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4 RA 123/95

Tatbestand

Streitig ist der monatliche Wert eines Rechts auf Altersruhegeld für Bezugszeiten ab 1. Juli 1991.

Der 1928 in Rumänien geborene Kläger ist Verfolgter des Nationalsozialismus i.S. des § 1 des Bundesentschädigungsgesetzes. Er wanderte als Angehöriger des deutschen Sprach- und Kulturkreises (DSK) im Jahre 1976 von Rumänien nach Israel aus, dessen Staatsbürger er ist.

Die beklagte Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) hat antragsgemäß die Zeit vom 8. Juni 1942 bis zum 31. Mai 1976 als Beitragszeiten i.S. von § 15 des Fremdrentengesetzes (FRG) vorgemerkt. Sodann hat der Kläger für die Zeiten von November 1960 bis Dezember 1979 freiwillige Beiträge nachentrichtet und später Höherversicherungsbeiträge gezahlt.

Die BfA bewilligte ihm ein Recht auf Altersruhegeld ab 1. Juli 1991 (Bescheid vom 28. Oktober 1991); bei der Feststellung des monatlichen Wertes dieses Rechtes bewertete sie die nach dem FRG anerkannten Beitragszeiten gemäß § 22 Abs. 1 i.V.m. Anlage 17 des FRG in der ab dem 1. Juli 1990 geltenden Fassung (u.a. nach Wirtschaftsbereichen); dies führte im Vergleich zu dem Recht, das bis zum 30. Juni 1990 gegolten hatte, zu einem niedrigeren monatlichen Rentenwert.

Zur Begründung seines Widerspruchs trug der Kläger vor, ihm müsse Vertrauensschutz nach der Übergangsregelung des Art. 6 § 4 Abs. 3 des Fremdrenten- und Auslandsrenten-Neuregelungsgesetzes (FANG) gewährt werden, so daß § 22 FRG in alter Fassung anzuwenden sei. Die Übergangsregelung stelle zwar darauf ab, ob der Berechtigte bis zum 30. Juni 1990 seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland genommen habe; nach Art. 4 Abs. 1 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Staat Israel über Soziale Sicherheit (DISVA) stehe aber der gewöhnliche Aufenthalt in Israel dem Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland gleich. Die BfA wies den Widerspruch zurück, weil die Übergangsregelung des Art. 6 § 4 Abs. 3 FANG auf den Kläger nicht anwendbar sei; sie setze einen Zuzug des Berechtigten in das Bundesgebiet voraus. Art. 4 Abs. 1 DISVA greife nicht ein, weil nach Nr. 3 des Schlußprotokolls zum DISVA diese Vorschrift nicht für Leistungen aus Versicherungszeiten gelte, die wie Fremdrentenzeiten nicht nach Bundesrecht zurückgelegt seien (Widerspruchsbescheid vom 15. Mai 1992).

Das Sozialgericht (SG) Berlin hat die Beklagte durch Urteil vom 20. Juni 1994 unter Abänderung der angefochtenen Verwaltungsentscheidungen verurteilt, die „dem Kläger in der Zeit vom 8. Juni 1942 bis zum 31. Mai 1976 anerkannten Fremdbeitragszeiten nach § 22 FRG in der Fassung bis zum 30. Juni 1990 einzustufen“. Die Übergangsregelung des Art. 6 § 4 Abs. 3 FANG sei gemäß Art. 4 Abs. 1 DISVA anwendbar; Nr. 3 des Schlußprotokolls zum DISVA betreffe lediglich die Gewährung bzw. Zahlung von Renten ins Ausland, nicht jedoch die Entstehung von Ansprüchen auf Leistungen, wozu die Bewertung anerkannter Fremdbeitragszeiten gehöre.

Das Landessozialgericht (LSG) Berlin hat auf die Berufung der Beklagten das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht ist folgender Ansicht: Es komme auf § 22 Abs. 1 FRG in der vom 1. Juli 1990 bis zum 31. Dezember 1991 geltenden Fassung des Art. 15 Abschnitt B Nr. 3 des Rentenreformgesetzes 1992 (RRG 1992) vom 18. Dezember 1989 an. Danach seien die Versicherten anders als in der bis zum 30. Juni 1990 geltenden Fassung des § 22 FRG entsprechend der von ihnen ausgeübten Beschäftigung nicht mehr nur noch einer Leistungsgruppe, sondern darüber hinaus einem von insgesamt 24 Wirtschaftsbereichen zuzuordnen, was zu ungünstigeren Ergebnissen bei der Rentenhöhe führen könne. Diese Bestimmung habe die BfA richtig angewandt. Art. 6 § 4 Abs. 3 FANG greife nicht ein, weil der Kläger seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Israel gehabt habe. Art. 4 Abs. 1 DISVA ändere hieran nichts. Er gelte nur für Rechtsvorschriften eines Vertragsstaates, nach denen die Entstehung von Ansprüchen auf Leistungen oder die Gewährung von Leistungen oder die Zahlung von Geldleistungen vom Inlandsaufenthalt abhängig sind. Art. 6 § 4 Abs. 3 FANG befasse sich aber allein mit der Bewertung von Fremdrentenzeiten und habe auf die Entstehung des Rechtsanspruchs (dem Grunde nach) sowie die Gewährung und Zahlung von Leistungen keinen Einfluß. Außerdem stelle Art. 6 § 4 Abs. 3 FANG nicht nur auf den Aufenthalt selbst ab, sondern fordere überdies ein aktives Tun in Form der Aufenthaltsnahme bzw. des Zuzuges in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland oder das Beitrittsgebiet bis zu einem bestimmten Stichtag. Zweck dieser Übergangsregelung sei der Schutz entstandenen Vertrauens. Dieses habe nur in den Fällen entstehen können, in denen der Berechtigte seinen Wohnsitz im Bundesgebiet durch Zuzug vor dem Zeitpunkt der Neuregelung genommen habe. Nur in diesen Fällen hätten die Berechtigten aufgrund des das FRG beherrschenden Gedankens der Integration der Vertriebenen und Flüchtlinge in das Rentensystem ihrer neuen Heimat damit rechnen dürfen, im Leistungsfall so behandelt zu werden, als ob sie im Bundesgebiet beschäftigt gewesen wären und den Verdienst eines vergleichbaren deutschen Versicherten erzielt hätten. Das könne der Zuzug nach Israel nicht ersetzen. Insoweit sei auch zu berücksichtigen, daß die aus den Vertreibungsgebieten nach Israel ausgewanderten Berechtigten wegen der in den §§ 94 ff. des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) bzw. §§ 110 ff des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) geregelten Zahlungsvorschriften auf Auslandsrenten keine unmittelbaren Ansprüche auf Leistungen aus den im Vertreibungsgebiet zurückgelegten Beitragszeiten gegenüber dem deutschen Rentenversicherungsträger besäßen. Vielmehr müßten sie sich diese erst durch Beitragszeiten nach Bundesrecht erschließen, was regelmäßig durch eine außerordentliche Beitragsnachentrichtung zur deutschen Rentenversicherung geschehe. Damit sei aber der Zuzug nach Israel für die Vertrauensbildung ohne Bedeutung. Auf Nr. 3 Buchst. a 2. Spiegelstrich des Schlußprotokolls zum DISVA komme es daher nicht an.

Zur Begründung der - vom Bundessozialgericht (BSG) zugelassenen - Revision trägt der Kläger vor, ihm müsse Vertrauensschutz gemäß Art. 6 § 4 Abs. 3 FANG gewährt werden. Jedenfalls greife Art. 4 Abs. 1 DISVA ein. Nr. 3 Buchst. a 2. Spiegelstrich des Schlußprotokolls zum DISVA regele lediglich Fragen des Leistungsexportes von Renten aus Deutschland nach Israel. Die Einstufung von Fremdbeitragszeiten berühre jedoch nicht die „Leistungen aus Versicherungszeiten“, sondern die Entstehung des Anspruchs. Das LSG unterlaufe mit seiner Rechtsansicht die durch § 20 des Gesetzes zur Regelung der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Sozialversicherung (WGSVG) oder § 17a FRG erfolgte Gleichstellung der vertriebenen Verfolgten. Es könne nicht davon ausgegangen werden, daß der Gesetzgeber die nationalsozialistisch verfolgten Personen bei der Übergangsregelung nach Art. 6 FANG durch Ausschluß eines Vertrauensschutzes habe benachteiligen wollen. Das Erfordernis vertrauensschützender Regelungen könne nicht deswegen unbeachtet bleiben, weil die Zahlungsansprüche dieser Personen aus den anerkannten FRG-Beitragszeiten eine außerordentliche Beitragsnachentrichtung voraussetzten, die der Kläger im übrigen geleistet habe. Die besonderen Nachentrichtungsvorschriften für vertriebene Verfolgte im Ausland würden weitgehend entwertet. Auch der Kläger habe bei seiner 1983 durchgeführten Nachentrichtung darauf vertrauen dürfen, daß die anerkannten Fremdbeitragszeiten weiterhin im wesentlichen gleich bewertet würden.

Der Kläger beantragt,

  • das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 1. März 1995 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 20. Juni 1994 zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

  • die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Bei einem Anspruch auf Zahlung einer Rente ab dem 1. Juli 1990 gelte stets das FRG in seiner Neufassung durch das RRG 1992 vom 18. Dezember 1989 (BGBl. I S. 2261). Lediglich die alte (nur in Leistungsgruppen unterteilte) Bewertung sei dann noch für die Rentenbeginnsfälle vor dem 1. Januar 1996 maßgeblich, wenn der Berechtigte bis zum 30. Juni 1990 in die alten Bundesländer zugezogen sei, ohne in das Herkunftsgebiet zurückgekehrt zu sein. Da der Kläger nicht zugezogen sei, könne die Übergangsregelung des Art. 6 § 4 Abs. 3 i.V.m. § 5 FANG nur dann angewandt werden, wenn er als zugezogen zu behandeln wäre. Dies ergebe sich aus Art. 4 Abs. 1 DISVA nicht, der eine Gebietsgleichstellung nur für die Fälle regele, in denen die Entstehung von Ansprüchen auf Leistungen oder die Gewährung von Leistungen oder die Zahlung von Geldleistung vom Inlandsaufenthalt abhängig ist. Die vom Kläger gewünschte erweiterte Auslegung dieser Vorschrift sei nicht möglich. Es seien hier nur Leistungsansprüche dem Grunde nach gemeint, nicht aber die Frage, in welcher Höhe Rentenansprüche entstanden seien; ein Rentenanspruch könne nicht Mark für Mark in Einzelansprüche aufgeteilt werden. Auch bei Art. 20 Abs. 1 DISVA sei die Zusammenrechnung der jeweiligen Versicherungszeiten „nur für den Erwerb des Leistungsanspruchs“ vorgesehen; das BSG (BSGE 53, 93, 95 f) habe geklärt, daß diese Vorschrift nicht in bezug auf einzelne Berechnungsvorschriften anwendbar sei. Aus den Gesetzesmaterialien (BT-Drucks. 11/5530 S. 68) zum RRG 1992 und zum Renten-Überleitungsgesetz (RÜG; dort BT-Drucks. 12/405 S. 166) ergebe sich, daß vom Übergangsrecht nur die nach Deutschland zugezogenen FRG-Berechtigten begünstigt werden sollten. Der Kläger sei nicht ausgeschlossen, weil er Verfolgter, sondern weil er nicht zugezogen sei. Hier liege der Integrationsgedanke zugrunde, der ein wesentliches und rechtfertigendes Differenzierungskriterium sei. Von den innerstaatlichen Lebensverhältnissen seien jedoch die Personen unbeeinflußt geblieben, die sich in einem Vertragsstaat aufgehalten hätten. Außerdem schreibe das Zusatzabkommen zum DISVA seit dem 1. Juli 1990 gleichfalls die Bewertung nach Wirtschaftsbereichen fest. Der Nachentrichtungsantrag könne nicht mehr in den Schutzbereich des Art. 6 § 4 Abs. 3 FANG einbezogen werden, da das Übergangsrecht bereits nicht mehr auf dem Versicherungsfallprinzip des AVG beruhe, sondern in der Tendenz den Grundsätzen des § 300 SGB VI entspreche.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision des Klägers ist begründet; das LSG hätte die Berufung der Beklagten gegen das im Ergebnis zutreffende Urteil des SG zurückweisen müssen, weil der Rentenbewilligungsbescheid der Beklagten vom 28. Oktober 1991 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Mai 1992 bezüglich des Verfügungssatzes über den monatlichen Wert des Altersruhegeldes des Klägers rechtswidrig ist. Dieser hat nämlich ein Recht darauf, daß die Beklagte die Höhe seiner Rente nicht unter Anwendung des § 22 FRG in seiner ab 1. Juli 1990 gültigen Fassung, sondern nach Maßgabe des Art. 6 § 5 FANG (also wie nach § 22 FRG a.F. ohne Einordnung in Wirtschaftsbereiche) bestimmt und damit die Beitragszeiten vom 8. Juni 1942 bis zum 31. Mai 1976, die nach Bundesrecht zurückgelegten Beitragszeiten gleichstehen, höher bewertet. Dies folgt aus dem entsprechend (lückenfüllend) anzuwendenden Art. 6 § 4 Abs. 3 Satz 1 FANG (dazu unter 1.), außerdem aber auch aus Art. 4 Abs. 1 DISVA, der durch Nr. 3 Buchst. a 2. Spiegelstrich des Schlußprotokolls zum DISVA nur modifiziert, aber nicht hintangehalten wird (dazu unter 2.).

1. Das vertrauensschützende Übergangsrecht des Art. 6 § 4 Abs. 3 Sätze 1 und 2 FANG ist auch dann anzuwenden, wenn ein Versicherter am 30. Juni 1990 Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt zwar nicht im Bundesgebiet, aber außerhalb des Beitrittsgebiets (früher: DDR) und außerhalb der Vertreibungsgebiete i.S. von § 1 Abs. 2 Nr. 3 des Bundesvertriebenengesetzes (BVFG) i.d.F. vom 2. Juni 1993 (BGBl. I S. 829) hatte, und wenn sein subjektives Recht (sog. Stammrecht) auf eine Rente ab 1. Juli 1990 entsteht. Er muß jedoch bis zum Ablauf des 30. Juni 1990 in einer Sparte der gesetzlichen Rentenversicherung (Berufsunfähigkeits-Versicherung; Erwerbsunfähigkeits-Versicherung; Alters-Versicherung) ein Anwartschaftsrecht erworben haben, dessen Erstarken zum Vollrecht nur noch vom Eintritt des Versicherungsfalls und vom Fehlen von (das sog Stammrecht hindernden oder vernichtenden) Einwendungen abhing und dessen Wert unter Anrechnung von Beitrags- oder Beschäftigungszeiten i.S. des FRG festzustellen war. Ein solcher Versicherter hatte nämlich rentenversicherungsrechtlich dieselbe Rechtsstellung wie ein vergleichbarer Versicherter mit gewöhnlichem Aufenthalt oder Wohnsitz im damaligen Bundesgebiet; für ihn sind daher dieselben Übergangsregelungen maßgeblich (zum folgenden siehe schon Urteil des Senats vom 27. Februar 1997, 4 RA 59/95, zur Veröffentlichung vorgesehen).

Der im Bescheid der BfA vom 28. Oktober 1991 erlassene Verfügungssatz über den monatlichen Wert des (hinsichtlich der Rentenart, des Rentenbeginns und der - hier grundsätzlich unbegrenzten - Rentendauer bindend zuerkannten) Altersruhegeldes des Klägers ist rechtswidrig und verletzt diesen in seinem (vom subjektiven Recht auf Rente mitumfaßten) Recht auf richtige Feststellung der sog. Rentenhöhe; der Jahresbetrag des Altersruhegeldes ist nämlich nach unzutreffenden Maßstäben zu niedrig bestimmt worden. Der monatliche Wert des Rechts auf Rente bestimmt sich nach den Vorschriften des AVG, weil Bezugszeiten ab Juli 1991 umstritten sind, also Zeiträume vor dem Inkrafttreten des SGB VI am 1. Januar 1992; aber auch für die Rentenbezugszeiten seit Januar 1992 gilt gemäß § 300 Abs. 2 SGB VI das AVG, weil der Kläger sein Recht sogar schon vor Inkrafttreten des SGB VI geltend gemacht hat. Im übrigen stellt das Inkrafttreten des SGB VI allein für sich (vgl. § 300 Abs. 3, § 306 Abs. 1 a.a.O.) mit Bezug auf vor dem 1. Januar 1992 entstandene subjektive Rechte auf Rente keine wesentliche Änderung der Verhältnisse i.S. von § 48 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) dar, welche eine neue Entscheidung über die sog. Rentenhöhe zuließe (s. hierzu stellv. Senatsurteil vom 30. Januar 1997, 4 RA 55/95, zur Veröffentlichung vorgesehen).

Gemäß § 30 Abs. 1 AVG ist der Jahresbetrag des Altersruhegeldes für jedes anrechnungsfähige Versicherungsjahr 1,5 .H. der für den Versicherten maßgebenden Rentenbemessungsgrundlage. Diese ist der Vomhundertsatz der allgemeinen Bemessungsgrundlage, der dem Verhältnis entspricht, in dem während der zurückgelegten „Beitragszeiten“ das Bruttoarbeitsentgelt des Versicherten zu dem durchschnittlichen Bruttoarbeitsentgelt aller Versicherten der Rentenversicherung der Angestellten und der Arbeiter ohne Lehrlinge und Anlernlinge gestanden hat. Bei Versicherten, die das Vertreibungsschicksal erlitten haben und deswegen für den Verlust ihrer rentenversicherungsrechtlichen Positionen im Herkunftsgebiet nach dem FRG entschädigt werden, stehen die im Herkunftsgebiet zurückgelegten Beitragszeiten den nach Bundesrecht zurückgelegten Beitragszeiten gleich (§ 15 Abs. 1 Satz 1 FRG). § 22 FRG (a.F. und n.F.) bestimmt, welche Bruttoarbeitsentgelte diesen gleichgestellten Beitragszeiten zuzuordnen sind, d.h. welche (fingierten) Bruttoarbeitsentgelte zur Ermittlung der allgemeinen Bemessungsgrundlage einzustellen sind. An dieser Stelle unterscheiden sich das bis zum 30. Juni 1990 gültige Recht, das Übergangsrecht des Art. 6 § 4 Abs. 3 i.V.m. § 5 FANG und das FRG n.F.

Mit dem RRG 1992 wurde die pauschalierende und typisierende Wertermittlung, die § 22 FRG a.F. und die hierzu ergangenen Tabellen vorgeschrieben hatten, ausdifferenziert; auf Anregung des Bundesrates (BT-Drucks. 11/4452, S. 12 zu Art. 20 Nr. 2) wurde das sog. Branchenmodell eingeführt; nach der Neufassung des § 22 FRG und seiner Anlage 17 ist zusätzlich zu der bislang schon angeordneten Unterteilung in qualifikationsbezogene Leistungsgruppen die Tätigkeit, die der Berechtigte im Herkunftsgebiet ausgeübt hat, noch einem von insgesamt 24 Wirtschaftsbereichen zuzuordnen. Die Neufassung des Textes des § 22 FRG erfolgte in zwei Schritten; für die Zeit vom 1. Juli 1990 bis zum 31. Dezember 1991 war der Wortlaut durch Art. 15 Abschnitt B RRG 1992 noch den bis Ende 1991 gültig gewesenen Vorschriften des AVG angepaßt (BT-Drucks. 11/5530, S. 67 zu Abschnitt B); sie entspricht jedoch inhaltlich schon der ab Januar 1992 in Kraft getretenen Fassung des § 22 FRG durch Art. 16 Abschnitt A Nr. 8 RRG 1992, die auf den Sprachgebrauch des SGB VI abgestimmt ist. Hingegen enthält Art. 6 § 5 FANG i.d.F. durch Art. 16 RRG 1992 den Inhalt des § 22 FRG a.F., auf den die Überleitungsregelung des Art. 6 § 4 Abs. 3 Satz 1 FANG anstelle des § 22 FRG n.F. abstellt.

Das SG hat entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts im Ergebnis zu Recht entschieden, daß die Bruttoarbeitsentgelte, die für die (FRG-)Beitragszeiten vom 8. Juni 1942 bis zum 31. Mai 1976 die persönliche Bemessungsgrundlage des Klägers mitbestimmen, nicht nach § 22 FRG n.F. i.V.m. Anlage 17 hierzu festzustellen sind. Die BfA mußte vielmehr die Bewertung dieser Zeiten nach Art. 6 § 5 FANG i.d.F des Art. 16 Nr. 2 RRG 1992, also aufgrund insoweit modifizierter Anwendung des FRG n.F. ohne Anwendung des Branchenmodells vornehmen (s. zur Begründung dieser Modifizierung BT-Drucks. 11/5530, S. 67 zu Abschn. B). Nach Art. 6 § 4 Abs. 3 Satz 1 und § 5 Abs. 1 Satz 1 Buchst. b FANG sind den vom 1. Juli 1942 an nach §§ 15, 16 FRG anzurechnenden Zeiten (noch) die Bruttoarbeitsentgelte der Tabellen der Anlage 9 (männliche Versicherte in der Angestelltenversicherung) oder der Anlage 11 (weibliche Versicherte in der Angestelltenversicherung) zuzuordnen. Deshalb sind für den Kläger insoweit höhere Arbeitsentgelte zu berücksichtigen.

Zu Unrecht haben die BfA und das Berufungsgericht angenommen, Art. 6 § 4 Abs. 3 Satz 1 und § 5 FANG (im folgenden: §§ 4, 5 FANG) fänden keine Anwendung. Allerdings trifft zu, daß Fälle der vorliegenden Art vom Wortlaut des § 4 Abs. 2 und Abs. 3 FANG nicht erfaßt werden; insoweit liegt jedoch eine - bei verfassungsorientierter Auslegung des Gesetzes - planwidrige Regelungslücke vor. Sie ist durch entsprechende Anwendung des § 4 Abs. 3 Satz 1 FANG zu schließen.

§ 4 FANG n.F. enthält das - im Kern verfassungsrechtlich gebotene - Übergangsrecht zu den grundlegenden Änderungen des Fremdrentenrechts, die seit Juli 1990 (für Rentenzahlungsansprüche frühestens zum 31. Juli 1990) und beginnend mit Art. 16 RRG 1992 eingeleitet worden sind. Die Vorschrift wurde inzwischen mehrfach geändert, zuletzt durch Art 4 des Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetzes (WFG) vom 25. September 1996 (BGBl. I S. 1461). Sie enthält in ihrem Abs. 1 zunächst eine (hier nicht einschlägige) Härteklausel. Abs. 2 und Abs. 3 a.a.O. enthalten die allgemeinen Übergangsbestimmungen, Abs. 3a a.a.O. eine (hier nicht beachtliche) Ergänzung dazu; in Abs. 4 a.a.O. wird für den Fall, daß - ausnahmsweise die Anwendung des § 22 Abs. 1 FRG n.F. zu einer höheren Rente führt als die Anwendung des § 5 FANG (also inhaltlich des alten § 22 FRG), eine Betragsbegrenzung auf den niedrigeren Betrag vorgeschrieben, wenn der Berechtigte nach dem 30. Juni 1990 seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet ohne das Beitrittsgebiet genommen hat und sein subjektives Recht auf Rente (Vollrecht) in dieser Zeit, aber vor dem 1. Januar 1992, entsteht; der abgesenkte Betrag bleibt auch für Bezugszeiten ab 1. Januar 1992 maßgeblich. Abs. 5 a.a.O. regelt die Rechtsstellung von Berechtigten aus dem Abkommen vom 9. Oktober 1975 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik Polen über Renten- und Unfallversicherung. Abs. 6 a.a.O. regelt bei Rechten, die ab Januar 1992 entstehen, ob FRG-Zeiten nach den für das Beitrittsgebiet maßgeblichen (niedrigeren) Werten oder nach den allgemeinen Regeln anzurechnen sind.

§ 4 Abs. 2 und 3 FANG n.F. unterscheidet zwischen drei Stufen der Anwendung des FRG: Das „alte“ FRG bleibt uneingeschränkt anwendbar, wenn vor dem 1. Juli 1990 ein „Anspruch auf Zahlung“ einer Rente bestand; dann ist das FRG in seiner bis zum 30. Juni 1990 geltenden Fassung weiter anzuwenden, so daß subjektive Rechte auf Rente, sofern der erste Zahlungsanspruch spätestens zum 1. Juli 1990 (also „für“ den Bezugszeitraum Juli 1990) entstanden war, hinsichtlich ihres monatlichen Wertes (sog. Rentenhöhe) ausschließlich nach dem FRG a.F. zu beurteilen sind. Auf der zweiten Stufe ist das neue FRG - jedoch nur um den Ausschluß des sog. Branchenmodells modifiziert, also - ohne § 22 FRG n.F. anzuwenden; an dessen Stelle kommt es auf § 5 FANG (inhaltlich = § 22 FRG a.F.) an. Diese zweite Stufe ist geregelt in § 4 Abs. 2 Satz 2 a.a.O. (dazu das Senatsurteil vom 27. Februar 1997, 4 RA 59/95, zur Veröffentlichung vorgesehen) und in Abs. 3 Satz 1 und Satz 2 a.a.O.. Die dritte Stufe besteht in der uneingeschränkten Anwendung der Neufassung des FRG. Sie ist vorgesehen, wenn ein Vollrecht auf Rente erstmals nach dem 31. Dezember 1995 entsteht (§ 4 Abs. 3 Satz 3 a.a.O.); eine uneingeschränkte sofortige Anwendung des FRG n.F. ist ferner vorgesehen bei Versicherten, die bis zum 30. Juni 1990 einen gewöhnlichen Aufenthalt im (damaligen) Gebiet der Bundesrepublik Deutschland hatten, dann aber in ein Herkunftsgebiet (Vertreibungsgebiet) zurückgekehrt sind, d.h. ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder Wohnsitz dort genommen hatten, wenn sodann erstmals ein Vollrecht auf Rente entstand (Umkehrschluß aus § 4 Abs. 3 Satz 1 FANG).

Der Kläger wird vom Wortlaut keiner dieser Regelungen des § 4 FANG erfaßt. Das Übergangsrecht regelt also die Rechtsstellung von Versicherten, die Anwartschaftsrechte auf eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung hatten, zu deren wertbildenden Faktoren FRG-Zeiten gehörten, nicht ausdrücklich, soweit sie sich am 30. Juni 1990 gewöhnlich in einem Ausland aufhielten, das - wie Israel - nicht Vertreibungsgebiet war. Dies ergibt sich aus folgendem:

Der Versicherte, der ein Vollrecht auf Rente aus einer Sparte der gesetzlichen Rentenversicherung vor dem 1. Juli 1990 und damit seinen ersten Zahlungsanspruch auf Rente zum 1. Juli 1990 erlangt hatte, kann den Wert seiner FRG-Zeiten uneingeschränkt nach altem Recht in Anspruch nehmen, d.h. für die gesamte Dauer des Bestandes dieses Rechts auf Rente; spätere Änderungen des FRG mindern den monatlichen Wert seines Rechts auf Rente nicht (§ 4 Abs. 2 Satz 1 FANG). Bei den Vollrechtsinhabern kommt es also zwar nicht darauf an, wo sie in der Welt ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben; der Kläger gehört aber nicht zu dieser Gruppe, weil er zum Stichtag kein Vollrecht auf Rente und noch keinen ersten Zahlungsanspruch hatte. Ihm stand zu diesem Zeitpunkt (aufgrund Erfüllung der Mindestversicherungszeit, der sog Wartezeit, § 25 Abs. 7 AVG) ein (individualgrundrechtlich als Eigentum geschütztes) Anwartschaftsrecht auf den Erwerb eines Vollrechtes auf Altersruhegeld gegen die Beklagte zu. Dessen Erstarkung um Vollrecht hing nur noch vom Eintritt des Versicherungsfalls des Alters i.S. von § 25 AVG ab. Für den Erwerb des rentenversicherungsrechtlichen Anwartschaftsrechts ist es - entgegen dem LSG - ohne Bedeutung, ob die Mindestversicherungszeit ausschließlich mit sog Bundesgebietsbeitragszeiten, durch sog fiktive Beitragszeiten oder durch gleichstehende Beitragszeiten (z.B. § 15 FRG) erfüllt sind. Soweit nämlich das FRG anwendbar ist, stehen die nach seinen Vorschriften erworbenen Beitragszeiten Bundesgebietsbeitragszeiten gleich. Ebensowenig wie es eine sog. Auslandsrente als eigenständiges Rechtsinstitut und auch nicht als besondere Art von subjektiven Rentenrechten gibt, kennt das Gesetz eine „FRG-Rente“; hat ein Versicherter nach dem maßgeblichen Rentenversicherungsrecht ein Anwartschaftsrecht (oder ein Vollrecht) auf Rente in einer Sparte der gesetzlichen Rentenversicherung erworben, kann einem Auslandswohnsitz rechtliche Bedeutung nur im Sinne eines Einwandes zukommen, der ggf. den monatlichen Wert der erworbenen Rechtsposition nach den jeweils maßgeblichen Vorschriften mindern oder - ausnahmsweise - die einzelnen monatlichen Zahlungsansprüche vernichten kann, der aber nicht das sog Stammrecht betrifft. Gleiches gilt auch für die Einwendung des Fehlens ausreichender Bundesgebietsbeiträge, soweit FRG-Zeiten zu den wertbildenden Faktoren des Anwartschaftsrechts (oder Vollrechts) gehören (vgl. stellv. Senatsurteil vom 29. August 1996, 4 RA 85/95, zur Veröffentlichung vorgesehen).

Derjenige Versicherte, der zum Stichtag (30. Juni 1990) zwar ein - uneingeschränkt dem „alten“ FRG unterliegendes - Vollrecht auf eine Rente (wegen Berufsunfähigkeit oder wegen Erwerbsunfähigkeit) hatte, das in der Zeit zwischen dem 1. Juli 1990 und dem 31. Dezember 1995 unterging, unterliegt hinsichtlich eines weiteren subjektiven (Voll-)Rechts auf Rente, das in dieser Zeit entsteht (z.B. Recht auf Altersruhegeld/Altersrente), unabhängig davon, wo er in der Welt wohnt, der modifizierten Anwendung des neuen FRG („zweite Stufe), also der Bewertung nach § 5 FANG, wenn die Rentenbezugszeiten aus dem alten und dem neuen Recht auf Rente unmittelbar aneinander anschließen (§ 4 Abs. 2 Satz 2 FANG). Diesem Personenkreis ist der Kläger insoweit vergleichbar, als er auch Versicherte umfaßt, die im Ausland wohnen und hinsichtlich des neuen Rechts auf Rente vor dem Stichtag auch nur - wie er - anwartschaftsberechtigt waren. Der Kläger unterscheidet sich jedoch dadurch, daß er unmittelbar vor dem Erstarken seines Anwartschaftsrechtes zum Vollrecht noch kein anderes Vollrecht aus der gesetzlichen Rentenversicherung hatte.

Anwartschaftsberechtigte, die „bis zum 30. Juni 1990“, also zum o.g. Stichtag, gewöhnlichen Aufenthalt im (damaligen) Gebiet der Bundesrepublik Deutschland (also ohne das Beitrittsgebiet) genommen hatten, und die nach dem Stichtag, aber vor der Entstehung eines Vollrechts auf Rente ihren gewöhnlichen Aufenthalt auch nicht wieder in ein Herkunftsgebiet zurückverlagert hatten, können gleichfalls die Bewertung ihrer FRG-Zeiten nach der um die Anwendung des § 5 FANG modifizierten Neufassung des FRG (also auf der „zweiten Stufe“ ohne Branchenmodell) beanspruchen, wenn das Vollrecht in der Zeit vom 1. Juli 1990 bis Ende 1995 entsteht; die modifizierte Anwendung gilt dann auch für nachfolgend entstehende subjektive Rechte auf Rente, wenn sich die jeweiligen Rentenbezugszeiten ununterbrochen aneinander anschließen (§ 4 Abs. 3 Satz 1 und Satz 2 FANG). Der Kläger erfüllt die Voraussetzungen dieser Vorschrift mit Ausnahme derjenigen, daß der Anwartschaftsberechtigte zum 30. Juni 1990 einen gewöhnlichen Aufenthalt im damaligen Bundesgebiet genommen haben mußte. Denn er wohnte in Israel.

Träfe die Rechtsauffassung der Beklagten (und wohl auch diejenige des LSG) zu, daß § 4 FANG eine abschließende und lückenlose Regelung aller Fälle enthielte, in denen die sofortige Anwendbarkeit der Neufassung des FRG hintangehalten würde, hätte dies (im Umkehrschluß) zur Folge, daß alle Anwartschaftsrechtsinhaber mit FRG-Zeiten, die am 30. Juni 1990 eine (u.U. in jeder rechtlichen Hinsicht gleiche) Anwartschaft auf Erwerb eines Vollrechts hatten, trotz damals gleichwertiger Anwartschaften und gleichartiger Integration in die deutsche gesetzliche Rentenversicherung ab 1. Juli 1990 in zwei Gruppen aufgeteilt worden wären, von denen nur eine, nämlich diejenige mit gewöhnlichem Aufenthalt im Bundesgebiet, vertrauensschützende Übergangsregelungen in Anspruch nehmen könnte, während die andere sofort der uneingeschränkten Neufassung des FRG unterworfen wäre. Dies kann dem geltenden Bundesrecht jedoch nicht entnommen werden. Die nachträgliche Ungleichbehandlung zweier gleicher Rechtspositionen anhand eines später eingeführten Differenzierungskriteriums kann das gleiche Recht auf vertrauensschützende Überleitung, das am Stichtag bestand, nicht aufheben. Diese Rechtsfolge des ungleichen Vertrauensschutzes ist in § 4 Abs. 2 und 3 FANG ebenfalls nicht ausdrücklich vorgeschrieben, sondern wird von der BfA und vom LSG nur im sog. Umkehrschluß gewonnen, der bei verfassungsorientierter Betrachtung jedoch unzulässig ist; vielmehr ist eine Analogie geboten. Auch die Entstehungsgeschichte des § 4 FANG spricht nicht dafür, daß das Konzept dieser Vorschrift darauf gerichtet ist, vor allen Dingen die Verfolgten des NS-Regimes ohne vertrauensschützende Übergangsregelung zu lassen:

Bei einem - im übrigen unterstellt - gleichen Versicherungsverlauf hatten die Anwartschaftsberechtigten, auf die am 30. Juni 1990 das FRG vom Rentenversicherungsträger anzuwenden war, hieraus in gleichem Ausmaß „gleichstehende“ Beitragszeiten, die mit gleichem Wert als wertbildende Faktoren für den monatlichen Wert des noch ausstehenden Vollrechts zu berücksichtigen waren. Diese Gleichheit der Rechtsstellung war unabhängig davon, wo sie sich gewöhnlich aufhielten. Zwar setzte die Herleitung von Rechtsvorteilen aus dem FRG u.a. voraus, daß der Versicherte das Vertreibungsschicksal erlitten hat und zumindest einmal in den Anwendungsbereich des FRG gelangt war. Jedoch war hierfür nur im Regelfall, jedoch nicht notwendig Voraussetzung, daß der Vertriebene gewöhnlichen Aufenthalt oder Wohnsitz (§ 30 Abs. 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch) im Geltungsbereich des FRG (im „alten“ Bundesgebiet) genommen hatte. Wer im Vertreibungsgebiet (oder im Beitrittsgebiet) geblieben oder nur vorübergehend ins Bundesgebiet gekommen war, konnte (abgesehen von Völkervertragsrecht) Rechtsvorteile in der deutschen Rentenversicherung aus dem FRG nicht erlangen. Denn es fehlte am räumlichen Anwendungsbereich dieses Gesetzes und/oder am Vertreibungsschicksal.

Dies galt jedoch nicht für diejenigen NS-Verfolgten, die zugleich auch als deutsche Volkszugehörige oder als Angehörige des DSK das Vertreibungsschicksal erlitten hatten und deswegen nicht nur für den Verfolgungsschaden in der Sozialversicherung nach dem WGSVG vom 22. Dezember 1970 (BGBl. I S. 1846) entschädigt wurden, sondern nach § 20 dieses Gesetzes bei der Anwendung des FRG den anerkannten Vertriebenen i.S. des BVFG gleichgestellt waren. Bei diesem Personenkreis ging das WGSVG durchgängig davon aus, daß der Großteil der vertriebenen Verfolgten keinen gewöhnlichen Aufenthalt im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland genommen hatte. Der Kläger weist also zutreffend darauf hin, daß die Auffassung der Beklagten zu einer für die vertriebenen Verfolgten erheblichen Benachteiligung gegenüber den Vertriebenen führen würde, die zum Stichtag sich gewöhnlich im damaligen Bundesgebiet aufhielten. Ein Sachgrund für diese Ungleichbehandlung bei der Gewährung von Vertrauensschutz ist nicht ersichtlich.

Insbesondere trifft die Auffassung des LSG nicht zu, nur Anwartschaftsinhaber mit Wohnsitz im damaligen Bundesgebiet hätten damals wegen des Integrationsgedankens des FRG damit rechnen können, auch im späteren Leistungsfall so behandelt zu werden, als ob sie im Bundesgebiet beschäftigt gewesen wären und den Verdienst eines vergleichbaren deutschen Versicherten erzielt hätten. Das LSG hat schon verkannt, daß hier nicht um die materiellen Änderungen gestritten wird, welche die Neufassungen des FRG für die Berechtigten vorsehen, die Rente erstmals ab 1996 beanspruchen können; deswegen kann dahingestellt bleiben, ob die vom LSG geschilderten Erwartungen der Vertriebenen in dem von ihm angenommenen Umfang verfassungsrechtlich geschützt sind. Die nachträgliche Ungleichbehandlung zweier gleicher Rechtspositionen bei der Gewährung von vertrauensschützendem Übergangsrecht kann jedenfalls mit solchen Erwägungen mangels Sachbezuges nicht gerechtfertigt werden. Im übrigen hängt die Integration von Anwartschaftsrechtsinhabern in das deutsche Rentenversicherungsrecht nicht davon ab, wo sie sich gewöhnlich aufhalten oder wohnen; einmal erworbene Rechte eines Versicherten sind nicht ortsgebunden, es sei denn, es ist gesetzlich ausdrücklich etwas anderes bestimmt; dies ist für erworbene Rechtsvorteile aus dem FRG (mit Ausnahme der Neufassung des § 4 FANG) nicht geschehen (§ 14 FRG). Entsprechendes gilt für die Ansicht des Berufungsgerichts, in dem Akt der Wohnsitznahme im Bundesgebiet liege eine Betätigung, welche die Gewährung eines besonderen Vertrauensschutzes rechtfertige. Abgesehen davon, daß nicht einmal § 4 Abs. 1 Satz 1 FRG die Wohnsitznahme im Bundesgebiet voraussetzt, handelt es sich auch hierbei um ein nachträglich eingeführtes, den zuvor erworbenen Anwartschaftsrechten nicht zugrunde liegendes Unterscheidungskriterium, das schon deshalb verfassungsrechtlich nicht rechtfertigen könnte, gleiche Anrechte auf Vertrauensschutz nachträglich unterschiedlich zu behandeln. Sachlich nicht nachvollziehbar sind die Hinweise des LSG auf die in §§ 94 ff. AVG und §§ 110 ff. SGB VI geregelten Einwendungen des Auslandswohnsitzes und der Erforderlichkeit von Bundesgebietsbeiträgen. Sie gelten für alle Anwartschaftsberechtigten gerade unabhängig davon, wo sie sich am 30. Juni 1990 in der Welt gewöhnlich aufgehalten haben. Unzutreffend ist der Hinweis auf sog Auslandsrenten, ein Ausdruck, der verwaltungstechnisch Vereinfachungsfunktionen haben mag, der aber rechtlich schon deswegen in die Irre führt, weil es kein eigenständiges subjektives Recht mit der Rechtsnatur einer „Auslandsrente“ gibt. Unrichtig ist auch die Ansicht des Berufungsgerichts, aus den in den Vertreibungsgebieten zurückgelegten Beitragszeiten nach dem FRG könnten subjektive Rechte oder Ansprüche nur hergeleitet werden, wenn Bundesgebietsbeitragszeiten vorlägen. Sogar dann, wenn das Berufungsgericht an den extremen Ausnahmefall gedacht haben sollte, daß ein im Ausland wohnender Versicherter über § 20 WGSVG (oder kraft Völkerrechts) dem Anwendungsbereich des FRG unterstellt war und sein Versicherungsverhältnis zum deutschen Rentenversicherungsträger ausschließlich aus solchen Zeiten besteht, trifft diese Ansicht nicht zu. Da FRG-Zeiten den im Bundesgebiet zurückgelegten Beitragszeiten gleichstehen, reichen sie auch bei einem im Ausland wohnenden Versicherten aus, seine Versicherteneigenschaft zu begründen, die Mindestversicherungszeit zu erfüllen und die Entstehung des subjektiven Rechts auf eine Rente (z.B. auf Regelaltersrente) zu begründen. Allerdings hat der Versicherungsträger in einem solchen Fall den monatlich entstehenden Zahlungsansprüchen den diese vernichtenden Einwand des Auslandswohnsitzes und der fehlenden Bundesgebietsbeitragszeiten entgegenzuhalten; das bedeutet aber nicht, daß das subjektive Vollrecht nicht entstanden wäre; vielmehr kann der Rechtsinhaber daraus für die Dauer des Auslandsaufenthaltes bzw. des Fehlens von hinreichenden Bundesgebietsbeiträgen keine durchsetzbaren monatlichen Zahlungsansprüche erhalten; entfallen die Voraussetzungen dieser Einwendungen, z.B. durch Zahlung hinreichender Bundesgebietsbeiträge (wie im Falle des Klägers) oder durch Umzug in das Bundesgebiet, ist nicht zweifelhaft, daß „allein aus FRG-Zeiten“ das subjektive Recht auf Rente und durchsetzbare monatliche Zahlungsansprüche hieraus entstehen. Dem LSG ist nur in dem Ergebnis beizupflichten, daß der Zuzug nach Israel für die Vertrauensbildung ohne Bedeutung ist; das bedeutet aber, daß bei gleichem Anwartschaftsrecht - unabhängig vom Wohnsitz - auch gleicher Vertrauensschutz zu gewähren ist.

Den sog Gesetzesmaterialien ist kein Hinweis dafür zu entnehmen, das Konzept des Art. 6 § 4 FANG ziele darauf ab, vor allem die Mehrzahl der vertriebenen Verfolgten, die im Ausland wohnt, aber auch eine Vielzahl von deutschen Versicherten, die am 30. Juni 1990 gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland (ohne das Beitrittsgebiet und die Vertreibungsgebiete) genommen hatten, von der vertrauensschützenden Übergangsregelung auszunehmen. Durchgängiges Thema der Beratungen war, wie das FRG nach Beendigung der Nachkriegszeit und unter den geänderten Verhältnissen bei den sog. Rentenneuzugängen sachgerechter und kostensparender - unter Wahrung von Vertrauensschutz - zu gestalten sei (stellvertretend BT-Drucks. 11/5530, S. 67 f.; BT-Drucks. 12/630, S. 15; BT-Drucks 12/405, S. 165; BR-Drucks. 197/91, S. 30; BR-Drucks. 197/1/91, S. 31; BT-Drucks. 13/4610, S. 28). Die Beratungen kreisten um die Personen, die als sog Spätaussiedler aus den Vertreibungsgebieten (und dann aus dem Beitrittsgebiet) in das „alte“ Bundesgebiet kamen und dadurch erstmals Berechtigungen nach dem FRG erlangten. An keiner Stelle wird deutlich, es sei auch nur ansatzweise erwogen worden, den vertriebenen Verfolgten und den anderen Anwartschaftsrechtsinhabern im Ausland mit bereits aus dem FRG erworbenen Rechtsvorteilen einen geringeren Vertrauensschutz in der Übergangszeit bis Ende 1995 zu gewähren als den Anwartschaftsrechtsinhabern, die sich gewöhnlich in Deutschland aufhielten. Der Stichtag diente vielmehr ausschließlich dazu, die rechtliche Grenze zwischen den Personen zu markieren, die bereits aufgrund der räumlichen Anwendbarkeit des FRG Rechtsvorteile hieraus erlangt hatten, und denjenigen, die erst nach dem Stichtag durch Zuzug in das „alte“ Bundesgebiet unter den (räumlichen) Anwendungsbereich des FRG gelangten und sich dann - anders als die sog. Pendler - gewöhnlich hier aufhielten.

Vor diesem Hintergrund ist die planwidrige Lückenhaftigkeit der Vertrauensschutzregelung des § 4 Abs. 2 und Abs. 3 FANG deutlich. Es lag - wie ausgeführt - nicht im Konzept des am 18. Dezember 1989 beschlossenen RRG 1992, vor allem die vertriebenen Verfolgten im Ausland dazu aufzufordern, bis Ende Juni 1990 in das damalige Bundesgebiet zu ziehen oder - in aller Regel - eine Wertminderung ihrer bereits erworbenen Rechtspositionen ohne vertrauensschützende Übergangsregelung hinzunehmen. Es gibt vielmehr keinen Hinweis darauf, daß die Rechtsstellung der Anwartschaftsrechtsinhaber mit Wohnsitz im Ausland und bereits erlangten Rechtsvorteilen aus dem FRG überhaupt bedacht worden ist. Da keine verfassungsrechtlich haltbare Alternative von der Beklagten aufgezeigt oder sonst ersichtlich wäre, daß diese Lücke anders geschlossen werden könnte als durch entsprechende Anwendung des Art. 6 § 4 Abs. 3 Satz 1 und 2 FANG, hätte die BfA diese Vorschriften im Falle des Klägers entsprechend anwenden müssen.

2. Dieses Ergebnis folgt (worauf der Senat sich außerdem gleichfalls stützt) aus Art. 4 Abs. 1 DISVA, einem allerdings nur zweiseitigen völkerrechtlichen Vertrag. Danach gelten (soweit das Abkommen nichts anderes bestimmt) die Rechtsvorschriften eines Vertragsstaates, nach denen die Entstehung von Ansprüchen auf Leistungen oder die Gewährung von Leistungen oder die Zahlung von Geldleistungen vom Inlandsaufenthalt abhängig ist, nicht für die in Art. 3 Abs. 1 genannten Personen, die sich im Gebiet des anderen Vertragsstaates aufhalten. Nach dieser Vorschrift wäre der Kläger als Staatsangehöriger Israels mit ständigem Aufenthalt dort wie ein im („alten“) Bundesgebiet wohnender deutscher Versicherter zu behandeln. Nach Nr. 3 Buchst. a Spiegelstrich 2 des Schlußprotokolls zum DISVA bestand zwischen den Vertragsparteien jedoch Einverständnis zu Art. 4 Abs. 1 DISVA darüber, daß diese Vorschrift nicht die deutschen Rechtsvorschriften über Leistungen aus Versicherungszeiten berührt, die nicht nach Bundesrecht zurückgelegt sind. Damit wird allerdings nur klargestellt, daß z.B. FRG-Zeiten bei einem in Israel lebenden israelischen Staatsbürger nach denselben Vorschriften rechtliche Bedeutung haben, die für einen versicherten deutschen Staatsbürger gelten, der sich in Israel oder einem anderen Staat gewöhnlich aufhält. Da - wie ausgeführt - FRG-Zeiten nach Bundesrecht die Fähigkeit haben, allein aus sich heraus subjektive Rechte auf Rente entstehen zu lassen, hätte der Kläger (dessen monatlichen Zahlungsansprüchen das Fehlen von hinreichenden Bundesgebietsbeitragszeiten im übrigen - wie gesagt - nicht entgegengehalten werden kann) nach Art. 4 Abs. 1 DISVA gemäß den für Deutsche mit gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland (im „alten“ Bundesgebiet) gültigen Regeln behandelt werden müssen, wie das SG im Ergebnis richtig gesehen hat.

Nach alledem war der Bescheid der Beklagten vom 28. Oktober 1991 insoweit rechtswidrig, als er dem Kläger die Anwendung vertrauensschützenden Übergangsrechts, nämlich diejenige des § 5 FANG versagt hat. Die Revision mußte deshalb Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 und Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz.

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