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B 5 R 26/08 R

Tatbestand

Die Klägerin begehrt Regelaltersrente auf der Grundlage von Ghetto-Beitragszeiten.

Die 1927 in Drohiczyn (Polen) geborene Klägerin ist Jüdin und wurde aus diesem Grund Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung. Für die Zeit von Oktober 1941 bis Dezember 1942 wurde sie wegen Freiheitsentziehung nach dem Bundesentschädigungsgesetz (BEG) entschädigt. Im Dezember 1956 wanderte sie von Polen nach Israel aus und erwarb die israelische Staatsangehörigkeit. Nach einem vom israelischen Rentenversicherungsträger bestätigten Versicherungsverlauf war die Klägerin zwischen April 1958 und April 1987 insgesamt 90 Monate in Israel versicherungspflichtig beschäftigt.

Im November 2002 beantragte die Klägerin Regelaltersrente unter Hinweis auf die Vorschriften des Gesetzes zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto (ZRBG vom 20.6.2002, BGBl I 2074). Hierzu gab sie an, auf Vermittlung des Judenrats von Juli 1941 bis Herbst 1941 in der Wäscherei in Drohiczyn außerhalb des Ghettos Wäsche und Uniformen der Soldaten gewaschen zu haben. Sie habe hierfür einmal wöchentlich Sonderrationen für zu Hause bekommen, die sie mit ihrem kleinen Bruder und mit der Mutter habe teilen müssen. Die Beklagte lehnte den Antrag auch im Widerspruchsverfahren ab (Bescheid vom 29.11.2004; Widerspruchsbescheid vom 8.3.2005).

Das Sozialgericht Düsseldorf hat die Klage mit Urteil vom 17.3.2006 abgewiesen; das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (LSG) hat die Berufung der Klägerin mit Urteil vom 11.1.2008 zurückgewiesen. Es gehe zwar davon aus, dass die Klägerin in der Wäscherei auf Vermittlung des Judenrates freiwillig tätig gewesen sei und zusätzliche Lebensmittel erhalten habe. Gleichwohl lasse sich nicht im Sinne der Glaubhaftmachung feststellen, dass die bezogenen Lebensmittel einen Umfang erreicht hätten, der die Annahme eines ausreichenden Entgelts zuließe. Nach ihren Angaben gegenüber der Claims Conference habe die Klägerin für ihre Familie nicht jeden Tag ausreichend zu essen bekommen. Selbst der Erhalt einer "guten Verpflegung" stelle kein ausreichendes Entgelt dar (Hinweis auf BSGE 93, 214 = SozR 4-5050 § 15 Nr 1).

Mit ihrer vom LSG zugelassenen Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts. Der Entgeltbegriff sei entsprechend der Zielsetzung des ZRBG weit auszulegen. Es komme nicht auf die Angemessenheit oder die Gerechtigkeit der Vergütung an. Entscheidend sei lediglich, ob die Zuwendung tatsächlich wegen der geleisteten Tätigkeit und nicht aus anderen Gründen erfolgt sei.

Die Klägerin beantragt,

  • die Urteile des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 11. Januar 2008 und des Sozialgerichts Düsseldorf vom 17. März 2006 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 29. November 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8. März 2005 zu verurteilen, ihr ab dem 1. Juli 1997 Altersrente unter Berücksichtigung einer Ghetto-Beitragszeit vom 1. Juli 1941 bis zum 31. Dezember 1941 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

  • die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Der weiten Auslegung des Entgeltbegriffs durch die Klägerin sei nicht zu folgen. Die Voraussetzungen einer Beschäftigung gegen Entgelt und aus eigenem Willensentschluss würden die Trennung zur nicht versicherten Zwangsarbeit verdeutlichen. Für ihre Tätigkeit von Juli 1941 bis Dezember 1941 habe die Klägerin kein Entgelt im Sinne des ZRBG erhalten.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision der Klägerin ist begründet.

Die Vorinstanzen haben den ablehnenden Bescheid der Beklagten zu Unrecht bestätigt; die Klägerin hat Anspruch auf Regelaltersrente ab dem 1.7.1997 unter Berücksichtigung einer Ghetto-Beitragszeit während der Monate Juli 1941 bis einschließlich Dezember 1941.

Nach § 35 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) in der hier maßgeblichen Fassung vor dem 1.1.2008 haben Versicherte Anspruch auf Altersrente, wenn sie das 65. Lebensjahr vollendet und die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Die 1927 geborene Klägerin hatte bereits im Jahre 1992 das 65. Lebensjahr vollendet. Sie hat auch die Wartezeit erfüllt, die für die Regelaltersrente fünf Jahre beträgt (§ 50 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI) und auch von Verfolgten zurückgelegt worden sein muss, die eine Rente aufgrund von Beitragszeiten nach dem ZRBG begehren (BSGE 99, 35 = SozR 4-5075 § 1 Nr 4, RdNr 27; Senatsurteil vom 12.02.2009 - B 5 R 70/06 R - RdNr 11, zur Veröffentlichung vorgesehen).

Gemäß § 50 Abs 1 Nr 1, § 51 Abs 1 SGB VI werden auf die allgemeine Wartezeit Kalendermonate mit Beitragszeiten und nach § 51 Abs 4 SGB VI solche mit Ersatzzeiten angerechnet; letztere sind aber nur bei "Versicherten" (vgl § 250 Abs 1 SGB VI) zu berücksichtigen, dh es muss zumindest für einen Monat ein Beitrag gezahlt sein oder als gezahlt gelten (vgl Fichte in Hauck/Noftz, SGB VI, K § 250 RdNr 1, Stand IV/2009). Auch die von der Klägerin in Israel zurückgelegte Versicherungszeit von 90 Monaten kann für sich genommen keinen Rentenanspruch gegen einen deutschen Rentenversicherungsträger begründen, denn sie ist nach Art 20 Abs 1 Satz 1 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Staat Israel über Soziale Sicherheit (Abk Israel SozSich vom 17.12.1973 - BGBl II 1975, 246; Änderungsabkommen vom 7.1.1986 - BGBl II 863) für den Erwerb des Leistungsanspruchs nur zu berücksichtigen, wenn nach den Rechtsvorschriften beider Vertragsstaaten anrechnungsfähige Versicherungszeiten zurückgelegt wurden. Im Ergebnis hängt der Rentenanspruch unter allen denkbaren Gesichtspunkten davon ab, dass die Klägerin über Beitragszeiten nach deutschem Recht verfügt.

Das ist entgegen der Auffassung des LSG der Fall. Nach § 55 Abs 1, § 247 Abs 3 Satz 1 SGB VI sind Beitragszeiten Zeiten, für die nach Bundesrecht oder nach den Reichsversicherungsgesetzen Beiträge gezahlt worden sind oder als gezahlt gelten. Zwar hat die Klägerin keine Beiträge zur deutschen Rentenversicherung geleistet. Für die Zeit von Juli 1941 bis Dezember 1941 kommt ihr jedoch die gesetzliche Fiktion des § 2 Abs 1 Halbs 1 ZRBG zugute, wonach für Zeiten der Beschäftigung von Verfolgten in einem Ghetto Beiträge als gezahlt gelten. Die Klägerin erfüllt die Voraussetzungen dieser Vorschrift.

Nach § 1 Abs 1 Satz 1 ZRBG gilt das ZRBG

für Zeiten der Beschäftigung von Verfolgten in einem Ghetto, die sich dort zwangsweise aufgehalten haben, wenn

1.die Beschäftigung
a)aus eigenem Willensentschluss zustande gekommen ist,
b)gegen Entgelt ausgeübt wurde und
2.das Ghetto sich in einem Gebiet befand, das vom Deutschen Reich besetzt oder diesem eingegliedert war,

soweit für diese Zeiten nicht bereits eine Leistung aus einem System der sozialen Sicherheit erbracht wird.

Diese Voraussetzungen liegen vor.

Die Klägerin ist Verfolgte iS des BEG. Sie hat sich im Zeitraum von Juli 1941 bis Dezember 1941 zwangsweise im Ghetto Drohiczyn aufgehalten, das in dem damals ins Deutsche Reich (Ostpreußen) eingegliederten Bezirk Bialystok lag. § 1 Abs 1 Halbs 2 ZRBG schließt die Anwendbarkeit des ZRBG im Falle der Klägerin nicht aus, denn sie hat für die fragliche Zeit keine Leistung der sozialen Sicherheit erhalten. Die Entschädigung nach dem Gesetz über die Errichtung der Stiftung "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft" (EVZStiftG vom 2.8.2000, BGBl I 1263) ist keine solche Leistung und wurde im Übrigen auch für einen anderen Zeitraum gewährt.

Es liegt ferner eine "Beschäftigung von Verfolgten in einem Ghetto" iS des § 1 Abs 1 Satz 1 ZRBG vor. Der Senat liest diese Formulierung so, dass jegliche Beschäftigung darunter fällt, die von Verfolgten ausgeübt wurde, während sie sich zwangsweise in einem Ghetto aufgehalten haben. Ist diese Voraussetzung erfüllt, bedarf es keiner gesonderten Prüfung mehr, ob Dienstleistungen oder Arbeiten, die außerhalb des räumlichen Bereichs eines Ghettos verrichtet wurden, "Ausfluss der Beschäftigung im Ghetto waren" (so jedoch BSG 4. Senat vom 14.12.2006, BSGE 98, 48 = SozR 4-5075 § 1 Nr 3 RdNr 99 im Anschluss an einen Redebeitrag Dr. Schwaetzer, FDP, bei den Beratungen zum ZRBG im Deutschen Bundestag). Abgesehen davon, dass der Wortlaut nicht dazu zwingt, die Anwendung des Gesetzes auf Beschäftigungen innerhalb eines Ghettos zu beschränken, müsste sich die Gegenmeinung mit dem Einwand einer willkürlichen Abgrenzung auseinandersetzen. Aus Sicht des Senats hat die Unterscheidung lediglich insoweit Bedeutung, als bei einer Tätigkeit außerhalb des Ghettos eher die Prüfung veranlasst sein könnte, ob es sich um Zwangsarbeit gehandelt hat.

Die Klägerin hat im fraglichen Zeitraum auch eine aus eigenem Willensentschluss zustande gekommene Beschäftigung ausgeübt (§ 1 Abs 1 Satz 1 Nr 1 Buchst a ZRBG).

Das in § 1 Abs 1 Satz 1 Nr 1 Buchst a ZRBG enthaltene Merkmal einer aus eigenem Willensentschluss zustande gekommenen Beschäftigung ist aus der bisherigen Rechtsprechung übernommen worden und dient der tatsächlichen Abgrenzung zur Zwangsarbeit (vgl BSGE 98, 48 = SozR 4-5075 § 1 Nr 3, RdNr 100 f mwN). Insoweit kann auf das EVZStiftG zurückgegriffen werden, das in § 11 Abs 1 Satz 1 Nr 1 demjenigen eine Entschädigung wegen Zwangsarbeit zubilligt, der in einem Ghetto unter vergleichbaren Bedingungen (wie in einem Konzentrationslager) inhaftiert war und "zur Arbeit gezwungen wurde". Diese Wendung macht auch für das ZRBG deutlich, dass eine Situation, in der jemand (allgemein) zur Arbeit gezwungen "war", nach dem Gesetz noch keine Zwangsarbeit darstellt. Ein genereller (faktischer oder rechtlicher) Arbeitszwang allein macht die mit Rücksicht darauf ausgeübte Tätigkeit nicht zur Zwangsarbeit und steht deshalb einer "Beschäftigung aus eigenem Willensentschluss" nicht entgegen; eine solche ist vielmehr erst dann nicht mehr gegeben, wenn jemand zu einer (spezifischen) Arbeit gezwungen "wurde".

Im Lichte dessen ist Zwangsarbeit die Verrichtung von Arbeit unter obrigkeitlichem (hoheitlichem) Zwang, wie zB bei Kriegsgefangenen. Typisch ist dabei die obrigkeitliche Zuweisung von Arbeitern an bestimmte Unternehmen, ohne dass die Arbeiter selbst hierauf Einfluss haben. Eine verrichtete Arbeit entfernt sich um so mehr von dem Typus des Arbeits-/Beschäftigungsverhältnisses und nähert sich dem Typus der Zwangsarbeit an, als sie durch hoheitliche Eingriffe überlagert wird, denen sich der Betroffene nicht entziehen kann (BSG SozR 3-5070 § 14 Nr 2 S 8 f mwN).

Ob eine aus eigenem Willensentschluss iS des ZRBG zustande gekommene Beschäftigung oder eine den eigenen Willensentschluss ausschließende Zwangsarbeit vorlag, ist vor dem Hintergrund der wirklichen Lebenslage im Ghetto zu beurteilen. Dabei sind die Sphären "Lebensbereich" und "Beschäftigungsverhältnis" grundsätzlich zu trennen; ebenso spielen die Beweggründe zur Aufnahme der Beschäftigung keine Rolle (BSG SozR 3-5070 § 14 Nr 2 S 7; BSGE 80, 250, 252 = SozR 3-2200 § 1248 Nr 15, S 54). Eine aus eigenem Willensentschluss aufgenommene Beschäftigung liegt vor, wenn der Ghetto-Bewohner noch eine Dispositionsbefugnis zumindest dergestalt hatte, dass er die Annahme oder Ausführung der Arbeit auch ohne unmittelbare Gefahr für Leib, Leben oder seine Restfreiheit ablehnen konnte. Davon ist regelmäßig dann auszugehen, wenn es sich um eine vom Judenrat angebotene Arbeit handelt, ohne dass im Einzelnen zu ermitteln wäre, wer letztlich als "Arbeitgeber" fungierte und wie das Verhältnis zwischen diesem, dem Beschäftigten und dem Judenrat ausgestaltet war.

Ein Angebot durch den Judenrat ließ bereits die sog Ghetto-Rechtsprechung des BSG genügen, die den Gesetzgeber zur Verabschiedung des ZRBG veranlasst hat. Im Senatsurteil vom 18.6.1997 (5 RJ 68/95, Bl 8 des Umdrucks, nicht in Juris) findet sich zur Freiwilligkeit der Beschäftigung lediglich die Feststellung, dass die damalige Klägerin (als Näherin in einer Kleiderfabrik) auf Vermittlung des Judenrats beschäftigt war. Der Rechtsprechung des 13. Senats sind keine strengeren Anforderungen zu entnehmen, wie dieser inzwischen klargestellt hat (BSG vom 2.6.2009 - 13 R 81/08 R - RdNr 21, zur Veröffentlichung vorgesehen).

Die tatsächlichen Feststellungen des LSG tragen seine Schlussfolgerung, die streitige Beschäftigung der Klägerin in der Wäscherei sei aus eigenem Willensentschluss zustande gekommen. Das LSG hat diese Annahme darauf gestützt, dass die Klägerin die Tätigkeit auf Vermittlung des Judenrates erhalten habe. Die Beklagte hat diese Feststellungen im Wege der Gegenrüge nicht angegriffen. Angesichts dessen ist unerheblich, dass sich den Feststellungen des LSG nicht sicher entnehmen lässt, ob sich der Beschäftigungsbetrieb (Wäscherei) innerhalb oder außerhalb des Ghettos befunden hat; ohnehin bietet der Akteninhalt keine Anhaltspunkte für eine darauf gestützte andere Bewertung des Ermittlungsergebnisses. Ein gegen den eigenen Willensentschluss sprechendes Indiz ergibt sich auch nicht aus der Zwangsarbeiterentschädigung der Klägerin nach dem EVZStiftG, denn laut LSG-Urteil hatte sie gegenüber der Claims Conference lediglich eine (spätere) zwangsweise Tätigkeit im Lager Radostowo angegeben.

Entgegen der Rechtsmeinung des LSG war die Klägerin auch "gegen Entgelt" beschäftigt (§ 1 Abs 1 Satz 1 Nr 1 Buchst b ZRBG).

"Entgelt" iS von § 1 Abs 1 Satz 1 Nr 1 Buchst b ZRBG ist jegliche Entlohnung, gerade auch in Form von Nahrungsmitteln oder entsprechenden Lebensmittelkarten und Gutscheinen (Coupons). Weitergehende Erfordernisse (zB Einhaltung einer Mindesthöhe oder die Miternährung einer anderen Person) müssen nicht erfüllt werden. Unerheblich ist,

-ob das Entgelt nur "geringfügig" war oder zum Umfang der geleisteten Arbeit in keinem angemessenen Verhältnis stand,
-ob als Entgelt nur Sachbezüge in Form freien Unterhalts (oder eines Teils davon) gewährt wurden,
-ob das Entgelt unmittelbar von der Beschäftigungsstelle ("Arbeitgeber") oder von einer anderen Instanz (zB dem Judenrat) gewährt wurde.

Nur auf dieser Grundlage können Sinn und Zweck des ZRBG erfüllt werden. Das Gesetz soll Verfolgten für deren Beschäftigung während ihres Zwangsaufenthalts in einem vom Deutschen Reich zu verantwortenden Ghetto eine Rente aus der deutschen Rentenversicherung ermöglichen. Wie sich aus der Gesetzesbegründung ergibt (BT-Drucks 14/8583, S 1, 6; BT-Drucks 14/8602, S 1, 5), ist es zwar ausdrücklich in Reaktion auf die Ghetto-Rechtsprechung des BSG und in deren Akzeptanz verabschiedet worden (so auch BSGE 93, 214 = SozR 4-5050 § 15 Nr 1, RdNr 36) ; es erweitert jedoch in mehrfacher Hinsicht deren Reichweite.

Die Ghetto-Rechtsprechung hatte ein rentenversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis iS der Reichsversicherungsgesetze (vor allem also der RVO) bei Arbeitsleistungen angenommen, zu denen es aufgrund eines "Ghetto-Arbeitsmarkts" gekommen war, die in "Ghetto-Geld" entlohnt worden waren und bei denen die Überschreitung einer Geringfügigkeitsgrenze in Höhe eines Ortslohndrittels festgestellt werden konnte (vgl BSGE 80, 250, 252 f = SozR 3-2200 § 1248 Nr 15 S 54 f zum Ghetto Lodz).

Demgegenüber erfasst das ZRBG alle Beschäftigten, die sich zwangsweise in einem Ghetto aufhielten, das sich in einem Gebiet befand, das vom Deutschen Reich besetzt oder diesem eingegliedert war, und geht insoweit von einer einheitlichen Beurteilung aus (s BT-Drucks 14/8583, S 5: "Es kommt nicht darauf an, in welchem vom Deutschen Reich beherrschten Gebiet die Beitragszeiten zurückgelegt worden sind"). Obwohl der Gesetzgeber davon ausgehen musste, dass die von der ursprünglichen Rechtsprechung aufgestellten Kriterien nur in ganz wenigen Ghettos anzuwenden sein würden, hat er eine unterschiedslose Regelung unabhängig von lokal anwendbarem Recht, Ghetto-Größe und -Struktur geschaffen. Wie das BSG bereits entschieden hat, darf die Anerkennung von Ghetto-Beitragszeiten wegen der vom Gesetzgeber intendierten Gleichbehandlung auch nicht von der Zugehörigkeit zum deutschen Sprach- und Kulturkreis abhängig gemacht werden (BSG vom 19.5.2009 - B 5 R 26/06 R ; BSGE 99, 35 = SozR 4-5075 § 1 Nr 4, RdNr 19).

Mit Rücksicht auf die gebotene Einheitlichkeit der Beurteilung von Ghetto-Beschäftigungen im Sinne des ZRBG kann ebenso wenig verlangt werden, dass diese gegen ein Entgelt verrichtet wurden, das nach den Bestimmungen der Reichsversicherungsgesetze zu einer Rentenversicherungspflicht geführt hätte; das mag das Gesetz bereits dadurch andeuten, dass es eine "Beschäftigung" voraussetzt, ohne diese als "versicherungspflichtig" zu bezeichnen (dazu bereits BSGE 98, 48 = SozR 4-5075 § 1 Nr 3, RdNr 108 f). Der 13. Senat des BSG hat seine anders lautende frühere Rechtsprechung inzwischen aufgegeben (BSG vom 2.6.2009 - B 13 R 81/08 R, zur Veröffentlichung vorgesehen, RdNr 30; ebenso: B 13 R 85/08 R; B 13 R 139/08 R, zur Veröffentlichung vorgesehen).

Entscheidender Gesichtspunkt für die Annahme eines von der Versicherungspflicht gelösten Entgeltbegriffs nach dem ZRBG ist dessen Sinn und Zweck, Verfolgten für deren Beschäftigung während ihres Zwangsaufenthalts in einem vom Deutschen Reich zu verantwortenden Ghetto eine Rente aus der deutschen Rentenversicherung zu ermöglichen, weil die verrichteten Arbeiten unter anderen Umständen im Rahmen von rentenversicherungspflichtigen Beschäftigungen geleistet worden wären und somit nach den damals geltenden Vorschriften in aller Regel Rentenanwartschaften begründet hätten. Bei der Konzeption des Gesetzes kann dem Gesetzgeber nicht entgangen sein, dass sowohl die damaligen als auch die heutigen Regeln für die Abgrenzung einer rentenversicherungspflichtigen Beschäftigung von einer versicherungsfreien Tätigkeit - etwa unter dem Gesichtspunkt des unbedeutenden bzw unregelmäßigen Nebenerwerbs oder des freien Unterhalts - den typischerweise im Ghetto herrschenden Verhältnissen in keiner Weise gerecht werden können.

Ebenso wie damals muss heute eine Beschäftigung ein Entgelt in Form von Geld oder von Sachbezügen abwerfen, um rentenversicherungspflichtig zu sein (§ 1226 Abs 1 Nr 1, Abs 2 iVm § 160 RVO aF; § 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI) ; andernfalls könnte nicht angenommen werden, dass die Beschäftigung die Lebensgrundlage des Beschäftigten bildet und Einschränkungen der Erwerbsfähigkeit regelmäßig seinen Lebensunterhalt in Frage stellen, für dessen Ausfall die Versicherung eintreten soll. Ähnlich wie beim gänzlichen Fehlen von Entgelt kann bei dessen Geringfügigkeit oder bei nur gelegentlichen Dienstleistungen nicht von einer Sicherung des Lebensunterhalts durch Beschäftigung ausgegangen werden, sodass bereits zu Beginn der Sozialgesetzgebung entsprechende Ausnahmen von der Rentenversicherungspflicht geschaffen wurden (vgl die nach § 1232 RVO aF iVm Art 104 Einführungsgesetz zur RVO unter der RVO noch anzuwendende "Bekanntmachung betreffend die Befreiung vorübergehender Dienstleistungen von der Versicherungspflicht …" vom 27.12.1899, RGBl 725). Während danach über die Versicherungspflichtgrenze individuell von Fall zu Fall zu entscheiden war (Anleitung des RVA über den Kreis der nach der Reichsversicherungsordnung gegen Invalidität und gegen Krankheit versicherten Personen in der Bearbeitung von Kreil, Stand 1935 - im Folgenden "Anleitung" - S 73 f; S 103 ff - jeweils mwN), legt der heutige § 8 Abs 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch konkrete Betrags- und Zeitgrenzen fest, was aber am Grundgedanken letztlich nichts ändert. Daneben wurden früher Tätigkeiten gegen freien Unterhalt aus der Rentenversicherungspflicht ausgeschlossen (ab 1911: § 1227 RVO aF; "Anleitung" S 72 ff). Außerhalb von Überlegungen zu praktischen Schwierigkeiten des Beitragseinbehalts (vgl Hanow/Lehmann, RVO/Invalidenversicherung, 4. Aufl 1925, § 1227 Anm 2 a) und der Nachweisbarkeit derartiger "Beschäftigungen" (vgl BT-Drucks II/2437, S 63) dürfte sich nach den damaligen Vorstellungen auch dieser Ausschlussgrund in das Konzept einer Versicherung eingefügt haben, die vor allem das Arbeitsentgelt absichern sollte, auf das der Beschäftigte für seinen Lebensunterhalt angewiesen war. Denn beim Ausschluss des freien Unterhalts aus dem versicherungspflichtigen Entgelt dachte man offenbar vor allem an die Gewährung von Kost und Logis im Rahmen familiärer oder familienähnlicher Beziehungen, bei denen - jedenfalls ursprünglich - die Mitarbeit "in Haus und Hof" zwar als Selbstverständlichkeit, aber nicht als Bedingung für den Erhalt einer "Gegenleistung" in einem synallagmatischen Verhältnis angesehen wurde (vgl nochmals BT-Drucks II/2437, S 63: "… mannigfache Formen des Zusammenlebens und der gegenseitigen Hilfeleistung"). Unabhängig vom gesetzlich angeordneten Ausschluss erfüllten diese besonderen "Formen des Zusammenlebens" unter dem aufgezeigten Blickwinkel auch nicht die generellen Voraussetzungen für eine rentenversicherungspflichtige berufsmäßige Lohnarbeit, bei der "jemand durch eine einzelne oder mehrere gelohnte Tätigkeiten seinen Lebensunterhalt überwiegend oder doch in solchem Umfang erwirbt, dass seine wirtschaftliche Stellung zu einem erheblichen Teile auf der Lohnarbeit beruht ("Anleitung", S 104 - dort ohne Hervorhebung - mwN).

Diese unter normalen Lebens- und Arbeitsbedingungen sinnvollen Einschränkungen des rentenversicherungsrechtlichen Entgeltbegriffs verloren unter den im Ghetto herrschenden Bedingungen ihren Sinn. Denn im Ghetto konnte auch eine ganz geringfügige Entlohnung eine Überlebenschance bieten; vor allem Lebensmittel - selbst in kleinsten Mengen - waren im Ghetto, das die Bewohner nicht verlassen durften und in dem sie ständig von Hunger bedroht waren, überlebenswichtig und konnten eher als Lebensgrundlage angesehen werden als Geld oder geldwertes Vermögen. Würde man insoweit dennoch ein Entgelt im überkommenen rentenversicherungsrechtlichen Sinn verlangen, könnten Ghetto-Beitragszeiten nur in extremen Ausnahmefällen angerechnet werden und würden gerade für diejenigen Verfolgten an erschwerte Voraussetzungen geknüpft, die damals in Form von Lebensmitteln die begehrteste Art von Entgelt erhielten (zum Ganzen in ähnlichem Sinne schon BSGE 98, 48 = SozR 4-5075 § 1 Nr 3, RdNr 109 ff). Infolgedessen kann trotz der Entstehungsgeschichte und der rentenversicherungsrechtlichen Bezüge des ZRBG nicht davon ausgegangen werden, dass dieses Gesetz in § 1 Abs 1 Satz 1 Nr 1 Buchst b auf das rentenversicherungspflichtige Entgelt Bezug nimmt, wie es durch die Praxis des RVA definiert wurde oder sich in den aktuellen Vorschriften über die geringfügige Beschäftigung niederschlägt. Diese Abweichung ist umso eher gerechtfertigt, als die Regeln über das sozialversicherungsrechtliche Entgelt zwar ihrem Buchstaben nach für zwangsweise im Ghetto lebende Verfolgte durchbrochen werden, die diesen Regeln zugrunde liegende Wertung aber gerade beachtet wird. Denn ähnlich wie die Versicherungspflicht nach damaligem oder heutigem Recht setzen Ghetto-Beitragszeiten nach diesem Verständnis eine Tätigkeit voraus, die - nach objektiv erkennbaren Maßstäben - eine wesentliche Lebensgrundlage des Versicherten darstellt.

Vor diesem Hintergrund ist für die Anwendung des § 1 Abs 1 Satz 1 Nr 1 Buchst b ZRBG nicht erforderlich, dass das Entgelt im Einzelnen den Voraussetzungen der Rentenversicherungspflicht entsprach. Entgelt iS des ZRBG ist vielmehr jegliche Gegenleistung für die vom Ghettobewohner verrichtete Arbeit ohne Rücksicht auf deren Höhe oder deren Form. Eine wie auch immer geartete Abgrenzung "ordentlich" entlohnter Beschäftigungen von nur mit Lebensmitteln als "freiem Unterhalt" oder nur geringfügig vergüteten entbehrt im Ghetto aus den angeführten Gründen der inneren Rechtfertigung. Damit wird das in § 1 Abs 1 Satz 1 Nr 1 Buchst b ZRBG enthaltene Tatbestandsmerkmal nicht gegenstandslos. Denn nach wie vor bleibt erheblich, ob die Ghetto-Beschäftigung "gegen" Entgelt ausgeübt wurde, also ob ein Austauschverhältnis bestand.

Unerheblich ist allerdings, ob den Beschäftigten das Entgelt (welcher Art auch immer) am Arbeitsplatz (hier also: unmittelbar von der Wäscherei) oder von einer anderen Stelle (zB dem Judenrat) ausgehändigt wurde; ebenso reicht eine Abführung des Entgelts durch den direkten "Arbeitgeber" an eine solche Stelle. Bereits nach § 160 RVO (aF) konnte das Entgelt nicht nur vom Arbeitgeber, sondern auch von einem Dritten gewährt werden; entsprechend konnte auch der Arbeitgeber die Vergütung an eine Mittelsperson zahlen ("Anleitung", S 77 f; s zB RVA vom 12.1.1911, AN 1911, 404; Hanow, RVO/Gemeinsame Vorschriften, 5. Aufl 1926, § 160 Anm 3, S 358 f). Dabei dürfte es sich zwar in aller Regel um eine zumindest stillschweigend vereinbarte Modifikation des Arbeitsvertrags handeln. Selbst wenn eine solche im Ghetto nicht als selbstverständlich zu unterstellen wäre, könnte dieser mit der Verfolgung zusammenhängende Umstand dem Verfolgten jedoch nicht entgegengehalten werden.

Den Feststellungen des LSG in Verbindung mit der Bezugnahme auf das erstinstanzliche Urteil ist zu entnehmen, dass die Klägerin während des Zwangsaufenthalts im Ghetto Drohiczyn jedenfalls von Juli bis Dezember 1941 in der Wäscherei gearbeitet und für ihre Tätigkeit zusätzliche Lebensmittel erhalten hat. Eine Entlohnung in dieser Form reicht als Entgelt im obigen Sinne aus. Die Tatsache, dass die Lebensmittel für die Ernährung weiterer Personen nicht ausreichten, kann der Klägerin mit Rücksicht auf den besonderen Zweck des ZRBG ebenso wenig entgegen gehalten werden, wie der Gesichtspunkt, es habe sich möglicherweise um freien Unterhalt gehandelt. Damit sind die Voraussetzungen für die Berücksichtigung einer Ghetto-Beitragszeit erfüllt.

Der Senat verkennt nicht, dass aufgrund der hier vorgenommenen Grenzziehung zwischen dem Entgeltbegriff des ZRBG und der Rentenversicherungspflicht nach allgemeinen Regeln möglicherweise Personen vom Schutz der Rentenversicherung ausgeschlossen bleiben, die ebenso wie die Klägerin für ein Entgelt gearbeitet haben, das den bisherigen Kriterien des Rentenversicherungsrechts nicht entspricht. Die einmalige historische Situation von Zwangsaufenthalten im Ghetto mit der Ausbeutung der Arbeitskraft der Verfolgten, ohne welche die Mehrzahl der Arbeitsverhältnisse im Ghetto rentenversicherungspflichtig gewesen wäre, ist jedoch ein hinreichend sachbezogenes Differenzierungsmerkmal, um dem Einwand einer willkürlichen Unterscheidung zu begegnen. Verfassungsrechtliche Bedenken wegen der finanziellen Belastung der Rentenversicherung durch Einbeziehung weiterer Personen ohne Beitragsleistung (vgl BSGE 98, 48 = SozR 4-5075 § 1 Nr 3, RdNr 118) hält der Senat mit Rücksicht auf den zusätzlichen Bundeszuschuss zur pauschalen Abgeltung nicht beitragsgedeckter Leistungen nach § 213 Abs 3 SGB VI nicht für überzeugend.

Schließlich können die völkerrechtlichen Bedenken des 4. Senat des BSG gegen eine Rentenzahlung ins Ausland im vorliegenden Fall dahinstehen, weil die Klägerin in Israel wohnt, mit dem Deutschland ein Sozialversicherungsabkommen geschlossen hat (vgl BSG vom 20.12.2007 - B 4 R 85/06 R - RdNr 92, nicht in Juris; BSGE 98, 48 = SozR 4-5075 § 1 Nr 3, RdNr 61).

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.

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