspunkt für die Bemessung des Bußgeldes im Einzelfall. Das Höchstmaß ist für die denkbar schwersten Fälle vorgesehen, bei denen kein Milderungsgrund vorhanden ist, der Mittelwert für durchschnittlich schwere Fälle.
Für die Bestimmung der Höhe der zu verhängenden Geldbuße enthält § 17 Abs. 3 OWiG Näheres. Danach sind insbesondere „die Bedeutung der Ordnungswidrigkeit und der Vorwurf, der den Täter trifft“, zu beachten.
Die „Bedeutung der Ordnungswidrigkeit“ hängt ab vom Grad der Gefährdung oder Beeinträchtigung der geschützten Rechtsgüter oder Interessen sowie vom Ausmaß der Gefährdung oder Beeinträchtigung. Dabei können auch die Häufigkeit gleichartiger Verstöße und die Art der Ausführung eine Rolle spielen.
Mit dem „Vorwurf, der den Täter trifft“, ist der individuelle Vorwurf gemeint. Dabei kommt es auf die besonderen Umstände in der Person des Betroffenen an; zu berücksichtigen wäre etwa eine rechtsfeindliche Gesinnung, die sich auch aus wiederholter Begehung ergeben kann.
Bußgeld mindernd können sich auswirken:
| verständliche Beweggründe, |
| geringe Erfahrung, |
| Bemühen um Wiedergutmachung, |
| Mitwirkung an der Aufklärung bei schwer durchschaubarem Sachverhalt, |
| länger zurückliegender Pflichtverstoß bei zwischenzeitlich ordnungsgemäßem Verhalten. |
Bei der Bemessung des Bußgeldes sind außerdem die wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen zu berücksichtigen; dies in der Regel aber nur dann, wenn die Geldbuße 250,00 EUR übersteigt (siehe Beschluss des OLG Hamm vom 08.01.2015, AZ: 3 RBs 354/14, und des OLG Celle vom 16.07.2008, AZ: 311 SsBs 43/08).
Richtwerte (Regelsätze)
Soweit Verwaltungsbehörden mit Bußgeldkatalogen arbeiten, wird bei der Festlegung der Regelsätze von durchschnittlichen Fällen ausgegangen. Der Regelsatz gilt für weder auffällig schwere noch auffällig unbedeutende Fälle. Nur erhebliche Andersartigkeiten können Abweichungen rechtfertigen. Ansonsten ist das Festhalten an Regelsätzen auch ein Gebot der Gleichbehandlung.
Bei der Festlegungen von Regelsätzen oder Richtwerten (also nicht nur bei förmlichen Bußgeldkatalogen) ist eine typisierende und pauschalierende Betrachtungsweise zulässig und geboten. Dies erlaubt es einerseits, den häufig auftretenden Durchschnittsfall ungeachtet bestimmter Besonderheiten des Einzelfalles stets mit dem Regelsatz zu belegen; andererseits muss bei erheblich andersartigen Tatumständen davon abgewichen werden.
Die folgenden Richtwerte basieren - wie bei Bußgeldkatalogen - auf einem „Durchschnittsfall“. Sie unterscheiden sich danach, ob ein vorsätzliches oder ein leichtfertiges Handeln vorliegt, sowie danach, gegen welche Mitwirkungspflicht verstoßen wurde. Dabei wird davon ausgegangen, dass das Unterlassen einer Handlung, zu der der Rentenversicherungsträger aufgefordert hat (Kategorie 1), regelmäßig schwerer wiegt als das Unterlassen einer Handlung, die der Versicherte von sich aus vornehmen muss (Kategorie 2).
Ordnungswidrigkeiten der Kategorie 1 sind Verletzungen der
- Auskunftspflichten (§ 196 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI),
- Vorlagepflichten (§ 196 Abs. 1 S. 2 SGB VI).
Ordnungswidrigkeiten der Kategorie 2 sind Verletzungen der
- Meldepflichten (§ 190a Abs. 1 S. 1 und S. 2 SGB VI),
- Zu beachten ist, dass regelmäßig eine vorsätzliche oder leichtfertige Verletzung der Meldepflicht nach § 190a Abs. 1 S. 2 SGB VI nicht vorliegt, wenn der Versicherte davon ausgehen durfte, dass eine Eintragung der entsprechenden Tatbestände in die Handwerksrolle bereits erfolgt ist. In diesen Fällen handelt es sich nicht um eine Ordnungswidrigkeit.
- Mitteilungspflichten über Änderungen (§ 196 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB VI).
Der Regelsatz oder Richtwert kann in der Kategorie 1 mit 500,00 EUR bei Vorsatz und 250,00 EUR bei Leichtfertigkeit angesetzt werden. Bei Kategorie 2 muss insbesondere wegen der vergleichsweise geringeren Vorwerfbarkeit der Richtwert geringer sein; es können 400,00 EUR bei Vorsatz und 200,00 EUR bei Leichtfertigkeit angesetzt werden.
Im Überblick stellt sich das wie folgt dar:
Art der Ordnungswidrigkeit | Höhe des Bußgeldes (Richtwert) bei | |
Vorsatz | Leichtfertigkeit | |
Kategorie 1 (Verstoß gegen Mitwirkungspflichten trotz Aufforderung durch den Rentenversicherungsträger) | 500,00 EUR | 250,00 EUR (Beachte: Wird trotz Aufforderung gegen eine Mitwirkungspflicht verstoßen, wird regelmäßig Vorsatz vorliegen) |
Kategorie 2 (Verstoß gegen Mitwirkungspflichten ohne Aufforderung durch den Rentenversicherungsträger) | 400,00 EUR | 200,00 EUR |
Tateinheit und Tatmehrheit
Verletzt dieselbe Handlung mehrere Mitwirkungspflichten (siehe Abschnitt 2.1), so wird nur eine einzige Geldbuße festgesetzt. Ist der Verstoß gegen die verschiedenen Mitwirkungspflichten unterschiedlich hoch mit einem Bußgeld belegt, so ist die höchste Geldbuße zu verhängen.
Verletzt dieselbe Handlung eine Mitwirkungspflicht mehrmals, so wird ebenfalls nur eine einzige Geldbuße festgesetzt (sogenannte Tateinheit). Es findet also keine Kumulierung statt (vergleiche § 19 OWiG). Wird jedoch eine bußgeldbewehrte Handlung auch nach Erteilung eines Bußgeldbescheides fortgesetzt (unterbleibt zum Beispiel weiterhin die nach § 196 Abs. 1 SGB VI erforderliche Mitwirkung), so handelt es sich, sobald der Bußgeldbescheid bestandskräftig geworden ist, um eine neue Ordnungswidrigkeit und es ist erneut die Verhängung eines Bußgeldes zu prüfen.
Können mehrere Geldbußen festgesetzt werden (sogenannte Tatmehrheit), weil mehrere Handlungen Mitwirkungspflichten verletzen, so wird jede Geldbuße gesondert festgesetzt. Es findet also eine Kumulierung statt. Die Geldbußen können in einem Bußgeldbescheid festgesetzt werden, sind jedoch getrennt anzugeben (vergleiche § 20 OWiG).
Bildung einer Gesamtforderung
Die im Bußgeldbescheid zu benennende Forderungshöhe beinhaltet
- das Bußgeld,
- die Gebühr von 5 % der Geldbuße, mindestens jedoch 25,00 EUR (§ 107 Abs. 1 S. 3 OWiG) und
- die Auslagen nach § 107 Abs. 3 OWiG (zum Beispiel Entgelte für die Zustellung durch die Post).
Nach § 112 Abs. 3 SGB IV fließt die Geldbuße in die Kasse des Versicherungsträgers.
Verfolgungsverjährung
Eine Ordnungswidrigkeit kann nicht mehr verfolgt werden, wenn sie verjährt ist (§ 31 Abs. 1 OWiG). Die Verjährung ist von Amts wegen zu berücksichtigen. Im Falle der Verjährung ist das Verfahren einzustellen.
Die Verjährungsfrist beginnt, sobald die Handlung beendet ist (§ 31 Abs. 3 S. 1 OWiG).
Bei Ordnungswidrigkeiten, die in einem Unterlassen bestehen (zum Beispiel im Unterlassen einer Meldung), beginnt die Verjährungsfrist erst mit dem Wegfall der Handlungspflicht.
In Fällen von §§ 190a, 196 SGB VI kann von einem Wegfall der Handlungspflicht erst dann ausgegangen werden, wenn der Versicherte ihr nachgekommen ist (zum Beispiel eine Mitteilung nachgeholt hat) oder wenn das Verwaltungsverfahren mit einem Bescheid abgeschlossen ist, der die pflichtwidrig nicht gemeldeten Tatsachen berücksichtigt (also zum Beispiel die Versicherungspflicht feststellt, obwohl der Versicherte nicht mitgewirkt hat).
Die Verjährungsfrist bestimmt sich nach der Höhe der Geldbuße, mit der eine Ordnungswidrigkeit belegt ist. Aus § 31 Abs. 2 Nr. 3 und 4 OWiG in Verbindung mit § 320 Abs. 2 SGB VI und § 17 Abs. 2 OWiG ergibt sich eine Verjährungsfrist von einem Jahr für vorsätzlich begangene Ordnungswidrigkeiten und von sechs Monaten für leichtfertig begangene Ordnungswidrigkeiten.
Die Verjährungsfrist wird durch bestimmte Tatbestände unterbrochen (§ 33 Abs. 1 OWiG). Bedeutung haben in Fällen des § 320 SGB VI regelmäßig allein § 33 Abs. 1 Nr. 1 und 9 OWiG. Danach unterbrechen die Anhörung (siehe Abschnitt 6) des Betroffenen (Nr. 1) und der Erlass eines Bußgeldbescheides die Verjährung (Nr. 9). Die Verjährung ist in dem Zeitpunkt unterbrochen, in dem das Anhörungsschreiben beziehungsweise der Bußgeldbescheid ausgefertigt wird (§ 33 Abs. 2 S. 1 OWiG). Nach jeder Unterbrechung beginnt die Verjährung von neuem (§ 33 Abs. 3 S. 1 OWiG).
Jedoch gibt es eine absolute Verjährungsfrist, die in den hier relevanten Fällen zwei Jahre beträgt (§ 33 Abs. 3 S. 2 OWiG).
Die Fristen werden so berechnet, dass der Tag, an dem die Verjährungsfrist beginnt, der erste Tag der Frist ist. Der letzte Tag der Frist ist der im Kalender vorhergehende Tag. Das gilt selbst dann, wenn dieser auf einen Sonn- oder Feiertag fällt.
Vollstreckungsverjährung
Ist eine Geldbuße zu vollstrecken, so ist von Amts wegen die Vollstreckungsverjährung zu beachten. Im Falle der Verjährung ist das Verfahren einzustellen.
Nach § 34 Abs. 1 und 2 OWiG darf eine rechtskräftig festgesetzte Geldbuße nach Ablauf von fünf Jahren bei einer Geldbuße von mehr als eintausend Euro beziehungsweise nach Ablauf von drei Jahren bei weniger als eintausend Euro nicht mehr vollstreckt werden. Die Verjährungsfrist beginnt mit der Rechtskraft der Entscheidung. In bestimmten Fällen (§ 34 Abs. 4 OWiG) ruht die Verjährung; Unterbrechungstatbestände gibt es nicht.
Zuständigkeit und Verfahren
Sachlich zuständig für die Durchführung des Verfahrens ist gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 1 OWiG die durch das Gesetz bestimmte Verwaltungsbehörde. Nach der insoweit maßgebenden Vorschrift des § 112 Abs. 1 Ziffer 1 SGB IV ist für die Verfolgung der Ordnungswidrigkeiten nach § 320 Abs. 1 SGB VI der Rentenversicherungsträger sachlich zuständig.
Die Entscheidung über die Einleitung eines Ordnungswidrigkeitsverfahrens ist mit ihren Gründen aktenkundig zu machen. Dies gilt auch in Fällen, in denen auf die Erhebung eines Bußgeldes verzichtet wird.
Zu dokumentieren sind insbesondere:
- der Pflichtverstoß (Welche Vorschrift wurde verletzt?),
- die Schuldhaftigkeit (Liegen Vorsatz oder Leichtfertigkeit vor?)
- sowie gegebenenfalls
- die Ermessensausübung (Wird ein Bußgeld verhängt und in welcher Höhe?).
Vor der Einleitung eines Bußgeldverfahrens sollte dem Betroffenen mindestens einmal die Verhängung eines Bußgeldes angedroht werden. Wird ein Bußgeldverfahren anhängig, ist nach Abschluss der Ermittlungen zum Sachverhalt dem Betroffenen nach § 55 Abs. 1 OWiG Gelegenheit zur Äußerung zu geben. Eine bestimmte Form ist für die Anhörung nicht vorgeschrieben. Sie sollte jedoch schriftlich erfolgen. Anschließend hat der Rentenversicherungsträger zu prüfen, ob das Verfahren fortzuführen oder einzustellen ist. Bei Fortführung ist ein schriftlicher Bußgeldbescheid zu erlassen.
Der Bußgeldbescheid muss nach § 66 OWiG insbesondere enthalten:
- Angaben zur Person des Betroffenen,
- die Bezeichnung des Pflichtverstoßes, der dem Betroffenen zur Last gelegt wird,
- die gesetzlichen Merkmale der Ordnungswidrigkeit (das heißt die Feststellung, dass der Pflichtverstoß vorsätzlich oder leichtfertig begangen wurde - § 320 Abs. 1 SGB VI),
- den Zeitraum der Begehung,
- die angewendete Bußgeldvorschrift,
- die Beweismittel (zum Beispiel Schreiben der Sachbearbeitung, auf die der Versicherte nicht oder nicht ausreichend reagiert hat),
- die Geldbuße,
- den Hinweis, dass der Bußgeldbescheid rechtskräftig und vollstreckbar wird, wenn kein Einspruch nach § 67 OWiG eingelegt wird, und dass bei einem Einspruch auch eine für den Betroffenen nachteilige Entscheidung getroffen werden kann,
- die Aufforderung an den Betroffenen, spätestens zwei Wochen nach Rechtskraft oder einer etwa bestimmten späteren Fälligkeit die Geldbuße oder die bestimmten Teilbeträge an die zuständige Kasse zu zahlen oder im Falle der Zahlungsunfähigkeit dem Rentenversicherungsträger schriftlich oder zur Niederschrift mitzuteilen, warum ihm die fristgemäße Zahlung nach seinen wirtschaftlichen Verhältnissen nicht zuzumuten ist,
- eine Kostenentscheidung (siehe Abschnitt 8).
Über die Angaben zur Bezeichnung des Pflichtverstoßes und zu den Beweismitteln hinaus braucht der Bußgeldbescheid nicht begründet zu werden (§ 66 Abs. 3 OWiG).
Einspruch
Nach § 67 OWiG können Betroffene innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Bußgeldbescheides schriftlich oder zur Niederschrift beim zuständigen Rentenversicherungsträger gegen den Bescheid Einspruch einlegen.
Einspruch ist unzulässig
Ist der Einspruch nicht rechtzeitig, nicht in der vorgeschriebenen Form oder sonst nicht wirksam eingelegt, ist er als unzulässig zu verwerfen (§ 69 Abs. 1 OWiG). Gegen die Entscheidung ist innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung der Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 62 OWiG zulässig. Zuständiges Gericht ist das Amtsgericht, in dessen Bezirk die Verwaltungsbehörde ihren Sitz hat.
Einspruch ist zulässig
Ist der zulässige Einspruch begründet, ist der Bußgeldbescheid zurückzunehmen. Dem Betroffenen ist mitzuteilen, dass
- der Bußgeldbescheid aufgrund des Einspruches überprüft worden ist und gemäß § 69 Abs. 2 Ordnungswidrigkeitengesetz (OWiG) zurückgenommen wird,
- das Bußgeldverfahren gemäß § 47 Abs. 1 S. 2 OWiG eingestellt wird,
- die notwendigen Kosten und Auslagen, die der Betroffenen entstanden sind, auf Antrag erstattet werden (§ 105 Abs. 1 OWiG in Verbindung mit § 467a Strafprozessordnung - StPO -, § 106 Abs. 1 OWiG).
Einer Begründung bedarf es nicht.
Gelangt der Rentenversicherungsträger nach eingehender Prüfung der Sach- und Rechtslage unter Berücksichtigung des Vorbringens des Betroffenen zu dem Ergebnis, dass der Einspruch zwar zulässig, aber nicht begründet ist, ist der Vorgang an die zuständige Staatsanwaltschaft (§ 69 Abs. 3 OWiG) zu übersenden. Damit gehen die Aufgaben der Verfolgungsbehörde, das heißt des Rentenversicherungsträgers, auf die Staatsanwaltschaft über (§ 69 Abs. 4 OWiG). Wenn das Verfahren dort nicht eingestellt wird, hat das Amtsgericht über den Einspruch zu entscheiden.
Kosten
Für die im Bußgeldverfahren anfallenden Gebühren und Kosten der Verwaltungsbehörde (vergleiche Abschnitt 3.3) sowie für die Auslagen des Betroffenen sind je nach Verfahrensstand unterschiedliche Regelungen maßgebend.
Verfahren bis zum Erlass des Bußgeldbescheides
Bereits der Bußgeldbescheid muss im Tenor eine Entscheidung enthalten, wer die Verfahrenskosten (dies sind die Gebühren und die Auslagen, vergleiche Abschnitt 3.3) trägt. Dies ist regelmäßig der Beteiligte, gegen den ein Bußgeld verhängt wird. Eine Aussage zu den Auslagen, die dem Betroffenen entstanden sind, muss der Bußgeldbescheid nicht enthalten.
Verfahren nach Einlegung eines Einspruches
Nimmt der Betroffene den Einspruch zurück, bevor über diesen entschieden wurde, verbleibt es bei der ursprünglichen Kostenentscheidung, das heißt der Betroffene trägt die Kosten des Verfahrens und seine Auslagen.
Bei voller Rücknahme des Bußgeldbescheides übernimmt die Verwaltungsbehörde neben den eigenen Kosten auch die notwendigen Auslagen des Betroffenen. Die Kostengrundentscheidung wird von der Stelle getroffen, die auch die Rücknahme vornimmt.
Wird der Bußgeldbescheid teilweise zurückgenommen, ist dem Betroffenen mitzuteilen, dass eine Kostenentscheidung erst bei Abschluss des Verfahrens ergeht.
Wird der "restliche" Einspruch vom Betroffenen zurückgenommen, nachdem der Bußgeldbescheid teilweise zurückgenommen (das heißt zu seinen Gunsten geändert) wurde, ist das Einspruchsverfahren beendet. Dem Betroffenen ist mitteilen, dass das Einspruchsverfahren nunmehr abgeschlossen ist. In diesem Zusammenhang ergeht dann auch die abschließende isolierte Kostengrundentscheidung. Sie sollte dem Verhältnis des Erfolges - Misserfolges des Einspruchs entsprechen. Wird der "restliche" Einspruch vom Betroffenen nicht zurückgenommen, erfolgt die Abgabe an die Staatsanwaltschaft, ohne dass eine Kostengrundentscheidung zu treffen ist (vergleiche Abschnitt 8.3).
Jede Kostengrundentscheidung des Inhalts, dass die notwendigen Auslagen des Betroffenen (ganz oder teilweise) übernommen werden, muss den Hinweis enthalten, dass dazu ein Antrag des Betroffenen erforderlich ist.
Verfahren bei Abgabe an die Staatsanwaltschaft
Führt der Einspruch nicht zur vollen Rücknahme des Bußgeldbescheides durch die Verwaltungsbehörde, so wird der Vorgang an die Staatsanwaltschaft abgegeben. Damit werden die Staatsanwaltschaft (§ 108a OWiG) beziehungsweise das Amtsgericht (§ 46 Abs. 1 OWiG mit Verweis auf die StPO) auch für die Kostenentscheidungen zuständig.
Gesetz zur Verbesserung der Leistungen bei Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit und zur Änderung anderer Gesetze (EM-Leistungsverbesserungsgesetz) vom 17.07.2017 (BGBl. I S. 2509) |
Inkrafttreten: 01.04.2018 |
Quelle zum Entwurf: BR-Drucksache 156/17, BT-Drucksache 18/12590 |
Mit Artikel 1 Nr. 19 des EM-Leistungsverbesserungsgesetzes wurde in § 320 Abs. 1 Nr. 1 nach der Angabe „Satz 1“ die Angabe „oder 2“ eingefügt.
Es handelt sich um eine Folgeänderung zur Änderung des § 190a SGB VI und die dort neu geregelte Meldeverpflichtung für bestimmte der Versicherungspflicht nach § 2 S. 1 Nr. 8 SGB VI unterliegende Personen. Zur Durchsetzung der Meldeverpflichtung wird der in § 320 SGB VI geregelte Bußgeldtatbestand erweitert.
Gesetz zur Einführung des Euro im Sozial- und Arbeitsrecht sowie zur Änderung anderer Vorschriften (4. Euro-Einführungsgesetz) vom 21.12.2000 (BGBl. I S. 1983) |
Inkrafttreten: 01.01.2001 / 01.01.2002 Quellen zum Entwurf: BR-Drucksache 531/00, BT-Drucksache 14/4375 |
Durch Artikel 6 Nummer 17 des Gesetzes wurde mit Wirkung ab 01.01.2001 in Absatz 1 eine neue Nummer 1 eingefügt und die bisherigen Nummern 1 und 2 wurden die neuen Nummern 2 und 3. Es handelte sich um eine Folgeänderung zur Einfügung der Meldepflichten in § 190a SGB VI.
Durch Artikel 7 Nummer 25 des Gesetzes wurde mit Wirkung ab 01.01.2002 in § 320 Abs. 2 SGB VI die Angabe „5000 Deutsche Mark“ durch die Wörter „zweitausendfünfhundert Euro“ ersetzt. Es handelte sich hierbei um eine redaktionelle Änderung im Zusammenhang mit der Einführung des Euro.
Gesetz zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung (Rentenreformgesetz 1992-RRG 1992) vom 18.12.1989 (BGBl. I S. 2261) |
Inkrafttreten: 01.01.1992 Quelle zum Entwurf: BT-Drucksache 11/4124 |
Die Vorschrift des § 320 SGB VI wurde durch Art. 1 RRG 1992 eingeführt und ist am 01.01.1992 in Kraft getreten. Die Vorschrift ist nur für Sachverhalte anzuwenden, in denen der Tatbestand der Ordnungswidrigkeit nach dem 31.12.1991 eingetreten ist.
Die Vorschrift hat keine unmittelbare Vorgängerregelung im bis zum 31.12.1991 geltenden Recht. Eine Anlehnung erfolgt jedoch an die §§ 149, 153 AVG, §§ 1427, 1431 RVO und § 28o in Verbindung mit § 111 Abs. 1 Nr. 4 SGB IV.